a-7278 (ACC-IRN-7278)

 
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Anmerkung ACCORD: Eslah talban (ﻥﺎﺒﻠﻃ ﺡﻼﺻﺍ) ist eine persische Bezeichnung für Reformer (aus dem arabischen wörtlich „Reformen Fordernde“). Hezbe Sabz (ﺰﺒﺳ ﺏﺰﺣ) kann mit „Grüne Partei“ aus dem Persischen übersetzt werden.
Informationen zu "Eslah Talab"
In einem Arbeitspapier von Walter Posch vom Mai 2010 wird erläutert, dass die iranische Reformbewegung (eslah-talaban) in den späten 1990er Jahren als Reaktion auf den politischen, wirtschaftlichen und ideologischen Stillstand des Regimes entstanden sei. Die Bewegung strebe eine Reform des politischen Systems zu mehr Demokratie und die Umsetzung von Menschenrechten an, ohne dabei von der Ideologie einer islamischen Republik im Sinne Khomeinis abzuweichen. Die Reformbewegung bestehe aus zwei Hauptströmungen, der modernen oder technokratischen Rechten (rast-e modern), die meist mit dem vormaligen iranischen Präsidenten Ali Akbar Hashemi Bahramani-Rafsanjani in Verbindung gebracht werde, sowie der laut Posch sogenannten „islamischen (besser islamistischen) Linken“ (chap-e eslami):
“Iran’s reformist political current (eslah-talaban) emerged in the late 1990s as a reaction to the political, economic, and ideological stalemate of the regime. It aims at reforming the political system towards democracy and the implementation of human rights, without changing the Khomeinist ideology of the Islamic Republic. The reformist current contains two main streams — one being the modern or technocratic right (rast-e modern), mostly identified with Iran’s former president Ali Akbar Hashemi Bahramani-Rafsanjani; the other being the so-called ‘Islamic (better: Islamist) Left’ (chap-e eslami).” (Posch, 17. März 2010, S. 2)
Im Arbeitspapier von Walter Posch wird auch erwähnt, dass sich unter Führung des späteren Präsidenten Mohammad Khatami 18 Reformgruppen zu einer Koalition – der sogenannten Reformistenkoalition (E’telaf-e Eslah-Talaban) – zusammengeschlossen hätten:
“This was not idle talk on behalf of some intellectuals. As a matter of fact one of the chief strategists and ideologues of the reformists was and still is Said Hajariyan, a former deputy intelligence minister; Hojjatoleslam Mohammad Khatami was another. His charismatic leadership allowed the creation of a coalition of 18 pro-reformist political groups, the so-called ‘Reformist Coalition’ (E’telaf-e Eslah-Talaban), which after his first electoral victory on 23 May 1997 was dubbed the ‘2nd of Khordad Front’.” (Posch, 17. März 2010, S. 3)
Human Rights Watch (HRW) geht in einem Bericht vom Februar 2010 auf die Bezeichnung iranische Reformbewegung näher ein: Der Begriff stamme aus der Zeit der Wahl Mohmmad Khatamis zum Präsidenten im Jahr 1997. Khatami habe geplant, größere soziale und politische Freiheiten einzuführen. Seither werde die Bezeichnung weitläufig für alle politischen Akteure und Aktivisten, die sich für Veränderungen innerhalb des bestehend Regierungssystems einsetzten, verwendet:
“In addition to massive detentions of ordinary protestors and peaceful activists, as early as the day after the election, authorities rounded up scores of well-known writers and political figures affiliated with the reform movement. (The reform movement is a term dating to the 1997 election of President Mohammad Khatami, who planned to bring about greater social and political freedoms. Since that time, the term is often broadly applied to include political figures and activists who advocate for change within the framework of the current governmental system.)” (HRW, Februar 2010, S. 2)
Informationen zu „Hezb-e Sabz“ (bzw. Grüne Bewegung) und Zusammenhang mit Eslah Talab
Die UK Border Agency (damals UK Home Office) erwähnt in ihrem Country Assessment vom Oktober 2002 in einer Auflistung von politischen Parteien die Existenz der Hezb-e-sabz Hayeh Iran (Green Party of Iran) (UK Border Agency, Oktober 2002, Annex B).
 
In einem Bericht von Human Rights Watch (HRW) vom November 2005 wird die Grüne Party des Iran mit Verweis auf deren Webseite als Partei zum Schutz der Umwelt und zur Förderung von politischen, ökonomischen, sozialen und kulturellen Freiheiten erwähnt:
“http://www.iran-e-sabz.org/, the official site of the Green Party of Iran. The Green Party of Iran is a political party founded to defend Iran’s environment and to advocate for ‘political, economical, social, and cultural freedom.’” (HRW, November 2005, S. 64)
In der oben erwähnten Analyse von Walter Posch wird beschrieben, dass die iranische Grüne Partei (Hezb-e Sabz) um das Jahr 2000 in Kalifornien gegründet worden sei und als „professionelle Opposition der Exiliraner“ beschrieben werden könne. Der „grüne Kampf“ („green struggle“) müsse jedoch von der Grünen Partei unterschieden werden und fasst Irans Reformbewegung mit der politisierten Öffentlichkeit zusammen und hätte sich aus Anlass der Unzufriedenheit in Zusammenhang mit den letzten Präsidentschaftswahlen im Juni 2009 gebildet:
“Under ‘Green Struggle’ one has to understand the combination of Iran’s reformist movement with the politicized masses which spontaneously expressed their dismay and dissatisfaction with what has been widely perceived (and nowadays is generally believed) was massive fraud during the last presidential elections in the Islamic Republic of Iran, in June 2009. It is distinct from the so-called ‘Green Party of Iran” which was founded around the year 2000 in California and belongs to what one could best describe as the ‘professional Iranian expatriate opposition’.” (Posch, 17. März 2010, S. 1)
Da sich die Anfrage auf Hezb-e Sabz im Zusammenhang mit der Reformbewegung seit dem Jahr 2009 bezieht, werden im Folgenden nur Informationen zur Grünen Bewegung nach dem Juni 2009 und keine Informationen zur im Jahr 2000 in Kalifornien gegründeten Partei angeführt.
 
Die iranische „grüne Bewegung“ („green struggle“) entspringe der reformistischen Strömung innerhalb der basisdemokratischen Bewegung. Grundsätzlich beziehe sich ihr Charakter als Oppositionsbewegung auf die Regierung und die Person Dr. Ahmadinezhads und nicht auf das Regime als solches. Alle sichtbaren Akteure der „grünen Bewegung“ (Musavi, Karrubi, Khatami – um nur die wichtigsten zu nennen) entstammen der Reformbewegung (eslah-talaban) wie auch alle politischen Parteien und Medien, welche „die Grünen“ unterstützen:
“Iran’s multi-facetted ‘Green Struggle’ or ‘Green Movement’ is heir to the reformist current within the Islamic Republic’s body politic. In principle, its character as an opposition movement refers to government and to the personality of Dr. Ahmadinezhad, not to the regime as such. […] As for now, all visible faces of the ‘Green Movement’ (Musavi, Karrubi, Khatami, to mention just the most important ones) hail from Iran’s reformist current (eslah-talaban), and so do all political parties and media outlets supporting the ‘Greens’.” (Posch, 17. März 2010, S. 1)
Im Länderbericht des US Department of State (USDOS) vom März 2010 wird erläutert, dass sich die grüne Bewegung aus vielen unterschiedlichen Gruppen gebildet habe, die gegen die Wahlergebnisse protestiert hätten, und die landesweit Demonstrationen nach den Wahlen organisiert hätten:
“The Green Movement, the opposition that formed from many disparate groups to protest the election results, organized demonstrations throughout the country on various dates after the election, including Qods Day (September 18), the anniversary of the U.S. Embassy seizure (November 4), Students' Day (December 7), Grand Ayatollah Montazeri's funeral (December 21), and Ashura (December 27). During the December 27 protests, at least eight civilians, including the nephew of presidential candidate Mir Hossein Mousavi, died in confrontations with authorities.” (USDOS, 11. März 2010, Einleitung)
Walter Posch führt in seinem Arbeitspapier vom März 2010 aus, dass die grüne Bewegung sich nicht für Demokratisierung im Sinne einer De-Ideologisierung einsetze. Das Gegenteil treffe zu, zentrale Elemente innerhalb der Bewegung würden sich regelmäßig auf das Vermächtnis des verstorbenen Imam Khomeini, die Revolution und die Opfer der Märtyrer des Iran-Irak Krieges (1980-88) beziehen. Auf bestimmte Weise würden die Reformisten mit ihren politischen Herausforderern um die rechte Interpretation all dieser Elemente ringen. Man müsse daher die grüne Bewegung als Strömung im Sinne Khomeinis („Khomeinist movement“) bezeichnen, was ebenfalls auf die Reformisten zutreffe, da alle maßgeblichen Persönlichkeiten und alle  offiziellen Erklärungen die Treue zum verstorbenen Imam Khomeini, sowie durch die Doktrin der „Herrschaft des obersten Rechtsgelehrten“ auch zum gegenwärtigen obersten Führer Ayatollah Seyyed Ali Khamenei, bekunden würden. Die Verbindung zu Khomeini und seinem Vermächtnis sowie die gleichzeitige Ernsthaftigkeit, in der Demokratie und Menschenrechte verfolgt würden, sei eine der zentralen Ziele der grünen Bewegung:
“The Green Struggle does not promote democratisation in the sense of de-ideologisation. The opposite is true; core elements in the movement regularly and emotionally refer to the late Imam Khomeini’s legacy, the revolution and the sacrifice of the martyrs of the long Iran-Iraq War (1980-88). In a way, they struggle with their contenders for the right interpretation of all these elements. One must also call the Green Struggle a “Khomeinist” movement just like the reformists, because all leading figures and all official declarations declare their fidelity to the late Imam Khomeini, and, via its doctrine of the “Rule of the Jurisprudent”, to the current Supreme Leader, Ayatollah Seyyed Ali Khamenei. Maintaining Khomeini and his legacy whilst at the same time being serious on democracy and human rights is one of the Green Struggle’s core objectives.” (Posch, 17. März 2010, S. 1)
Die grüne Bewegung sei eine Fortsetzung und Umgestaltung der iranisch-reformistischen Strömung, wobei beinahe alle ihre Befürworter als linksgerichtete, revolutionäre, radikal-islamische Fundamentalisten in den 1970er Jahren begonnen hätten:
“Most important, the struggle is a continuation and transformation of Iran’s reformist current whose proponents — almost all of them — started as leftist-inspired revolutionary radical Islamic fundamentalists in the 1970s. Their legacy continues to this day.“ (Posch, 17. März 2010, S. 2)
Die DemonstrantInnen würden zu den Kernwählern der Reformisten zählen. Sie seien nicht nur unter den der Oberschicht angehörenden Aufrührern zu finden, sondern würden aus allen Schichten der Gesellschaft kommen:
“The protests erupted in a way that took the regime by surprise. What the regime — correctly — found most worrisome was the relative broad spectrum of demonstrators: protesters belonged to the reformists’ core constituencies, but they were not only among some upper-class rabble-rouser but from all layers of the society.” (Posch, 17. März 2010, S. 8-9)
Die führenden Reformisten hätten die Proteste öffentlich begrüßt. Musavi sei dabei zur „unbeabsichtigten Leitfigur“ („accidental leader“) und dem Gesicht der Oppositionsbewegung geworden. Es seien Musavis und Karrubis Ausführungen, welche die zentralen Leitlinien für die politischen Aktivitäten und die konzeptuellen Überlegungen vorgeben würden:
“The first round went clearly to the reformists. As a first step, the reformist leadership publicly embraced the protests. Musavi, the man who was thought to be an acceptable figure for the principalists, and the hardliners in the regime, became the opposition movement’s “accidental leader” and the face of the opposition outshining even Khatami and Karrubi; […]. And it is in his [Musavi’s] and Karrubi’s statements where the main guideline for political action as well as conceptual reflection have been formulated.” (Posch, 17. März 2010, S. 9)
 

Quellen:(Zugriff auf alle Quellen am 1. Juli 2010)
·       HRW - Human Rights Watch: The Islamic Republic at 31. Post-election Abuses Show Serious Human Rights Crisis, Februar 2010
http://www.hrw.org/sites/default/files/reports/iran0210web.pdf
·       HRW - Human Rights Watch: Middle East and North Africa. False Freedom. Online Censorship in the Middle East and North Africa, November 2005
http://www.hrw.org/sites/default/files/reports/mena1105webwcover.pdf  
·       Posch, Walter: A Last Chance for Iran’s Reformists? The “Green Struggle” Reconsidered. Working Paper based on a presentation delivered on 17 March 2010 at the European Parliament. Middle East and Africa Division der Stiftung Wissenschaft und Politik (Hg.), Mai 2010
http://www.swp-berlin.org/common/get_document.php?asset_id=7148
·       UK Border Agency (Home Office): Iran Country Assessment, Oktober 2002
http://www.ecoi.net/file_upload/1329_1200476066_iran-october-2002.pdf
·       USDOS - US Department of State: Country Reports on Human Rights Practices 2009 - Iran, 11. März 2010
http://www.state.gov/g/drl/rls/hrrpt/2009/nea/136068.htm