Document #1220586
AI – Amnesty International (Author)
Amtliche Bezeichnung: Königreich Saudi-Arabien
Regierungschef: König Abdullah Bin 'Abdul 'Aziz al-Saud
Todesstrafe: nicht abgeschafft
Einwohner: 25,7 Mio.
Lebenserwartung: 72,7 Jahre
Kindersterblichkeit (m/w): 26/17 pro 1000 Lebendgeburten
Alphabetisierungsrate: 85%
Die Behörden unterdrückten weiterhin das Recht auf freie Meinungsäußerung und andere Grundrechte. Mehrere hundert Menschen wurden unter Terrorismusverdacht inhaftiert. Tausende Personen, die in den vorhergehenden Jahren aus Sicherheitsgründen festgenommen worden waren, befanden sich noch immer in Haft, unter ihnen auch gewaltlose politische Gefangene. Etwa 330 des Verstoßes gegen die Sicherheit verdächtigte Personen wurden vor ein neu geschaffenes Sondergericht gestellt und in unfairen Prozessen unter Ausschluss der Öffentlichkeit verurteilt. Ein Angeklagter erhielt die Todesstrafe, gegen 323 weitere ergingen Haftstrafen.
Frauen litten weiterhin unter schwerer Diskriminierung, sowohl vor dem Gesetz als auch im täglichen Leben. Allerdings gab es auch Anzeichen für Reformen. Der Staat bot Frauen und insbesondere ausländischen Hausangestellten keinen ausreichenden Schutz vor Gewalt. Schiiten und andere Personengruppen gerieten wegen der Ausübung ihres Glaubens ins Fadenkreuz der Behörden. Die Rechte von Arbeitsmigranten, Flüchtlingen und Asylsuchenden wurden verletzt. Dem Justizsystem fehlte es weiterhin an Transparenz, und die Rechtsprechung erfolgte in der Regel im Schnellverfahren. Systematische Folterungen und Misshandlungen an Gefangenen waren an der Tagesordnung, wobei die dafür Verantwortlichen in der Regel straffrei ausgingen. Gerichte verhängten regelmäßig Körperstrafen. Mindestens 69 Menschen wurden 2009 hingerichtet, unter ihnen zwei jugendliche Straftäter.
Im Februar befasste sich der UN-Menschenrechtsrat im Rahmen der universellen regelmäßigen Überprüfung mit der Lage der Menschenrechte in Saudi-Arabien. Die saudische Regierung brachte einige Reformen auf den Weg, betonte jedoch gleichzeitig, dass die Gesetze des Landes auf religiösen Grundlagen beruhen. Im Mai wurde Saudi-Arabien als Mitglied des UN-Menschenrechtsrats wiedergewählt.
Im Februar 2009 wurde zum ersten Mal eine Frau als stellvertretende Ministerin in die Regierung berufen. Der Oberste Gerichtshof fungiert seit Februar laut Justizverfassungsgesetz von 2007 auch als höchstes Berufungsgericht. Die Kassationsgerichte wurden ebenfalls durch Berufungsgerichte ersetzt.
Im Juli trat zum ersten Mal ein Gesetz gegen das offenbar große Problem des Menschenhandels in Saudi-Arabien in Kraft. Wer des Menschenhandels überführt wird, dem drohen bis zu 15 Jahre Haft und eine Geldstrafe.
Es gab Berichte zu Übergriffen durch Anhänger oder Mitglieder von Al-Qaida. Im August wurde der stellvertretende Innenminister offenbar bei einem Selbstmordanschlag verletzt. Im Oktober ließ das Innenministerium verlauten, dass zwei Männer in der Provinz Jizan bei Zusammenstößen zwischen Sicherheitskräften und militanten Aktivisten ums Leben gekommen seien. In diesem Zusammenhang seien sechs jemenitische Staatsbürger verhaftet worden.
In den letzten Monaten des Jahres 2009 griff der Konflikt in der jemenitischen Region Sa'da auch auf Saudi-Arabien über. Mehrere saudi-arabische Soldaten wurden dem Vernehmen nach von jemenitischen Rebellen getötet. Saudi-arabische Kampfflugzeuge flogen Angriffe auf die Rebellen. Es blieb unklar, ob es bei solchen Angriffen ausreichende Schutzmaßnahmen für die zivile Bevölkerung gegeben hat. Die Regierung versuchte die Grenze zum Jemen für Flüchtlinge zu schließen. Menschen, die über Sa'da ins Land gelangten, wurden gegen ihren Willen in den Jemen zurückgeführt.
Unter Berufung auf Sicherheitsbelange und den Kampf gegen den Terrorismus wandten die Behörden eine Vielzahl repressiver Maßnahmen an und unterwanderten damit zaghafte Gesetzesreformen. Die Antiterrorgesetze mit ihren vagen und allgemein gehaltenen Formulierungen wurden benutzt, um die friedliche Wahrnehmung des Rechts auf freie Meinungsäußerung und andere legitime Handlungen zu unterbinden. Die Sicherheitskräfte hielten sich nicht einmal an diese Gesetze, da sie mit Straffreiheit rechnen konnten.
Die Behörden nahmen 2009 mehrere hundert Menschen unter Berufung auf Sicherheitsbelange fest. Tausende Menschen, die bereits in den vergangenen Jahren inhaftiert worden waren, blieben unter geheim gehaltenen Umständen im Gewahrsam der Behörden. Viele standen im Verdacht, islamistische Gruppierungen zu unterstützen. In der Regel werden solche Gefangenen ohne Anklageerhebung oder Gerichtsverfahren über Monate oder Jahre hinweg in Untersuchungshaft gehalten und verhört. Sie erhalten keine Möglichkeit, die Rechtmäßigkeit ihrer Inhaftierung gerichtlich prüfen zu lassen. Den meisten von ihnen wird der Zugang zu einem Rechtsbeistand verweigert. Familienbesuche oder Kontakte mit der Familie bleiben vielen Gefangenen oft über Monate oder Jahre hinweg verwehrt. Sie sitzen in Gefängnissen ein, in denen Folter und Misshandlungen an der Tagesordnung sind und angewandt werden, um selbstbelastende "Geständnisse" zu erzwingen. Im Fall einer Anklageerhebung werden die Gefangenen in grob unfairen Gerichtsverfahren abgeurteilt, die unter Ausschluss der Öffentlichkeit und ohne Rechtsbeistand stattfinden. Die Angeklagten werden von einem dreiköpfigen Gremium nur kurz zu ihren "Geständnissen" befragt. Die gegen sie verhängten Strafen reichen von Auspeitschungen über Freiheitsentzug bis hin zur Todesstrafe. Manche Häftlinge verbleiben auch nach Ablauf ihrer Strafe in Gewahrsam, andere werden für unbestimmte Zeit zur "Umerziehung" in den Gefängnissen festgehalten.
Menschenrechtsverteidiger und Regierungskritiker, die sich friedlich für politische Reformen eingesetzt hatten, wurden weiterhin festgenommen. Einige in den vergangenen Jahren inhaftierte Personen blieben auch 2009 in staatlichem Gewahrsam. Bei ihnen handelt es sich um gewaltlose politische Gefangene.
Folterungen und Misshandlungen waren 2009 weit verbreitet und blieben straflos. Zu den Foltermethoden zählten schwere Schläge, Elektroschocks, das Aufhängen von Gefangenen an der Decke, Schlafentzug und Beleidigungen.
Frauen litten auch weiterhin unter schwerer Diskriminierung sowohl vor dem Gesetz als auch im täglichen Leben. Frauen durften ihr Haus nicht ohne Begleitung eines männlichen Bewachers verlassen, heiraten oder öffentliche Institutionen aufsuchen. Nach wie vor war es Frauen untersagt, Auto zu fahren. Im Juni teilten die saudi-arabischen Behörden der UN-Hochkommissarin für Menschenrechte (UNHRC) mit, dass Schritte zum Abbau der Diskriminierung von Frauen unternommen würden. Bis Ende 2009 waren jedoch keine nennenswerten Änderungen eingeführt worden.
Im April veröffentlichte die UN-Sonderberichterstatterin über Gewalt gegen Frauen einen Bericht über ihren Besuch in Saudi-Arabien im Jahr 2008. Der Bericht bescheinigte dem Land bescheidene Reformen, kam aber zu dem Schluss, dass das Ausmaß der Diskriminierung von Frauen deren Rechte und Würde stark beeinträchtigt. Weiter hieß es, dass Frauen oft großen Hindernissen gegenüberstehen, wenn sie dem häuslichen Missbrauch entfliehen wollen. Als Gründe hierfür wurden u. a. die mangelnde Selbstbestimmung der Frauen und ihre wirtschaftliche Abhängigkeit angeführt sowie die Bestimmungen zu Scheidungen und dem Sorgerecht für die Kinder, ferner das Fehlen von Gesetzen für die strafrechtliche Verfolgung von häuslicher Gewalt gegen Frauen, die uneinheitliche Durchsetzung von Gesetzen und Widersprüche im Justizsystem. Der Bericht stellte auch fest, dass der Staat Fällen von Gewalt gegen weibliche Hausangestellte nicht genügend Rechnung trägt.
2009 gingen mehrere Fälle von Gewalt gegen Frauen durch die Medien.
Nach vielen negativen Berichten über die Folgen einer Frühehe für Frauen leiteten die Behörden erste Schritte ein, um dieses Thema aufzugreifen.
Schiitische Muslime sowie mindestens ein Christ wurden wegen ihres Glaubens behelligt. 18 ismailitische Schiiten kamen aus der Haft frei. 17 von ihnen hatten seit dem Jahr 2000 eine zehnjährige Freiheitsstrafe verbüßt. Die meisten von ihnen waren gewaltlose politische Gefangene.
Arbeitgeber und Staatsbeamte verstießen gegen die Rechte von Arbeitsmigranten, ohne dass dies geahndet worden wäre. Hausangestellte, vor allem Frauen, mussten bis zu 18 Stunden täglich arbeiten. Einige von ihnen wurden sexuell oder anderweitig missbraucht.
Etwa 500 Arbeitsmigranten und weitere Personen, die im Abschiebehaftzentrum al-Shumaisi in Riyadh inhaftiert waren, traten im September in einen Hungerstreik, um gegen ihre andauernde Haft sowie ihre Unterbringung in überfüllten und schmutzigen Räumlichkeiten zu protestieren. Einige von ihnen waren im Besitz von gültigen Pässen und Flugtickets, um Saudi-Arabien zu verlassen. Sie erhielten keine Gelegenheit, die Rechtmäßigkeit ihrer Inhaftierung anzufechten, und wurden bis zu sieben Monate lang festgehalten, bevor man sie des Landes verwies. Es hieß, einige von ihnen seien in der Haft ums Leben gekommen.
Die Behörden verweigerten weiterhin Flüchtlingen und Asylsuchenden die Einreise. Von August an wurde die südliche Grenze zu Jemen geschlossen, um die Einreise von Menschen zu verhindern, die dem Konflikt in der jemenitischen Region Sa'da entkommen wollten.
Es wurden erneut Menschen ausgepeitscht, nachdem Gerichte sie zu dieser Strafe verurteilt hatten. Mehrere Menschen wurden des Diebstahls für schuldig befunden und zur Amputation einer Hand verurteilt.
Die Todesstrafe wurde weiterhin sehr häufig angewandt. Anders als in den Vorjahren wurde aber offensichtlich niemand ausschließlich wegen Drogenvergehen hingerichtet. Angeklagte, die sich wegen schwerer Straftaten verantworten mussten, sahen sich grob unfairen Gerichtsverfahren gegenüber. Ihnen wurde nicht nur ein Rechtsbeistand verweigert, oft erfolgte ihre Verurteilung auch allein aufgrund von "Geständnissen", die unter Folter zustande gekommen waren.
Mindestens 69 Menschen wurden im Jahr 2009 hingerichtet, 141 Gefangene saßen in den Todeszellen. Die Dunkelziffer der zum Tode Verurteilten scheint jedoch noch höher zu liegen. Unter den Hingerichteten befanden sich zwei Frauen, zwei zur Tatzeit jugendliche Straftäter und 19 ausländische Staatsbürger.
Amnesty International ist bei der saudi-arabischen Regierung erneut mit der Bitte um Gespräche zur Lage der Menschenrechte vorstellig geworden. Die Regierung erteilte jedoch keine Einreisegenehmigung.
Saudi-Arabia: Assaulting human rights in the name of counter-terrorism (MDE 23/009/2009)
Saudi-Arabia: Countering terrorism with repression (MDE 23/025/2009)
© Amnesty International
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Amnesty International Report 2010 - The State of the World's Human Rights (Periodical Report, English)