Afghanistan: Provinz Wardak bzw. Behsud: Informationen zu Auseinandersetzungen zwischen Kuchi und Hazara; Maßnahmen staatlicher Behörden [a-8250]

5. Februar 2013
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Der im Mai 2012 veröffentlichte Bericht der dänischen Einwanderungsbehörde (Danish Immigration Service, DIS) zu einer Fact-Finding-Mission nach Kabul vom 25. Februar bis 4. März 2012 beinhaltet ein Kapitel über den Konflikt zwischen Kuchi und Hazara. In dem Kapitel werden verschiedene Quellen zitiert.
Laut der Afghanischen Menschenrechtskommission (Afghan Independent Human Rights Commission, AIHRC) handle es sich bei dem Konflikt zwischen Kuchi und Hazara um einen Konflikt zwischen zwei ethnischen Gruppen, dessen Wurzeln zurück in das Jahr 1887 reichen würden. Der Konflikt sei zwischen 2007 und 2010 jedes Jahr ausgebrochen, 2011 sei es allerdings zu weniger Auseinandersetzungen gekommen. Laut AIHRC habe der Konflikt in den Distrikten Hisa-I-Awali Bihsud, Markazi Bihsud und Day Mirdad (Provinz Wardak) sowie im Distrikt Nawur (Provinz Ghazni) zu Zerstörungen geführt. Dörfer seien verbrannt und 2.000 Hazara-Familien vertrieben worden. Es gebe Behauptungen, wonach die Taliban die Kuchi unterstützt hätten. Diese Behauptungen seien jedoch nicht belegt. Fest stehe allerdings, dass die Kuchi bewaffnet seien.
Dem Hohen Flüchtlingskommissariat der Vereinten Nationen (UNHCR) zufolge sei der Konflikt zwischen Kuchi und Hazara im Prinzip ein geographisch isolierter Konflikt zwischen zwei Gemeinschaften, bei dem es um lokale Ressourcen gehe. Zwar hätten sich die letzten Vorfälle im Jahr 2010 ereignet, doch sei der Konflikt weiterhin ungelöst.
Die Civil Society and Human Rights Organization (CSHRO), ein Netzwerk aus zivilgesellschaftlichen und Menschenrechtsorganisationen, habe angegeben, dass der Konflikt zwischen Kuchi und Hazara die größte Herausforderung im Gebiet Maydan Wardak darstelle. Laut CSHRO seien die Kuchi bewaffnet und hätten mit Unterstützung der Taliban Angriffe ausgeführt. In den letzten Jahren sei es zu Auseinandersetzungen in den beiden Behsud genannten Distrikten der Provinz Wardak und im Distrikt Nawur der Provinz Ghazni gekommen. Bei dem Konflikt zwischen Kuchi und Hazara handle es sich um einen saisonalen Konflikt, der jedes Jahr im Frühling ausbreche, wenn Hirten Weideland in den betroffenen Distrikten benötigen würden. CSHRO zufolge sei es 2011 zu keinen größeren Kämpfen gekommen, 2010 allerdings seien bei gewaltsamen Zusammenstößen eine große Anzahl an Häusern niedergebrannt und viele Hazara vertrieben worden. Auf die Frage, ob Kuchi versuchen würden, einen Hazara, mit dem sie in Wardak oder Ghazni in einen Konflikt verwickelt gewesen seien, aufzuspüren, wenn dieser in ein anderes Gebiet fliehe, habe CSHRO geantwortet, dass die Kuchi dazu nicht in der Lage seien.
Laut der afghanischen Forschungs- und Friedensorganisation Cooperation for Peace And Unity (CPAU) handle es sich bei den gewaltsamen Zusammenstößen der letzten Jahre zwischen Kuchi und Hazara um einen politisch hervorgerufenen Konflikt. Der Konflikt sei ein Spiegel dessen, was auf nationaler Ebene passiere, und werde als Instrument benutzt. Bei jeder nationalen Wahl könne davon ausgegangen werden, dass der Konflikt ausbreche, da die Politiker im Kampf um Wählerstimmen entweder die eine oder die andere Konfliktpartei unterstützen würden. Dass keine Berichte über Kämpfe zwischen Kuchi und Hazara im Jahr 2011 vorliegen würden, hänge damit zusammen, dass es in diesem Jahr keine Wahlen gegeben habe. CPAU habe hinzugefügt, dass es sich bei dem Konflikt zwischen Kuchi und Hazara um einen langjährigen Konflikt handle, der allerdings erst in den vergangenen vier bis fünf Jahren in Gewalt umgeschlagen sei, nachdem beide Seiten bewaffnet worden seien. Laut CPAU hätten die Taliban auf Seiten der Kuchi gekämpft. Außerdem unterstütze Pakistan die Kuchi, während die Hazara Unterstützung durch den Iran erhalten würden. Wie CPAU erklärt habe, sei es unwahrscheinlich, dass Rachehandlungen zwischen Kuchi und Hazara außerhalb der Distrikte, in denen der Konflikt ausgebrochen sei, stattfinden würden.
Ein unabhängiges Forschungsinstitut in Kabul habe ebenfalls erwähnt, dass der Konflikt zwischen Kuchi und Hazara politisiert worden sei.
Laut der Frauenrechtsorganisation All Afghan Women Union (AAWU) sei bislang keine Lösung für den Konflikt zwischen Kuchi und Hazara gefunden worden und es sei sehr wahrscheinlich, dass es zu weiteren Kämpfen kommen werde. Wie AAWU herausgestellt habe, würden sich die Auseinandersetzungen zwischen Kuchi und Hazara nicht nur im Frühling ereignen, sondern auch zu anderen Jahreszeiten, wenn Tiere grasen würden. Obwohl der Konflikt momentan auf zwei Provinzen (Ghazni und Wardak) begrenzt sei, könne davon ausgegangen werden, dass es auch in anderen Gebieten, in die die Kuchi wandern würden, zu Auseinandersetzungen kommen werde:
„AIHRC [Afghan Independent Human Rights Commission] emphasized that the Kuchi‐ Hazara conflict is a very sensitive issue as it is a conflict between two ethnic groups and it is a conflict which has roots back in 1887 after the massacre of Hazaras and the King’s policy to contain them. The conflict erupted each year from 2007 up to 2010, but in 2011 there have been fewer disputes.
According to AIHRC, the conflict has been destructive in Hisa‐I‐Awali Bihsud, Markazi Bihsud and Day Mirdad districts in Wardak province and Nawur district in Ghazni. Villages have been burned and 2,000 Hazara families have left the area. Most of the families have settled in Kabul, some have moved to Mazar, while others have left the country. According to AIHRC, there have been allegations that the Taliban have supported the Kuchis, but it has not been documented. However, it is a fact that the Kuchis have been armed.
UNHCR stated that the conflict between Kuchis and Hazaras is in principle a geographically isolated conflict between two communities over local resources. The last incidents were in 2010, and in 2011 there were no violent attacks reported. However, the conflict remains unresolved. […]
CSHRO [Civil Society and Human Rights Organization] stated that the biggest challenge in the central region (Maydan Wardak area) today is the dispute between the Hazaras and Kuchis. According to CSHRO, the Kuchis are armed and they have attacked people with the support of Taliban. Kuchis have caused disputes in the two Behsud districts in Wardak province and in Nawur district in Ghazni in recent years.
According to CSHRO, the Kuchi‐Hazara dispute is a seasonal conflict which arises in the spring each year where herdsmen need pastures in the involved districts. CSHRO mentioned that while there were violent clashes between Hazaras and Kuchis in 2010, no major clashes took place in 2011. As a result of the 2010 clashes, a large number of houses were burned, many families lost their properties, and many Hazaras moved to neighbouring districts in Bamyan.
When asked whether Kuchis would try to track down a Hazara with whom they have been in conflict in Wardak or Ghazni, if he flees to other areas, CSHRO replied that Kuchis are not capable of doing so, and it is only possible in the involved districts. […]
Based on experience from one of its project aiming at settling the conflict between Hazaras and Kuchis, CPAU [Cooperation for Peace And Unity] stated that the violent clashes between Hazaras and Kuchis in recent years have been a politically provoked conflict whose roots must be found in other places (for example in Kabul) than in the involved districts. According to CPAU, what happens between Hazaras and Kuchis is a reflection of what happens nationally, and the conflict is being used as a tool. Every time there is an election at the national level, one can expect that the conflict will erupt because in their eagerness for votes the politicians side with one or the other parties to the conflict.
CPAU explained that no clashes have been reported between Kuchis and Hazaras throughout 2011 simply because no election has taken place during the year. It was added that the dispute between Hazaras and Kuchis has been a longstanding historical conflict, but it is only within the last 4‐5 years that the conflict has turned into violence because it has been politicised and each side has been armed. While the Taliban, for instance, has fought on the Kuchi side, Pakistan sides with the Kuchis and Iran supports Hazaras.
CPAU explained that the dispute between Hazaras and Kuchis is a conflict which arises in a certain season (spring) in a geographically limited area. CPAU found it therefore quite improbable that a Kuchi or a Hazara tries to seek out and take revenge on someone from the other party in other places than in the districts where the dispute has erupted. […]
An independent research institute in Kabul explained that the conflict between local Hazaras in the two Behsud districts of Wardak province and the Pashtu nomads (Kuchis) has been politicized in Kabul as an influential political lobby of representatives from the two ethnic groups has shifted the conflict to the national realms of politics.
Concerning the Hazara‐Kuchi conflict, AAWU [All Afghan Women Union] stated that no solutions have been found so far, and it is highly possible that clashes will break out again in the future. According to AAWU, the conflict has also been provoked from outside Afghanistan, as Iran and Pakistan gain political advantage from the conflict and side with Hazaras and Kuchis respectively.
AAWU pointed out that the dispute between Hazaras and Kuchis does not only erupt in the spring but also in other times of the year when animals are grassing. AAWU added that although the conflict for the moment is limited to two provinces (Ghazni and Wardak), one can expect disputes to arise in other places to where Kuchis move.
AAWU stated that if the Hazaras who have left the area due to the clashes come back again and claim their land back, clashes will very likely arise again. On the other hand, AAWU found it unlikely that the Hazaras would face any danger from Kuchis if they moved to other areas.” (DIS, 29. Mai 2012, S. 46-48)
Im selben Bericht der dänischen Einwanderungsbehörde (DIS) finden sich ebenfalls Informationen über Versuche der Regierung, den Konflikt beizulegen. Wiederum werden verschiedene Quellen zitiert.
CSHRO habe erklärt, dass die von Präsident Karzai ernannte Kommission zur Beilegung des Konflikts zwischen Kuchi und Hazara erfolglos geblieben sei. Zwar müsse die Regierung laut Artikel 14 der Verfassung den Kuchi Land zur Verfügung stellen, doch seien bislang keine ernsthaften Maßnahmen in diese Richtung getroffen worden. Das liege vor allem darin begründet, dass sowohl die Regierung als auch die Taliban von dem Konflikt politisch profitieren würden und kein wirkliches Interesse an der Beilegung des Konflikts bestehe. Wie CSHRO hinzugefügt habe, würden die Kuchi von den Taliban und manchmal von der Regierung unterstützt.
Auch CPAU habe erklärt, dass die von Präsident Karzai im Jahr 2007 ernannte Kommission zur Beilegung des Konflikts bislang keine brauchbaren Vorschläge unterbreitet habe. Die Kommission selbst werde von einer Person (Wahdid-Ullah Sabawoon) geleitet, die dazu neige, die Kuchi zu unterstützen. Der Versuch der Regierung, die Kuchi durch die Vergabe von Land am Stadtrand von Kabul zur Sesshaftigkeit zu bewegen, sei vollständig gescheitert. Diejenigen Kuchi, die Land erhalten hätten, hätten dieses verkauft und seien weitergezogen.
Einem unabhängigen Forschungsinstitut in Kabul zufolge verspreche die Regierung seit Jahren, durch die Verteilung von Land an die Nomaden das Kuchi-Problem zu lösen. Dies sei jedoch erfolglos geblieben. Eine von Karzai eingerichtete Regierungskommission habe außerdem zu keinen Ergebnissen geführt.
Die Erfolglosigkeit der im Jahr 2007 eingerichteten Kommission sei auch von AIHRC erwähnt worden:
„CSHRO explained that the commission appointed by President Karzai to find a solution to the Hazara‐Kuchi dispute has been to no avail. According to article 14 in the Constitution, the government is to provide Kuchis with land, but no serious initiative has been taken by the government so far to realize it. This is mainly because both the government and the Taliban gain political advantage from the conflict and there is no real interest in finding a solution. It was added that the Taliban and sometimes the government side with Kuchis.
CPAU stated similarly that the commission appointed by President Karzai in 2007 to find a solution to the Hazara Kuchi dispute has so far not come up with any useful proposal which is accepted by all the parties. The commission itself is headed by someone (Wahid‐Ullah Sabawoon) who tends to side with Kuchis, according to CPAU.
CPAU added though that by offering land to a group of Kuchis in the outskirts of Kabul, the government has made an effort to make Kuchis settle down, but this effort has failed completely because the Kuchis in these cases have sold the land and moved on. Due to a continuous lack of solution to the conflict, CPAU expects that the violent clashes between Kuchis and Hazaras will erupt again in future.
According to an independent research institute in Kabul, the government has been promising a solution to the Kuchi problems for years now, saying that land would be allocated to the nomads to help them settling down, but this has been to no avail. The research institute further emphasized that a government commission established by Karzai to resolve the dispute has been widely seen as an artificial commission and has not yielded any results.
AIHRC mentioned that a Commission established by Karzai in 2007 has not been successful in mediating the conflict.” (DIS, 29. Mai 2012, S. 48-49)
Der UNO-Informationsdienst Integrated Regional Information Networks (IRIN) berichtet im November 2010, dass die meisten Kuchi auf Viehzucht angewiesen seien, um ihren Lebensunterhalt zu sichern, ihr Zugang zu Weideland allerdings aufgrund von Konflikten, Umwelt-, demographischen, wirtschaftlichen, sozialen und politischen Faktoren in den vergangenen 30 Jahren schlechter geworden sei. Dies habe zu regelmäßiger Gewalt zwischen Kuchi-Hirten und Hazara während der vergangenen Jahre (mit Ausnahme von 2009) geführt. Hazara in den Provinzen Wardak und Bamyan würden Kuchi-Hirten beschuldigen, in ihre Dörfer einzudringen und Ackerland und Eigentum zu beschädigen. Die Kuchi wiederum würden den Hazara vorwerfen, dass diese ihnen aus ethnischen Gründen ihr Jahrhunderte altes Recht auf Weideland verwehren würden. Laut Ezatullah Ahmadzai, dem Leiter des Unabhängigen Direktorats für Kuchi-Angelegenheiten (Independent Directorate of Kuchi Affairs, IDKA), habe die Regierung eine Kommission gebildet, um das Problem des Weidelandes zu lösen. Dies brauche allerdings Zeit. Dennoch, so IRIN, würden sowohl Kuchi- als auch Hazara-Älteste der Regierung vorwerfen, nicht gewillt zu sein, die Auseinandersetzungen zwischen beiden Gruppen zu beenden.
Laut Fabrizio Foschini vom in Kabul ansässigen Think Tank Afghanistan Analysts Network (AAN) habe die afghanische Regierung heimlich zwei bis drei Millionen US-Dollar an einen einflussreichen Kuchi-Milizenkommandeur gezahlt, um sicherzustellen, dass sich die Kuchi nicht in Hazara-Gebiete begeben würden. Der Grund für diesen Schritt sei die Präsidentschaftswahl von 2009 gewesen, als sich Präsident Karzai die Unterstützung eines Hazara-Führers gesichert habe.
In Übereinstimmung mit der Verfassung versuche die Regierung, Land zu verteilen und den Kuchi zu helfen, ihren nomadischen Lebensstil zu beenden. Laut Experten benötige es allerdings mehr, um die Probleme der Kuchi zu lösen oder ihren Lebensstil zu ändern:
„Most Kuchis rely on animal husbandry for their livelihoods but their access to pasture has diminished due to conflict, environmental, demographic, economic and social and political factors over the past three decades. This has resulted in regular violence between Kuchi herders and mostly Hazaras over the past few years except in 2009. Hazara residents of Wardak and Bamyan provinces accuse Kuchi herders of invading their villages, damaging farmlands and property. Kuchis accuse Hazaras of denying their centuries-long right to pasture land for ethnic reasons. ‚The government has formed a commission to solve the pasture land issue but this will take time,’ said [Ezatullah] Ahmadzai of the IDKA [Independent Directorate of Kuchi Affairs]. However, both Kuchi and Hazara elders accused the government of being unwilling to end their disputes.
Fabrizio Foschini, a political researcher with the Afghanistan Analysts Network (AAN), a Kabul-based think-tank, said the government secretly paid US$2-3 million to an influential Kuchi militia commander to ensure Kuchis did not enter Hazara areas. The reason, he said, was the September 2009 presidential election when President Hamid Karzai had secured the support of a Hazara leader, Haji Mohammad Muhaqiq. This was confirmed by Ahmadzai: ‚The government paid money to some Kuchis to procure fodder so another conflict over pasturelands could be prevented.’ […]
The government, in line with the constitution, seeks to distribute land and help Kuchis end their nomadic lifestyle. But solving Kuchis’ problems or changing their lifestyle requires more than a piece of land and a stronger resolve by the government, experts say.” (IRIN, 23. November 2010)
In einem Artikel vom August 2012 schreibt Agence France-Presse (AFP), dass der 130 Jahre alte Landkonflikt zwischen paschtunischen Kuchi und Hazara seit 2005 zu saisonaler Gewalt im Kajab-Tal (Distrikt Behsud, Provinz Wardak) führe.
Anfang Juni 2012 seien BewohnerInnen und lokalen Behörden zufolge bis zu 2.000 Kuchi-Nomaden in Kajab eingefallen und hätten mehrere Dörfer geplündert und hunderte Gebäude niedergebrannt. Die Mehrheit der im Kajab-Tal wohnenden Hazara sei geflohen. Laut DorfbewohnerInnen hätten die Kuchi außerdem vier Hazara und sieben Soldaten getötet.
Angaben der lokalen Behörden und von DorfbewohnerInnen zufolge hätten sich Angehörige der Taliban unter den einfallenden Kuchi befunden, was darauf hindeute, dass die paschtunisch dominierten Aufständischen die Kuchi benutzen könnten, um der Regierung und ihren NATO-Verbündeten Land abzunehmen.
Laut AFP habe der aus Behsud stammende Parlamentsabgeordnete Ghulan Hussein Nasseri der Regierung von Präsident Hamid Karzai, selbst ein Paschtune, vorgeworfen, die Hazara zu diskriminieren und die Angriffe der Nomaden unterstützt zu haben. Er habe die nationalen und Provinzbehörden sowohl am Tag vor dem Angriff als auch am Tag selbst gewarnt, die Armee sei jedoch erst fünf Stunden, nachdem die Kuchi Kajab verlassen hätten, eingetroffen. Wie AFP berichtet, habe ein Sprecher des Gouverneurs von Wardak dafür einen Mangel an Ressourcen verantwortlich gemacht:
„For more than a century, ethnic Pashtuns known as Kuchis have wintered in the south and east where the weather is better, and migrated in the summer to let their herds graze in the cooler north. But a land dispute between the Kuchis and the settled ethnic Hazaras dating back 130 years has since 2005 disintegrated into seasonal violence in the Kajab valley west of the capital. […]
In early June, up to 2,000 Kuchi nomads swept into Kajab, according to residents and local officials, ransacking several villages and burning hundreds of buildings. Most of the valley’s population of ethnic Hazaras, who are also part of the Shia minority, fled. According to villagers, the Kuchis killed four Hazaras and seven soldiers. […]
Local authorities and villagers say there were Taliban among the Kuchi raiders, suggesting that the Pashtun-dominated insurgent group could be using the Kuchis to win land away from the government and its Nato allies. Kajab is in Behsoud district of Wardak, a province dominated by Pashtuns where the local government denies what is widely assumed to be a strong Taliban presence.
Behsoud lawmaker Ghulan Hussein Nasseri accused the government of President Hamid Karzai, himself a Pashtun, of discriminating against Hazaras and said they would defend themselves if they were not given protection. ‚The attacks of the nomads were under the support of the government,’ Nasseri said. He said he warned the national and provincial authorities the day before the attack and on the day itself, but claimed the army only arrived in Kajab five hours after the Kuchis left. Shahidullah Shahid, spokesman for the Wardak governor, blamed a lack of resources.” (AFP, 6. August 2012)
In einem Artikel vom Juni 2012 berichtet die englischsprachige afghanische Zeitung Daily Outlook Afghanistan, dass ein Sprecher des Präsidenten angegeben habe, die Taliban seien an tödlichen Angriffen der Kuchi in den Distrikten Behsud und Daimerdad (Provinz Maidan Wardak) beteiligt gewesen.
Jeden Frühling und Sommer würden sich die Taliban unter die Kuchi mischen und den in Maidan Wardak gelegenen Distrikt Behsud sowie umliegende Gebiete angreifen. Bislang sei es der Regierung nicht gelungen, die Nomaden/Kuchi zur Sesshaftigkeit zu bewegen, wie dies in der Verfassung vorgesehen sei. Die Kuchi würden deshalb entweder von politischen Kreisen, die nach Einfluss streben würden, oder von den Taliban und anderen bewaffneten Gruppen benutzt, um lokale BewohnerInnen zu töten, die das neue demokratische System unterstützt hätten.
Laut Daily Outlook Afghanistan habe die Regierung offenbar nicht die Absicht, in die Situation einzugreifen und das Gebiet zu sichern. In Behsud würden schwere Menschenrechtsverletzungen stattfinden. Dennoch schweige auch die UNO zu dem Problem:
„The presidential spokesman has said that the Taliban and armed opposition are involved in invading Behsud and Daimerdad districts of Maidan Wardak province. According to Aimal Faizi, the Taliban, under the name of Kuchis, have launched attacks into Behsud and Daimerdad, killing innocent civilians, and looting and burning their properties.
Every spring and summer, the Taliban mix up with Kuchis and assault Behsud district of Maidan Wardak and the adjacent areas. But unfortunately Afghan government has thus far failed to settle the nomads/Kuchis in accordance with the provisions of the constitution. Kuchis are, therefore, used either politically by political circles that seek domination or militarily by the Taliban and other armed groups to kill the local people that have supported the new democratic system.
As a response to all the violence being practiced by Kuchis, who are supported and equipped by Taliban, the Afghan government has shown recklessness and is failing to counter the situation. Apparently, the government has no intention to interfere and secure the area and life of the innocent people. In Behsud severe violation of human rights is taking place. Nonetheless, the UN, like the Afghan government, is also mum on the issue which is quite disappointing.” (Daily Outlook Afghanistan, 10. Juni 2012)
Die afghanische Zeitung Daily Afghanistan berichtet in einem Artikel vom Juni 2012 über einen Angriff von 2.000 unbekannten Bewaffneten im Distrikt Behsud (Provinz Wardak), bei dem einige Personen getötet oder verletzt, tausende weitere Personen vertrieben und hunderte Häuser zerstört worden seien. Wie in vorangegangenen Jahren sei es der Regierung lediglich gelungen, durch die Entsendung von militärischen und zivilen Delegationen vorübergehende Waffenstillstände zu erreichen. Krieg, Vertreibung und Zerstörung gingen allerdings weiter. Auch wenn die Angriffe bislang unter dem Namen von Nomaden verübt worden seien, würde alles darauf hindeuten, dass die Taliban und bewaffnete Regierungsgegner ihre militärische Macht genützt hätten, um Behsud anzugreifen. Laut Daily Afghanistan bestehe die Möglichkeit, dass die Intensivierung der Gewalt und der Umstand, dass die Regierung nicht ernsthaft eingreife, zu massenhaften Volksaufständen führen würden:
„Over the past few days, the west of Kabul has been crowded with homeless and defenceless people from Behsud [a district in Afghanistan's eastern Wardag Province]; with displaced people whose only crime is living unarmed, respecting national sovereignty, having trust in democracy and, finally, supporting the process of building a system in a civilized way, which has been going on for the past 10 years. Brave people and high-flying eagles in the Baba and Hindu Kush mountain ranges, who had been proud of a glorious victory over the [former] Soviet's red army and international terrorism, have paid the price for their premature trust in empty promises by the government and the international community, as they have been displaced after coming under an attack by 2,000 unknown and rootless armed men. The displaced people are those who laid down their light and heavy arms with the mediation of the international community and world leaders, hoping for a bright future that democracy will be established and the country will be rebuilt. In recent days, several people have been killed or wounded, thousands of others displaced and hundreds of houses have been destroyed as a result of the 2,000 armed men's attack with heavy weapons in Behsud District. Like previous years, the government has only managed to achieve temporary cease-fires by sending military and civilian delegations, but the war, displacement and destruction continue. [Passage omitted] At first glance, there was an apparent dispute between nomads and local residents. However, everybody knows that the plan was to kick off a dangerous project to return back to tribal despotism and realize the dreams that kings saw about their grandchildren some centuries ago. What is more, they want to destabilize safe central regions and spread violence from the south and east of the country to those regions. It seems that the Taleban and other armed opponents of the government launched their attack with much stronger military preparations. Although, the scenario has been so far performed under the name of nomads, all the evidence indicates that the Taleban and armed opponents of the government used their military power to attack Behsud. According to reports, hundreds of vehicles carrying white flags and heavy military equipment came into Behsud and entered into clashes with local residents on the front lines. Although the true victims of this event are innocent people from Behsud, there are also some dangerous consequences for the government and the international community. When government has power to rule only a small part of its territory, insecurity in safe areas will mean that the government is losing its control in those areas and social structures are weakening. In addition, mass popular uprisings may follow the intensification of violence and lack of serious intervention by the government. This is something extraordinarily dangerous for national unity and fragile security. This can return the country back to the 1990s and spark off a civil war.“ (Daily Afghanistan, 9. Juni 2012)
Daily Outlook Afghanistan berichtet im Juni 2012, dass mit Beginn der Weidesaison der Konflikt zwischen Kuchi und Hazara in den Distrikten Behsud und Daimirdad (Provinz Maidan Wardak) erneut ausgebrochen sei. Vergangene Woche hätten sich laut Berichten Zusammenstöße zwischen bewaffneten Kuchi und örtlichen BewohnerInnen im in Behsud gelegenden Gebiet Sheikh Qila Arab ereignet, die zur Vertreibung hunderter BewohnerInnen geführt hätten.
Laut afghanischem Gesetz sei es den Kuchi erlaubt, als Teil ihres traditionellen nomadischen Lebensstils Kleinwaffen zu besitzen. Dies habe zu mehreren bewaffneten Zusammenstößen geführt, bei denen jedes Jahr Dutzende Personen getötet worden seien. Der Regierung sei es nicht gelungen, eine dauerhafte Lösung des Problems zu finden, weshalb bei den örtlichen Bewohnern nicht nur Unmut gegenüber den bewaffneten Kuchi, sondern auch gegenüber der Regierung herrsche. Wie Daily Outlook Afghanistan berichtet, würden die BewohnerInnen ihre freiwillige Teilnahme an den Prozessen zur Entwaffnung, Demobilisierung und Reintegration (DDR) und zur Auflösung illegaler bewaffneter Gruppen (DIAG) bereuen.
Kuchi-Stämme hätten die Taliban während deren Herrschaft sowohl ideologisch als auch mit der Bereitstellung personeller Ressourcen in hohem Maße unterstützt und seien deshalb von diesen begünstigt worden. Heute seien die meisten Zusammenstöße zwischen Kuchi und örtlichen BewohnerInnen in Behsud, Daimirdad, Nahur und Malistan in Zusammenhang mit Weiderechten darauf zurückzuführen, dass die Taliban den Kuchi erlauben würden, sich unter der “Farman” (religiöse Instruktion, Anm. ACCORD) des Amir ul-Momaneen (“Führer der Gläubigen”, Anm. ACCORD) Mullah Omar in die Region Hazarajat zu begeben und dort Weideland zu nutzen.
Aufgrund ihrer Stammesstruktur und ihres nomadischen Lebensstils würden die Kuchi jederzeit Waffen mit sich tragen. Sie seien nicht verpflichtet, ihre Waffen im Rahmen der DDR- und DIAG-Prozesse an die Regierung zu übergeben. Einige Schmuggler und im Drogenhandel aktive mafiöse Gruppen würden deshalb versuchen, die Kuchi zum Heroin- und Waffenschmuggel zu nutzen:
„With the arrival of pasturing season, once again the Kuchi-conflict in Behsud and Daimirdad districts of Maidan Wardak Province has erupted. Last week on Saturday, a clash was reported between armed Kuchis and local villagers in Sheikh Qila Arab area of Behsud, where hundreds of residents have escaped to neighboring villages leaving behind their livestock and other belongings.
President Karzai has held meetings with elders of Behsud in Kabul in the last couple of weeks to avoid the conflict flaring up once again this year. Hundreds of armed Kuchis have reportedly arrived in Behsud and small skirmishes are being reported. The clash can get very violent like previous years if President Karzai does not resolve the issue to avoid bloodshed. […]
Saturday's skirmish in Behsud is the beginning of this conflict which occurs every year in summer, and dozens of people are killed.
The Government has been arranging temporary resolution when violence peaks. It has now become a serious conflict getting deadlier. Armed Kuchis, the so-called nomads, come for grazing on the pastureland of Hazarajat in early summer every year. Locals complain that they bear the freezing temperatures of winter in the mountainous highlands for the good times when pastures get green in summer, but Kuchis come with their cattle on the scarce grazing land.
Under law, Kuchis are allowed to keep small arms as part of their traditional nomadic lifestyle. It has caused several armed clashes resulting in death of dozens every year. The Government has failed to find a permanent resolution to the issue. Local villagers are fed up with the annual skirmishes and there is extreme resentment not only against armed Kuchis, but also Government's failure to stop the conflict. They regret having volunteered for the DDR [Disarmament, Demobilisation and Reintegration] and DIAG [Disbandment of Illegal Armed Groups] disarmament processes. […]
Kuchi tribes were strong supporters of the Taliban during their rule, both ideologically and providing human resource for them. Thus enjoyed much favors during the brutal Taliban era. Today most of the clashes on grazing rights between Kuchis and local residents of Behsud, Daimirdad, Nahur and Malistan are because of Taliban's permission to Kuchis to enter Hazarajat for pastures under the ‚Farman’ of the Amir-ul-Momaneen Mullah Omar.
Due to their tribal and nomadic lifestyle, Kuchis carry weapons with them all the time. They are not bound under DDR and DIAG to submit their weaponry to Government. Seeing the opportunity, some drug mafia and smugglers try to use them to smuggle hereon and weapons across the country.” (Daily Outlook Afghanistan, 5. Juni 2012)
Das US-amerikanische Außenministerium (US Department of State, USDOS) schreibt in seinem Länderbericht zur Menschenrechtslage vom April 2011 (Berichtszeitraum: 2010), dass hochrangige Regierungsbeamte in der Provinz Wardak am 8. April 2010 eine Beilegung des 30 Jahre alten Landkonflikts zwischen Kuchi und Hazara ausgehandelt hätten. Am 19. Mai 2010 sei es jedoch zu Auseinandersetzungen zwischen beiden Gruppen gekommen:
„Long-standing disputes between the Kuchis (nomads) and Hazaras escalated during the year. In April tensions with Kuchis flared in Baraki Barak, Logar Province. Villagers claimed that the Kuchis allowed their animals to graze too close to the settled areas. At least one person was killed in the fighting. On April 8 in Wardak Province, senior government officials negotiated a settlement of a 30-year-old land dispute between the Hazaras and the Kuchis, but on May 19, Hazaras and Kuchis fought over land disputes.” (USDOS, 8. April 2011, Section 6)
[Passage entfernt]
 
Weitere Informationen zum Konflikt zwischen Kuchi und Hazara in den Behsud-Distrikten der Provinz Wardak finden Sie in folgender Anfragebeantwortung des norwegischen Herkunftsländerinformationszentrums LandInfo vom November 2011:
  • LandInfo - Norwegian Country of Origin Information Centre: Afghanistan: The conflict between Hazaras and Kuchis in the Beshud Districts of Wardak Province, 1. November 2011 (verfügbar auf ecoi.net)
http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1337001983_2057-1.pdf
 
 
 

Quellen: (Zugriff auf alle Quellen am 5. Februar 2013)