Amnesty International Report 2011 - Zur weltweiten Lage der Menschenrechte

Amtliche Bezeichnung: Föderative Republik Brasilien
Staats- und Regierungschef: Luiz Inácio (Lula) da Silva
Todesstrafe: für gewöhnliche Straftaten abgeschafft
Einwohner: 195,4 Mio.
Lebenserwartung: 72,9 Jahre
Kindersterblichkeit (m/w): 33/25 pro 1000 Lebendgeburten
Alphabetisierungsrate: 90%

Arme Gemeinden waren 2010 weiterhin einer Reihe von Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt, zu denen Zwangsräumungen und der fehlende Zugang zu Grundversorgungseinrichtungen gehörten. In einigen Städten sank die Zahl der Tötungsdelikte, doch verstärkten das hohe Maß an Polizei- und Bandengewalt in den Favelas (Elendsvierteln) die Benachteiligung. Folter, Überbelegung und entwürdigende Haftbedingungen bestimmten nach wie vor den Alltag in Gefängnissen und Jugendstrafanstalten. Mangels wirksamer Kontrollen kam es dort zu Unruhen, bei denen zahlreiche Menschen zu Tode kamen. Indigene Gemeinschaften, Quilombolas (Angehörige afrikanischstämmiger Gemeinschaften) und landlose Arbeiter waren im Zusammenhang mit Landstreitigkeiten Drohungen, Einschüchterungsversuchen und Gewalt ausgesetzt. Menschenrechtsverteidiger waren nach wie vor gefährdet und hatten häufig Schwierigkeiten, staatlichen Schutz zu erwirken.

Hintergrund

Zum Ende der zweiten und letzten Amtszeit von Präsident Luiz Inácio (Lula) da Silva konnte Brasilien Wirtschaftswachstum, politische Stabilität und ein hohes internationales Ansehen verzeichnen. Große Fortschritte gab es bei der Armutsbekämpfung, doch herrschte nach wie vor eine enorme Ungleichheit im Land. Dilma Rousseff, die im Oktober die Präsidentschaftswahlen in der zweiten Runde gewann, versprach politische Kontinuität. Ihr Amtsantritt wurde auf Januar 2011 festgesetzt. Sie erklärte öffentliche Sicherheit, Gesundheit und die Beseitigung der Armut zu den vorrangigen Themen ihrer Regierung.
Im Mai 2010 genehmigte der Präsident eine geänderte Version des dritten Nationalen Programms für Menschenrechte (O terceiro Programa Nacional de Direitos Humanos), trotz der Kritik, dass man Ausführungen zur Entkriminalisierung der Abtreibung, zur Mediation bei Agrarkonflikten und Abschnitte, in denen es um die Verbrechen ging, die unter der Militärregierung (1964-85) begangen worden waren, gestrichen hatte.
Im Oktober entschied der Oberste Gerichtshof Brasiliens in einem Grundsatzurteil, die Ermittlungen und das Gerichtsverfahren im Tötungsfall des ehemaligen Rechtsanwalts und Menschenrechtsaktivisten Manoel Mattos unter die Zuständigkeit der Bundesbehörden zu stellen. Es war das erste Mal, dass ein Fall unter die Bundesgerichtsbarkeit gestellt wurde, seit eine Verfassungsänderung von 2004 es ermöglicht, Fälle schwerer Menschenrechtsverletzungen auf Bundesebene zu verhandeln. Manoel Mattos hatte die Aktivitäten von Todesschwadronen in der Grenzregion der Bundesstaaten Paraíba und Pernambuco aufgedeckt. Die Ermittlungen zu seinem Tod wurden durch Drohungen gegen Zeugen behindert.
Trotz des Widerstands von indigenen und anderen ländlichen Gemeinschaften, Menschenrechts- und Umweltschutzgruppen sowie Bundesstaatsanwälten erteilte die brasilianische Umweltbehörde im Februar eine umweltrechtliche Genehmigung für das umstrittene Belo-Monte-Staudammprojekt am Rio Xingu im Bundesstaat Pará. Lokale NGOs erhoben den Einwand, dass das Staudammprojekt Tausende von Familien heimatlos machen und weite Teile angestammter indigener Gebiete überfluten könne. Im Oktober setzte die brasilianische Regierung ein positives Signal und veranlasste die Einrichtung eines sozioökonomischen Registers, in dem alle vom Staudammbau betroffenen Personen erfasst werden sollen.
Im Februar verabschiedete Brasilien eine Verfassungsänderung, die eine Ergänzung der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte um das Recht auf Nahrung vorsieht. Im November ratifizierte Brasilien das Internationale Übereinkommen zum Schutz aller Personen vor dem Verschwindenlassen. Brasilien weigerte sich jedoch, die Zuständigkeit des UN-Ausschusses über das Verschwindenlassen für die Entgegennahme von Beschwerden anzuerkennen, die von bzw. im Namen von Opfern oder Staaten vorgebracht werden, wenn staatliche Behörden ihren Verpflichtungen nicht nachgekommen sind.

Öffentliche Sicherheit

Gewalt seitens Krimineller sowie der Polizei stellte in den größten Städten Brasiliens nach wie vor ein ernstes Problem dar. In einem Fortschrittsbericht schrieb der UN-Sonderberichterstatter über außergerichtliche, summarische oder willkürliche Hinrichtungen, dass es weiterhin die Regel sei, "dass Bürger, vor allem Bewohner der Favelas, der Gewalt von Banden, Milizen und Polizei hilflos ausgeliefert" und "außergerichtliche Tötungen nach wie vor weit verbreitet" seien.
In Rio de Janeiro wurden in den Favelas weitere Befriedungseinheiten der Polizei (Unidades de Polícia Pacificadores) stationiert, was zu einer Abnahme der Gewalt führte. Außerhalb dieser Projekte war Polizeigewalt, auch in Form von Tötungen, jedoch nach wie vor weit verbreitet. Offiziellen Statistiken zufolge tötete die Polizei im Berichtsjahr 855 Personen in Situationen, die als "Widerstand gegen die Staatsgewalt" bezeichnet wurden.
Im November 2010 startete die Polizei in Rio als Reaktion auf gewalttätige Aktionen von Banden, bei denen über 150 Fahrzeuge angezündet und Polizeiposten angegriffen worden waren, massive Einsätze im gesamten Stadtgebiet. In einer Woche wurden über 50 Menschen bei Auseinandersetzungen zwischen Polizei und Drogenbanden getötet. Die Polizei tötete bei einem einzigen Einsatz im Stadtteil Jacarezinho sieben Personen. Im Viertel Vila Cruzeiro wurde ein 14-jähriges Mädchen zu Hause getötet, als es von einer verirrten Kugel getroffen wurde. Am Ende der gleichen Woche starteten über 2600 Polizisten sowie Angehörige von Armee und Marine einen Großeinsatz im Complexo do Alemão, einer Ansammlung von Elendsvierteln im Norden der Stadt, wo die größte der rivalisierenden Drogenbanden von Rio ihr Hauptquartier eingerichtet hatte. Der Siedlungskomplex wurde schnell eingenommen und befand sich Ende des Jahres unter der Kontrolle der Armee, die bis zur möglichen Stationierung einer Befriedungseinheit der Polizei vor Ort bleiben sollte.

Milizen und Todesschwadronen

Milizen (bewaffnete paramilitärische Gruppen) beherrschten nach wie vor viele Gebiete von Rio de Janeiro. Die Empfehlungen des 2008 eingerichteten parlamentarischen Untersuchungsausschusses zur Ermittlung gegen die Milizen waren zu einem großen Teil bis Ende 2010 noch nicht umgesetzt worden.

  • Im September 2010 wurde Leandro Baring Rodrigues während einer Autofahrt erschossen. Ein Jahr zuvor war er Zeuge der Ermordung seines Bruders Leonardo Baring Rodrigues geworden, der im Fall eines Massakers an sieben Männern in der Favela Barbante 2008 gegen die Milizen ausgesagt hatte.
    In zahlreichen Bundesstaaten waren weiterhin Todesschwadronen aktiv, die häufig aus Polizei- und Ordnungskräften außer Dienst bestanden. Im August stellte ein Bericht des Rats für die Verteidigung der Menschenrechte (Conselho de Defesa dos Direitos da Pessoa Humana), einer staatlichen Behörde zur Untersuchung von Menschenrechtsverletzungen, fest, dass im Bundesstaat Ceará Todesschwadronen, die häufig von einheimischen Gewerbetreibenden angeheuert werden, um Kleinkriminelle nach Diebstählen zu bedrohen, zu foltern und zu töten, ungestraft tätig sein konnten.
  • Mehr als 30 Obdachlose wurden in Maceió, der Hauptstadt des Bundesstaates Alagoas, getötet, als eine Bürgerwehr versuchte, "die Stadt zu säubern", wie es Staatsanwälte von Alagoas formulierten. Die Ermittlungen zu diesem Vorfall kamen nur langsam voran; im November waren erst vier der Fälle abgeschlossen und an die Staatsanwaltschaft übergeben worden.
    In São Paulo gab es eine Fülle von Tötungsdelikten, bei denen über Verbindungen der Täter zu den Todesschwadronen der Polizei und kriminellen Banden gemutmaßt wurde. Offiziellen Zahlen zufolge wurden zwischen Januar und Ende September 240 Personen bei 68 Vorfällen in der Hauptstadt und der Großregion São Paulo getötet.

Folter und Haftbedingungen

Folter war 2010 bei Inhaftierungen und in Polizeizellen, Gefängnissen und Jugendgefängnissen weit verbreitet.

  • Im April wurde ein Motorradkurier an einem Stützpunkt der Militärpolizei in São Paulo zu Tode gefoltert. Er starb, nachdem man ihm mehrfach ins Gesicht getreten hatte und er von einer Gruppe Polizeibeamter mit Stöcken und einer Kette geschlagen worden war. Zwölf Polizeibeamte wurden später im Zusammenhang mit dem Todesfall angeklagt.
    Die Gefängnisse waren nach wie vor in hohem Maße überbelegt, und die Insassen waren zum Teil grausamer, erniedrigender und unmenschlicher Behandlung ausgesetzt. Die Behörden hatten die Kontrolle über zahlreiche Einrichtungen verloren, was zu einer Reihe von Häftlingsaufständen und Tötungsdelikten führte.
  • Im Oktober töteten rivalisierende Banden in zwei Haftanstalten im Bundesstaat Maranhão 18 Gefangene, vier davon durch Enthauptung. Die Ausschreitungen begannen, nachdem sich Gefangene über Überfüllung, die mangelhafte Qualität des Essens und den fehlenden Zugang zu Wasser beschwert hatten.
    Im November schlossen die Behörden des Bundesstaates Espírito Santo nach Protesten der bundesstaatlichen Menschenrechtskommission und lokaler NGOs die Abteilung der Kriminalpolizei (Departamento de Polícia Judiciária) in Vila Velha, in der bis zu acht Mal mehr Häftlinge untergebracht waren als vorgesehen. Darüber hinaus war es wiederholt zu Foltervorwürfen gekommen. Der umstrittene Einsatz von Frachtcontainern zur Unterbringung von Häftlingen in einigen Einrichtungen wurde ebenfalls unterbunden. Dennoch wurden bei Kontrollen durch den nationalen Justizausschuss (Conselho Nacional de Justiça) weiterhin Probleme festgestellt, darunter Überfüllung und unzureichende hygienische Bedingungen, insbesondere im Frauengefängnis Tucum.
    Ende 2010 waren Vorschläge für ein Bundesgesetz zur Einführung präventiver Maßnahmen nach dem Fakultativprotokoll des UN-Übereinkommens gegen Folter, das 2007 von Brasilien ratifiziert wurde, weiterhin im Innenministerium (Ministro da Casa Civil) anhängig. Unterdessen wurden in den Bundesstaaten Alagoas und Rio de Janeiro im Mai bzw. Juni Gesetze zur Umsetzung des Fakultativprotokolls verabschiedet.

Recht auf Wohnen

In der ersten Jahreshälfte starben bei Überschwemmungen in den Bundesstaaten São Paulo, Rio de Janeiro, Alagoas und Pernambuco Hunderte von Personen und Zehntausende wurden obdachlos. Die Überschwemmungen förderten die Defizite im Bereich des Wohnungsbaus zutage sowie das Versäumnis der Behörden, offensichtliche Risiken anzugehen.
Einige Gemeinden sahen sich im Zusammenhang mit dem Bau der für die Fußballweltmeisterschaft 2014 und die Olympischen Spiele 2016 geplanten Infrastruktur von Zwangsräumungen bedroht.

  • In der Gemeinde Niteroi im Bundesstaat Rio de Janeiro starben mehr als 100 Personen, als es in einem Teil der Favela Morro do Bumba zu einem Erdrutsch kam. Die Favela war auf einer Müllhalde errichtet worden. Trotz wiederholter Warnungen wegen hoher Toxizität und Instabilität, auch in einer 2004 von der Bundesuniversität Fluminense durchgeführten Studie, waren keine Versuche unternommen worden, die Risiken zu mindern oder Anwohner umzusiedeln. Zum Jahresende waren Überlebende der Überschwemmungen, darunter auch Bewohner von Morro do Bumba, unter extrem fragwürdigen Bedingungen in ehemaligen Militärkasernen untergebracht. Sie teilten Amnesty International mit, dass die städtischen Behörden ihnen in den sechs Monaten nach dem Unglück keine alternativen Unterkünfte angeboten hätten und die ihnen gewährte Mietbeihilfe nicht regelmäßig einginge und nicht ausreichend sei.
  • Am 22. Oktober 2010 um 9 Uhr begannen Mitarbeiter der Gemeindebehörde mit Hilfe schwer bewaffneter Zivil- und Militärpolizei damit, ein über 20 Jahre altes Geschäftsviertel in Restinga im Stadtteil Recreio dos Bandeirantes in Rio de Janeiro mit Bulldozern abreißen zu lassen. Dabei wurden fünf Geschäfte zerstört. Die Arbeiten waren Teil des Ausbaus der Schnellbusstrecke Transoeste. Zuvor waren die Bewohner, die man über den bevorstehenden Einsatz nicht informiert hatte, monatelang bedroht worden.
  • Die Bewohner der Favela do Metrô in der Nähe des Maracanã-Stadions von Rio de Janeiro waren mehrfach von rechtswidriger Zwangsräumung bedroht. Mitarbeiter der Gemeindebehörde besprühten zur Kennzeichnung im Juni die Häuser, die abgerissen werden sollten, ohne dass die Bewohner zuvor in Kenntnis gesetzt worden waren und es Beratungsgespräche oder Verhandlungen mit ihnen gegeben hatte. Den Bewohnern wurde mitgeteilt, dass man sie entweder in Siedlungen in Cosmos, etwa 60 km entfernt am Stadtrand von Rio de Janeiro, oder in provisorischen Unterkünften unterbringen werde und eine Entschädigung nicht geplant sei.
  • Im Oktober 2010 besetzten 3000 Personen aus der Obdachlosenbewegung vier verlassene Gebäude im Zentrum von São Paulo. Die Polizei sorgte zunächst dafür, dass weder Nahrungsmittel noch Wasser in die Gebäude gelangen konnten. Familien, die im November aus einem der Gebäude vertrieben worden waren, richteten vor dem Rathaus ein Protestcamp ein. Am 22. November räumten Angehörige der städtischen Ordnungskräfte während eines Sturms das Lager mit Gewalt und setzten dabei Tränengas, Pfefferspray und Schlagstöcke ein. Zehn Frauen und sieben Männer wurden verletzt.

Rechte indigener Gruppen

Indigene Gruppen, die um das ihnen nach der Verfassung zustehende Recht auf angestammtes Land kämpften, waren 2010 weiterhin Opfer von Diskriminierung, Einschüchterungsversuchen und Gewalt. Besonders ernst war die Situation im Bundesstaat Mato Grosso do Sul, wo Gemeinschaften der Guarani-Kaiowá der kontinuierlichen Verfolgung durch bewaffnete Wachleute ausgesetzt waren, die von ansässigen Farmern angeheuert wurden. Trotz der Bemühungen der Bundesstaatsanwaltschaft, den Prozess zur Anerkennung der Rechte indigener Gruppen auf angestammtes Land zu beschleunigen, gab es keine Fortschritte.
Die Guarani-Kaiowá-Gemeinschaften von Y'poí, Ita'y Ka'aguyrusu und Kurusú Ambá im Süden des Bundesstaates Mato Grosso do Sul wurden von bewaffneten Wachleuten bedroht und angegriffen. Im September starb ein dreijähriger Junge aus der Gemeinschaft der Kurusú Ambá nach wiederholten Anfällen von Durchfall. In dieser Zeit war die Sicherheitslage in Region als so gefährlich eingestuft worden, dass die Bundesgesundheitsbehörde die Besuche eingestellt hatte.

  • Im Oktober wurde José de Jesus Silva (bekannt als Zé da Gata), Sprecher der Pataxó Hã-Hã-Hãe im Süden des Bundesstaates Bahia, von einem Motorradfahrer erschossen. José de Jesus Silva hatte versucht, einer Gruppe von Indigenen, die angestammte indigene Landgebiete besetzte, Vorräte zu bringen. Das Urteil zur Demarkierung des Landes der Pataxó Hã-Hã-Hãe war seit 1983 vor dem Obersten Gerichtshof anhängig.

Landkonflikte

Landlose Arbeiter wurden weiterhin Opfer von Bedrohungen und Gewalt, häufig durch bewaffnete Wachleute, die von Farmern angeheuert worden waren. Nur in seltenen Fällen folgten gründliche Ermittlungen.

  • In der Gemeinde São Vicente de Férrer im Bundesstaat Maranhão bedrohten ansässige Farmer wiederholt die Gemeinschaft der Charco, die sich für die Anerkennung ihres Landes als Quilombola-Siedlung einsetzte. Am 30. Oktober 2010 wurde ihr Sprecher Flaviano Pinto Neto durch sieben Schüsse in den Kopf getötet. Ein anderer Sprecher der Gemeinschaft, Manoel Santana Costa, wurde wiederholt mit dem Tode bedroht, ebenso wie 20 andere Angehörige der Gemeinschaft.

Rechte von Arbeitern

Im ganzen Land herrschten immer noch erniedrigende Arbeitsbedingungen. Im Mai besuchte die UN-Sonderberichterstatterin über die modernen Formen der Sklaverei Brasilien. Sie kam zu dem Schluss, dass Zwangsarbeit und "sklavenartige" Praktiken im Viehzuchtsektor am häufigsten anzutreffen seien, gefolgt von Zuckerrohrplantagen. Sie forderte die Bundesbehörden nachdrücklich dazu auf, eine Verfassungsänderung zu verabschieden, die es möglich macht, Land zu enteignen, auf dem Zwangsarbeit eingesetzt wird. Die Verfassungsänderung, die 1999 vorgeschlagen wurde, war Ende 2010 noch im Kongress anhängig.

Menschenrechtsverteidiger

Zum Jahresende war die Anwendung des Nationalen Programms zum Schutz von Menschenrechtsverteidigern auf sechs Bundesstaaten ausgedehnt worden. In vielen Fällen wurde jedoch kein wirksamer Schutz für Menschenrechtsverteidiger bereitgestellt, da es an einer kontinuierlichen Ausstattung mit finanziellen Mitteln und an der Koordination zwischen bundesstaatlichen und nationalen Behörden mangelte.

  • Im Mai 2010 wurde auf Josilmar Macário dos Santos geschossen, als er mit seinem Taxi im Viertel Catumbi in Rio de Janeiro auf einer Überführung unterwegs war. Zum selben Zeitpunkt fand die Gerichtsverhandlung gegen vier Polizeibeamte statt, die des Mordes an sechs jungen Männern beschuldigt wurden, darunter der Bruder von Josilmar Macário dos Santos, Josenildo dos Santos. Trotz seiner Aufnahme in das nationale Schutzprogramm hatte Josilmar Macário dos Santos keinen ausreichenden Schutz erhalten.
  • Alexandre Anderson de Souza, Vorsitzender der Fischereigewerkschaft Associação dos Homens do Mar (AHOMAR) in Magé im Bundesstaat Rio de Janeiro, sah sich im Zusammenhang mit seiner gewerkschaftlichen Tätigkeit wiederholt Bedrohungen ausgesetzt. Er hatte sich an Protesten gegen den Bau einer Gaspipeline in der Guanabara-Bucht beteiligt, von der befürchtet wird, dass sie Umweltschäden verursachen könnte. In der Bucht fahren die ansässigen Fischer zum Fang aus.

Straflosigkeit

Brasilien war in Lateinamerika weiterhin das Schlusslicht hinsichtlich eines adäquaten Umgangs mit den unter der Militärregierung begangenen schweren Menschenrechtsverletzungen. Im April 2010 entschied der Oberste Gerichtshof gegen eine Eingabe, in der die Auslegung des Amnestiegesetzes von 1979 angefochten wurde. Die aktuelle Auslegung führte zur Straflosigkeit von Personen, denen schwere Menschenrechtsverletzungen wie Folter, Vergewaltigung und "Verschwindenlassen" während der Militärdiktatur in Brasilien (1964-85) zur Last gelegt werden.

  • Im November kam der Interamerikanische Gerichtshof für Menschenrechte zu dem Urteil, dass Brasilien für das "Verschwindenlassen" von 62 Guerillakämpfern im Bundesstaat Pará in den Jahren 1970 bis 1972 verantwortlich sei. Das Gericht entschied, dass Brasilien das Recht auf Gerechtigkeit verletzt habe, weil die Ermittlungen in den Fällen unzureichend waren und Informationen zurückgehalten wurden. Ferner befand es, dass das Amnestiegesetz von 1979 gegen die Verpflichtungen Brasiliens gemäß internationalem Recht verstoße und nicht dazu benutzt werden dürfe, die Strafverfolgung in Fällen schwerer Menschenrechtsverletzungen zu behindern.
    Bis Ende 2010 hatte Präsident Lula da Silva noch nicht dafür gesorgt, dass ein Urteil des Interamerikanischen Gerichtshofs für Menschenrechte von 2009, in dem die Zahlung einer Entschädigung an die Familie des landlosen Arbeiters Sétimo Garibaldi angeordnet worden war, vollständig umgesetzt wurde. Zeugen zufolge wurde Sétimo Garibaldi im November 1998 auf dem Gelände der Fazenda São Francisco in Querência do Norte im Nordosten des Bundesstaates Paraná von vermummten Männern erschossen.

Amnesty International: Mission und Bericht

Eine Delegation von Amnesty International besuchte Brasilien im Oktober.

"We know our rights and we will fight for them": Indigenous rights in Brazil - the Guarani-Kaiowá (AMR 19/014/2010)

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