Amnesty Report 2024/25: Zur Lage der Menschenrechte weltweit; Kolumbien 2024

Berichtszeitraum: 1. Januar 2024 bis 31. Dezember 2024

Trotz Friedensgesprächen und Waffenruhen litt die Zivilbevölkerung 2024 weiterhin unter den bewaffneten Konflikten und den damit einhergehenden Menschenrechtsverletzungen und Verstößen gegen das humanitäre Völkerrecht. Am stärksten betroffen waren indigene, afrokolumbianische und kleinbäuerliche Gemeinschaften. Die Suche nach verschwundenen Menschen gestaltete sich schwierig, und es gab weiterhin Fälle von Verschwindenlassen. Menschenrechtsverteidiger*innen wurden trotz verbesserter Schutzmaßnahmen der Behörden Opfer von Gewalt. Eine umfassende Polizeireform stand immer noch aus. Gewalt gegen Journalist*innen, Frauen und Mädchen sowie lesbische, schwule, bisexuelle, trans und intergeschlechtliche Menschen (LGBTI+) war nach wie vor an der Tagesordnung. Der mutmaßliche Einsatz von Spionagesoftware durch die Sicherheitsbehörden löste eine politische Kontroverse aus. Von Streitkräften verübte Verbrechen blieben nach wie vor weitgehend ungestraft, wenngleich für einige Opfer Fortschritte bezüglich Entschädigung und Gerechtigkeit erzielt wurden. Trotz einiger Verbesserungen waren die Rechte venezolanischer Geflüchteter nicht vollständig gewährleistet. Das Regionale Abkommen über den Zugang zu Informationen, Teilhabe und Gerechtigkeit in Umweltangelegenheiten in Lateinamerika und der Karibik (Escazú-Abkommen) wurde als verfassungsgemäß eingestuft. Ein Gesetz zur Rentenreform trat in Kraft.

Hintergrund

Nach Angaben des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK) gab es in Kolumbien 2024 immer noch acht interne bewaffnete Konflikte. Mehrere bewaffnete Gruppen weiteten ihre Präsenz in verschiedenen Regionen aus, und die bewaffneten Auseinandersetzungen eskalierten. Die Regierung behielt ihre Politik des "vollkommenen Friedens" (Paz Total) bei und verhandelte weiterhin mit verschiedenen bewaffneten Gruppen.

Im März 2024 setzte die Regierung den Waffenstillstand mit der FARC-Splittergruppe Estado Mayor Central (EMC) in den Departamentos Cauca, Nariño und Valle del Cauca aus, und die Verhandlungen brachen ab. Ein Lager der EMC, das sich EMBF nennt (Estado Mayor de Bloques y Frentes), setzte die Gespräche mit der Regierung fort und erzielte im Oktober ein Waffenstillstandsabkommen.

Die Verhandlungen zwischen der Regierung und der bewaffneten Gruppe Ejército De Liberación Nacional (ELN) gerieten im September 2024 ins Stocken, nachdem im August ein Waffenstillstand ausgelaufen war und im September ein Angriff auf einen Militärstützpunkt im Departamento Arauca verübt worden war, für den die Regierung die ELN verantwortlich machte. Im November trafen sich Vertreter*innen der Regierung und der ELN, um die Wiederaufnahme von Verhandlungen zu besprechen.

Im September 2024 kündigte die Regierung offiziell an, Verhandlungen mit einer Abspaltung der ELN, der Frente Comuneros del Sur, führen zu wollen.

Die FARC-Splittergruppe Segunda Marquetalia brach ebenfalls auseinander, und es formierte sich eine neue Gruppierung mit dem Namen Coordinadora Nacional Ejercito Bolivariano, die im November verkündete, die Verhandlungen mit der Regierung weiterführen zu wollen.

Im Laufe des Jahres 2024 kündigte die Regierung auch Verhandlungen mit bewaffneten Gruppen wie dem Ejército Gaitanista de Colombia und den Autodefensas Conquistadoras de la Sierra Nevada an. Die Gespräche mit weiteren bewaffneten Gruppen, die in den Städten Medellín, Quibdó und Buenaventura aktiv waren, wurden fortgesetzt.

Im März 2024 rief die UN-Sachverständige für Menschenrechte dazu auf, das Friedensabkommen von 2016 umzusetzen und bei allen Verhandlungen und Dialogen mit bewaffneten Gruppen den Schwerpunkt auf die Menschenrechte zu legen.

Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht

Das gesamte Jahr über wurden Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht dokumentiert, insbesondere in den Departamentos Arauca, Caquetá, Cauca, Chocó, Nariño, Putumayo und Valle del Cauca sowie in der Region Magdalena Medio (Departamento Antioquia).

Die Menschenrechtsorganisation Consultoría para los Derechos Humanos y el Desplazamiento (CODHES) dokumentierte bis Dezember 2024 121 Fälle massenhafter und mehrfacher Vertreibung, die mindestens 49.000 Menschen betrafen. Nach Angaben des Amts für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (OCHA) wurden bis November 2024 mindestens 176.500 Menschen innerhalb Kolumbiens vertrieben.

CODHES meldete zudem bis Dezember 2024 insgesamt 90 Zwangsisolierungen von Gemeinden, die sich auf mindestens 195.447 Menschen auswirkten. OCHA stellte fest, dass bewaffnete Gruppen die Zwangsisolierung von Gemeinden einsetzten, um gesellschaftliche und territoriale Kontrolle zu erlangen. In den betroffenen Gemeinden waren die Rechte der Einwohner*innen und deren Zugang zu Dienstleistungen eingeschränkt.

Nach Angaben der kolumbianischen Ombudsstelle (Defensoría del Pueblo) rekrutierten bewaffnete Gruppen bis Anfang November 2024 in 282 Fällen Minderjährige. Das Bündnis zivilgesellschaftlicher Organisationen Área de Responsabilidad de Acción Contra Minas wies darauf hin, dass Landminen und nicht explodierte Sprengkörper das Leben von schätzungsweise 607.910 Personen gefährdeten und deren Bewegungsfreiheit einschränkten.

Die Organisation Instituto de Estudios para el Desarrollo y la Paz meldete, dass von Anfang Januar bis 22. Dezember 31 ehemalige Kämpfer getötet wurden, die im Jahr 2016 das Friedensabkommen mit der Regierung unterzeichnet hatten.

Verschwindenlassen

Das IKRK teilte mit, man habe seit dem Inkrafttreten des Friedensabkommens im Dezember 2016 bis Ende Juli 2024 insgesamt 1.730 Fälle von Verschwindenlassen dokumentiert. Die Suche nach den Verschwundenen stelle weiterhin eine große Herausforderung dar, obwohl es in Kolumbien wirksame Institutionen gebe, um das Problem anzugehen, so die Organisation.

Die Sucheinheit für verschwundene Personen (Unidad de Búsqueda de Personas dadas por Desaparecidas) hatte seit ihrer Gründung im Jahr 2017 bis Juni 2024 insgesamt 23 Personen ausfindig gemacht, die noch lebten. Außerdem hatte sie gemeinsam mit anderen Institutionen 1.626 Leichen geborgen, davon 375 zwischen Januar und Juni 2024.

Im Mai 2024 wurde ein Nationales Suchsystem (Sistema Nacional de Búsqueda) ins Leben gerufen, das die verschiedenen Institutionen koordinieren soll, die für Verschwundene und andere vermisste Personen zuständig sind.

Im Juni 2024 verabschiedete das Parlament ein Gesetz zum Schutz der Rechte von Frauen, die nach Verschwundenen suchen. Es enthält eine Reihe von Maßnahmen, um die Rechte dieser Frauen auf Sicherheit und ein Leben frei von Gewalt sowie auf Bildung, Gesundheit, Wohnraum und Gerechtigkeit zu gewährleisten. Ende 2024 forderten betroffene Frauen immer noch ihre Rechte ein und verlangten eine vollständige Umsetzung des Gesetzes.

Menschenrechtsverteidiger*innen

Das Innenministerium rief im Juni 2024 gefährdete Gemeinschaften und Organisationen auf, sich für die Teilnahme am reformierten Programm für kollektiven Schutz (Programa Integral de Seguridad y Protección para Comunidades y Organizaciones en Territorios) zu bewerben. Das Programm hat zum Ziel, Gemeinschaften und Organisationen zu stärken und insbesondere Menschenrechtsverteidiger*innen besser zu schützen.

Im Juli 2024 nahmen die Regierung und Menschenrechtsorganisationen ihre Gespräche am "Runden Tisch für Sicherheitsgarantien" (Mesa Nacional de Garantías) wieder auf. Die Gespräche sollen den Austausch zwischen staatlichen Institutionen und der Zivilgesellschaft über den Schutz und die Verteidigung der Menschenrechte fördern. Im November ließen die Menschenrechtsorganisationen verlauten, dass keine weiteren Rundtischgespräche stattgefunden hatten, da einige wichtige Angehörige staatlicher Institutionen nicht verfügbar gewesen seien.

Trotz dieser Maßnahmen war Gewalt gegen Menschenrechtsverteidiger*innen 2024 immer noch weit verbreitet. Besonders besorgniserregend war die Lage in den Departamentos Antioquia – u.a. in der Region Magdalena Medio –, Arauca, Cauca, Norte de Santander und Valle del Cauca.

Die Menschenrechtsorganisation Programa Somos Defensores registrierte von Januar bis Juni 2024 insgesamt 355 Angriffe auf 318 Menschenrechtler*innen und damit 24 Prozent weniger als im vergleichbaren Vorjahreszeitraum. Zu den Angriffen zählten Bedrohungen, willkürliche Inhaftierungen, Folter, Verschwindenlassen, Entführungen, Vertreibungen und Tötungen. Von Juli bis September 2024 verzeichnete die Organisation 205 Angriffe auf 190 Menschenrechtsverteidiger*innen – ein Anstieg um 23 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum.

Das UN-Hochkommissariat für Menschenrechte meldete 2024 für den Zeitraum Januar bis November 80 bestätigte sowie 106 mutmaßliche Tötungen von Menschenrechtsverteidiger*innen. Von diesen waren 95 Fälle uneindeutig und 11 wurden noch untersucht.

Im März 2024 entschied der Interamerikanische Gerichtshof für Menschenrechte, dass Kolumbien für die Verfolgung der Mitglieder des Anwaltskollektivs José Alvear Restrepo verantwortlich sei. Das Gericht stellte fest, verschiedene staatliche Institutionen seien von 1990 bis mindestens 2005 mit nachrichtendienstlichen Aktivitäten willkürlich gegen das Kollektiv und seine Mitglieder vorgegangen und hätten dabei u. a. deren Recht auf Verteidigung der Menschenrechte verletzt.

Diskriminierung

Laut OCHA waren im März 2024 in Kolumbien 8,3 Mio. Menschen auf humanitäre Hilfe angewiesen. Gründe dafür waren bewaffnete Auseinandersetzungen, der Verlust angestammten Landes und der Klimawandel bzw. eine Kombination dieser Faktoren. 23 Prozent der Betroffenen gehörten indigenen oder afrokolumbianischen Gemeinschaften an.

Indigene und afrokolumbianische Gemeinschaften waren zudem nach wie vor unverhältnismäßig stark von Menschenrechtsverletzungen und Verstößen gegen das humanitäre Völkerrecht betroffen. Die Menschenrechtsorganisation CODHES gab im Dezember 2024 an, dass mindestens 2.446 Afrokolumbianer*innen, die in kollektiven Territorien unter gemeinschaftlicher Verwaltung (Consejos Comunitarios) lebten, Opfer großangelegter, massenhafter Vertreibungen geworden seien. Etwa 8.336 Angehörige indigener Gemeinschaften in Reservaten seien ebenfalls dieser Art von Vertreibung zum Opfer gefallen. Die zuständige Ombudsstelle berichtete am 5. November 2024, dass 50 Prozent der von bewaffneten Gruppen rekrutierten Minderjährigen aus indigenen Gemeinschaften stammten.

Die Gewalt gegen Menschenrechtsverteidiger*innen war in ländlichen Gebieten besonders ausgeprägt und richtete sich in erster Linie gegen Personen aus kleinbäuerlichen, indigenen und afrokolumbianischen Gemeinschaften. Von den insgesamt 355 Angriffen, die die Organisation Programa Somos Defensores von Januar bis Juni 2024 registrierte, richteten sich 111 gegen führende Angehörige indigener Gemeinschaften, vier gegen afrokolumbianische und 39 gegen kleinbäuerliche Sprecher*innen.

Die zivilgesellschaftliche Organisation Ilex Acción Jurídica und die UN-Arbeitsgruppe von Sachverständigen für Menschen afrikanischer Herkunft kritisierten, dass die Art, wie Daten über Afrokolumbianer*innen erhoben wurden, diese weiterhin ausgrenze und nicht geeignet sei, um Ungleichheit, Diskriminierung und Rassismus gezielt zu bekämpfen.

Recht auf Versammlungsfreiheit

Die NGO Temblores dokumentierte von Januar bis Juni 2024 landesweit 78 Fälle von Polizeigewalt, davon betrafen 19 Fälle Protestveranstaltungen. Ein Vergleich aller gewaltsamen Polizeieinsätze ergab, dass Proteste den höchsten Prozentsatz ausmachten.

Im August 2024 forderte die Koalition für eine Polizeireform (Mesa por la Reforma Policial), eine Gruppe von Menschenrechtsorganisationen und Organisationen für Opfer rechtswidriger Polizeigewalt, die Regierung auf, die seit 2022 versprochene umfassende Polizeireform voranzutreiben. Zwar habe die Regierung wiederholt Dialoge angestoßen und Schritte unternommen, um die Vorschriften zum Einsatz von Gewalt zu ändern, doch sei eine tiefergehende Reform der Polizei notwendig. Im November 2024 legte die Koalition dem Verteidigungsministerium und der Polizei einen Bericht zu diesem Sachverhalt vor.

Im September 2024 forderten mehrere UN-Menschenrechtsexpert*innen die Regierung auf, im Hinblick auf die Tötungen und andere Menschenrechtsverletzungen während des landesweiten Generalstreiks (Paro Nacional) im Jahr 2021 für Wahrheit, Gerechtigkeit und Rechenschaftspflicht zu sorgen. Damals waren in ganz Kolumbien Tausende Menschen auf die Straße gegangen, um gegen eine Steuerreform und soziale Ungerechtigkeit zu protestieren.

Die Generalstaatsanwaltschaft erließ im September 2024 eine Richtlinie zur Verfolgung mutmaßlicher Straftaten, die während der Proteste verübt wurden, in der auch die geltenden Menschenrechtsstandards erläutert waren. Unterdessen forderten Polizei und Militärgerichte weiterhin, dass Verfahren, die Protestierende wegen Menschenrechtsverletzungen angestrengt hatten, an die Militärjustiz übergeben werden müssten. Im Fall von Leidy Cadena, die bei den Protesten 2021 bei einem Polizeiangriff mit einem Gummigeschoss ihr rechtes Auge verloren hatte, entschied das Verfassungsgericht im September, dass das Verfahren vor einem regulären Strafgericht stattfinden solle.

Recht auf freie Meinungsäußerung

Zur Unterstützung von Präventions-, Schutz- und Hilfsprogrammen für Journalistinnen, die Opfer geschlechtsspezifischer Gewalt wurden, richtete die Regierung im September 2024 den Fonds No es Hora de Callar ("Es ist nicht die Zeit zu schweigen") ein. Sie kam damit einer Anweisung des Interamerikanischen Gerichtshofs für Menschenrechte im Fall Bedoya Lima gegen Kolumbien nach.

Nach einer Auseinandersetzung zwischen dem Präsidenten und einer Journalistin forderte die Interamerikanische Menschenrechtskommission die kolumbianischen Behörden im Juli 2024 auf, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um feindselige Äußerungen gegen Medienschaffende zu verhindern und Journalist*innen vor Bedrohungen zu schützen. Im September 2024 erließ Präsident Gustavo Petro ein Dekret, das die Pflichten der Behörden bezüglich Meinungs- und Pressefreiheit betraf und explizit zum Ziel hatte, den öffentlichen Diskurs und die Informationsvielfalt zu fördern.

Ungeachtet dessen appellierte die Stiftung für Pressefreiheit (Fundación para la Libertad de Prensa – FLIP) 2024 mehrfach an den Präsidenten, sein angespanntes Verhältnis zu den Medien zu verbessern. Im September zog die FLIP gemeinsam mit der NGO El Veinte und einigen Journalistinnen vor Gericht, um rechtlichen Schutz gegen stigmatisierende Äußerungen des Präsidenten zu erwirken.

Eine im Februar 2024 veröffentlichte Umfrage der Ombudsstelle unter Journalist*innen ergab, dass sich 37 Prozent der Befragten bei der Ausübung ihrer journalistischen Tätigkeit ernsthafte Sorgen um ihre Sicherheit machten. Die FLIP dokumentierte im Jahr 2024 524 Angriffe auf Journalist*innen, darunter 72 Beleidigungen, 213 Drohungen und zwei Tötungen.

Frauenrechte

Allein im Januar und Februar 2024 registrierte die Ombudsstelle 1.310 Fälle von Gewalt gegen Frauen. Die Kolumbianische Beobachtungsstelle für Feminizide (Observatorio Colombiano de Feminicidios) meldete von Januar bis November 815 geschlechtsspezifische Tötungen von Frauen und Mädchen.

Im September 2024 berichtete die Stiftung für Frieden und Versöhnung (Fundación Paz y Reconciliación), dass die bewaffnete Gruppe Ejército Gaitanista de Colombia im Departamento Chocó und insbesondere in dessen Hauptstadt Quibdó mit Drohungen und zunehmender Gewalt gegen Frauen vorgehe.

Rechte von LGBTI+

Aktivist*innen und Menschenrechtsverteidiger*innen, die sich für die Rechte von lesbischen, schwulen, bisexuellen, trans und intergeschlechtlichen Menschen (LGBTI+) einsetzten, waren nach wie vor Drohungen und Angriffen ausgesetzt. Es gab weiterhin gewaltsame Angriffe auf LGBTI+. Im Dezember 2024 berichtete die Organisation Caribe Afirmativo, dass im Jahr 2024 nach vorliegenden Erkenntnissen 44 LGBTI+ getötet worden waren, darunter 21 trans Frauen (Stand Oktober).

Sexuelle und reproduktive Rechte

Die Gesundheitsbehörden veröffentlichten im August Anweisungen, die den Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen bis zur 24. Schwangerschaftswoche gewährleisteten, und setzten damit ein Urteil des Verfassungsgerichts aus dem Jahr 2022 um. Im September berichteten die Organisationen Profamilia und Ríos, es gebe nach wie vor Hürden beim Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen, insbesondere in ländlichen Gemeinden und für Personen mit geringem Einkommen.

Rechtswidrige Überwachung

Ein Bericht der israelischen Tageszeitung Haaretz, wonach die kolumbianischen Sicherheitsbehörden im Jahr 2021 die Spionagesoftware Pegasus gekauft hatten, löste 2024 eine Kontroverse aus. Die Spionagesoftware ermöglicht den vollständigen und uneingeschränkten Zugriff auf Mobiltelefone. Im September 2024 verurteilte der Präsident die Anschaffung der Software, für die er laut eigenen Angaben Belege hatte. Im November sagte der kolumbianische Botschafter in den USA, dass die US-Regierung bestätigt habe, Pegasus für Einsätze zur Drogenbekämpfung in Kolumbien angeschafft zu haben, dass der Einsatz der Spionagesoftware jedoch im Jahr 2022 ausgesetzt worden sei. Kolumbianische Behörden wie das Verteidigungsministerium erklärten, sie hätten keinen Zugang zu der Software. Mitglieder der 2021 amtierenden Regierung hatten die Anschaffung mehrfach bestritten.

Recht auf Wahrheit, Gerechtigkeit und Wiedergutmachung

Im Laufe des Jahres 2024 forderten verschiedene Organisationen und andere Akteure die Sondergerichtsbarkeit für den Frieden (Jurisdicción Especial para la Paz – JEP) auf, erste Urteile zu fällen. Dringlich sei dies insbesondere in den Verfahren gegen ehemalige FARC-Mitglieder wegen Entführungen und gegen Militärangehörige wegen außergerichtlicher Hinrichtungen. Der Vorsitzende der JEP und einige Opferorganisationen mahnten, die Unabhängigkeit der Sondergerichtsbarkeit müsse respektiert werden.

Die JEP begann mit der Verhängung von "Eigenen Strafen" (sanciones propias) gegen Personen, die ihre Schuld von Anfang an anerkannt hatten. Es handelte sich dabei um Freiheitsstrafen ohne Gefängnis, die der Wiedergutmachung dienten. Sie kamen auch für Militärangehörige infrage, die an außergerichtlichen Hinrichtungen beteiligt waren. Im September beklagte der Vorsitzende der JEP erneut, dass für die Umsetzung der "Eigenen Strafen" keine ausreichenden finanziellen Mittel zur Verfügung standen. Der Opferverband Movimiento Nacional de Víctimas de Crímenes de Estado und mehrere Menschenrechtsorganisationen forderten eine bessere, verbindlichere und wirksamere Beteiligung an der Gestaltung und Umsetzung der "Eigenen Strafen".

Im Januar 2024 erkannte die Regierung einem ehemaligen Generalmajor mehrere Orden ab, der 1985 am Verschwindenlassen von fünf Personen beteiligt war, als er einen Militäreinsatz zur Befreiung des Justizpalastes aus den Händen einer Guerillagruppe befehligte.

Im Mai 2024 verabschiedete der Kongress einen von der Ombudsstelle vorgelegten Gesetzentwurf zur Reform des Opfer- und Landrückgabegesetzes (Ley de Víctimas y Restitución de Tierras).

Das Kroc Institute for International Peace Studies, das die Einhaltung des Friedensabkommens von 2016 überwacht, konstatierte im September 2024, das "ethnische Kapitel" des Abkommens bzw. der darin vereinbarte "ethnische Ansatz" (enfoque étnico) als übergreifende Perspektive würden nur unzureichend umgesetzt. Das Institut hielt es für unwahrscheinlich, dass die vereinbarten Ziele diesbezüglich fristgerecht zu erreichen seien, da die Fortschritte in diesem Bereich deutlich geringer seien als bei der Umsetzung allgemeiner Verpflichtungen.

Im September 2024 begann vor der JEP das kontradiktorische Strafverfahren gegen einen pensionierten Oberst, dem vorgeworfen wurde, als Bataillonschef in der Stadt Valledupar (Departamento Cesar) zwischen 2002 und 2004 für mehr als 70 außergerichtliche Hinrichtungen verantwortlich gewesen zu sein.

Rechte von Flüchtlingen und Migrant*innen

Im November 2024 hielten sich laut Einwanderungsbehörde 2,8 Mio. venezolanische Staatsangehörige in Kolumbien auf, von denen 2.086.436 einen regulären Aufenthaltsstatus besaßen. Bei 336.786 Personen stand eine Regelung ihres Status noch aus, und 384.943 verfügten nicht über die notwendigen Papiere.

Im April 2024 entschied das Verfassungsgericht, es sei verfassungswidrig, von venezolanischen Staatsangehörigen, die den Flüchtlingsstatus beantragten, einen Verzicht auf ihren vorübergehenden Schutzstatus zu verlangen.

Im Juli 2024 forderte die NGO Colombia Diversa die Behörden auf, statistische Daten über LGBTI-Migrant*innen in Kolumbien zu erheben. Nach Angaben der Organisation stießen transgeschlechtliche Venezolaner*innen auf erhebliche Hindernisse, wenn sie unter Verwendung ihres gewünschten Namens und Geschlechts ihren Aufenthaltsstatus regeln wollten.

Im September 2024 berichteten zahlreiche venezolanische Menschenrechtsverteidiger*innen, dass sie bei Aufenthalten in Kolumbien von bewaffneten Gruppen bedroht wurden.

Die Interamerikanische Menschenrechtskommission stellte nach einem Besuch im April 2024 fest, es gebe Fortschritte bei der Umsetzung von Maßnahmen zur Integration und zum vorübergehenden Schutz von Venezolaner*innen. Allerdings betonte die Kommission, dass diese Maßnahmen dringend noch verstärkt werden müssten.

Die Interamerikanische Menschenrechtskommission bemängelte außerdem, dass es in den Gemeinden nahe dem Urwald von Darién keine Migrations- und Gesundheitsbehörden gebe. Durch die Region an der Grenze zu Panama führt eine Migrationsroute Richtung Norden.

Recht auf eine gesunde Umwelt

Im April 2024 prüfte das Verfassungsgericht den Antrag eines Ehepaars, das seinen landwirtschaftlichen Hof verlassen musste, nachdem ein Fluss über die Ufer getreten war, und das rechtlich als vertrieben anerkannt werden wollte. Das Gericht wies das Parlament an, Vertreibung aufgrund von Umweltereignissen – insbesondere infolge des Klimawandels – gesetzlich zu regeln.

Im August 2024 entschied das Verfassungsgericht, dass das Escazú-Abkommen mit der Verfassung im Einklang stehe und ratifiziert werden könne.

Wirtschaftliche und soziale Rechte

Das Parlament lehnte Gesetzentwürfe zur Gesundheits- und Bildungsreform ab, die die Regierung in der ersten Jahreshälfte eingebracht hatte. Für die zweite Jahreshälfte waren neue Gesetzentwürfe bezüglich Gesundheit und Bildung angekündigt. Im Juli trat eine Rentenreform in Kraft, während die Debatte über eine Reform der Arbeitsgesetzgebung am Jahresende noch nicht abgeschlossen war.

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