Berichtszeitraum: 1. Januar 2024 bis 31. Dezember 2024
Russland setzte 2024 seinen Angriffskrieg gegen die Ukraine fort. Die Rechte auf Meinungs-, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit waren nach wie vor stark eingeschränkt. Andersdenkende wurden mit willkürlicher Strafverfolgung, unfairen Gerichtsverfahren, hohen Geldbußen und langen Haftstrafen überzogen – auf Grundlage von Gesetzen, die gegen internationale Menschenrechtsstandards verstießen. Die Behörden nutzten Gesetze gegen Extremismus und Terrorismus, um gegen Regierungskritiker*innen, religiöse Gruppen und selbst Minderjährige vorzugehen. Die Zahl der Menschen, die wegen Hochverrats und Spionage strafrechtlich verfolgt wurden, stieg deutlich an. Mehr als 60 Organisationen wurden als "extremistisch" eingestuft und verboten. Gerichtsverfahren entsprachen nicht den internationalen Standards für faire Gerichtsverfahren. Folter und andere Misshandlungen in Gewahrsam waren weiterhin an der Tagesordnung und blieben meist ungestraft. Lesbische, schwule, bisexuelle, trans und intergeschlechtliche Personen (LGBTI+) wurden noch stärker verfolgt als zuvor. Weitere Regionen führten Regelungen ein, um den Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen zu erschweren. Russland unternahm nichts, um gegen den Klimawandel vorzugehen.
Hintergrund
Russland setzte 2024 seinen Angriffskrieg gegen die Ukraine fort und verübte zahlreiche Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht, darunter auch Kriegsverbrechen (siehe Länderkapitel Ukraine).
Im August 2024 besetzten ukrainische Streitkräfte einen Teil der russischen Region Kursk. Nach unbestätigten Behördenberichten wurden dabei Dutzende Zivilpersonen getötet, Hunderte verletzt, mehr als 150.000 Menschen vertrieben und Hunderte als vermisst gemeldet. Die russische Menschenrechtsbeauftragte teilte mit, die Behörden hätten etwa 50.000 der Vertriebenen eine vorübergehende Unterkunft zur Verfügung gestellt. Viele Evakuierte kritisierten, dass die russischen Behörden nicht direkt nach Beginn der ukrainischen Offensive eine Evakuierung organisiert hatten. Kampfhandlungen in der Region behinderten die humanitäre Hilfe für diejenigen, die in den besetzten Gebieten geblieben waren. Im November 2024 gab die russische Menschenrechtsbeauftragte bekannt, dass 46 Zivilpersonen, die von ukrainischen Streitkräften in die Ukraine gebracht worden waren, wieder nach Russland zurückgebracht worden seien. Im Dezember forderten ukrainische Raketenangriffe auf Rylsk und Lgow in der Region Kursk neun Todesopfer, 19 Menschen wurden verletzt. Ukrainische Angriffe auf die Region Belgorod hielten an. Medienberichten zufolge wurden dabei bis zum Jahresende mindestens 161 Zivilpersonen getötet. Die Ukraine führte Drohnenangriffe auf Öllager und andere Objekte in Russland durch. Manche davon beschädigten zivile Infrastruktur und führten zu Toten und Verletzten unter der Zivilbevölkerung.
Am 22. März 2024 griff eine bewaffnete Gruppe die Konzerthalle Crocus City Hall bei Moskau an. Dabei wurden 145 Personen getötet und 551 verletzt.
Im Zuge eines Gefangenenaustausch mit einigen europäischen Ländern und den USA wurden im August 15 Gefangene begnadigt, freigelassen und ins Ausland ausgeflogen, darunter bekannte zivilgesellschaftlich engagierte Personen, Journalist*innen und Menschenrechtsverteidiger*innen.
Im August 2024 trat Russland aus dem Rahmenübereinkommen des Europarats zum Schutz nationaler Minderheiten aus. Das Land weigerte sich nach wie vor, das Mandat der UN-Sonderberichterstatterin für die Menschenrechtssituation in der Russischen Föderation anzuerkennen, das vom UN-Menschenrechtsrat im Oktober 2024 um ein weiteres Jahr verlängert wurde.
Die Behörden meldeten ein Wirtschaftswachstum, das durch enorme Rüstungsausgaben angetrieben wurde. Die zunehmende Inflation und die anhaltenden internationalen Sanktionen sorgten jedoch dafür, dass für viele Menschen die Lebenshaltungskosten stiegen.
Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht
Berichten zufolge erschossen russische Streitkräfte im Oktober 2024 neun ukrainische Kriegsgefangene in der Region Kursk. Die Vorwürfe wurden nicht untersucht (siehe Länderkapitel Ukraine).
Am 2. November 2024 meldete die militärische Ermittlungsbehörde, sie sammle "Beweise für Verbrechen ukrainischer Nationalisten", und führte ein Foto an, das "leblose russische Militärgefangene" in der Region Kursk zeigen soll, ohne jedoch das Foto vorzulegen.
Straflosigkeit
Im Februar 2024 starb der bekannte Oppositionsführer Alexej Nawalny unter verdächtigen Umständen in Haft. Die Behörden zögerten die Herausgabe des Leichnams neun Tage lang hinaus und versuchten, eine geheime Bestattung durchzusetzen. Die Mutter von Alexej Nawalny lehnte dies jedoch ab. Im September berichtete ein investigativer Journalist in der Internetzeitung The Insider, offizielle Dokumente deuteten darauf hin, dass Alexej Nawalny vergiftet worden sei. Die Umstände seines Todes wurden nicht gründlich untersucht.
Im März 2024 erließ der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) Haftbefehle gegen zwei ranghohe russische Offiziere, im Juni auch gegen den früheren Verteidigungsminister Sergej Schoigu und gegen Armeechef Waleri Gerassimow. Allen werden Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit vorgeworfen.
Ein im März 2024 verabschiedetes Gesetz legalisierte die bereits zuvor übliche Praxis, wonach Gefangene und straffällig gewordene Personen freigelassen und von ihrer strafrechtlichen Verantwortung befreit wurden, wenn sie bereit waren, sich an Kampfeinsätzen der russischen Streitkräfte zu beteiligen.
Recht auf freie Meinungsäußerung
Die Behörden nutzten 2024 weiterhin Gesetze bezüglich "ausländischer Agenten", "unerwünschter Organisationen" und "Kriegszensur", um Vertreter*innen der Zivilgesellschaft strafrechtlich zu verfolgen und jegliche Kritik am anhaltenden Krieg gegen die Ukraine sowie an anderen politischen Maßnahmen zu unterdrücken. Auf Grundlage der "Kriegszensurgesetze" (Paragrafen 207.3 und 280.3 des Strafgesetzbuchs) wurden mindestens 98 neue Strafverfahren eingeleitet und 171 Personen verurteilt.
Auch Gesetze zur Bekämpfung von Extremismus und Terrorismus wurden immer häufiger gegen Regierungskritiker*innen eingesetzt. Die Behörden leiteten mindestens 114 neue Strafverfahren wegen "Rechtfertigung von Terrorismus" gegen Menschen ein, die lediglich ihre Meinung zu bestimmten Ereignissen oder Personen geäußert hatten.
Bücher, Filme, Theaterstücke und Fernsehproduktionen wurden zensiert oder zurückgezogen, weil sie Hinweise auf gleichgeschlechtliche Beziehungen oder andere verbotene Themen enthielten oder weil deren Autor*innen als "ausländische Agenten" eingestuft wurden.
Im August 2024 blockierte die Medienaufsichtsbehörde Roskomnadzor die Messaging-App Signal und im Dezember die Messaging-App Viber.
Im Februar 2024 verurteilte ein Gericht den bekannten Menschenrechtsverteidiger und Co-Vorsitzenden der Menschenrechtsorganisation Memorial, Oleg Orlow, wegen "Diskreditierung der Streitkräfte" zu 30 Monaten Haft. Er hatte in einem französischen Medium einen kritischen Artikel veröffentlicht. Im August wurde Oleg Orlow im Rahmen eines Gefangenenaustauschs freigelassen.
Im März 2024 verurteilte ein Gericht den Journalisten Roman Ivanov zu sieben Jahren Haft, weil er "wissentlich falsche Informationen über die russischen Streitkräfte" verbreitet haben soll. Der Journalist hatte auf mutmaßliche Kriegsverbrechen der russischen Armee in der Ukraine hingewiesen.
Im Juli 2024 wurden die Theaterregisseurin Evgenia Berkovich und die Dramatikerin Svetlana Petriychuk wegen "Rechtfertigung von Terrorismus" zu sechs Jahren Haft verurteilt. Grund war ihr preisgekröntes Theaterstück Finist Yasny Sokol über Frauen, die nach Syrien ausgereist waren und Mitglieder bewaffneter Gruppen geheiratet hatten.
Im Juli 2024 starb der Pianist Pawel Kuschnir in der Haft, nachdem er einige Tage zuvor in einen Hungerstreik getreten war und auch keine Flüssigkeit mehr zu sich genommen hatte. Pawel Kuschnir hatte auf Youtube friedlich den Krieg gegen die Ukraine kritisiert und war daraufhin wegen "öffentlicher Aufrufe zum Terrorismus" festgenommen worden.
Nach dem Tod von Alexej Nawalny setzten die Behörden die Repressalien gegen Nawalnys Stiftung für Korruptionsbekämpfung und andere mit ihm verbundene Gruppen fort. Im September 2024 begannen Verfahren gegen drei seiner Rechtsbeistände, im Oktober gegen vier Journalist*innen. Ihnen allen wurde willkürlich "Mitarbeit in einer extremistischen Organisation" vorgeworfen.
Im Oktober 2024 begann in St. Petersburg ein Prozess gegen sechs Aktivist*innen der Jugendbewegung Vesna. Die Anklagepunkte bezogen sich auf deren friedliche Aktivitäten gegen den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Ihnen drohten Haftstrafen von bis zu 15 Jahren.
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte entschied im Oktober, dass Russland mit seinem Gesetz über "ausländische Agenten" gegen die Rechte auf Meinungs- und Vereinigungsfreiheit sowie das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens verstoße. Geklagt hatten 107 Organisationen und Einzelpersonen, die als "ausländische Agenten" eingestuft worden waren.
Recht auf Versammlungsfreiheit
Die Behörden verletzten weiterhin das Recht auf Versammlungsfreiheit, indem sie sich weigerten, Protestveranstaltungen zu genehmigen oder diese auflösten, während sie Kundgebungen zur Unterstützung der Regierung gestatteten.
Im Januar 2024 lösten die Behörden in Baymak (Republik Baschkortostan) eine weitgehend friedliche Demonstration auf, die sich gegen die Verurteilung des zivilgesellschaftlichen Aktivisten Fail Alsynov richtete, und leiteten gegen mindestens 81 Teilnehmende strafrechtliche Schritte ein. Viele der Festgenommenen berichteten, sie seien gefoltert worden; ein Mann starb in Polizeigewahrsam. Ende 2024 waren einige der Prozesse gegen die Demonstrierenden noch anhängig. Die Foltervorwürfe wurden nicht untersucht.
Im Februar 2024 nahmen die Behörden in 39 Städten in ganz Russland mindestens 387 Personen fest, die öffentlich um Alexej Nawalny trauerten. Dutzende von ihnen wurden zu Geldbußen, kurzen Haftstrafen oder anderen administrativen Strafen verurteilt.
Ebenfalls im Februar nahm die Polizei rund 30 Personen fest, zumeist Journalist*innen, die über eine Kundgebung der Bewegung Putj domoi ("Weg nach Hause") berichteten. Bei der Demonstration hatten Frauen die Rückkehr ihrer Ehemänner und Partner von der Front gefordert.
Im Mai 2024 wurde die Bewegung Putj domoi zum "ausländischen Agenten" erklärt. Ihre Kundgebungen im Juni und im September wurden ebenfalls aufgelöst. Mindestens vier Teilnehmerinnen erhielten Geldstrafen wegen Verstößen gegen die restriktiven Regeln zu öffentlichen Versammlungen.
Recht auf Vereinigungsfreiheit
Die Behörden griffen auch 2024 auf repressive Gesetze zurück, um gegen die Zivilgesellschaft vorzugehen. Sie setzten 169 weitere Organisationen, Medien und Einzelpersonen auf die Liste der "ausländischen Agenten" und stuften weitere 65 Organisationen als "unerwünscht" ein. Dutzende Personen erhielten verwaltungs- oder strafrechtliche Sanktionen wegen angeblicher Verstöße gegen das Gesetz über "ausländische Agenten" oder das Gesetz über "unerwünschte Organisationen". Viele der Verfahren fanden in Abwesenheit der Angeklagten statt.
Die Beschränkungen für Personen und Organisationen, die als "ausländische Agenten" eingestuft waren, wurden verschärft. Ein im März 2024 verabschiedetes Gesetz enthielt ein umfassendes Werbeverbot. So dürfen Personen und Organisationen, die als "ausländische Agenten" gelten, auf ihren Kanälen keinerlei Werbung schalten, um sich zu finanzieren, noch dürfen sie für ihre eigenen Produkte und Dienstleistungen werben. Bei Verstößen drohen hohe Geldstrafen oder Haftstrafen von bis zu zwei Jahren.
Im Mai 2024 wurde eine Änderung des Gesetzes über "ausländische Agenten" verabschiedet, die als solche eingestuften Personen auf nationaler, regionaler und kommunaler Ebene das passive Wahlrecht entzieht. Mindestens sechs Kommunalpolitiker*innen, die zu "ausländischen Agenten" erklärt worden waren, wurden aus gewählten Gremien ausgeschlossen.
Änderungen des Gesetzes über "unerwünschte Organisationen", die im August 2024 in Kraft traten, erweiterten den Anwendungsbereich des Gesetzes: Während es zuvor nur Nichtregierungsorganisationen betraf, gilt es nun auch für Organisationen, die von ausländischen Regierungen oder mit deren Beteiligung gegründet wurden.
Im Juni 2024 verbot der Oberste Gerichtshof auf Antrag des Justizministeriums die sogenannte "antirussische Separatistenbewegung" mit der Begründung, dass es sich um eine "extremistische" Organisation handle. Es existierte allerdings gar keine Organisation dieses Namens. Im Anschluss an das Urteil listete das Justizministerium im Juli 55 Organisationen auf, die dieser angeblichen Separatistenbewegung angehören sollen und deshalb als "extremistisch" gelten, darunter auch Organisationen indigener Gemeinschaften.
Im September 2024 begann das Verfahren gegen Grigorij Melkonjants, den Co-Vorsitzenden der Wahlbeobachtungsgruppe Golos. Er war im Zusammenhang mit vermeintlichen Verbindungen zwischen Golos und der "unerwünschten" Organisation European Network of Election Monitoring Organizations angeklagt und musste mit einer Haftstrafe von bis zu sechs Jahren rechnen.
Recht auf Religions- und Glaubensfreiheit
Die Behörden setzten 2024 die willkürliche strafrechtliche Verfolgung der Zeugen Jehovas wegen "Extremismus" fort: Gegen 34 Mitglieder der Glaubensgemeinschaft wurden 24 neue Strafverfahren eingeleitet. 116 Zeugen Jehovas wurden verurteilt, 43 von ihnen erhielten Haftstrafen von bis zu acht Jahren. Im Dezember 2024 waren 171 Zeugen Jehovas aus Russland und den russisch besetzten Gebieten in der Ukraine in Strafkolonien inhaftiert.
Russisch-orthodoxe Priester, die sich gegen den Krieg aussprachen, wurden ihres Amtes enthoben oder sahen sich mit anderen Disziplinarmaßnahmen konfrontiert. Seit Februar 2022 waren gegen mehr als 60 von ihnen Strafen verhängt worden.
Willkürliche Inhaftierung und unfaire Gerichtsverfahren
Ukrainische Kriegsgefangene wurden in Russland weiterhin unrechtmäßig strafrechtlich verfolgt, indem man sie wegen Verbrechen anklagte, die lediglich mit ihrer Beteiligung an Kampfhandlungen zusammenhingen. Sie wurden in unfairen Verfahren zu langen Haftstrafen verurteilt.
Im Juli 2024 wurde der Menschenrechtsverteidiger Aleksei Sokolov wegen "Extremismus" in Untersuchungshaft genommen, weil er das Facebook-Logo online gezeigt hatte. Im September musste er für eine "Untersuchung" zwei Wochen in einer psychiatrischen Klinik verbringen. Ende des Jahres befand er sich noch in Untersuchungshaft.
Immer mehr Strafverfahren gegen Andersdenkende fanden in Abwesenheit der Angeklagten statt.
Die Zahl der Prozesse wegen "Terrorismus", "Extremismus", "Hochverrat" und "Spionage" stieg massiv an. Im ersten Halbjahr 2024 wurden 52 Personen wegen "Hochverrats" schuldig gesprochen und damit mehr als dreimal so viele wie im Vergleichszeitraum des Vorjahres, die Zahl der Verurteilungen wegen "Spionage" war mit 18 Personen sogar neunmal so hoch.
Es war weiterhin üblich, bereits inhaftierte Andersdenkende mit neuen konstruierten Anklagen zu überziehen. Die inhaftierte Journalistin Maria Ponomarenko wurde wegen "Angriffs auf Gefängnisangestellte" vor Gericht gestellt. Der ehemalige Moskauer Kommunalpolitiker, der eine siebenjährige Haftstrafe auf Grundlage der "Kriegszensurgesetze" verbüßte, wurde wegen "Rechtfertigung von Terrorismus" zu einer weiteren dreijährigen Haftstrafe verurteilt.
Folter und andere Misshandlungen
Folter und andere Misshandlungen in Gewahrsam waren 2024 nach wie vor weit verbreitet. Die dafür Verantwortlichen gingen meist straflos aus.
Vier Männer, die verdächtigt wurden, den bewaffneten Angriff auf die Konzerthalle Crocus City Hall im März verübt zu haben, wiesen bei einem Gerichtstermin offensichtliche Folterspuren auf. Im Internet kursierten Videos, die offenbar zeigten, wie ein Sicherheitsbeamter einem Verdächtigen die Ohren abschnitt und ein anderer Verdächtiger Stromstöße erhielt. Es wurde keine Untersuchung eingeleitet.
In ganz Russland kamen die Haftbedingungen häufig unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe gleich. Oft wurde den Inhaftierten eine angemessene medizinische Versorgung verwehrt. Die Behörden schikanierten insbesondere Personen, die aus politischen Gründen inhaftiert waren, indem sie ihnen den Kontakt zu ihren Familien verweigerten oder willkürliche Disziplinarstrafen wie Isolationshaft gegen sie verhängten.
Kriegsgefangene und inhaftierte Zivilpersonen aus der Ukraine wurden unter unmenschlichen Bedingungen festgehalten, systematisch gefoltert und anderweitig misshandelt, und sie wurden Opfer des Verschwindenlassens.
Der ehemalige Kommunalpolitiker Alexej Gorinow (siehe oben) befand sich aufgrund einer willkürlich verhängten Disziplinarstrafe weiterhin in Einzelhaft unter isolierten Bedingungen und erhielt keine angemessene medizinische Versorgung.
Im August 2024 forderte der UN-Menschenrechtsausschuss Russland auf, Igor Baryshnikov in der Haft die notwendige medizinische Behandlung zuteilwerden zu lassen. Der zivilgesellschaftliche Aktivist aus der Region Kaliningrad war auf Grundlage der "Kriegszensurgesetze" zu mehr als sieben Jahren Gefängnis verurteilt worden. Seine längst überfällige Operation erfolgte im September.
Rechte von LGBTI+
Die Verfolgung von lesbischen, schwulen, bisexuellen, trans und intergeschlechtlichen Menschen (LGBTI+) verschärfte sich, u. a. durch willkürlich verhängte strafrechtliche oder administrative Strafen wegen "Extremismus" und "LGBT-Propaganda". Landesweit wurden mindestens 24 Razzien in LGBTI-Klubs durchgeführt.
Im März 2024 wurden der künstlerische Leiter und die Geschäftsführerin eines Klubs in der Stadt Orenburg in Untersuchungshaft genommen. Die Behörden klagten sie unter dem Strafrecht wegen "Extremismus" an, was mit bis zu zehn Jahren Haft geahndet werden kann. Dieselbe Anklage wurde im Oktober gegen eine Klubbesitzerin in der Stadt Tschita erhoben, deren Lokal von der Polizei durchsucht worden war.
Bei einer Razzia in einem Klub in der Stadt Jaroslawl im Oktober 2024 griffen Polizeikräfte die Feiernden körperlich an und demütigten sie, indem sie sie zwangen, stundenlang mit dem Gesicht nach unten auf dem Boden zu liegen. Einige von ihnen wurden festgenommen und auf Grundlage des Gesetzes gegen "LGBT-Propaganda" angeklagt.
Sexuelle und reproduktive Rechte
In weiteren Regionen Russlands wurde 2024 der Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen erschwert. So verabschiedete das Parlament der Republik Komi im Juni ein Gesetz, das "Nötigung" zu einem Schwangerschaftsabbruch verbietet und hohe Geldstrafen für Personen vorsieht, die den Eingriff unterstützen. 14 weitere Regionen erließen ähnliche Gesetze. Mehrere Privatkliniken weigerten sich, Schwangerschaftsabbrüche vorzunehmen, obwohl diese nicht explizit verboten waren.
Im November 2024 verabschiedete das russische Parlament ein Gesetz, das "Propaganda für Kinderlosigkeit" verbietet. Es sah für Unternehmen, Organisationen und Einzelpersonen, die für den freiwilligen Verzicht auf Kinder warben, Zensurmaßnahmen, Arrest und hohe Geldstrafen vor.
Recht auf Bildung
Im Oktober 2024 wurde bekannt, dass das 2022 eingeführte Schulfach "Gespräche über Wichtiges", das der Indoktrination dient, auf Kindergärten ausgedehnt werden soll. Gegenstand des Unterrichts sind u. a. sogenannte "traditionelle Werte" und die Verherrlichung des russischen Kriegs gegen die Ukraine.
Im Dezember 2024 wurde ein Gesetz angenommen, wonach Kinder ausländischer Staatsangehöriger nur dann eine Schule besuchen dürfen, wenn sie einen russischen Sprachtest bestehen und sich rechtmäßig im Land aufhalten.
Kinderrechte
Die Behörden verfolgten Minderjährige, die sich kritisch über den Krieg äußerten, und erhoben konstruierte Anklagen gegen sie, die sich auf "Terrorismus" bezogen.
Im Juni 2024 verurteilte ein Militärgericht in Moskau den 15-jährigen Arseniy Turbin zu fünf Jahren Haft, weil er sich an der Legion Freiheit Russlands beteiligt haben soll. Die militärische Einheit, die aus Freiwilligen aus Russland und Belarus besteht, kämpft aufseiten der Ukraine und ist in Russland als "terroristische" Vereinigung eingestuft. Das Urteil wurde im November im Rechtsmittelverfahren bestätigt.
Rechte von Migrant*innen
Die Rechte von Migrant*innen wurden weiterhin verletzt, und ihre Diskriminierung war weit verbreitet. Trotz Arbeitskräftemangels untersagten 24 weitere Regionen Migrant*innen die Ausübung bestimmter Berufe unter Verweis auf die nationale Sicherheit oder die "vorrangige Beschäftigung russischer Staatsangehöriger". Sieben Regionen erweiterten 2024 bereits bestehende Listen mit Beschäftigungsverboten.
Nach dem Anschlag auf die Crocus City Hall, für den die Behörden Migrant*innen verantwortlich machten, nahmen migrantenfeindliche Aussagen und Maßnahmen deutlich zu.
Migranten, die die russische Staatsbürgerschaft beantragten, wurden nach ihrer Einbürgerung gezielt für das Militär rekrutiert. Im Juni 2024 unternahm die Polizei in mindestens acht Regionen Razzien, um Migranten ausfindig zu machen, die keine gültigen Papiere besaßen oder sich nach dem Erhalt der russischen Staatsbürgerschaft nicht bei den Militärkommissariaten gemeldet hatten. Der Leiter der russischen Ermittlungsbehörde erklärte im Juni, mehr als 10.000 eingebürgerte Migranten seien an Militäreinsätzen in der Ukraine beteiligt.
Im August 2024 verabschiedete Gesetzesänderungen, die 2025 in Kraft treten sollten, schränken die Rechte von Migrant*innen ohne legalen Aufenthaltsstatus und von einigen anderen Gruppen von Migrant*innen weiter ein.
Im November 2024 wurde eine neue Regelung eingeführt, wonach im Fall einer Straftat eine ausländische Staatsangehörigkeit als erschwerender Umstand gewertet wird.
Recht auf eine gesunde Umwelt
Russland steigerte seine Öl- und Gasproduktion 2024 um rund 10 Prozent und unternahm keinerlei Anstrengungen, um gegen den Klimawandel vorzugehen oder die Abhängigkeit des Landes von fossilen Brennstoffen zu minimieren. Der Anteil erneuerbarer Energien am Energiemix betrug lediglich etwa 1 Prozent. Russland verpasste damit das bereits wenig ambitionierte Ziel, diesen Anteil bis 2024 auf 4,5 Prozent zu erhöhen.