Anfragebeantwortung zu Syrien: Rechtliche, soziale und physische Konsequenzen für Personen, denen „Gotteslästerung“ vorgeworfen wird, und für ihre Angehörigen; Berichte über Konsequenzen für Personen, die sich öffentlich islamkritisch äußern; gesellschaftliche Konsequenzen für Personen, die islamische Gebote wie Fasten oder den Moscheebesuch ablehnen [a-12635-2]

12. Juni 2025

Das vorliegende Dokument beruht auf einer zeitlich begrenzten Recherche in öffentlich zugänglichen Dokumenten, die ACCORD derzeit zur Verfügung stehen, sowie gegebenenfalls auf Auskünften von Expert·innen und wurde in Übereinstimmung mit den Standards von ACCORD und den Common EU Guidelines for processing Country of Origin Information (COI) erstellt.

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Inhaltsverzeichnis

Rechtliche Konsequenzen für Personen, denen „Gotteslästerung“ vorgeworfen wird            

Gewalttätige Unruhen Ende April und Anfang Mai infolge einer über soziale Medien verbreiteten Audioaufnahme, die angeblich den Propheten Mohammed beleidige            

Konsequenzen für Personen, die islamische Gebote wie Fasten oder den Moscheebesuch ablehnen         

Quellen

Bitte beachten Sie, dass die in dieser Anfragebeantwortung enthaltenen Übersetzungen aus dem Arabischen unter Verwendung von technischen Übersetzungshilfen erstellt wurden. Es besteht daher ein erhöhtes Risiko, dass diese Arbeitsübersetzungen Ungenauigkeiten enthalten.

Rechtliche Konsequenzen für Personen, denen „Gotteslästerung“ vorgeworfen wird

Die Webseite von End Blasphemy Laws, eine Kampagne, die Personen und Organisationen zusammenbringt, die sich für die weltweite Abschaffung von “Blasphemie“-Gesetzen einsetzen, führt unter der Überschrift „Blasphemiegesetze“ den Artikel 462 des Syrischen Strafgesetzbuches an (End Blasphemy Laws, aktualisiert 13. August 2021). Eine englische Übersetzung des Allgemeinen Syrischen Strafgesetzbuches Nummer 148 von 1949 inklusive Novellierungen laut Gesetzesdekret 1 von 2011, das mit 3. Jänner 2011 in Kraft getreten ist[1], ist auf der Webseite von UrbanLex, einer kostenlosen globalen Datenbank, die den Zugang zu Rechtsvorschriften im Bereich der Stadtentwicklung verbessern soll und von UN-Habitat gepflegt wird, verfügbar:

·      Allgemeines Syrisches Strafgesetzbuch 148 von 1949, inklusive Novellierungen laut Gesetzesdekret 1 von 2011
https://urbanlex.unhabitat.org/laws/syria/general-penal-code-73591

(verfügbar bei UrbanLex)

Artikel 462 regelt, dass jeder, der durch eine in Artikel 208 aufgelistete Handlung religiöse Riten, die in der Öffentlichkeit ausgeübt werden, beleidigt oder zur Verhöhnung solcher Riten auffordert, mit einer Freiheitsstrafe von zwei Monaten bis zu zwei Jahren bestraft wird (Allgemeines Syrisches Strafgesetzbuch 148 von 1949, inklusive Novellierungen laut Gesetzesdekret 1 von 2011, Artikel 462). Artikel 208 definiert öffentliche Straftaten als solche, die auf eine der folgenden Weisen begangen werden: 1. Handlungen und Gesten, die an einem öffentlichen Ort oder an einem Ort begangen werden, der für die Öffentlichkeit zugänglich oder einsehbar ist oder die aufgrund eines Fehlers des Täters von einer Person beobachtet werden, die mit der Tat nichts zu tun hat; 2. Äußerungen oder Ausrufe, die gehört werden können oder durch mechanische Mittel übertragen werden und von einer Person gehört werden, die mit der Tat nichts zu tun hat; Schriften, Bilder, Zeichnungen, Fotografien, Filme, Abzeichen oder Aufnahmen, die an einem öffentlichen Ort oder an einem Ort, der der Öffentlichkeit zugänglich oder einsehbar ist, ausgestellt oder einer oder mehreren Personen zum Verkauf angeboten oder verteilt werden (Allgemeines Syrisches Strafgesetzbuch 148 von 1949, inklusive Novellierungen laut Gesetzesdekret 1 von 2011, Artikel 208). Artikel 463 regelt, dass folgende Personen zu einer Freiheitsstrafe von einem Monat bis zu einem Jahr verurteilt werden: a. Jede Person, die die Ausübung religiöser Riten, Feiern oder damit verbundener Bräuche stört oder durch Gewalt oder Drohungen behindert; b. Jede Person, die eine Stätte religiöser Verehrung, ein religiöses Symbol oder einen anderen Gegenstand, der von den Angehörigen einer Religionsgemeinschaft oder einer Gruppe von Menschen verehrt wird, zerstört, beschädigt, verunstaltet, entweiht oder beschmutzt; c. Jede Person, die die Heiligkeit der Toten schändet oder die Heiligkeit der Bestattung von Toten verletzt (Allgemeines Syrisches Strafgesetzbuch 148 von 1949, inklusive Novellierungen laut Gesetzesdekret 1 von 2011, Artikel 463):

„Anyone who, by any of the means specified in Article 208, insults religious rites performed in public or encourages mockery of such rites shall be subject to imprisonment for a term of two months to two years.” (Allgemeines Syrisches Strafgesetzbuch 148 von 1949, inklusive Novellierungen laut Gesetzesdekret 1 von 2011, Artikel 462)

„Public crimes are crimes perpetrated by any of the following means: 1- Actions and gestures that are made in a public place or a place that is accessible to the public or open to public view, or that are witnessed by someone who has nothing to do with the act because of an error on the part of the perpetrator; 2- Speech or cries that can be heard or are broadcast by mechanical means and heard by someone who has nothing to do with the act. 3- Writing, images, drawings, photographs, films, badges and footage displayed in a public place or a place that is accessible to the public or open to public view or that are offered for sale or distributed to one or more persons.” (Allgemeines Syrisches Strafgesetzbuch 148 von 1949, inklusive Novellierungen laut Gesetzesdekret 1 von 2011, Artikel 208)

„The following persons shall be sentenced to imprisonment for a term of one month to one year: a- Any person who disrupts or uses acts of violence or threats to impede the practice of any religious rites, celebrations or associated observances; b- Any person who destroys, damages, defaces, desecrates or defiles a place of religious worship, a religious symbol or any other object that is venerated by the members of a religious community or group of people. c- Any person who desecrates the sanctity of the dead, or violates the sanctity of the burial of the dead.” (Allgemeines Syrisches Strafgesetzbuch 148 von 1949, inklusive Novellierungen laut Gesetzesdekret 1 von 2011, Artikel 463)

Ein Bericht aus dem Jahr 2020 der United States Commission on International Religious Freedom (USCIRF), ein überparteiliches Amt der US-Bundesregierung mit der Aufgabe die Lage im Hinblick auf Religions- bzw. Glaubensfreiheit in anderen Ländern zu beobachten, liefert Informationen über die weltweite Durchsetzung von Blasphemiegesetzen im Berichtszeitraum Jänner 2014 bis Dezember 2018. Diesem Bericht zufolge seien nach Recherchen in primären und sekundären Quellen keine Fälle einer strafrechtlichen Verfolgung wegen Blasphemie in Syrien gefunden worden (USCIRF, 2020, S. 33, Endnote 2). In den ACCORD derzeit zur Verfügung stehenden Quellen konnten im Rahmen der zeitlich begrenzten Recherche keine aktuelleren Informationen zu strafrechtlichen Verfolgungen aufgrund von Blasphemie oder auf Basis der Artikel 462 und 463 gefunden werden.

Das Syrian Network for Human Rights (SNHR), eine unabhängige Menschenrechtsorganisation, die Menschenrechtsverletzungen in Syrien beobachtet und dokumentiert, schreibt in einem Bericht vom März 2025 über willkürliche Verhaftungen im Februar 2025, dass es im Februar 2025 in der Stadt Hama Festnahmen/Inhaftierungen dokumentiert habe, die auf Personen, die der Blasphemie beschuldigt werden, abgezielt hätten:

„In February […] [w]e also documented arrest/detention operations targeting individuals accused of blasphemy (insulting the divine), which were concentrated in Hama city.” (SNHR, 3. März 2025, S. 8)

Gewalttätige Unruhen Ende April und Anfang Mai infolge einer über soziale Medien verbreiteten Audioaufnahme, die angeblich den Propheten Mohammed beleidige

Etana Syria, eine unabhängige zivilgesellschaftliche Organisation, die Berichterstattung und Analysen zur Lage in Syrien veröffentlicht, berichtet im Mai, dass am 27. April 2025 eine angeblich den Propheten Mohammed beleidigende Audiodatei in Umlauf gekommen sei, die gewalttätige religiöse Unruhen in ganz Syrien ausgelöst habe. Die schwersten Kämpfe hätten in den mehrheitlich von Drus·innen bewohnten Gebieten um Damaskus stattgefunden, wo regierungsnahe und mit der Regierung verbündete bewaffnete Gruppen Jaramana und Ashrafiyat Sahnaya [zwei Städte im Gouvernement Rif Dimaschq im Süden des Landes, Anmerkung ACCORD] angegriffen hätten:

„On 27 April, a leaked recording allegedly insulting the Prophet Muhammad sparked violent sectarian clashes across Syria. The most severe fighting took place in Druze-majority areas around Damascus, where pro-government and affiliated armed groups attacked Jaramana and Ashrafiyat Sahnaya, prompting large-scale Israeli airstrikes and widespread mobilisation.” (Etana, 4. Mai 2025)

The Media Line, eine amerikanische Nachrichtenagentur, die Nachrichten aus dem Mittleren Osten abdeckt, und Deutsche Welle (DW), der öffentlich-rechtlich organisierte Auslandssender Deutschlands, berichten ebenfalls Ende April, beziehungsweise Anfang Mai über die Kämpfe, die aufgrund der angeblich „blasphemischen“ Aufnahme (The Media Line, 29. April 2025), die vermeintlich den Propheten Mohammed beleidige (DW, 3. Mai 2025), ausgebrochen seien. Im Südosten von Damaskus, in der Stadt Jaramana, in der vowiegend Drus·innen und Christ·innen wohnen würden, sei es zu gewalttätigen Zusammenstößen zwischen syrischen Sicherheitskräften und lokalen bewaffneten Männern gekommen, bei denen mindestens sechs Personen getötet und mindestens 15 verletzt worden seien (The Media Line, 29. April 2025). Laut DW habe es mehr als 80 Tote gegeben, und es sei gut möglich, dass einige der Angreifer in Verbindung mit den neuen syrischen Sicherheitskräften stehen würden, dass aber wahrscheinlich auch wütende bewaffnete Zivilisten darunter gewesen seien (DW, 3. Mai 2025). Die anonyme Audioaufnahme sei angeblich von einem Angehörigen der drusischen Minderheit aufgenommen worden (The Media Line, 29. April 2025), von dem Geistlichen Marwan Kiwan, der jedoch beteuert habe, nichts damit zu tun zu haben (DW, 3. Mai 2025). Das Innenministerium habe eine „umfassende Untersuchung“ der Audioaufnahme eingeleitet und betone, dass die Identität des Sprechers noch nicht bestätigt worden sei, die öffentliche Wut bliebe aber trotz dieser Erklärung groß (The Media Line, 29. April 2025):

„It began with a blasphemous audio recording and ended with over 80 deaths and Israel bombing Syria again. The causes of violence in Druze-majority areas in Syria this week are complex. It all started with a somewhat mysterious audio clip. In it, a member of Syria's Druze minority was purportedly heard to be insulting Islam and the Prophet Mohammed. But the person who supposedy made it, cleric Marwan Kiwan, insisted he had nothing to do with it. […] ‘The circulation of the clip led to calls for mobilization to 'defend the Prophet Muhammad's honor,' and accompanying those calls were sentiments directed against the broader Druze community.’ Unidentified armed groups began attacking the Druze-majority town of Jaramana near the Syrian capital Damascus. Observers say some attackers may well have been connected to the new, interim Syrian government's security forces, but there were likely also angry, armed civilians.” (DW, 3. Mai 2025)

„Between Monday and Tuesday, a deadly night unfolded in the city of Jaramana, southeast of Damascus, as violent clashes erupted between Syrian security forces and local armed men. At least six people were killed and at least 15 injured. The violence came in response to the circulation of an audio recording containing blasphemous content about the Prophet Muhammad allegedly recorded by a member of the Druze minority. The anonymous audio clip, which went viral late Saturday night, ignited strong reactions from Syrian activists, clerics, and religious figures and sparked outrage aimed at residents of Jaramana, a city predominantly inhabited by Druze and Christian communities. […] The Interior Ministry responded swiftly, aiming to ease tensions and reassure the public. The ministry said it had initiated a ‘comprehensive investigation’ into the audio. It emphasized that preliminary inquiries had not yet confirmed the identity of the speaker, despite speculation online. Despite the ministry’s statement, public anger remains high.” (The Media Line, 29. April 2025)

Das Critical Threats Project (CTP), ein Projekt zur Erstellung von Analysen und Einschätzungen zu Entwicklungen, die als Sicherheitsbedrohung für die USA eingestuft werden, berichtet gemeinsam mit dem Institute for the Study of War (ISW), einer in Washington, D.C. ansässigen Denkfabrik, die Analysen zu bewaffneten Konflikten und Sicherheitsfragen erstellt, am 5. Mai darüber, dass mehrere bewaffnete Gruppen (darunter vermutlich auch sunnitische Milizen) ihre Angriffe auf die drusische Bevölkerung im Gouvernement Suwayda fortgesetzt hätten. Sunnitische Milizen von außerhalb der Gouvernements Daraa und Suwayda würden scheinbar versuchen, anti-drusische Stimmungen zu schüren und drusische Gebiete im Westen von Suwayda angreifen. Diese Gruppen kämen mit Mörsern und Kleinwaffen bewaffnet an und würden versuchen, die lokale Bevölkerung in den Dörfern und über soziale Medien gegen die Drus·innen zu mobilisieren. Am 4. und 5. Mai seien in den sozialen Medien mehrere gegen Drus·innen gerichtete Narrative kursiert, darunter falsche Behauptungen, wonach drusische Kämpfer Moscheen im Gouvernement Suwayda geschlossen hätten. Diese Narrative würden wahrscheinlich darauf abzielen, sunnitische Hardliner gegen die drusische Bevölkerung zu mobilisieren, insbesondere nach der Verbreitung einer Audioaufnahme, in der ein drusischer Scheich angeblich am 28. April den Propheten Mohammed beleidigt habe (CTP & ISW, 5. Mai 2025, S. 3):

„Several armed groups, including likely Sunni militias, have continued to conduct attacks targeting Druze populations in Suwayda Province. Sunni militias from outside eastern Daraa and Suwayda provinces appear to be attempting to incite anti-Druze sentiment and attacking Druze areas in western Suwayda. Southern Syria-based media reported that Sunni militias traveled to the eastern Daraa countryside to attack Druze towns from nearby hills. These groups reportedly arrived armed with mortars and small arms and attempted to mobilize locals against the Druze in villages and through social media. […] Several anti-Druze narratives circulated on social media on May 4 and May 5, including false claims that Druze fighters shut down mosques in Suwayda Province. These narratives likely seek to mobilize support amongst Sunni hardline elements against the Druze population, particularly in the aftermath of the circulation of an audio recording in which a Druze sheikh allegedly insulted the Prophet Mohammad on April 28.” (CTP & ISW, 5. Mai 2025, S. 3)

Die offizielle libanesische Nachrichtenagentur der libanesischen Regierung The National News Agency (NNA) berichtet am 29. April 2025 im Zusammenhang mit den Vorfällen um die für die Unruhen Ende April und Anfang Mai in Syrien verantwortliche angeblich blasphemische Audiodatei über die Reaktion des offiziellen Sprechers des syrischen Ministeriums für religiöse Angelegenheiten namens Ahmed Al-Hallaq. Dieser habe gesagt, dass „das Ministerium die jüngsten Beleidigungen, die den Propheten Mohammed, Friede sei mit ihm, und religiöse Heiligtümer betreffen würden, mit großer Aufmerksamkeit verfolge“. Er habe betont, dass es „das tiefe Anliegen des Ministeriums sei, diese Symbole zu schützen, die einen Grundpfeiler der religiösen und nationalen Identität bilden“. Weiters habe der Sprecher erklärt, dass „das Ministerium auf der Grundlage der Artikel 462 ff. und 568 ff. des Strafgesetzbuches [Artikel 568 des Allgemeinen Syrischen Strafgesetzbuches enthält Regelungen zu Verleumdung, Anmerkung ACCORD] in Verbindung mit Artikel 208 sowie des Gesetzesdekrets Nummer 20 von 2022, das die Verbreitung von Beleidigungen gegen Heiligtümer über soziale Medien unter Strafe stellt, die Staatsanwaltschaft eingeschaltet habe, um im Namen des Ministeriums ein Strafverfahren einzuleiten“. Er habe weiters betont, dass „das Ministerium keine Angriffe auf religiöse Symbole und Heiligtümer dulden werde, die Achtung religiöser und moralischer Grundsätze gehöre zu den Grundpfeilern des nationalen Diskurses und der Medien“ (NNA, 29. April 2025).

Konsequenzen für Personen, die islamische Gebote wie Fasten oder den Moscheebesuch ablehnen

Im März 2025 berichtet die Nachrichtenagentur Accociated Press (AP) über eine angebliche Anordnung des Ministeriums für religiöse Stiftungen, dass Restaurants, Kaffeehäuser und Essensstände während des Fastenmonats Ramadan tagsüber geschlossen bleiben sollen. Personen dürften in der Öffentlichkeit nicht essen oder trinken, ansonsten würden sie dafür bestraft werden und könnten eine Gefängnisstrafe im Umfang von bis zu drei Monaten erhalten. Es schien jedoch nicht so, als ob die Regierung eine entsprechende offizielle Anordnung erlassen hätte. Journalist·innen der Associated Press hätten berichtet, dass einige Kaffeehäuser geöffnet waren, aber ihre Fenster geschlossen hatten, damit nicht zu sehen sei, wer sich darin aufhalte:

„Some restaurants and coffee shops in Syria were closed during the day Saturday while others opened as usual as observant Muslims began fasting during the holy month of Ramadan, the first since the fall of Assad family rule in the war-torn country.

Syria’s interim Ministry of Religious Endowments reportedly called for all restaurants, coffee shops and street food stands be closed during the day and that people must not eat or drink in public or face punishment. Those who violate the rule could get up to three months in jail. However, it did not appear that any official order had been issued by the government to that effect.

Associated Press journalists who toured Damascus on Saturday said some coffee shops were opened but had their windows closed to that people can’t see who is inside. (AP, 2. März 2025)

Die panarabische Online-Zeitung Rai Al-Youm berichtet am 27. Februar 2025, dass der Direktor der Stiftungen in Damaskus namens Samer Birqadar den Minister für Stiftungen aufgefordert habe, sich an den Premierminister zu wenden, um zu fordern, aus Respekt vor den Gefühlen der Fastenden das Fasten während des Fastenmonats Ramadan nicht öffentlich zu brechen, da andernfalls die in Artikel 462 des Strafgesetzbuches festgelegten Strafen zu verhängen seien. Die Meinungen über diesen „Antrag“ würden auseinandergehen (Rai Al-Youm, 27. Februar 2025).

Ein Asylländerbericht des niederländischen Außenministeriums vom Mai 2022, der den Zeitraum Mai 2021 bis Mai 2022 abdecke (Niederländisches Außenministerium, Mai 2022, S. 5), enthält ein Kapitel über die Lage von Apostat·innen [Personen, die sich vom Glauben lossagen, Anmerkung ACCORD] und Atheist·innen, das sich auf einige vertrauliche Quellen stützt. Es gebe kaum konkrete Informationen über die Stellung von Apostat·innen und Atheist·innen in Syrien. Apostasie sei im Islam eine strafbare Handlung, aber ein/e Apostat·in oder Atheist·in werde aus diesem Grund nicht mit den zum Zeitpunkt des Erscheinens des Berichts amtsführenden syrischen Behörden in Kontakt kommen oder deshalb strafrechtlich verfolgt werden. Die Reaktion der Familie hänge davon ab, wie konservativ sie sei. Es sei daher nicht möglich, eine allgemeine Aussage über die mögliche Reaktion auf ein Familienmitglied zu treffen, das sich vom Glauben lossage oder atheistisch sei. Nicht alle Muslim·innen in Syrien seien praktizierend, das gelte auch für andere Religionsgruppen in Syrien, aber Atheismus sei laut einer anonymen Quelle kein Phänomen in Syrien. Wenn sich jemand als Atheist·in bekenne, könne er/sie mit sozialer Ausgrenzung konfrontiert werden. Den Quellen zufolge werde dies wahrscheinlich nicht zu körperlicher Gewalt führen (Niederländisches Außenministerium, Mai 2022, S. 70):

„There is little concrete information about the position of apostates and atheists. Apostasy is a punishable offence within Islam, but an apostate or atheist will not come into contact with the Syrian authorities or face criminal prosecution for that reason. The family’s response will depend on how conservative the family is. It is therefore not possible to make a general statement about the possible reaction to a family member who is an apostate or atheist. […] Not all Muslims in Syria are practising – the same is true of other religious groups in Syria – but atheism is not a phenomenon in Syria, according to this source. If someone identifies as an atheist, they may face social exclusion. If an atheist starts actively promoting his or her ideology, he or she may encounter greater resistance from the community. According to the sources, this will probably not lead to physical violence against this person, although it may do in SSG [Syrian Salvation Government][2] territory.” (Niederländisches Außenministerium, Mai 2022, S. 70)

Der Asylländerbericht des Niederländischen Außenministeriums vom August 2023, der den Berichtszeitraum Juni 2022 bis Juli 2023 abdecke (Niederländisches Außenministerium, August 2023, S. 7), enthält ein Kapitel über Apostat·innen, aber keine Informationen zu Atheist·innen. Demnach gebe es in Syrien kein Gesetz, das den Austritt aus dem Islam unter Strafe stelle. Es gebe in den Gebieten, die zum Erscheinungszeitpunkt des Berichts unter Kontrolle der damaligen syrischen Regierung unter Al-Assad gestanden seien, viele Menschen, die zwar dem Namen nach Muslim·innen seien, keine Moschee besuchen würden und auch sonst keine religiösen Pflichten oder Riten einhalten würden. Trotzdem würden diese niemals offen zugeben, dass sie den muslimischen Glauben verloren hätten, da dies, einer vertraulichen Quelle zufolge, in der syrischen Gesellschaft immer noch nicht akzeptiert werde (Niederländisches Außenministerium, August 2023, S. 65):

„There is no law in Syria that makes leaving Islam a criminal offence. […] There are no strict religious rules in force in government territory, where there are many people who are still Muslim in name but do not actually attend the mosque or observe other religious duties or rites. Despite this, people will never openly admit that they have left Islam, according to a confidential source, as that is still not accepted in Syrian society.” (Niederländisches Außenministerium, August 2023, S. 65)

Der interimistische Präsident Al-Sharaa habe am 29. März 2025 die Bildung eines Kabinetts verkündet, das aus 23 Mitgliedern bestehe, wovon einige mit der HTS in Verbindung stehen würden. Angesichts der dschihadistischen Vergangenheit der HTS würden sich viele Syrer·innen und ausländische Regierungen die Frage stellen, welche Rolle der Islam in ihrem Regierungsansatz spielen werde. Die Übergangsverfassung nehme in dieser Hinsicht nur eine einzige, aber umstrittene textliche Änderung gegenüber der früheren Verfassung vor. Wie unter Assad müsse der Präsident Muslim sein, aber das Dokument bezeichne die islamische, genauer gesagt die sunnitische Rechtslehre als „die“ statt als „eine“ Hauptquelle der Gesetzgebung. Um zu verstehen, wie die neue Führung die Rolle der Religion sehe, solle man jedoch nicht auf die Verfassung sondern auf den neuen Fatwa-Rat schauen, den Al-Scharaa eingerichtet habe, um zu beurteile, ob Gesetze mit dem islamischen Recht vereinbar seien. Von den vierzehn Mitgliedern des Rates, die alle Sunniten seien, stehe nur eine Minderheit in direkter Verbindung zur HTS:

„On 29 March, Syria’s interim president, Ahmed al-Sharaa, announced the formation of a 23-member cabinet […]. Hei’at Tahrir al-Sham (HTS) […] [is] the former rebel group that had led the offensive overthrowing Assad. […] [HTS created] the Salvation Government […] to administer Idlib, the north-western province where Sunni Islamist insurgents carved out an autonomous enclave during the civil war. The new cabinet includes a mix of figures. Some are affiliated with HTS and the Salvation Government, and others are technocrats or civil society leaders. […] Given HTS’s jihadist past, many Syrians and foreign governments alike have questions about what role Islam will play in its approach to governance. The transitional constitution makes only one textual adjustment to the previous charter in this respect, but a contentious one. As was the case under Assad, the president must be a Muslim, but the document refers to Islamic (specifically, Sunni) jurisprudence as ‘the’ rather than ‘a’ main source of legislation […]. To understand how the new leadership views the role of religion, however, one should look not at the constitution but at the new Fatwa Council, which al-Sharaa established to assess whether legislation conforms to Islamic law. Of the council’s fourteen members, all of whom are Sunni, only a minority are directly affiliated with HTS.” (International Crisis Group, 25. April 2025)

Das Harmoon Center for Contemporary Studies, eine Einrichtung des Arab Center for Research and Policy, ein in Doha ansässiges Forschungsinstitut für Geistes- und Sozialwissenschaften, veröffentlicht am 26. April 2025 einen Artikel zum Thema staatliche Neutralität gegenüber religiöser Praxis in Syrien, der unter anderem auch Informationen zu religiösen und politischen Positionen der HTS zu den Themen Religionsfreiheit, die verpflichtende Beachtung religiöser Gebote und Apostasie enthält:

·      Harmoon Center for Contemporary Studies: State Neutrality Towards Religious Practice in Syria: Results, Conclusions, and Constitutional Recommendations, 26. April 2025
https://www.harmoon.org/en/researches/syria-15/

Ein Kurzbericht von USCIRF vom November 2022 informiert über den Stand religiöser Freiheit unter der Regierung der HTS und erwähnt beispielsweise willkürliche Verhaftungen durch HTS-Angehörige wegen Verleumdung und Blasphemie sowie wegen falscher Gebetspraktiken:

·      USCIRF - US Commission on International Religious Freedom: Factsheet Religious Freedom Conditions in Syria, November 2022
https://www.ecoi.net/en/file/local/2082766/2022 Factsheet - HTS-Syria.pdf

In den ACCORD derzeit zur Verfügung stehenden Quellen konnten im Rahmen der zeitlich begrenzten Recherche keine aktuellen Informationen zu den Folgen von „Gotteslästerung“ für Angehörige und auch keine Berichte zu Personen, die sich öffentlich islamkritisch äußern, gefunden werden. Dies lässt nicht notwendigerweise Rückschlüsse auf die Lage solcher Personen und deren Angehörige zu. Gesucht wurde mittels ecoi.net und Google nach einer Kombination aus folgenden Suchbegriffen: Syrien/Syria, Blasphemie/blasphemy/

تحقير الأديان / ازدراء الأديان سورية, Islamkritik/criticism of Islam, soziale Kontrolle/social control, Atheist/atheist, Artikel 462 / المادة 462, Syrian Salvation Government/SSG


 

Quellen: (Zugriff auf alle Quellen am 12. Juni 2025)

·      Al Jazeera: Syria’s Baath party dissolved: What happens next?, 30. Jänner 2025
https://www.aljazeera.com/news/2025/1/30/syrias-baath-party-dissolved-what-happens-next

·      Allgemeines Syrisches Strafgesetzbuch 148 von 1949, inklusive Novellierungen laut Gesetzesdekret 1 von 2011
https://urbanlex.unhabitat.org/laws/syria/general-penal-code-73591

(verfügbar bei UrbanLex)

·      Amnesty International: Syria. Amnesty International Submission for the Universal Periodic Review of Syria 14 March 2011, 12th session of the UPR Working Group, 14. März 2011
https://www.refworld.org/reference/countryrep/amnesty/2011/en/112380

(verfügbar bei Refworld)

·      AP – Associated Press: Syrians begin fasting during first Ramadan without Assad family rule in decades, 2. März 2025
https://apnews.com/article/ramadan-syria-assad-fasting-alsharaa-27be52ec156bf5f2f449dda332d0cd89

·      CTP - Critical Threats Project & ISW - Institute for the Study of War: Iran Update, May 5, 2025, 5. Mai 2025
https://www.understandingwar.org/sites/default/files/Iran%20Update%2C%20May%205%2C%202025%20%28PDF%29.pdf

·      DW – Deutsche Welle: Latest deadly violence in Syria: What you need to know, 3. Mai 2025
https://www.dw.com/en/latest-deadly-violence-in-syria-what-you-need-to-know/a-72419939

·      End Blasphemy Laws: Syria, aktualisiert 13. August 2021
https://end-blasphemy-laws.org/countries/middle-east-and-north-africa/syria/

·      Etana: BRIEF: The Jaramana & Ashrafiyat Sahnaya crisis, 4. Mai 2025
https://etanasyria.org/brief-the-jaramana-ashrafiyat-sahnaya-crisis/

·      Harmoon Center for Contemporary Studies: State Neutrality Towards Religious Practice in Syria: Results, Conclusions, and Constitutional Recommendations, 26. April 2025
https://www.harmoon.org/en/researches/syria-15/

·      International Crisis Group: What Lies in Store for Syria as a New Government Takes Power?, 25. April 2025
https://www.crisisgroup.org/middle-east-north-africa/east-mediterranean-mena/syria/what-lies-store-syria-new-government-takes-power

·      Media Line (The): Syria Probes Viral Blasphemous Audio as Sectarian Unrest Turns Deadly, 29. April 2025
https://themedialine.org/top-stories/syria-probes-viral-blasphemous-audio-as-sectarian-unrest-turns-deadly/

New York Times (The): What We Know About Ahmed al-Shara, Syria’s Interim President, 30. Jänner 2025
https://www.nytimes.com/2025/01/30/world/europe/syria-president-ahmed-al-shara.html

·      Niederländisches Außenministerium: Country of origin information report Syria, Mai 2022
https://www.ecoi.net/en/file/local/2081724/Country of origin information report Syria.pdf

Niederländisches Außenministerium: General Country of Origin Information Report on Syria, August 2023
https://coi.euaa.europa.eu/administration/netherlands/PLib/General_Country_of_Origin_Information_Report_Syria_(August_2023).pdf

·      NNA - Syrian Ministry of Awqaf: Wir werden keine Angriffe auf religiöse Symbole tolerieren, jeder muss verantwortungsbewusst handeln [Original in Arabisch], 29. April 2025
https://www.nna-leb.gov.lb/ar/regional/776216/%D9%88%D8%B2%D8%A7%D8%B1%D8%A9-%D8%A7%D9%84%D8%A7%D9%88%D9%82%D8%A7%D9%81-%D8%A7%D9%84%D8%B3%D9%88%D8%B1%D9%8A%D8%A9-%D9%84%D9%86-%D9%86%D8%AA%D9%87%D8%A7%D9%88%D9%86-%D9%85%D8%B9-%D8%A7%D9%8A-%D8%A7%D8%B9%D8%AA%D8%AF%D8%A7%D8%A1-%D8%B9%D9%84%D9%89-%D8%A7

·      Rai Al-Youm: Der Direktor der Stiftungen in Damaskus fordert die Menschen auf, während des Ramadan auf ein öffentliches Fastenbrechen zu verzichten, die Debatte über religiöse Unterschiede rückt in den Vordergrund! [Original in Arabisch], 27. Februar 2025
https://www.raialyoum.com/%D9%85%D8%AF%D9%8A%D8%B1-%D8%A3%D9%88%D9%82%D8%A7%D9%81-%D8%AF%D9%85%D8%B4%D9%82-%D9%8A%D8%B7%D9%84%D8%A8-%D8%B9%D8%AF%D9%85-%D8%A7%D9%84%D8%A5%D8%AC%D9%87%D8%A7%D8%B1-%D8%A8%D8%A7%D9%84%D8%A5%D9%81/

SNHR - Syrian Network for Human Rights: At least 216 Arbitrary Detentions Recorded in Syria in February 2025, 3. März 2025
https://snhr.org/wp-content/uploads/2025/03/M250302E-1.pdf

USCIRF - US Commission on International Religious Freedom: Violating Rights: Enforcing the World’s Blasphemy Laws, 2020
https://www.uscirf.gov/sites/default/files/2020 Blasphemy Enforcement Report _final_0.pdf

·      USCIRF - US Commission on International Religious Freedom: Factsheet Religious Freedom Conditions in Syria, November 2022
https://www.ecoi.net/en/file/local/2082766/2022 Factsheet - HTS-Syria.pdf



[1] Eine Einreichung für die Allgemeine Regelmäßige Überprüfung (Universal Periodic Review, UPR) der UNO zur 12. Sitzung der UPR Arbeitsgruppe im Oktober 2011 deutet darauf hin, dass das Gesetzesdekret 1 von 2011 mit 3. Jänner 2011 in Kraft getreten ist (Amnesty International, 14. März 2011, S. 2).

[2] Die hier erwähnte „Heilsregierung“ (Syrian Salvation Government, SSG) sei von der Hayat Tahrir al-Sham (HTS), einer Rebellengruppe sunnitischer Islamisten, gegründet worden, um das nordwestliche Gouvernement Idlib zu verwalten, in der die HTS während des Bürgerkriegs eine autonome Enklave errichtet hatte. Syriens interimistischer Präsident Ahmad Al-Sharaa sei der Anführer der HTS gewesen (The New York Times, 30. Jänner 2025), die offiziell im Jänner 2025 aufgelöst worden sei (Al Jazeera, 30. Jänner 2025).