Amnesty Report 2024/25: Zur Lage der Menschenrechte weltweit; Mexiko 2024

Berichtszeitraum: 1. Januar 2024 bis 31. Dezember 2024

Menschenrechtsverteidiger*innen, Journalist*innen und Protestierende liefen in Mexiko nach wie vor Gefahr, kriminalisiert, gewaltsam angegriffen und getötet zu werden. Angehörige des Militärs und der Nationalgarde begingen weiterhin ungestraft Menschenrechtsverletzungen und möglicherweise auch außergerichtliche Hinrichtungen. Fälle des Verschwindenlassens gaben Anlass zur Sorge, und es wurde befürchtet, dass die Regierung das Ausmaß des Problems herunterspielte. Menschen, die nach Verschwundenen suchten, sahen sich großen Gefahren gegenüber. Nach wie vor wurden Menschen willkürlich in Haft genommen. Die Unabhängigkeit der Justiz war durch Verfassungsänderungen bedroht. Geschlechtsspezifische Gewalt war weit verbreitet, und die Zahl der Morde an Frauen und trans Frauen war hoch. Seit die Kriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen 2023 für verfassungswidrig erklärt worden war, hatte sich der Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen verbessert. In einigen Bundesstaaten musste die Entkriminalisierung jedoch noch umgesetzt werden. Asylsuchende erlebten Verzögerungen bei der Bearbeitung ihrer Anträge und konnten daher vielfach ihre Grundrechte nicht wahrnehmen. Migrant*innen, die an der Grenze zu den USA auf einen Termin bei der Einwanderungsbehörde warteten, sahen sich zunehmend gefährlichen Bedingungen ausgesetzt. Indigene und afromexikanische Bevölkerungsgruppen wurden verfassungsmäßig anerkannt. Die Regierung förderte auch weiterhin die Produktion und Nutzung fossiler Brennstoffe. Auf der Halbinsel Yucatán waren der Maya-Zug (Tren Maya) und der Flughafen Tulum trotz ökologischer Bedenken weiterhin in Betrieb.

Hintergrund

Im Oktober 2024 wurde Claudia Sheinbaum Pardo als erste Frau im Präsident*innenamt Mexikos vereidigt. Sie löste Andrés Manuel López Obrador im Amt ab. Der Präsidentschaftswahlkampf war der bisher gewalttätigste des Landes: Nach Angaben des Thinktanks Laboratorio Electoral wurden mindestens 41 Kandidat*innen getötet.

Seit vor 17 Jahren entschieden wurde, das Militär maßgeblich an Einsätzen im Bereich der öffentlichen Sicherheit zu beteiligen, ist die Zahl der Morde und der Fälle des Verschwindenlassens stetig angestiegen. Im September 2024 billigte der Kongress eine Verfassungsänderung, mit der die Nationalgarde dem Verteidigungsministerium (SEDENA) unterstellt und die öffentliche Sicherheit faktisch militarisiert wurde.

Im Juni 2024 traten umstrittene Gesetzesreformen bezüglich Amnestien und des Amparo-Verfahrens (justizieller Schutz der Verfassungsrechte) in Kraft. Damit erhielt die Präsidentin die Befugnis, uneingeschränkt Amnestien für Personen auszusprechen, die Informationen für Ermittlungen liefern, und Richter*innen wurde die Möglichkeit genommen, bestimmte einstweilige Verfügungen zu verhängen, selbst wenn dadurch Menschenrechtsverletzungen verhindert werden könnten.

Im September 2024 trat eine Verfassungsreform in Kraft, der zufolge künftig Richter*innen auf allen Ebenen des Justizapparats direkt gewählt (statt ernannt) werden. Darüber hinaus sah die Reform vor, dass Verfahren, in denen es um organisiertes Verbrechen geht, von anonymen bzw. "gesichtslosen" Richter*innen (jueces sin rostro) gehört werden können. Die Reform untergrub die richterliche Unabhängigkeit und gefährdete das Recht auf ein faires Gerichtsverfahren. Im November 2024 wies der Oberste Gerichtshof ein Rechtsmittel ab, das darauf abgezielt hatte, Teile der Reform für nichtig zu erklären. Zwar stimmten sieben von elf Richter*innen für eine Begrenzung des Geltungsbereichs der Reform, es war jedoch eine besondere Mehrheit von acht Richter*innen erforderlich.

Am 31. Oktober 2024 wurde eine Verfassungsänderung angenommen, die es unmöglich machen soll, Rechtsmittel gegen künftige Verfassungsänderungen einzulegen, auch vor dem Obersten Gerichtshof.

Im November 2024 wurde die Leiterin der Nationalen Menschenrechtskommission (Comisión Nacional de los Derechos Humanos) trotz der Kritik der Zivilgesellschaft an ihrer Leitung wiedergewählt.

Ebenfalls im November wurde eine Verfassungsänderung angenommen, die eine Abschaffung verschiedener verfassungsmäßig autonomer Behörden vorsieht, darunter das Nationale Institut für Transparenz, Zugang zu Informationen und Datenschutz (Instituto Nacional de Transparencia, Acceso a la Información y Protección de Datos Personales).

Recht auf freie Meinungsäußerung

Laut Angaben des UN-Hochkommissariats für Menschenrechte wurden im Laufe des Jahres 2024 mindestens neun Menschenrechtler*innen getötet. Die Organisation Global Witness veröffentlichte 2024 einen Bericht, wonach im Vorjahr 15 Personen getötet worden waren, die sich für Landrechte und Umweltschutz eingesetzt hatten. Damit war Mexiko weltweit das gefährlichste Land für Verfechter*innen dieser Rechte. Menschenrechtsverteidiger*innen wurden nach wie vor kriminalisiert, und unter der Regierung von Andrés Manuel López Obrador wurden Aktivist*innen und zivilgesellschaftliche Organisationen stigmatisiert. Die Untersuchungen zur rechtswidrigen Überwachung der Anwältin Ana Lorena Delgadillo, der Journalistin Marcela Turati und der Gerichtsmedizinerin Mercedes Doretti machten keine Fortschritte. Die Frauen waren an der Untersuchung eines Massakers beteiligt, das in den Jahren 2010 und 2011 in der Stadt San Fernando im Bundesstaat Tamaulipas an Migranten verübt worden war. Am 3. Juli 2024 stellte die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen aus Mangel an Beweisen vorerst ein.

Auch Journalist*innen waren bei der Ausübung ihrer Tätigkeit in Gefahr. Nach Angaben der Organisation Article 19 wurden 2024 mindestens vier Journalisten mutmaßlich im Zusammenhang mit ihrer Arbeit getötet. Im Januar 2024 wurden die persönlichen Daten von mehr als 324 Journalist*innen weitergegeben und im Internet veröffentlicht. Im Februar 2024 gab Präsident Andrés Manuel López Obrador in einer seiner Morgenkonferenzen persönliche Daten der für die New York Times tätigen Journalistin Natalie Kitroeff preis und erklärte, seine Autorität wiege schwerer als die Privatsphäre von Journalist*innen.

Der Journalist Alberto Amaro sah sich auch 2024 Drohungen ausgesetzt. Am 4. Juni wurde er nach eigenen Angaben von Sicherheitskräften des Bundesstaats Tlaxcala verfolgt und mit einer Schusswaffe bedroht. Ebenfalls im Juni entschuldigte sich die Regierung des Bundesstaats Oaxaca öffentlich bei der Familie des am 17. Juni 2021 ermordeten Journalisten Gustavo Sánchez Cabrera.

Recht auf friedliche Versammlung

Die Behörden bedienten sich auch 2024 des Justizsystems, um Personen, die sich für Landrechte und Umweltschutz einsetzten, sowie Studierende, die sich an Protesten beteiligten, zu kriminalisieren.

Am 7. Februar 2024 verurteilte ein Richter im Verwaltungsbezirk Salina Cruz (Bundesstaat Oaxaca) den Landrechtsverteidiger David Hernández Salazar im Zusammenhang mit seiner Beteiligung an Protestveranstaltungen unter dem Vorwurf, er habe Angriffe auf Kommunikationswege verübt und Brandschäden im Verwaltungsbezirk San Blas Atempa verursacht, zu einer langen Haftstrafe. Am 14. Mai hob die 6. Strafkammer des Hohen Gerichts von Oaxaca das Urteil jedoch auf. Im Juli beschloss die Staatsanwaltschaft in San Cristóbal de las Casas (Fiscalía de Distrito Altos) im Bundesstaat Chiapas auf öffentlichen Druck hin, sechs Landrechtsverteidiger*innen und Umweltschützer*innen aus dem Viertel Colonia Maya nicht strafrechtlich zu verfolgen, und der Fall wurde zu den Akten gelegt. Im Februar 2024 teilte die Generalstaatsanwaltschaft des Bundesstaats Guanajuato (Fiscalía General del Estado de Guanajuato) sieben Studierenden mit, dass gegen sie wegen der Beschädigung von Gebäuden der Universität von Guanajuato bei Protesten im Jahr 2023 ermittelt werde. Am 13. März ließ die Universität die Anklagen fallen.

Am 2. August 2024 informierte die Generalstaatsanwaltschaft von Mexiko-Stadt (Fiscalía General de la Ciudad de México) die Menschenrechtsverteidigerin Hortensia Telésforo Jiménez darüber, dass wegen ihres Einsatzes für den Erhalt einer Gemeindebücherei ein Ermittlungsverfahren gegen sie eingeleitet worden sei. Am 5. September 2024 wurden Aktivist*innen, die in Mexiko-Stadt gegen die Kriminalisierung der Menschenrechtlerin protestierten, von Angehörigen der Lokalregierung des Stadtbezirks Xochimilco beschimpft und von Polizist*innen angegriffen. Fünf Demonstrierende wurden festgenommen und strafrechtlich verfolgt.

Die Sicherheitskräfte gingen 2024 weiterhin mit unverhältnismäßiger Gewalt gegen Proteste vor. Im März 2024 berichteten Aktivistinnen und die Medien über exzessive Gewaltanwendung gegen Frauen, die im Rahmen des Internationalen Frauentags auf die Straße gegangen waren. So sollen Sicherheitskräfte in den Bundesstaaten Colima, Chihuahua, Mexiko-Stadt, México, Morelos, Oaxaca, Puebla und Zacatecas Tränengas eingesetzt haben, und im Bundesstaat Michoacán wurden Berichten zufolge Feministinnen angegriffen, die sich zu einer Demonstration versammelt hatten. Im Bundesstaat Nuevo León wurden fünf Demonstrierende und im Bundesstaat Zacatecas mindestens zwölf friedlich protestierende Frauen und zwei Journalistinnen misshandelt und festgenommen.

Am 20. Juni 2024 griff die Polizei eine Personengruppe an, die gegen eine Schweinefarm im Verwaltungsbezirk Perote im Bundesstaat Veracruz protestierte, dabei wurden die Brüder Jorge und Alberto Cortina Vázquez getötet.

Im August 2024 wurde das Entschädigungsverfahren für Libertad Reyes, África Torres, Sofía Ramírez, Enya Mota und Patricia Luna abgeschlossen. Die Frauen waren am 22. August 2020 in der Stadt León im Bundesstaat Guanajuato bei einer Protestveranstaltung gegen geschlechtsspezifische Gewalt von Polizeikräften gewaltsam angegriffen und rechtswidrig und willkürlich inhaftiert worden.

Außergerichtliche Hinrichtungen

Militärangehörige wurden auch 2024 für Menschenrechtsverletzungen verantwortlich gemacht, die möglicherweise außergerichtlichen Hinrichtungen gleichkamen und in der Regel ungestraft blieben.

Medienberichten und Angaben von Menschenrechtler*innen zufolge griffen Angehörige des Verteidigungsministeriums SEDENA am 26. April 2024 in der Stadt Nuevo Laredo im Bundesstaat Tamaulipas zwei junge Männer an, die mit dem Auto unterwegs waren. Dabei wurde einer der Männer getötet. Aus Augenzeugenberichten und Aufnahmen von Überwachungskameras ging hervor, dass am 9. Juni 2024 fünf Angehörige der Nationalgarde ein Haus in der Stadt León im Bundesstaat Guanajuato betraten, in dem nur wenige Minuten später zwei Kleinkinder und vier Frauen getötet wurden.

Am 13. Juli 2024 griffen zwei Angehörige der Nationalgarde in Villa Hidalgo im Bundesstaat San Luis Potosí vier Personen an, die im Auto unterwegs waren. Dabei wurden ein Mädchen getötet und ein Jugendlicher verletzt. Am 1. Oktober 2024 wurden im Bundesstaat Chiapas sechs Migrant*innen, die zwischen Villa Comaltitlán und Huixtla unterwegs waren, getötet, als Militärangehörige auf ihren Wagen schossen. In einer öffentlichen Erklärung teilte SEDENA mit, dass gegen die beiden Männer, die das Feuer eröffnet hatten, ermittelt werde.

Am 7. Oktober 2024 griffen SEDENA-Angehörige Medienberichten zufolge einen Autofahrer an und drohten ihm damit, ihn zu töten.

Laut Angaben von Menschenrechtsverteidiger*innen töteten Angehörige von SEDENA am 11. Oktober 2024 in Nuevo Laredo im Bundesstaat Tamaulipas eine unbeteiligte Frau, als sie einen Wagen verfolgten, in dem sie Mitglieder eines Drogenkartells vermuteten. Am 12. Oktober töteten Angehörige der Nationalgarde in Nuevo Laredo ein achtjähriges Mädchen und eine Frau.

Am 5. Dezember 2024 bestätigte ein Gericht das Urteil gegen fünf Armeeangehörige, die an der außergerichtlichen Hinrichtung der Studenten Jorge Antonio Mercado Alonso und Javier Francisco Arredondo Verdugo beteiligt gewesen sein sollen.

Verschwindenlassen

Die Zahl der vermissten und verschwundenen Personen war weiterhin besorgniserregend hoch. Im Jahr 2024 gab es laut der Nationalen Suchkommission (Comisión Nacional de Búsqueda) 13.588 neue Fälle vermisster und verschwundener Menschen – 9.621 Männer, 3.960 Frauen und sieben Personen, die nicht identifiziert werden konnten. Offiziellen Angaben zufolge wurden von 1962 bis Ende 2024 insgesamt 120.740 Menschen als vermisst oder verschwunden registriert.

Die Neuerfassung verschwundener Personen – eine Maßnahme, mit der die Regierung angeblich feststellen wollte, ob eine Person tatsächlich vermisst oder verschwunden war – wurde fortgesetzt, obwohl zivilgesellschaftliche Organisationen befürchteten, dass sie der Regierung dazu diente, das Ausmaß des Problems und die offizielle Zahl der Vermissten und Verschwundenen herunterzuspielen. Im März 2024 meldete das Innenministerium, dass rund 20.000 Menschen gefunden worden seien und knapp 100.000 Menschen noch als verschwunden oder vermisst galten.

Wer nach verschwundenen Familienmitgliedern suchte, war weiterhin großen Risiken ausgesetzt. Dies betraf hauptsächlich Frauen, da sie die Mehrzahl der Suchenden ausmachten. Im Laufe des Jahres 2024 wurde mindestens eine Frau, die auf der Suche nach einem verschwundenen Familienmitglied war, getötet; eine weitere wurde Opfer des Verschwindenlassens: Lorenza Cano Flores "verschwand" im Januar 2024 in Salamanca im Bundesstaat Guanajuato, und Angelita Meraz León wurde im Februar in Tecate im Bundesstaat Baja California getötet. Im Februar 2024 fand vor der Interamerikanischen Menschenrechtskommission eine öffentliche Anhörung über den Schutz von Frauen statt, die nach Verschwundenen suchen. Dabei wurde auf die ernsten Risiken hingewiesen, denen sie ausgesetzt sind – von Unterdrückung und Bedrohung bis hin zu Verschwindenlassen und Tötung.

Bei einem Treffen im Juni 2024 war die Regierung nicht bereit, den Angehörigen der 43 Studenten aus Ayotzinapa (Bundesstaat Guerrero), die 2014 "verschwunden" waren, den Großteil der 800 Militärdokumente auszuhändigen, die für die Ermittlungen in dem Fall relevant waren. Präsident Andrés Manuel López Obrador griff Organisationen an, die die Angehörigen der 43 verschwundenen Studenten unterstützten, so z. B. die Menschenrechtsorganisation Centro Prodh, das Menschenrechtszentrum Tlachinollan und die Interdisziplinäre Gruppe unabhängiger Expert*innen (Grupo Interdisciplinario de Expertos Independientes – GIEI).

Recht auf Wahrheit, Gerechtigkeit und Wiedergutmachung

Der Mechanismus für Wahrheit und die Aufklärung historischer Menschenrechtsverletzungen (Mecanismo para la Verdad y el Esclarecimiento Histórico) legte 2024 zwei Berichte vor, die sich mit schweren Menschenrechtsverletzungen zwischen 1965 und 1990 befassten. Der Bericht vom August 2024 machte die Behörden für systematische Menschenrechtsverletzungen verantwortlich und kam zu dem Schluss, dass 8.594 Menschen elf verschiedenen Arten schwerer Menschenrechtsverletzungen zum Opfer gefallen waren. Der Bericht vom Oktober 2024 konzentrierte sich auf schwere Menschenrechtsverletzungen gegen politisch Andersdenkende und folgerte, dass in diesem Kontext 1.103 Menschen dem Verschwindenlassen zum Opfer gefallen waren.

Das Innenministerium legte im September 2024 einen Bericht vor, den die Kommission für Wahrheit, Aufklärung und Gerechtigkeit für historische Menschenrechtsverletzungen (Comisión para Acceso a la Verdad, Esclarecimiento Historico e Impulso a la Justicia de Violaciones Graves a Derechos Humanos) verfasst hatte. Der Bericht war von dem Ministerium stark gekürzt worden, und neun betroffene Personengruppen, darunter lesbische, schwule, bisexuelle, trans und intergeschlechtliche Menschen (LGBTI+), Sexarbeiter*innen, Journalist*innen und Gegner*innen von Großprojekten, waren aus dem Bericht entfernt worden.

Willkürliche Inhaftierungen und unfaire Gerichtsverfahren

Im Juli 2024 äußerte sich die UN-Arbeitsgruppe gegen willkürliche Inhaftierungen u. a. besorgt über systematische willkürliche Inhaftierungen in Mexiko sowie über die Arraigo-Haft (Haft ohne Anklage) und die Praxis, Menschen automatisch in Untersuchungshaft zu nehmen. Zudem kritisierte die Arbeitsgruppe die Militarisierung der inneren Sicherheit und die exzessive Anwendung von Gewalt gegen Inhaftierte.

Im Dezember 2024 wurde eine Verfassungsänderung angenommen, um künftig Straftaten wie Erpressung, Schmuggel und betrügerische Rechnungsstellung sowie bestimmte Drogendelikte in die Liste der Verbrechen aufnehmen zu können, für die Verdächtige automatisch und ohne Prüfung der Umstände in Untersuchungshaft genommen werden.

Rechte von Frauen und Mädchen

Sexualisierte Gewalt und Frauenmorde waren nach wie vor an der Tagesordnung und wurden nicht angemessen untersucht. Nach Angaben der zuständigen Behörde wurden im Jahr 2024 etwa 3.427 Frauen getötet. Mindestens 829 dieser Tötungen wurden als Feminizide eingestuft. (Der in Mexiko verwendete Begriff "Feminizid" statt "Femizid" verdeutlicht die politische Dimension von Morden an Frauen als Folge weitgehender Straflosigkeit.)

Die Behörden veröffentlichten einige Verfügungen zur Förderung der Rechte von Frauen und Mädchen. Am 18. Januar 2024 trat eine Verfügung in Kraft, um das Gesetz für ein gewaltfreies Leben für Frauen (Ley General de Acceso de las Mujeres a una Vida Libre de Violencia) zu reformieren und Gewalt gegen Frauen zu verhindern und zu bestrafen.

Am 15. November 2024 wurde eine Verfassungsänderung zur Förderung der Geschlechtergleichstellung vorgestellt. Darin wurde eine substanzielle Gleichstellung beim Zugang zu Rechten festgelegt und eine stärkere Schutzpflicht des Staates gegenüber Frauen, Jugendlichen, Mädchen und Jungen verankert. Außerdem wurde für die öffentliche Sicherheit und die Justiz eine geschlechtsspezifische Perspektive eingeführt und in Verwaltungen auf kommunaler, bundesstaatlicher und landesweiter Ebene die Notwendigkeit von Geschlechterparität betont. Zudem wurde der Kongress verpflichtet, das geschlechtsspezifische Lohngefälle zu verringern.

Sexuelle und reproduktive Rechte

Die Bundesstaaten Chiapas, México, Jalisco, Michoacán, Puebla, San Luis Potosí und Zacatecas verabschiedeten im Jahr 2024 Gesetze zur Entkriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen. In den Bundesstaaten Yucatán und Nayarit waren die gesetzgebenden Institutionen per Gerichtsentscheid angewiesen worden, Schwangerschaftsabbrüche rechtlich zu entkriminalisieren, doch die Umsetzung entsprechender Gesetze stand Ende des Jahres noch aus. Ende 2024 waren Schwangerschaftsabbrüche in 19 von 32 Bundesstaaten unter bestimmten Umständen entkriminalisiert, und in zwei Bundesstaaten war eine Entkriminalisierung im Gange.

Entgegen einem Urteil des Obersten Gerichtshofs reduzierte allerdings der Bundesstaat Aguascalientes die Anzahl der Schwangerschaftswochen, in denen ein Abbruch vorgenommen werden konnte, von zwölf auf sechs.

Rechte von LGBTI+

Im April 2024 wurden Änderungen des Strafgesetzbuchs und des Gesundheitsgesetzes (Ley General de Salud) angenommen, mit denen sogenannte "Konversionstherapien" verboten wurden.

Das Jahr 2024 war hochgefährlich für trans Frauen in Mexiko: Medien und zivilgesellschaftliche Organisationen berichteten über mindestens 59 Morde an trans Frauen. Laut Daten, die 2024 von der Organisation Transgender Europe veröffentlicht wurden, war Mexiko im Jahr 2023 nach Brasilien das zweitgefährlichste Land der Welt für Transgeschlechtliche.

Rechte von Flüchtlingen und Migrant*innen

Die Flüchtlingsbehörde COMAR erhielt im Laufe des Jahres 78.975 Asylanträge, die meisten davon von Personen aus Honduras, Kuba, Haiti, El Salvador, Venezuela und Guatemala. Da es an Unterkünften fehlte, waren viele Asylsuchende gezwungen, in der Nähe der Büros von COMAR in Mexiko-Stadt auf der Straße zu leben. Nach Beschwerden von Anwohner*innen entschied die Behörde, in ein anderes Bürogebäude zu ziehen, und setzte die Bearbeitung von Asylanträgen etwa zwei Monate lang aus. Dies führte zu einem Anstieg der Zahl unbearbeiteter Anträge.

Zivilgesellschaftliche Organisationen kritisierten, dass die Einwanderungsbehörde (Instituto Nacional de Migración) die Ausgabe von humanitären Besucherkarten (Tarjeta de Visitante por Razones Humanitarias) an Asylsuchende nicht beschleunigte. Für Asylsuchende hatte dies zur Folge, dass sie ihre Rechte auf Gesundheit, Bildung und Beschäftigung nicht wahrnehmen konnten.

Die mexikanischen Behörden arbeiteten weiterhin mit den USA zusammen, um politische Maßnahmen umzusetzen, die das Recht auf Asyl und den Grundsatz der Nicht-Zurückweisung (Non-Refoulement-Prinzip) untergruben. Die nördlichen Grenzen Mexikos wurden für Menschen, die dort auf einen Termin bei der Einwanderungsbehörde in den USA warten mussten, immer gefährlicher. Ihnen drohten Erpressung, Entführung, Diskriminierung und sexualisierte bzw. geschlechtsspezifische Gewalt durch staatliche und nichtstaatliche Akteure.

Rechte indigener Gemeinschaften

Am 30. September 2024 trat eine Verfassungsänderung in Kraft, die die Rechte indigener und afromexikanischer Bevölkerungsgruppen auf Selbstbestimmung und auf freie, vorherige und informierte Zustimmung anerkannte. Allerdings wurde von zivilgesellschaftlichen Organisationen kritisiert, dass bestimmte Rechte wie z. B. Landrechte nicht in der Verfassungsreform enthalten waren, was die strukturellen Ungleichheiten verstärke und die Umsetzung der Reform erschweren könne.

Laut zivilgesellschaftlichen Organisationen wurden Angehörige indigener Gemeinschaften aufgrund von Gewalt vertrieben. Dies betraf die Bundesstaaten Michoacán (mindestens 110 binnenvertriebene Indigene), Chihuahua (251) und Chiapas (mindestens 8.190 Vertriebene, die meisten von ihnen Indigene). Rund 600 Menschen aus dem Bundesstaat Chiapas machten sich auf den Weg nach Guatemala, um dort Schutz zu suchen.

Recht auf eine gesunde Umwelt

Die Regierung förderte auch 2024 die Produktion fossiler Brennstoffe, um weniger von Gasimporten abhängig zu sein. Im August meldete die Regierung, dass die Ölraffinerie Dos Bocas im Bundesstaat Tabasco über die Kapazität verfüge, täglich 340.000 Barrel Rohöl zu verarbeiten.

Die im Dezember 2023 eingeweihte Intercity-Eisenbahnlinie Maya-Zug (Tren Maya) auf der Halbinsel Yucatán war 2024 trotz ökologischer und menschenrechtlicher Bedenken weiter in Betrieb. Die vorgebrachten Bedenken betrafen die Verschmutzung von Wasser und Böden, die mögliche Beeinträchtigung der Migrationsrouten und Lebensräume von Tieren, negative Folgen für die biologische Vielfalt der Region sowie Auswirkungen auf den Zugang indigener Gemeinschaften zu Nahrungsmitteln. Der ebenfalls im Dezember 2023 eröffnete internationale Flughafen Tulum auf der Halbinsel Yucatán war weiterhin in Betrieb, obwohl befürchtet wurde, dass sich Umweltverschmutzung und Lärmbelastung negativ auf die Lebensräume von Tieren und Pflanzen sowie die Wahrnehmung des Rechts auf eine gesunde Umwelt auswirken könnten.

Am 15. Februar 2024 billigte der Kongress des Bundesstaats Tabasco eine Änderung der Verfügung zur Neuansiedlung von Bewohner*innen des Küstenorts El Bosque. Die Menschen dort waren 2023 aus dem Ort evakuiert worden, weil der Meeresspiegel infolge der Klimakrise angestiegen war. Ende 2024 hatten 51 Familien ein neues Zuhause im Bundesstaat Tabasco erhalten.

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