Anfragebeantwortung zum Tschad: Wie viele Personen haben an den Demonstrationen am 20. Oktober 2022 in N'Djamena teilgenommen? Folgen für die Teilnehmer der Demonstration [a-12367-2]

17. Mai 2024

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Inhaltsverzeichnis

Wie viele Personen haben an den Demonstrationen am 20. Oktober 2022 in N'Djamena teilgenommen?           

Anzahl der Toten        

Was waren die Folgen für die Teilnehmer der Demonstration am 20. Oktober 2022 in N'Djamena und deren Kernfamilie (Hausdurchsuchungen, Verhaftungen) 

Quellen

Anhang: Quellenbeschreibungen und Informationen aus ausgewählten Quellen   

Kurzbeschreibungen zu den in dieser Anfragebeantwortung verwendeten Quellen sowie Ausschnitte mit Informationen aus diesen Quellen finden Sie im Anhang.

Amnesty International (AI) schreibt in seinem im März 2023 veröffentlichten Jahresbericht für das Jahr 2022 Folgendes zu den Hintergründen der Demonstration:

„Am 13. März 2022, ein Jahr nach dem Tod von Präsident Idriss Déby und der Einsetzung des militärischen Übergangsrats (Conseil militaire de transition) unter der Leitung seines Sohnes Mahamat Idriss Déby, begannen im katarischen Doha vorbereitende Gespräche zwischen der Regierung des Tschad und mehreren bewaffneten Gruppen. Die Gespräche sollten die Teilnahme der bewaffneten Gruppen an einem nationalen Dialog sicherstellen. Dieser begann im August in der tschadischen Hauptstadt N'Djamena in Form des ‚Forums des nationalen souveränen inklusiven Dialogs‘, an dem die Regierung, die Zivilgesellschaft und einige der bewaffneten Gruppen teilnahmen. Im Rahmen dieses Dialogs wurde die Übergangszeit um zwei Jahre verlängert und Mahamat Idriss Déby die Möglichkeit eingeräumt, bei künftigen Präsidentschaftswahlen zu kandidieren. […]

Am 20. Oktober 2022 wandten die Sicherheitskräfte bei einer Demonstration, die von mehreren politischen Parteien und Verbänden organisiert worden war, um gegen die Verlängerung der Übergangszeit zu protestieren, exzessive Gewalt an.“ (AI, 28. März 2023)

Laut der Bertelsmann-Stiftung habe es sich um eine Demonstration von Wakit Tamma (Tama), einer oppositionellen Plattform (AI, 28. März 2023) und der Partei (AI, 28. März 2023) Les Transformateurs gehandelt (Bertelsmann Stiftung, 19. März 2024, S. 9). Der Tag sei unter dem Namen „Schwarzer Donnerstag“ bekannt (Bertelsmann Stiftung, 19. März 2024, S. 33).

Auch die folgenden Quellen berichten allgemein über die Demonstrationen am 20. Oktober 2022 in N'Djamena und anderen Orten und über ihre Hintergründe:

·      DW – Deutsche Welle: Tschad: Viele Tote bei Protesten gegen Junta, 20. Oktober 2022
https://www.dw.com/de/viele-tote-bei-protesten-gegen-milit%C3%A4rjunta-im-tschad/a-63507753

·      HRW – Human Rights Watch: Chad: Scores of Protesters Shot Dead, Wounded, 26. Oktober 2022
https://www.ecoi.net/de/dokument/2080791.html

·      FAZ – Frankfurter Allgemeine Zeitung: Mindestens 50 Tote bei Protesten im Tschad, 21. Oktober 2022
https://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/polizei-schlaegt-proteste-im-tschad-gewaltsam-nieder-18402576.html

Wie viele Personen haben an den Demonstrationen am 20. Oktober 2022 in N'Djamena teilgenommen?

Bitte beachten Sie, dass im Folgenden nicht immer klar ist, ob sich die Zahlen auf die Demonstration in N'Djamena oder auf alle Demonstrationen an diesem Tag beziehen.

Die Deutsche Welle (DW) spricht in einem Artikel vom Oktober 2022 davon, dass sich „hunderte Protestierende nach einem Aufruf der Opposition in der Hauptstadt N'Djamena versammelt“ hätten (DW, 20. Oktober 2022). AI berichtet im Oktober 2022 von Demonstrationen in N'Djamena und anderen Orten und dass hunderte Personen den Aufrufen mehrerer Oppositionsparteien und Vereinigungen der Zivilgesellschaft gefolgt seien (AI, 21. Oktober 2022). Human Rights Watch (HRW) schreibt im Jahresbericht für 2023 sowie in einem Artikel vom Jänner 2023, dass Tausende im Oktober 2022 in N'Djamena und anderen Orten auf die Straßen gegangen seien (HRW, 11. Jänner 2024; HRW, 23. Jänner 2023).

Anzahl der Toten

DW bezieht sich in dem oben bereits zitierten Artikel vom Oktober 2022 auf Regierungsangaben, denen zufolge bei Zusammenstößen etwa 50 Personen getötet und ca. 100 verletzt worden seien (DW, 20. Oktober 2022). AI berichtet im Oktober 2022, dass bei Demonstrationen in N'Djamena und anderen Orten mehrere Dutzend Personen getötet worden seien. Der Premierminister habe die vorläufigen Zahlen von 50 Toten und 300 Verletzten bekanntgegeben (AI, 21. Oktober 2022). HRW schreibt im Jänner 2023, dass nach Vermutung von Menschenrechtsgruppen die Anzahl der getöteten Personen bedeutend höher sein könne als die 50 von der Regierung angegebenen und immer noch Personen vermisst seien (HRW, 23. Jänner 2023). Die Bertelsmann-Stiftung berichtet unter Bezugnahme auf einen Bericht der Nationalen Menschenrechtskommission vom Februar 2023 von 128 getöteten Personen und mehr als 500 Verletzten (Bertelsmann Stiftung, 19. März 2024, S. 9). Radio France internationale (RFI) berichtet im Februar 2023 ebenfalls, dass die Nationale Menschenrechtskommission nach Recherchen insgesamt 128 Tote dokumentiert habe. Außerdem habe sie 12 Vermisste und 518 Verletzte dokumentiert Die Nationale Menschenrechtskommission habe zudem angemerkt, dass die Daten nicht vollständig seien und nach oben korrigiert werden könnten, da nicht alle zur Verfügung stehenden Zeugenaussagen hätten überprüft werden können. Laut Regierungsangaben habe es 73 Tote in Zusammenhang mit dem „Schwarzen Donnerstag“ gegeben, darunter auch Mitglieder der Sicherheitskräfte, die Opposition spreche von ca. 300 Toten (RFI, 24. Februar 2023).

Der mehrfach genannte Bericht der Nationalen Menschenrechtskommission konnte nicht gefunden werden.

Was waren die Folgen für die Teilnehmer der Demonstration am 20. Oktober 2022 in N'Djamena und deren Kernfamilie (Hausdurchsuchungen, Verhaftungen)

Eine detaillierte Schilderung der Ereignisse vom 20. Oktober 2022 entnehmen Sie bitte dem folgenden Artikel:

·      HRW – Human Rights Watch: Chad: Justice Needed for October Crackdown, 23. Jänner 2023
https://www.hrw.org/news/2023/01/23/chad-justice-needed-october-crackdown

Die World Organisation Against Torture (OMCT) berichtet am 24. Oktober 2022 über Hausdurchsuchungen und Personenkontrollen in N'Djamena zwischen 21. und 23. Oktober, insbesondere in Atrone, in der Nähe des Sitzes der Oppositionspartei Les Transformateurs (OMCT, 24. Oktober 2022). Human Rights Watch (HRW) erwähnt in einem Artikel vom März 2024, dass während bzw. nach den Demonstrationen Personen geschlagen und bis in ihre Wohnungen verfolgt worden seien (HRW, 1. März 2024). Laut OMCT seien Klassenzimmer in N'Djamena, wie etwa die der Abena Communal High School, zu Gefängnissen umfunktioniert worden. Dort seien Personen Berichten zufolge summarisch hingerichtet worden (OMCT, 24. Oktober 2022)[1].

In einem Artikel vom Jänner 2023 gibt HRW an, dass laut Schätzungen der UNO bis zu 1.400 Personen an verschiedenen Orten in Zusammenhang mit den Demonstrationen festgenommen worden seien (HRW, 23. Jänner 2023). Das US-Außenministerium (US Department of State, USDOS) gibt in seinem Jahresbericht für 2023 unter Bezugnahme auf HRW an, dass einige der festgenommenen Personen allein aufgrund der Gegend, in der sie gewohnt hätten, ins Visier geraten seien (USDOS, 23. April 2024, Section 1d; vgl. HRW, 23. Jänner 2023).

Darüber hinaus hätten nach Angaben von OMCT Quellen übereinstimmend davon berichtet, dass Personen in das Hochsicherheitsgefängnis Koro Toro, das mitten in der Wüste im Norden des Landes liege, gebracht worden seien (OMCT, 24. Oktober 2022). Auch AI berichtet in seinem Jahresbericht für das Jahr 2022, dass „[h]underte Menschen, darunter auch Minderjährige, festgenommen und rechtswidrig in die Ortschaft Koro Toro gebracht [wurden], die 500 Kilometer von der Hauptstadt N'Djamena entfernt liegt“ (AI, 28. März 2023, vgl. HRW, 1. März 2024). Laut HRW seien einige der Festgenommenen unterwegs gestorben, zum Teil wegen Wassermangels. In Koro Toro seien die Gefangenen misshandelt worden, auch von anderen Häftlingen, und einige seien gestorben. Die Personen seien monatelang festgehalten und letztendlich freigelassen oder begnadigt worden (HRW, 1. März 2024).

Laut AI sei im Mai 2023 ein Journalist freigelassen worden, der verhaftet worden sei, weil er erzählt habe, was er während der Demonstrationen vom Oktober 2022 erlebt habe. Er habe allerdings, nachdem er mit Medien über seine Misshandlung während seiner Haft im Gefängnis Koro Toro gesprochen habe, Drohanrufe erhalten und sei aus Gründen der eigenen Sicherheit gezwungen gewesen, das Land zu verlassen (AI, 24. April 2024).

Laut dem Artikel von RFI vom Februar 2023 über den Bericht der Nationalen Menschenrechtskommission habe letztere 943 Verhaftungen und 265 Verurteilungen im Zusammenhang mit den Demonstrationen vom 22. Oktober 2022 dokumentiert (RFI, 24. Februar 2023).

HRW schreibt in seinem Jahresbericht für 2023, dass der tschadische Justizminister im November 2022 angegeben habe, 621 Personen seien in Zusammenhang mit den Demonstrationen verhaftet worden, darunter 83 Kinder. Im November und Dezember 2022 seien Massenverfahren gegen 401 von den in Koro Toro inhaftierten Personen abgehalten worden (HRW, 11. Jänner 2024). AI gibt an, dass die Verfahren hinter verschlossenen Türen stattgefunden hätten und von den Rechtsbeiständen der Inhaftierten boykottiert worden seien (AI, 28. März 2023). Laut USDOS habe es Fälle gegeben, darunter das Massenverfahren vom Dezember 2022 in Zusammenhang mit den Demonstrationen vom Oktober 2022, in denen Personen nicht aus dem Gefängnis gelassen worden seien, um der eigenen Verhandlung beizuwohnen (USDOS, 23. April 2024, Section 1e). 262 Personen seien unter anderem wegen Teilnahme an einer nicht genehmigten Versammlung und Störung der öffentlichen Ordnung zu Gefängnisstrafen zwischen 24 und 36 Monaten verurteilt worden. 80 Personen hätten Bewährungsstrafen erhalten und 59 Personen seien freigesprochen worden. Zudem seien 80 Kinder im Dezember 2022 freigelassen worden (HRW, 11. Jänner 2024; AI, 28. März 2023). In einem Artikel vom Jänner 2023 gibt HRW zudem an, dass zusätzlich zu den 401 Personen, die vor Gericht gestellt worden seien, 150 bis 200 weitere Personen in Koro Toro auf eine Anklage wegen vermutlich schwerwiegenderer Verbrechen warten würden und nicht alle Namen der Angeklagten veröffentlicht worden seien, sodass einige Familienangehörige über den Verbleib ihrer Angehörigen im Unklaren seien (HRW, 23. Jänner 2023).

Laut HRW seien die meisten Demonstrant·innen begnadigt und im Laufe des Jahres 2023 in Gruppen freigelassen worden (HRW, 11. Jänner 2024). Das USDOS schreibt in seinem Jahresbericht für 2023, dass Präsident Deby im März 2023 insgesamt 259 im Zusammenhang mit den Demonstrationen vom Oktober 2022 festgehaltene Personen begnadigt habe, gefolgt von einer zweiten Welle von 67 Personen im Mai 2023 und 110 weiteren im Juli 2023. Viele dieser Personen seien nie angeklagt worden (USDOS, 23. April 2024, Section 1e).

Im Jahresbericht für das Jahr 2023 erläutert AI, dass es am Ende des Jahres keinerlei Fortschritt bezüglich einer vom Justizminister angekündigten Untersuchung der Ereignisse vom 20. Oktober 2022 gegeben habe. Die Familien der Opfer hätten angegeben, sie hätten Angst davor, die Behörden nach einer Erklärung zu fragen. Am 20. Oktober 2023 hätten mehrere tschadische Menschenrechtsorganisationen auf den Umstand hingewiesen, dass keine Mitglieder der Verteidigungs- und Sicherheitskräfte wegen mutmaßlich rechtswidriger Tötungen strafrechtlich verfolgt worden seien (AI, 24. April 2024). Laut HRW habe der Nationale Übergangsrat im November 2023 ein Amnestiegesetz erlassen, mit dem die Möglichkeit der strafrechtlichen Verfolgung von Sicherheitskräften oder anderen Personen abgeschafft worden sei, die für schwere Verstöße, einschließlich der Tötung von Teilnehmern an den Demonstrationen vom 20. Oktober 2022, verantwortlich seien. Außerdem sei im Februar 2024 der Präsident Nationalen Menschenrechtskommission entlassen worden, der einzigen Regierungseinrichtung, die laut HRW gewillt gewesen sei, einen akkuraten Bericht zu den Ereignissen vom 20. Oktober 2022 zu veröffentlichen (HRW, 1. März 2024).


 

Quellen: (Zugriff auf alle Quellen am 17. Mai 2024)

·      AI – Amnesty International: Chad: Repression of demonstrations must stop immediately, 21. Oktober 2022
https://www.ecoi.net/de/dokument/2080986.html

·      AI – Amnesty International: Amnesty Report – Tschad 2022, 28. März 2023
https://www.amnesty.de/informieren/amnesty-report/tschad-2022

·      AI – Amnesty International: The State of the World's Human Rights; Chad 2023, 24. April 2024
https://www.ecoi.net/de/dokument/2107856.html

·      Bertelsmann Stiftung: BTI 2024 Country Report Chad, 19. März 2024
https://www.ecoi.net/en/file/local/2105827/country_report_2024_TCD.pdf

·      DW – Deutsche Welle: Tschad: Viele Tote bei Protesten gegen Junta, 20. Oktober 2022
https://www.dw.com/de/viele-tote-bei-protesten-gegen-milit%C3%A4rjunta-im-tschad/a-63507753

·      FAZ – Frankfurter Allgemeine Zeitung: Mindestens 50 Tote bei Protesten im Tschad, 21. Oktober 2022
https://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/polizei-schlaegt-proteste-im-tschad-gewaltsam-nieder-18402576.html

·      HRW – Human Rights Watch: Chad: Scores of Protesters Shot Dead, Wounded, 26. Oktober 2022
https://www.ecoi.net/de/dokument/2080791.html

·      HRW – Human Rights Watch: Chad: Justice Needed for October Crackdown, 23. Jänner 2023
https://www.hrw.org/news/2023/01/23/chad-justice-needed-october-crackdown

·      HRW – Human Rights Watch: World Report 2024 - Chad, 11. Jänner 2024
https://www.ecoi.net/de/dokument/2103175.html

·      HRW – Human Rights Watch: Chad: Prominent Opposition Leader Killed, 1. März 2024
https://www.ecoi.net/de/dokument/2105226.html

·      OMCT – World Organisation Against Torture: Chad: Four United Nations special rapporteurs seized following massacres of civilians, 24. Oktober 2022
https://www.omct.org/en/resources/news-releases/chad-four-united-nations-special-rapporteurs-seized-following-massacres-of-civilians

·      RFI – Radio France internationale: Manifestations du 20 octobre au Tchad: la CNDH a rendu son rapport sur le «jeudi noir», 24. Februar 2023
https://www.rfi.fr/fr/afrique/20230223-manifestations-du-20-octobre-au-tchad-la-cndh-a-rendu-son-rapport-sur-le-jeudi-noir

·      USDOS - US Department of State: 2023 Country Report on Human Rights Practices: Chad, 23. April 2024
https://www.ecoi.net/de/dokument/2107643.html


 

Anhang: Quellenbeschreibungen und Informationen aus ausgewählten Quellen

Amnesty International (AI) ist eine internationale regierungsunabhängige Menschenrechtsorganisation mit Hauptsitz in London.

·      AI – Amnesty International: Chad: Repression of demonstrations must stop immediately, 21. Oktober 2022
https://www.ecoi.net/de/dokument/2080986.html

„Reacting to the crackdown against today’s protests and the deaths of demonstrators, Samira Daoud, Amnesty International’s Regional Director for West and Central Africa said: ’Violent clashes occurred this morning between security forces and demonstrators in N’Djamena and elsewhere in the country. According to initial testimonies collected by Amnesty International, the security forces fired live ammunition at demonstrators, just like in April 2021 and in Abeche in January 2022, killing several dozen people including a child. We call on the Chadian authorities to immediately halt the excessive use of force against demonstrators. […]’ […] On 20 October 2022, demonstrations were held in N’Djamena and elsewhere in the country to denounce the extension of the transition period for a further two years and to demand the transfer of power to civilians. Hundreds of people answered the call of several opposition parties and civil society associations. The Prime Minister announced a provisional toll of 50 dead and 300 injured. He announced that a Judicial Commission would be set up to determine responsibility.“ (AI, 21. Oktober 2022)

·      AI – Amnesty International: Amnesty Report – Tschad 2022, 28. März 2023
https://www.amnesty.de/informieren/amnesty-report/tschad-2022

Im Zuge der Demonstrationen im Oktober 2022 wurden Hunderte Menschen, darunter auch Minderjährige, festgenommen und rechtswidrig in die Ortschaft Koro Toro gebracht, die 500 Kilometer von der Hauptstadt N'Djamena entfernt liegt. Die Gerichtsverfahren gegen sie fanden hinter verschlossenen Türen statt und wurden von ihren Rechtsbeiständen boykottiert. Im Dezember ergingen die Urteile: 262 Personen wurden zu Gefängnisstrafen zwischen zwei und drei Jahren verurteilt, 80 erhielten Bewährungsstrafen zwischen ein und zwei Jahren, und 59 wurden freigesprochen.“ (AI, 28. März 2023)

·      AI – Amnesty International: The State of the World's Human Rights; Chad 2023, 24. April 2024
https://www.ecoi.net/de/dokument/2107856.html

„At the end of the year, no concrete progress had been made in an investigation announced by the minister of justice the day after the 20 October 2022 demonstrations, during which, according to the National Human Rights Commission, at least 128 people were killed. Victims’ families, still waiting for answers, said they were afraid to ask the authorities to explain the lack of progress. On 20 October 2023, several Chadian human rights organizations denounced the fact that no members of the defence and security forces had yet been prosecuted for alleged unlawful killings. […]

A journalist working for the TV channel Toumaï was released in May, having been arrested for recounting what he experienced during the October 2022 demonstrations. However, he received telephone threats and was forced to leave the country for his safety and security after speaking to media outlets about ill-treatment during his arrest and detention in Koro Toro prison.“ (AI, 24. April 2024)

Die Bertelsmann Stiftung ist eine deutsche gemeinnützige Denkfabrik mit Sitz in Gütersloh.

·      Bertelsmann Stiftung: BTI 2024 Country Report Chad, 19. März 2024
https://www.ecoi.net/en/file/local/2105827/country_report_2024_TCD.pdf

„According to a February 2023 announcement by the National Human Rights Commission, 128 people were killed and over 500 injured by security forces during a demonstration by Wakit Tamma and the Transformateurs on October 20, 2022. The World Organization Against Torture expressed concern ‘about the violent repression of the peaceful demonstrations that took place on 20 October 2022, as part of a repressive governance system, where cases of extrajudicial killings, torture, disappearances and massive arbitrary detentions were registered.’” (Bertelsmann Stiftung, 19. März 2024, S. 9-10)

„Protesters took to the streets against these decisions on October 20, 2022, the official end of the 18-month transition, and were brutally crushed by security forces. That day has thus come to be called Black Thursday.” (Bertelsmann Stiftung, 19. März 2024, S. 33)

Die Deutsche Welle (DW) ist der öffentlich-rechtliche deutsche Auslandsfernsehsender.

·      DW – Deutsche Welle: Tschad: Viele Tote bei Protesten gegen Junta, 20. Oktober 2022
https://www.dw.com/de/viele-tote-bei-protesten-gegen-milit%C3%A4rjunta-im-tschad/a-63507753

Es traf in der Hauptstadt N'Djamena Demonstranten wie auch Sicherheitskräfte. Der Protest richtete sich gegen die Entscheidung der tschadischen Militärs, ihre ‚Übergangsregierung‘ um weitere 24 Monate zu verlängern.

Bei Zusammenstößen zwischen Polizei und Demonstranten im Tschad sind Regierungsangaben zufolge rund 50 Menschen getötet und etwa 100 verletzt worden. Unter den Toten waren demnach auch mehrere Sicherheitskräfte. Wie Reporter berichteten, hatten sich hunderte Protestierende nach einem Aufruf der Opposition in der Hauptstadt N'Djamena versammelt. Später waren regelmäßig Tränengassalven zu hören. In mehreren Stadtteilen waren Barrikaden aufgestellt, auf einigen Hauptstraßen wurden Reifen angezündet, um den Verkehr aufzuhalten. Wie DW-Korrespondent Blaise Dariusstone berichtet, sind Telefon und Internet gestört. Es herrscht eine nächtliche Ausgangssperre.

Im Bezirk des 6. Arrondissements von N'Djamena, einer Hochburg der tschadischen Opposition, waren die Straßen tagsüber menschenleer. Reifen, Baumstämme und Ziegelsteine lagen auf den Straßen. Schulen und Universitäten blieben geschlossen. Die Demonstrationen waren von den Behörden verboten worden. Sie richten sich gegen die Verlängerung der von der regierenden Militärjunta festgelegten Übergangszeit bis zu demokratischen Wahlen. Eigentlich hätte diese an diesem Donnerstag enden sollen. […]

Der Tschad wird von einer Militärjunta regiert. Juntachef Mahamat Idriss Déby Itno hatte die Macht im April 2021 von seinem Vater, dem langjährigen Staatschef Idriss Déby Itno, übernommen. Der 38 Jahre alte Fünf-Sterne-General versprach einen nationalen Dialog und ‚freie und demokratische Wahlen‘ innerhalb von 18 Monaten. Dieses Versprechen kassierte das ‚Forum des Nationalen Souveränen Inklusiven Dialogs‘ in diesem Monat und verkündete, Déby Itno solle während einer verlängerten zweijährigen Übergangszeit bis zur Abhaltung von Wahlen im Amt bleiben. Es bestätigte zudem das Recht Débys, nach der Übergangsphase für das Präsidentenamt zu kandidieren. Die im August eröffneten Gespräche waren von großen Teilen der Opposition und Teilen der Zivilgesellschaft sowie einigen mächtigen Rebellengruppen abgelehnt worden, die gegen eine ‚dynastische Nachfolge‘ an der Staatsspitze sind.

Die Proteste in N'Djamena richteten sich offenbar auch gegen die Zentrale der Partei Nationale Union für Demokratie und Erneuerung (UNDR) von Ministerpräsident Saleh Kebzabo. Sie sei von Demonstranten angegriffen und teilweise niedergebrannt worden, teilte UNDR-Vizechef Célestin Topona mit. Kebzabo, ein früherer Gegner von Idriss Déby Itno, war kürzlich der von dessen Sohn ernannten Regierung beigetreten und wurde am 12. Oktober zum Regierungschef ernannt.“ (DW, 20. Oktober 2022)

Human Rights Watch (HRW) ist eine internationale Nichtregierungsorganisation mit Sitz in New York City, die sich für den weltweiten Schutz der Menschenrechte einsetzt.

·      HRW – Human Rights Watch: Chad: Justice Needed for October Crackdown, 23. Jänner 2023
https://www.hrw.org/news/2023/01/23/chad-justice-needed-october-crackdown

„On October 20, 2022, thousands took to the streets in N’Djamena, the capital, and several other towns in southern Chad, including Moundou, Doba, and Sarh, to protest the current transitional government’s decision to extend the transitional period by two years. […]

The full toll of the violence is still not known. Chadian authorities said 50 people were killed, including around 15 police officers, and 300 injured. Human Rights Watch has not been able to confirm the police officers’ deaths, but human rights groups believe the number of protesters and residents killed could be much higher than the official figures and suspect some people may still be missing. […]

By early December, 401 people who had been allegedly caught in the act (flagrant délit) had been put on trial for a range of crimes such as unauthorized gathering, destroying property, arson, and disturbing public order. Between 150 and 200 others still face trials. […]

Detainees were effectively held incommunicado in Koro Toro as they had no access to family members and lawyers, Human Rights Watch said. Moreover, for detainees whose whereabouts are still not known, family members and lawyers have requested information from officials to no avail, and they may be considered cases of enforced disappearances. […]

Researchers found that security forces detained men and boys in a primary school in the Abena neighborhood in N’Djamena, subjecting detainees to harsh beatings. One man who was detained at the school said he was tied up with other detainees, four of whom had been badly beaten.

Djide Philomon, 43, was detained at the Abena school for three days, family members said. He was beaten so badly that he was transferred to a military hospital in N’Djamena. Family members who managed to visit him said his body was swollen and he had difficulty moving and speaking. Visitors last saw him at the hospital on November 4, but the next day he was dead. His death certificate said he died of a heart attack after being ‘traumatized by torture after the protests on October 20, 2022.’

The UN estimated that over 1,400 people were detained during the crackdown in various locations across the country. In November officials announced that 621 people were at Koro Toro, including 83 children, without releasing a list. […]

Another 150 to 200 detainees in Koro Toro are awaiting criminal charges on what are believed to be more serious crimes. Not all the names of those facing criminal charges have been published, leaving some family members confused as to the whereabouts of their loved ones.“ (HRW, 23. Jänner 2023)

·      HRW - Human Rights Watch: World Report 2024 - Chad, 11. Jänner 2024
https://www.ecoi.net/de/dokument/2103175.html

„Aftermath of the October 20, 2022 Protests

In October 2022, thousands took to the streets in the capital N’Djamena and towns in the south in protest to mark the date the military administration had initially promised to hand over power to a civilian government. The transitional government had on several previous occasions violently suppressed protests demanding civilian democratic rule.

In a February report, the National Human Rights Commission said that 128 people were killed and 518 injured. The commission found that security forces ‘systematically violated several fundamental human rights … [using] disproportionate means’ to quell the protests. The commission posed several questions to the government, including why authorities had failed to open judicial investigations into human rights violations and called for the prosecution of perpetrators of those violations.

In November 2022, the minister of justice said that 621 people had been arrested in relation to the protests, including 83 children. In November and December 2022, group trials of 401 of those arrested began at Koro Toro, a high security prison 600 kilometers from N’Djamena designed to house so-called violent extremists. A total of 262 people were sentenced to prison terms ranging from 24 to 36 months on several charges, including taking part in an unauthorized gathering, destroying property, arson, and disturbing public order. Eighty people were given suspended prison sentences and another fifty-nine were acquitted. In December 2022, 80 children were released on bail. The majority of protestors were subsequently pardoned and released in groups over the course of 2023.

In the days following the violence, the ECCAS [Economic Community of Central African States] announced an investigation commission. The commission has yet to publish its report.“ (HRW, 11. Jänner 2024)

·      HRW - Human Rights Watch: Chad: Prominent Opposition Leader Killed, 1. März 2024
https://www.ecoi.net/de/dokument/2105226.html

„The killing of a potential presidential candidate during an assault by Chadian security forces on an opposition party headquarters raises serious concerns about the environment for elections scheduled for May 6, 2024, Human Rights Watch said today. […]

Since President Idriss Déby’s death in April 2021, the transitional government headed by Déby’s son, Gen. Mahamat Idriss Déby Itno, has on several occasions carried out violent crackdowns on opposition-led protests demanding civilian democratic rule and on independent media.

On October 20, 2022, security forces fired live ammunition at protesters during demonstrations organized by civil society groups and opposition parties, killing and injuring scores, and beating and chasing people into their homes. Hundreds of men and boys were arrested, and many were taken to Koro Toro, a high security prison 600 kilometers from N’Djamena. Several detainees died en route, some due to lack of water. At Koro Toro, protesters suffered further abuse, including ill-treatment by other detainees, and some died. The detainees were held for months and eventually released or pardoned. Chadian authorities refused to carry out prompt, effective, and impartial criminal investigations into the violations.

On November 23, 2023, the national transitional council passed an amnesty law that removed the possibility of prosecuting security forces or others responsible for serious violations, including killings against participants in the October 20 demonstrations, enshrining impunity and rewarding the abusers.

Dillo’s killing comes a week after the government’s removal of the president of the National Human Rights Commission (Commission nationale des droits de l'homme, CNDH), the only government institution willing to publish an accurate accounting of the deadly October 20 crackdown. Succès Masra, the current prime minister and president of Les Transformateurs – the political party whose members made up the bulk of the political detainees and victims after the October 20, 2022 protests – expressed his ‘total and unconditional support to the Head of State’ in a February 28 tweet.“ (HRW, 1. März 2024)

Die Organisation Mondiale Contre la Torture (OMCT) ist ein NGO-Netzwerk, das den Schutz der Menschenrechte und den Kampf gegen Folter und Straflosigkeit zum Ziel hat und Folteropfer unterstützt und vertritt, sowie Menschenrechtsverletzungen weltweit dokumentiert.

·      OMCT – World Organisation Against Torture: Chad: Four United Nations special rapporteurs seized following massacres of civilians, 24. Oktober 2022
https://www.omct.org/en/resources/news-releases/chad-four-united-nations-special-rapporteurs-seized-following-massacres-of-civilians

„In N'Djamena, threats and intimidation continued from 21 to 23 October against civilians and political parties. Military vehicles were stationed or driving in almost every neighbourhood, and gunfire was heard in neighbourhoods like Atrone, Gasi, Walia and Moursal. Searches are taking place in the homes or on the persons of residents of certain neighbourhoods, notably in Atrone, around the headquarters of the Les Transformateurs party. […]

Bodies of slain protesters were recovered from the Chari River in N'Djamena over the weekend. Classrooms, such as those of the Abena Communal High School located in the commune of the 7th arrondissement of the city of N'Djamena, have been transformed into prisons. Young people were reportedly summarily executed there this morning. In addition, concurring sources confirm the deportation of people to the high security prison of Koro Toro, located in the middle of the desert in the north of the country.” (OMCT, 24. Oktober 2022)

Radio France Internationale ist der Auslandsdienst des öffentlichen Hörfunks in Frankreich.

·      RFI – Radio France internationale: Manifestations du 20 octobre au Tchad: la CNDH a rendu son rapport sur le «jeudi noir», 24. Februar 2023
https://www.rfi.fr/fr/afrique/20230223-manifestations-du-20-octobre-au-tchad-la-cndh-a-rendu-son-rapport-sur-le-jeudi-noir

„Le 20 octobre, en dépit de l'interdiction des autorités, des marches s'engagent à l'appel de l'opposition dans plusieurs villes. Si dans certaines, comme Sarh ou Bongor, elles se déroulent sans trop de heurts, elles virent à l'émeute à Ndjamena, Moundou, ou Koumra. Le bilan du ‘jeudi noir’ varie. Il va de 73 morts, dont des éléments des forces de sécurité, selon les autorités, à environ 300 selon l'opposition. À l'issue de son enquête, la CNDH [Commission nationale des droits de l'homme] est parvenue de son côté à documenter un total de 128 décès, 12 disparus, 518 blessés, 943 arrestations et 265 condamnations. […]

La commission note que les données ‘ne sont pas exhaustives et sont susceptibles d'êtres revues à la hausse’, car elle n'a pu recouper tous les témoignages en sa possession.” (RFI, 24. Februar 2023)

Das US Department of State (USDOS) ist das US-Bundesministerium, das für die auswärtigen Angelegenheiten der Vereinigten Staaten zuständig ist.

·      USDOS - US Department of State: 2023 Country Report on Human Rights Practices: Chad, 23. April 2024
https://www.ecoi.net/de/dokument/2107643.html

„Interim president Mahamat Idriss Deby issued numerous pardons during the year, including significant numbers of political prisoners. He pardoned hundreds of those detained following the October 2022 demonstrations in three waves of releases in March, May, and July.“ (USDOS, 23. April 2024, Executive Summary)

„Human Rights Watch (HRW) investigations conducted during the year concluded some individuals detained following the October 2022 demonstrations were targeted merely based on where they resided.“ (USDOS, 23. April 2024, Section 1d)

„NGOs reported cases in which individuals were not allowed to leave detention to attend their trial, including the December 2022 mass trial of those detained following the October 2022 demonstrations, which were described by the Chadian Bar Association as a ‘parody of justice’ and were boycotted by lawyers, according to media reports. […]

In March, President Deby pardoned 259 prisoners arrested during the October 2022 demonstrations, followed by a second wave of 67 individuals in May, and 110 more in July. Many of these prisoners were never charged. Those charged were accused of crimes including unauthorized gathering, destroying property, and disturbing public order. Prisoners were kept in a high-security prison with terrorism suspects despite the nonviolent nature of their alleged crimes. The government permitted human rights organizations some access to prisoners. According to the HRW, authorities detained at least 72 Transformateurs political party members in October, in what the HRW alleged was an attempt by the government to limit political dissent ahead of the December constitutional referendum and 2024 elections.” (USDOS, 23. April 2024, Section 1e)



[1] HRW berichtet in einem Artikel vom Jänner 2023 von einer Grundschule im Stadtteil Abena von N'Djamena, in der Männer und Jungen festgehalten und geschlagen worden seien (HRW, 23. Jänner 2023). Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass es sich um dieselbe Schule und um dieselben von OMCT geschilderten Ereignisse handelt.