Berichtszeitraum: 1. Januar 2024 bis 31. Dezember 2024
Die neue Regierung legte Gesetze vor, um die Rechte von Flüchtlingen und Migrant*innen an der Grenze zu Belarus noch stärker zu beschneiden. Reproduktive Rechte, insbesondere der Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen und die Entkriminalisierung der Beihilfe zu Schwangerschaftsabbrüchen, waren weiterhin Gegenstand politischer Debatten, gesetzliche Änderungen in diesem Bereich gab es jedoch nicht. Lesbische, schwule, bisexuelle, trans und intergeschlechtliche Menschen (LGBTI+) wurden auch 2024 diskriminiert. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte stellte fest, dass Polen mit dem Einsatz der Spionagesoftware Pegasus gegen das Recht auf Privatsphäre verstoßen hatte. Der polnische Oberste Gerichtshof bestätigte den Freispruch von drei Aktivistinnen, denen "Verletzung religiöser Gefühle" vorgeworfen worden war. Das Parlament stimmte für einen Gesetzentwurf, in dem Vergewaltigung nach dem Zustimmungsprinzip definiert wurde. Ein erheblicher Teil der Bevölkerung lebte in unzulänglichen oder beengten Wohnverhältnissen. Die Regierung ergriff keine Maßnahmen, um in nächster Zukunft aus den fossilen Brennstoffen auszusteigen.
Hintergrund
Ende 2024 war die neue Regierung ein Jahr im Amt und hatte noch keine nennenswerten Fortschritte erzielt, was ihre Wahlkampfversprechen hinsichtlich der Achtung der Rechtsstaatlichkeit, der reproduktiven Rechte sowie der Rechte von Flüchtlingen, Migrant*innen und LGBTI+ anging. Trotz gewisser Schritte in Richtung einer Wiederherstellung der Rechtsstaatlichkeit blieben die Institutionen, denen in der Vergangenheit mangelnde Unabhängigkeit vorgeworfen wurde, unverändert. Hierzu zählten der Verfassungsgerichtshof, der Nationale Justizrat (Krajowa Rada Sądownictwa) und die "Kammer für Berufsverantwortung" des Obersten Gerichtshofs.
Rechte von Flüchtlingen und Migrant*innen
An der Grenze zu Belarus wurden die Rechte von Flüchtlingen und Migrant*innen auch 2024 verletzt. Im Oktober 2024 kündigte die polnische Regierung eine neue Migrationsstrategie an und brachte einen Gesetzentwurf ein, der dem Innenministerium die Möglichkeit einräumte, die Einreichung von Asylanträgen in einem bestimmten Gebiet "vorübergehend auszusetzen", wenn dies aufgrund von Sicherheitsbedenken als erforderlich erachtet wird. Dieser Vorstoß könnte die Rechte von Menschen gefährden, die in Polen Schutz suchen.
Im Juni 2024 richtete die polnische Regierung eine "Pufferzone" an der Grenze zu Belarus ein. Zudem schränkte sie die Möglichkeiten von Journalist*innen und zivilgesellschaftlich engagierten Personen ein, die Lage an der Grenze zu beobachten und über die Vorgänge dort zu berichten. Dies betraf auch potenzielle Menschenrechtsverletzungen durch polnische Grenzposten und Staatsbedienstete.
Ebenfalls im Juni kritisierten zivilgesellschaftliche Organisationen eine vorgeschlagene Änderung des Strafgesetzbuchs, die u. a. den Schusswaffengebrauch durch Sicherheitskräfte an der Grenze weitgehend zulassen würde, was gegen völkerrechtliche Normen über den Einsatz tödlicher Gewalt verstoßen würde. Eine solche Gesetzesänderung würde die Gefahr noch erhöhen, dass Polizeikräfte und Grenzposten mit tödlicher Gewalt gegen Flüchtlinge und Migrant*innen vorgehen und dafür nicht zur Rechenschaft gezogen werden.
Mehrere Menschenrechtsverteidiger*innen, die wegen humanitärer und oftmals lebensrettender Hilfe für Geflüchtete und Migrant*innen strafrechtlich verfolgt worden waren, wurden 2024 freigesprochen. Mindestens ein Fall war jedoch Ende des Jahres weiter anhängig.
Sexuelle und reproduktive Rechte
Schwangerschaftsabbrüche standen auch 2024 unter Strafe, außer in Fällen, in denen die Schwangerschaft die Gesundheit oder das Leben der schwangeren Person gefährdete oder eine Folge von Vergewaltigung oder Inzest war. Tausende Menschen waren daher gezwungen, für einen Schwangerschaftsabbruch ins Ausland zu reisen. Andere waren auf die Hilfe von zivilgesellschaftlichen Organisationen angewiesen. Menschenrechtsverteidigerinnen, die Frauen zu einem sicheren Schwangerschaftsabbruch verhalfen, gerieten ins Visier, und es wurden einige Strafverfahren gegen Aktivist*innen und Familienangehörige von Betroffenen eingeleitet, die entsprechende Hilfe leisteten.
Im Laufe des Jahres 2024 wurden vier Gesetzentwürfe, die besseren Zugang zu bzw. eine Entkriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen vorsahen, ins Parlament eingebracht. Sie waren bis Ende des Jahres jedoch noch nicht verabschiedet worden. Sowohl das Gesundheitsministerium als auch die Generalstaatsanwaltschaft erließen Richtlinien, mit denen der Zugang zu legalen Schwangerschaftsabbrüchen erleichtert werden sollte. Diese führten jedoch nicht zu spürbaren Veränderungen. Die Richtlinien des Gesundheitsministeriums wurden von der Obersten Ärzt*innenkammer heftig kritisiert, weil sie die Verantwortung – und damit auch eine gewisse Haftbarkeit – auf Ärzt*innen übertrugen.
Rechte von LGBTI+
Von den 105 homofeindlichen Erklärungen, mit denen sich Verwaltungseinheiten in ganz Polen seit 2019 zu sogenannten "LGBTI-freien Zonen" deklariert hatten, waren Ende 2024 nur noch fünf in Kraft. LGBTI+ und Menschen, die sich für LGBTI-Rechte einsetzten, erlebten jedoch auch weiterhin Diskriminierung und Gewalt. Der UN-Ausschuss für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte äußerte sich besorgt über das Fehlen von umfassenden Gesetzen gegen Diskriminierung. Zudem kritisierte der Ausschuss, dass die Gesetze gegen Hasskriminalität und Anstiftung zum Hass keine konkreten Bestimmungen zu den Tatmotiven sexuelle Orientierung und Geschlechtsidentität enthielten.
Im Jahr 2023 hatte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) Polen im Fall Przybyszewska u.a. gegen Polen angewiesen, eine Form der gesetzlichen Anerkennung von gleichgeschlechtlichen Paaren einzuführen. Im Oktober 2024 wurde im Parlament ein Gesetzentwurf eingebracht, der die Anerkennung von eingetragenen Lebenspartnerschaften für gleichgeschlechtliche Paare vorsah. Ende 2024 war der Entwurf jedoch noch nicht verabschiedet.
Recht auf Privatsphäre
Im Mai 2024 entschied der EGMR im Fall Pietrzak und Bychawska-Siniarska u.a. gegen Polen, dass die ehemalige polnische Regierung durch "geheime Überwachungsmaßnahmen" gegen das Recht auf Privatsphäre verstoßen hatte. Der Fall bezog sich auf den Einsatz der Spionagesoftware Pegasus durch die damalige PiS-Regierung, von dem hauptsächlich oppositionsnahe Politiker*innen betroffen waren. Der EGMR kritisierte zudem, dass Überwachungsmaßnahmen keiner ausreichenden Kontrolle unterlagen, die Behörden uneingeschränkt auf Telekommunikationsdaten zugreifen konnten und nicht genügend Schutzmechanismen existierten.
Recht auf freie Meinungsäußerung
Im März 2024 bestätigte der Oberste Gerichtshof den Freispruch von drei Aktivistinnen, die 2019 aufgrund des Besitzes und der Verteilung von Postern und Aufklebern, auf denen die Jungfrau Maria mit einem Regenbogen-Heiligenschein abgebildet war, wegen "Verletzung religiöser Gefühle" angeklagt worden waren. Zuvor hatte die Staatsanwaltschaft den Freispruch durch ein vorinstanzliches Gericht angefochten.
Geschlechtsspezifische Gewalt
Im Juni 2024 verabschiedete das Parlament einen Gesetzentwurf, in dem Vergewaltigung in Übereinstimmung mit internationalen Menschenrechtsstandards nach dem Zustimmungsprinzip definiert wurde. Es gab jedoch Zweifel daran, dass das neue Gesetz, das im Februar 2025 in Kraft treten sollte, Menschen mit körperlichen und geistigen Behinderungen ausreichenden Schutz bot.
Wirtschaftliche und soziale Rechte
Polen hatte 2024 noch immer keinen der UN-Mechanismen akzeptiert, die Beschwerden über mutmaßliche Verletzungen der sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Rechte auf internationaler Ebene ermöglichen würden.
Recht auf Wohnraum
Der UN-Ausschuss für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte kritisierte den Mangel an erschwinglichem Wohnraum, der dazu geführt habe, dass ein beträchtlicher Teil der Bevölkerung unter unzulänglichen oder beengten Bedingungen lebte. Der Ausschuss empfahl der polnischen Regierung, die Finanzierung des Baus von neuen und bezahlbaren Wohngebäuden zu priorisieren und mangelhaften Wohnraum zu renovieren und zu modernisieren. Zudem empfahl der UN-Ausschuss eine Stärkung von Kontroll- und Durchsetzungsmechanismen, um eine Ausbeutung durch Vermieter*innen und die Gefahr der Obdachlosigkeit zu reduzieren.
Recht auf friedliche Versammlung
Im Mai 2024 sprach ein Gericht Joanna Wolska frei. Die Aktivistin der Organisation "Frauenstreik" (Strajk Kobiet) war wegen mutmaßlicher Rechtsverletzungen bei der Durchführung einer Demonstration zu Schwangerschaftsabbrüchen angeklagt worden.
Im Juli 2024 klebten sich Aktivist*innen der Gruppe Letzte Generation auf dem Asphalt einer Straße in der Hauptstadt Warschau fest, um so gegen den Klimawandel zu protestieren. Sie gaben an, dass die Polizei nicht zu ihrem Schutz eingegriffen habe, als sie von Autofahrer*innen angegriffen wurden.
Recht auf eine gesunde Umwelt
Hinsichtlich seiner Leistungen in Bezug auf Klimapolitik, Energieverbrauch und Treibhausgasemissionen erhielt Polen 2024 vom Klimaschutz-Index CCPI die Gesamtbewertung "niedrig". Die Regierung unternahm keine Maßnahmen, um in nächster Zukunft aus den fossilen Brennstoffen auszusteigen. Im September 2024 kamen bei starken Überschwemmungen, die insbesondere den Südwesten des Landes betrafen, sieben Menschen ums Leben. Laut der Initiative World Weather Attribution hatte der menschengemachte Klimawandel zu den Überschwemmungen beigetragen.