a-6863 (ACC-AFG-6863)

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Conrad Schetter schreibt in seinem 2004 veröffentlichten Buch „Kleine Geschichte Afghanistans“ im Zusammenhang mit militärischen Auseinandersetzungen um Kabul, dass zunächst die Gruppen Jamiat-i Islami, Jombesch-i Melli und Hezb-i Wahdat in einem Bündnis gegen die Hezb-i Islamigekämpft hätten. Jedoch hätten Hezb-i Wahdat und Jombesch-i Melli dann ihre Allianz mit der Jamiat-i Islami aufgekündigt und sich mit Hekmatyar [Anführer der Hezb-i Islami, Anm. ACCORD] gegen die Jamiat-i Islami verbündet. Eine Neujahrsoffensive dieser neuen Allianz habe zu einer Intensivierung der Kämpfe in Kabul geführt. Gegen Ende 1994 habe die Jamiat die Kontrolle über die meisten Teile Kabuls zurückerlangt:
„Mit dem Zerfall Afghanistans ging auch jegliche Sicherheit verloren: Willkürliche Gewaltanwendung, die Erhebung von Wegezöllen, Überfälle und Enteignungen waren überall im Land an der Tagesordnung. Die militärischen Auseinandersetzungen konzentrierten sich dagegen auf Kabul. Es galt die Devise, wer Kabul beherrscht, beherrscht Afghanistan. Zunächst entsprach die Frontstellung der Formel ‚Nicht-Paschtunen gegen Paschtunen’, da sich jam’iat-i islami, Dostums jombesch-i melli und hezb-i wahdat in einem Bündnis gegen die hezb-i islami befanden. […] Jedoch hielt die Allianz der Nicht-Paschtunen nicht lange: Bereits im Spätsommer 1992 kündigte die hezb-i wahdat die Allianz auf. Neujahr 1994 verließ auch Dostum das Bündnis. Beide Parteien verbündeten sich nun mit Hekmatyar gegen die jam’iat-i islami. Die Neujahrsoffensive dieser neuen Allianz intensivierte die Kämpfe in Kabul und trug den Krieg auch in die Provinzen hinein. […] Gegen Ende des Jahres 1994 hatte die jam’iat-i islami die Kontrolle über die meisten Stadtteile Kabuls gewonnen.“ (Schetter, 2004, S. 119)
Amnesty International (AI) schreibt in seinem Jahresbericht 1996 vom Jänner 1996 (Berichtszeitraum 1995), dass drei politische Gruppierungen miteinander um Kontrolle über Gebiete kämpft hätten: die mit der Regierung von Präsident Rabbani und der Jamiat-e Islami verbündete Shura-e Nezar, die Shura-e Hamahangi, die unter anderem die Hezb-e Islami unter Führung von Gulbuddin Hekmatyar umfasse, sowie die Taliban. Es habe heftige Gefechte um zwischen bewaffneten Gruppen um die Kontrolle über Kabul gegeben:
“Drei größere bewaffnete politische Gruppen kämpften miteinander um die Kontrolle über Territorien. Die Shura-e Nezar unter Führung von Ahmad Shah Masood, die mit der Regierung von Präsident Rabbani und der Jamiat-e Islami alliiert war, kontrollierte die zentralafghanischen Provinzen, die Provinzen im Nordosten und die Hauptstadt Kabul. Die Shura-e Hamahangi, die die Truppen von General Abdul Rashid Dostum, die Hezb-e Islami unter Führung von Gulbuddin Hekmatyar und die schiitische Hezb-e Wahdat umfaßte, kontrollierte den größten Teil der Provinzen im Norden und Nordwesten. Die überwiegend aus islamistischen Studenten zusammengesetzten Taleban-Milizen hielten die Provinzen im Süden und Südwesten in ihrer Gewalt. […] Bewaffnete Gruppen kämpften in erbitterten Gefechten um die Kontrolle über Kabul.” (AI, 1. Jänner 1996)
Amnesty International (AI) hält im seinem im Jänner 1995 veröffentlichten Jahresbericht 1995 fest, dass es einem Zusammenschluss von Mudschaheddin-Gruppen unter Führung der Jamiat-e-Islami gelungen sei, Kabul weitgehend zurückzuerobern. Indes hätte ein Bündnis von Oppositionsparteien unter Führung der Hezb-e-Islami andere Landesteile kontrolliert:
„Wie schon in den vergangenen Jahren existierte keine effektive Zentralgewalt. Die Führer der wichtigsten kriegführenden Gruppen, Borhannudin Rabbani von der Gesellschaft des Islam (Jamiat-e-Islami) und Gulbuddin Hekmatyar von der Partei des Islam (Hezb-e-Islami), blieben Präsident und Ministerpräsident. Einem Zusammenschluß von Mudschaheddin-Gruppen unter Führung der Jamiat-e-Islami gelang es, die Kontrolle über die Hauptstadt Kabul weitgehend zurückzuerobern. Ein Bündnis von Oppositionsparteien unter Führung der Hezb-e-Islami hielt andere Landesteile in ihrer Gewalt. Das übrige Afghanistan wurde von unabhängigen Befehlshabern kontrolliert, die mehr oder weniger mit der einen oder der anderen der rivalisierenden Allianzen paktierten.“ (AI, 1. Jänner 1995)
Das US Department of State (USDOS) hält im Jahresbericht zur Menschenrechtslage 1994 vom Februar 1995 fest, dass unter anderem Truppen, die dem Premierminister Gulbuddin Hekmatyar unterstanden hätten, beginnend mit 1. Jänner 1994 einen Umsturzversuch gegen Präsident Rabbani unternommen hätten. Im Zuge der langwierigen Kampfhandlungen habe es zahlreiche zivile Opfer gegeben, und ein Großteil Kabuls sei zerstört worden. Weiters berichtet das USDOS, dass Rabbanis Truppen im August 1994 offenbar einen Luftangriff, der auf Hekmatyar selbst abgezielt hätte, unternommen hätten:
„The simmering civil war intensified on January 1 when troops commanded by the leader of the National Islamic Movement (NIM), General Abdul Rashid Dostam, aided by forces loyal to Prime Minister Gulbuddin Hekmatyar, attempted a coup d'etat against President Rabbani. The attempt was foiled, but the protracted fighting caused heavy civilian casualties and the destruction of much of Kabul.” (USDOS, Februar 1995, Introduction)
“President Rabbani's forces apparently targeted Hekmatyar himself in an August 12 air raid that demolished his living quarters.” (USDOS, Februar 1995, Sec. 1a)
“On January 1, General Dostam's troops in Kabul, theretofore aligned with President Rabbani, switched to Prime Minister Hekmatyar's side and attempted to oust the President in a coup d'etat. The President's forces quickly countered and the ensuing fighting engulfed much of Kabul and northern parts of the country.” (USDOS, Februar 1995, Sec. 1g)
 Quellen:(Zugriff auf alle Quellen am 5. August 2009)
AI - Amnesty International: Jahresbericht 1996 – Afghanistan (Islamischer Staat), 1. Jänner 1996
http://www.amnesty.de/umleitung/1996/deu03/004?lang=de%26mimetype%3dtext%2fhtml 
AI - Amnesty International: Jahresbericht 1995 – Afghanistan (Islamischer Staat), 1. Jänner 1995
http://www.amnesty.de/umleitung/1995/deu03/002?lang=de%26mimetype%3dtext%2fhtml
Schetter, Conrad: Kleine Geschichte Afghanistans, 2004: Verlag C.H. Beck^
USDOS - US Department of State: Country Reports on Human Rights Practices 1994 - Afghanistan, Februar 1995
http://dosfan.lib.uic.edu/ERC/democracy/1994_hrp_report/94hrp_report_sasia/Afghanistan.html