Berichtszeitraum: 1. Januar 2024 bis 31. Dezember 2024
Im Juli 2024 wurde das Ergebnis der umstrittenen Präsidentschaftswahl verkündet, woraufhin unzählige Menschen an Protestkundgebungen teilnahmen, die mit unverhältnismäßiger Gewalt unterdrückt wurden. Es sollen auch Menschen außergerichtlich hingerichtet worden sein. Tausende Oppositionelle, Menschenrechtsverteidiger*innen und Journalist*innen wurden willkürlich festgenommen, auch Hunderte Minderjährige gehörten zu den Festgenommenen. Die Bedingungen in den Gefängnissen wurden immer schlechter, und Inhaftierte wurden Berichten zufolge gefoltert, auch Frauen und Kinder. Menschenrechtsverletzungen blieben nach wie vor ungestraft. Der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) ordnete die Wiederaufnahme der Ermittlungen zu mutmaßlichen Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Venezuela an. Journalist*innen waren weiterhin in Gefahr, drangsaliert und willkürlich inhaftiert zu werden, und die Regierung setzte nach wie vor alles daran, unabhängige Medien zu behindern. Menschenrechtsorganisationen wurden mit der Schließung bedroht, und Menschenrechtsverteidiger*innen mussten nach wie vor um ihre Sicherheit fürchten. Bis Ende 2024 waren mehr als 7,89 Mio. Venezolaner*innen aus dem Land geflohen. Aus der Raffinerie El Palito im Bundesstaat Carabobo ausgetretenes Öl hatte schwerwiegende Folgen für die Meeresfauna. Auch 2024 lebten zahlreiche Menschen in Armut und hatten keinen ausreichenden Zugang zu Nahrungsmitteln, Wasser oder Gesundheitsleistungen. Gewalt gegen Frauen war weiterhin gang und gäbe, und Schwangerschaftsabbrüche galten nach wie vor als Straftat. Es gab keine Fortschritte beim Schutz der Rechte von lesbischen, schwulen, bisexuellen, trans und intergeschlechtlichen Menschen (LGBTI+). In der strategischen Entwicklungszone Arco Minero del Orinoco waren die Rechte der indigenen Bevölkerung nach wie vor durch illegale Bergbauaktivitäten und Gewalt bedroht. Mitarbeiter*innen des UN-Hochkommissariats für Menschenrechte (OHCHR) wurden des Landes verwiesen. Das Mandat der UN-Ermittlungsmission zu Venezuela wurde indes verlängert.
Hintergrund
Die Präsidentschaftswahl im Juli 2024 war von heftigen Kontroversen begleitet. Parteien, die in Opposition zur Regierungspartei von Nicolás Maduro bei der Wahl antreten wollten, wurden auf vielfache Weise daran gehindert. So wurde den Parteien beispielsweise die Registrierung unmöglich gemacht, oder ihre Mitglieder wurden willkürlich inhaftiert und gefoltert.
Die Regierung wies alle Aufrufe zur Untersuchung des Wahlergebnisses zurück und verfolgte weiterhin politische Gegner*innen, obwohl u. a. die EU und Staaten in der Region wie Brasilien und Kolumbien die Wahlbehörden aufgefordert hatten, detaillierte Wahlergebnisse zu veröffentlichen.
Der Oberste Gerichtshof (Tribunal Supremo de Justicia) bestätigte im August 2024 die Einsetzung von Nicolás Maduro für eine weitere Amtszeit als Präsident. Der Präsidentschaftskandidat Edmundo González Urrutia, der das Ergebnis angefochten hatte, floh im September außer Landes und erhielt in Spanien Asyl.
Im Februar 2024 wurden Mitarbeiter*innen des OHCHR des Landes verwiesen, nachdem sie über das Verschwinden von Rocío San Miguel berichtet hatten (siehe "Menschenrechtsverteidiger*innen"). Bis zum Jahresende waren einige wenige OHCHR-Mitarbeiter*innen wieder ins Land gelassen worden.
Der UN-Menschenrechtsrat verlängerte zwar das Mandat der UN-Ermittlungsmission zu Venezuela, doch die venezolanischen Behörden hatten den Ermittler*innen bis Ende 2024 noch keinen Zugang zum Land gewährt. Im Oktober 2024 veröffentlichte die Ermittlungsmission einen Bericht, in dem die anhaltende staatliche Unterdrückungsstrategie sowie Verbrechen gegen die Menschlichkeit angeprangert wurden, insbesondere mit Blick auf die Situation während und nach der Wahl.
Recht auf Leben
In den Tagen nach der Präsidentschaftswahl, zwischen dem 28. Juli und 1. August 2024, protestierten Venezolaner*innen landesweit dagegen, dass Nicolás Maduro zum Sieger erklärt worden war. Mindestens 24 Menschen starben infolge des scharfen Vorgehens der Sicherheitskräfte gegen Demonstrierende. In den meisten Fällen sind diese Tötungen möglicherweise als außergerichtliche Hinrichtungen zu betrachten. Bei zwei Opfern handelte es sich um Minderjährige. Berichten zufolge wurde auch ein Polizist getötet. Bis auf eine Ausnahme waren alle Todesfälle auf Schussverletzungen zurückzuführen. Menschenrechtsorganisationen machten Angehörige der Nationalgarde (Guardia Nacional Bolivariana de Venezuela) und der Polizei (Policía Nacional Bolivariana) sowie sogenannte Colectivos (bewaffnete zivile Gruppen, die der Regierung nahestehen) für die Tötungen verantwortlich.
Willkürliche Inhaftierungen und unfaire Gerichtsverfahren
Nach der Bekanntgabe der Präsidentschaftswahlergebnisse im Sommer 2024 griffen die Behörden zu noch schärferen Unterdrückungsmaßnahmen: Zahlreiche Menschen wurden willkürlich und aus politischen Gründen inhaftiert, gefoltert oder fielen dem Verschwindenlassen zum Opfer. Offiziellen Angaben zufolge wurden im Nachgang des 28. Juli mehr als 2.000 Personen festgenommen. Im Oktober bestätigte die NGO Foro Penal mehr als 1.900 dieser Inhaftierungen und gab an, dass 129 der Inhaftierten minderjährig waren. Bis Ende des Jahres 2024 hatte die Regierung 1.369 Menschen auf freien Fuß gesetzt, während sie 15 weitere inhaftierte. Nach wie vor befanden sich jedoch Hunderte Menschen willkürlich in Haft, darunter drei Minderjährige.
Die Massenfestnahmen erfolgten ohne Haftbefehl, und keine*r der Betroffenen wurde bei der Begehung einer illegalen Handlung festgenommen. Oft fielen die Inhaftierten mehrere Tage lang dem Verschwindenlassen zum Opfer und hatten lediglich Zugang zu gerichtlich bestellten Rechtsbeiständen, denen es an Unabhängigkeit mangelte. Die Familien der Gefangenen erhielten tagelang keine Informationen über den Verbleib ihrer Verwandten, auch wenn es sich um inhaftierte Minderjährige handelte. Die Betroffenen wurden wegen allgemeiner terrorismusbezogener Straftaten angeklagt, und die Anhörungen fanden vor Antiterrorgerichten statt, die weder unparteiisch noch unabhängig waren.
Im Dezember 2024 befanden sich immer noch 221 Frauen in Gewahrsam.
Jesús Armas und Luis Tarbay, Aktivisten der Oppositionspartei Vente Venezuela, wurden am 11. bzw. 24. Dezember in der Hauptstadt Caracas willkürlich von Personen festgenommen, die sich nicht auswiesen. Ende 2024 befanden sich rund 160 Mitglieder von Vente Venezuela und 34 Mitglieder von Primero Justicia, einer weiteren Oppositionspartei, in Haft oder waren Opfer des Verschwindenlassens geworden.
Von April bis Ende Dezember 2024 beantragten sechs Mitglieder von Vente Venezuela auf der argentinischen Botschaft in Caracas Asyl. Nachdem die venezolanische Regierung die diplomatischen Beziehungen zu Argentinien abgebrochen hatte, übernahm die brasilianische Regierung im August die Repräsentation Argentiniens in Caracas sowie den Schutz des Botschaftsgebäudes. Ende 2024 wurde die argentinische Botschaft von venezolanischen Sicherheitskräften umstellt. Die Oppositionsmitglieder, die dort Schutz gesucht hatten, befanden sich nach wie vor im Gebäude und durften das Land nicht verlassen.
Im Nachgang der Präsidentschaftswahl vom Juli 2024 erweiterte die Regierung die staatliche Handy-App VenApp um eine Funktion, mit der Nutzer*innen Meldung über Regierungskritiker*innen machen konnten. Viele der Menschen, die nach den Protesten gegen das Wahlergebnis inhaftiert wurden, sollen über VenApp denunziert worden sein.
Der Generalstaatsanwalt kündigte im August 2024 an, eine Staatsanwältin festnehmen zu wollen, weil sie "ihren Aufgaben vorsätzlich nicht bzw. nur verspätet nachgekommen" sei. Sie hatte sich geweigert, Personen, die wegen der Proteste gegen das Wahlergebnis inhaftiert worden waren, terroristische Straftaten zur Last zu legen.
Folter und andere Misshandlungen
Ein Bericht der UN-Ermittlungsmission zu Venezuela vom Oktober 2024 dokumentierte Foltervorwürfe von Personen, die im Vorfeld oder Nachgang der Präsidentschaftswahl inhaftiert worden waren.
Menschenrechtsorganisationen verurteilten Folter und andere Misshandlungen in den Haftanstalten, wo die Gefangenen u. a. geschlagen, bedroht oder mit Erstickungsversuchen und Elektroschocks gefoltert wurden. Frauen wurden häufig Opfer sexualisierter Gewalt.
Die Familienangehörigen von willkürlich inhaftierten Minderjährigen gaben an, dass ihre Verwandten gefoltert worden seien, um sie dazu zu bringen, vor laufender Kamera auszusagen, an den Protesten teilgenommen zu haben, und sich so selbst zu belasten. Oft wurden Minderjährige zusammen mit Erwachsenen in Haft gehalten.
Aus dem Frauengefängnis INOF (Instituto Nacional de Orientación Femenina) in Los Teques im Bundesstaat Miranda wurden Razzien gemeldet, bei denen gewaltsam die Habseligkeiten der Inhaftierten beschlagnahmt wurden. Im August 2024 wurden in den Sozialen Medien Videoaufnahmen geteilt, die außerhalb des Gefängnisses aufgenommen wurden und in denen zu hören ist, wie Frauen rufen, dass sie gefoltert werden. Auch aus der Haftanstalt La Crisálida in Los Teques, in der sich Frauen befanden, die wegen der Wahlproteste inhaftiert worden waren, drangen Vorwürfe über Misshandlungen nach draußen.
Unmenschliche Haftbedingungen
Die Bedingungen in den Gefängnissen verschlechterten sich auch 2024 weiter. Die Menschenrechtsorganisation Observatorio Venezolano de Prisiones berichtete, dass Insassen des Gefängnisses von Tocorón (Bundesstaat Aragua) täglich nur zwei Gläser Wasser erhielten. Polizeizellen wurden weiterhin dazu genutzt, Personen dauerhaft in Gewahrsam zu halten. Die Gefängnisse waren überfüllt: Im September betrug die landesweite Belegungsrate 184 Prozent.
Wie die NGO Una Ventana a la Libertad berichtete, kam es in Untersuchungshafteinrichtungen nach wie vor zu Protesten wegen Verfahrensverzögerungen, Überbelegung und mangelnder medizinischer Versorgung.
Straflosigkeit
Menschenrechtsverletzungen und völkerrechtliche Verbrechen blieben in Venezuela auch 2024 ungestraft. Die UN-Ermittlungsmission zu Venezuela zeigte sich sehr besorgt über die mangelnde Bereitschaft der Regierung, mutmaßliche Verantwortliche strafrechtlich zu verfolgen.
Nach Angaben der zivilgesellschaftlichen Organisation Programa Venezolano de Educación Acción en Derechos Humanos wurden im Juni 2024 sechs Angehörige der polizeilichen Sondereinheit FAES (Fuerzas de Acciones Especiales de la Policía Nacional Bolivariana) wegen einer fünf Jahre zurückliegenden außergerichtlichen Hinrichtung schuldig gesprochen. Für 95 Prozent der Tötungen bei friedlichen Demonstrationen zwischen 2014 und 2024 war jedoch immer noch niemand zur Rechenschaft gezogen worden.
In dem alljährlichen globalen Rechtsstaatlichkeitsindex des World Justice Project rangierte Venezuela 2024 auf dem letzten Platz (142).
Recht auf Wahrheit, Gerechtigkeit und Wiedergutmachung
Die Berufungskammer des IStGH wies im März 2024 ein Rechtsmittel der venezolanischen Behörden zurück und bestätigte die Entscheidung über die Wiederaufnahme der Ermittlungen zu mutmaßlichen Verbrechen gegen die Menschlichkeit, die seit etwa 2014 in Venezuela begangen wurden. Trotz mangelnder Fortschritte eröffnete die Anklagebehörde des IStGH ein neues Büro in Caracas, das sich auf "komplementäre Aktivitäten und den Austausch mit den nationalen Behörden" konzentrieren werde.
Im September 2024 stellte ein Bundesberufungsgericht in Argentinien wegen mutmaßlicher seit 2014 begangener Verbrechen gegen die Menschlichkeit Haftbefehle gegen den venezolanischen Präsidenten Nicolás Maduro und Innenminister Diosdado Cabello aus.
Rechte auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit
Im Jahr 2024 gingen die Menschen im ganzen Land auf die Straße, um ihre wirtschaftlichen und sozialen Rechte einzufordern. Die venezolanische NGO Observatorio Venezolano de Conflictividad Social dokumentierte allein am 29. und 30. Juli 915 Demonstrationen, von denen 138 gewaltsam unterdrückt wurden. Es wurde auch festgehalten, dass Angehörige der sogenannten Colectivos Protestierende angriffen und bedrohten.
In den Wochen vor und nach der Präsidentschaftswahl kritisierten die Behörden die Demonstrationen zunehmend, um Furcht zu verbreiten und abweichende Meinungen zu unterdrücken.
Mindestens zwölf Journalist*innen wurden willkürlich inhaftiert, und unabhängige Medienschaffende waren weiterhin Angriffen ausgesetzt. Die NGO Espacio Público dokumentierte von Januar bis September 2024 insgesamt 507 Verstöße gegen das Recht auf freie Meinungsäußerung. Die Regierung setzte die Schließung von Radiosendern fort und behinderte den Zugang zu Sozialen Medien wie X (vormals Twitter). Berichten zufolge nahmen die Behörden die Instagram-Konten von Journalist*innen und Privatpersonen mit Hacking- und Phishing-Angriffen ins Visier.
Menschenrechtsverteidiger*innen
Menschenrechtsverteidiger*innen waren auch 2024 großen Gefahren ausgesetzt. Das Parlament verabschiedete ein Gesetz, das die Regierung ermächtigte, Menschenrechtsorganisationen zu kontrollieren, zu überwachen und letztlich auch aufzulösen. Das Gesetz trat im Dezember 2024 in Kraft und zwingt NGOs, sich innerhalb strenger Fristen registrieren zu lassen und andere gesetzliche Anforderungen zu erfüllen, um nicht kriminalisiert zu werden.
Der Menschenrechtler Javier Tarazona befand sich auch 2024 noch im Gefängnis. Im Februar 2024 fiel die Menschenrechtsverteidigerin Rocío San Miguel drei Tage lang dem Verschwindenlassen zum Opfer, gemeinsam mit ihrer Tochter und anderen Familienmitgliedern. Sie wurde wegen "Terrorismus" angeklagt und für den Rest des Jahres in Gewahrsam gehalten, ohne dass ihr Zugang zu einem Rechtsbeistand gewährt wurde. Der Aktivist, Menschenrechtsverteidiger und Journalist Carlos Julio Rojas[A3] wurde im April 2024 festgenommen und befand sich Ende des Jahres weiter in Haft.
Die drei Menschenrechtsverteidiger Kennedy Tejeda, Edward Ocariz und Henry Gómez[A4] wurden nach der Wahl inhaftiert. Kennedy Tejeda war Ende 2024 noch im Gefängnis.
Die NGO Centro para los Defensores y la Justicia verzeichnete 2024 insgesamt 979 Angriffe und sicherheitsbedenkliche Vorfälle gegen Menschenrechtler*innen; im Jahr 2023 lag diese Zahl noch bei 524.
Rechte von Flüchtlingen und Migrant*innen
Mehr als 7,89 Mio. Menschen waren bis Ende 2024 aus Venezuela geflohen.
Der Ausschuss zur Beseitigung rassistischer Diskriminierung (CERD) kritisierte, dass Flüchtlinge und Migrant*innen, denen die Abschiebung drohte, ohne Zugang zu einem Rechtsbeistand oder einem angemessenen Verfahren in Verwaltungshaft genommen wurden. Flüchtlinge und Migrant*innen sahen sich in Venezuela zudem verwaltungstechnischen, wirtschaftlichen und geografischen Hürden gegenüber, z. B. was den Zugang zu persönlichen Unterlagen und Ausweisdokumenten anging.
Recht auf eine gesunde Umwelt
Ende 2024 hatte Venezuela das Regionale Abkommen über den Zugang zu Informationen, Teilhabe und Gerechtigkeit in Umweltangelegenheiten in Lateinamerika und der Karibik (Escazú-Abkommen) immer noch nicht unterzeichnet, obwohl zivilgesellschaftliche Organisationen dies wiederholt gefordert hatten.
Aus der Raffinerie El Palito im Bundesstaat Carabobo trat wiederholt Öl aus, was erhebliche Auswirkungen auf die Meeresfauna hatte. Aktivist*innen und betroffene Gruppen prangerten an, dass die Behörden keine umweltpolitischen Maßnahmen zur Bekämpfung der Ölverschmutzung ergriffen und keine angemessenen Informationen bereitstellten.
Wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte
Die humanitäre Krise in Venezuela hielt auch 2024 an. Die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte der Bevölkerung wurden systematisch untergraben, die Armut stieg an, und hohe Treibstoffkosten sowie die unzureichende Versorgung mit Strom und Trinkwasser verschärften die Lage noch.
Die Stromversorgung war weiterhin unzuverlässig. Medienberichten zufolge führte ein Stromausfall im August 2024 dazu, dass 80 Prozent des Landes ohne Strom waren, in manchen Fällen bis zu zehn Stunden lang. Ein offizielles Gutachten zu den technischen Ursachen des Stromausfalls gab es nicht.
Ebenfalls im August berichtete der CERD-Ausschuss bei seiner Überprüfung Venezuelas über hohe Schulabbrecher*innen-Quoten und einen Mangel an qualifizierten Lehrkräften.
Recht auf Gesundheit
Der CERD-Ausschuss kritisierte, dass nur ein eingeschränkter Zugang zu qualitativ hochwertiger Gesundheitsversorgung bestand, vor allem in ländlichen Gegenden und in Gebieten, die überwiegend von indigenen Gemeinschaften bewohnt waren.
Menschen mit chronischen Erkrankungen hatten nach wie vor nur einen völlig unzureichenden Zugang zu Behandlungsmöglichkeiten und anderen Gesundheitsleistungen. Im Juli 2024 ergab die von der zivilgesellschaftlichen Organisation "Ärzte für Gesundheit" (Médicos por la Salud) durchgeführte landesweite Krankenhausumfrage, dass 57 Prozent der teilnehmenden Gesundheitszentren in kritischen Bereichen wie Notaufnahmen, Intensivstationen und Operationssälen keinen regelmäßigen Zugang zu Wasser hatten. Auch fehlte es den Krankenhäusern im Durchschnitt an etwa 35 Prozent der nötigen medizinischen Ausstattung und Medikamente. Im Juni 2024 berichtete der UN-Hochkommissar für Menschenrechte, dass die Behandlung von HIV nach wie vor durch mangelnde Ressourcen behindert wurde. So fehlte es etwa an Tests für die Diagnose und Infektionskontrolle sowie an Muttermilchersatzprodukten für Säuglinge.
NGOs im Gesundheitssektor mahnten, dass es nötig sei, im Rahmen der Impfinitiative PAI (Programa Ampliado de Inmunizaciones) flächendeckender zu impfen und den von der Panamerikanischen Gesundheitsorganisation veröffentlichten Globalen Aktionsplan einzuhalten und noch zu intensivieren, um so das neuerliche Auftreten vermeidbarer Krankheiten zu verhindern.
Recht auf Nahrung
Der monatliche Warenkorb mit Grundnahrungsmitteln für eine fünfköpfige Familie kostete im Dezember 2024 umgerechnet 498,47 US-Dollar (etwa 478 Euro). Gleichzeitig betrug der monatliche Mindestlohn gerade einmal 2,36 US-Dollar (etwa 2,26 Euro), weshalb der Großteil der Bevölkerung unter starker Ernährungsunsicherheit litt.
Im Februar 2024 besuchte der UN-Sonderberichterstatter zum Recht auf Nahrung Venezuela. Aus seinem Bericht ging hervor, dass fast 82 Prozent der Bevölkerung in Armut lebten und 53 Prozent von extremer Armut betroffen waren, da ihr Einkommen für den Warenkorb mit Grundnahrungsmitteln nicht ausreichte. Die Menschen sähen sich zudem aufgrund unzureichender Mittel gezwungen, ihre Portionen zu verkleinern, Mahlzeiten auszulassen und weniger nahrhafte Lebensmittel zu kaufen. Frauen seien unverhältnismäßig stark von Ernährungsarmut betroffen, da sie oft diejenigen seien, die sich um ihre Familien und Netzwerke kümmern, zugleich aber auch einer bezahlten Arbeit nachgehen müssten. In manchen Fällen griffen Frauen darauf zurück, sexuelle Dienstleistungen im Tausch für Nahrungsmittel anzubieten. Schwangere und stillende Frauen und Mädchen waren besonders stark von Unterernährung bedroht.
Sexuelle und reproduktive Rechte
Bei der Verbesserung der sexuellen und reproduktiven Rechte wurden 2024 keine Fortschritte erzielt, und Schwangerschaftsabbrüche galten nach wie vor als Straftat. Die anhaltende humanitäre Notlage im Land erschwerte Frauen und Mädchen auch weiterhin die Wahrnehmung ihrer sexuellen und reproduktiven Rechte. Nach Angaben der NGO Red de Mujeres Constructoras de Paz verwendeten 40 Prozent der Frauen im fortpflanzungsfähigen Alter aufgrund der hohen Kosten und des fehlenden Zugangs keine Verhütungsmittel.
Rechte von LGBTI+
Die Rechte von lesbischen, schwulen, bisexuellen, trans und intergeschlechtlichen Menschen (LGBTI+) wurden auch 2024 mit Füßen getreten. Die venezolanische Beobachtungsstelle für Gewalt gegen LGBTI+ (Observatorio Venezolano de Violencias LGBTI+) berichtete im Dezember, dass im Laufe des Jahres 68 LGBTI-Frauen Opfer von Diskriminierung oder Gewalt geworden seien.
Sexualisierte und geschlechtsspezifische Gewalt
In der ersten Hälfte des Jahres 2024 dokumentierte die zivilgesellschaftliche Organisation Centro de Justicia y Paz 58 Femizide und 27 versuchte Femizide. Die NGO Red de Mujeres Constructoras de Paz berichtete, dass 2024 71 Prozent der Frauen psychische Gewalt und 41 Prozent körperliche Gewalt erlebt hatten.
Rechte indigener Gemeinschaften
Die Interamerikanische Menschenrechtskommission zeigte sich besorgt über die anhaltenden Auswirkungen des illegalen Bergbaus auf das Leben, die Gesundheit und das Überleben des indigenen Volkes der Yanomami, insbesondere in der strategischen Entwicklungszone Arco Minero del Orinoco. Die Menschenrechtskommission warnte vor den akuten Gesundheitsfolgen für die indigenen Gemeinschaften durch die Verunreinigung von Gewässern mit Quecksilber, insbesondere in der Amazonasregion. Diese wirke sich auf die Jagd- und Fischgründe aus und verschärfe die Mangelernährung.