Document #2103667
ACCORD – Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation (Author)
4. Dezember 2023
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Allgemeine Informationen zu Zeug·innen Jehovas in Russland
Staatliches Vorgehen, gesellschaftliche Situation und Diskriminierung
Informationen zum Entzug des Sorgerechts aufgrund der Glaubensausübung
Quellen
Anhang: Quellenbeschreibungen und Informationen aus ausgewählten Quellen
Kurzbeschreibungen zu den in dieser Anfragebeantwortung verwendeten Quellen sowie Ausschnitte mit Informationen aus diesen Quellen finden Sie im Anhang.
Allgemeine Informationen zu Zeug·innen Jehovas in Russland
In einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts (BVwG) vom September 2023 werden Informationen aus dem COI-CMS der BFA Staatendokumentation mit Stand Juli 2023 (Version 12) angeführt, die unter Bezugnahme auf das deutsche Auswärtige Amt (AA) angeben, dass in Russland Schätzungen zufolge etwa 170.000 Mitglieder der Zeug·innen Jehovas leben (BVwG, 29. September 2023). Die BFA Staatendokumentation führt unter Bezugnahme auf verschiedene Quellen weiters Folgendes aus:
„Die Zeugen Jehovas sind von Einschränkungen der Religionsfreiheit betroffen (UN-HRC 1.12.2022). Mit Beschluss des Obersten Gerichts der Russischen Föderation vom 20.4.2017 wurde die religiöse Organisation/Verwaltungszentrale der Zeugen Jehovas in Russland mitsamt ihren örtlichen religiösen Organisationen als extremistische Organisation eingestuft und aufgelöst. Die Tätigkeit der Zeugen Jehovas in der Russischen Föderation wurde verboten, und das Vermögen der religiösen Organisation der Zeugen Jehovas wurde ins Eigentum der Russischen Föderation überführt (OG 20.4.2017). Gemäß dem Justizministerium sind die Ablehnung von Wehrdienst, Bluttransfusion und Wahlbeteiligung sowie die generelle Einstellung der Zeugen Jehovas zum russischen Staat als extremistisch zu werten (MR 2022).“ (BVwG, 29. September 2023)
Auf der deutschsprachigen Seite der Zeugen Jehovas JW.org finden sich folgende Informationen zu den Zeug·innen Jehovas in Russland vom Oktober 2023:
„Die neuzeitliche Geschichte von Jehovas Zeugen in Russland ist von Unterdrückung und Verfolgung geprägt. Im 20. Jahrhundert wurden Zeugen Jehovas viele Jahre lang durch russische Behörden schikaniert und misshandelt, obwohl sie als friedliche, gesetzestreue Bürger bekannt waren. Das Sowjetregime wollte sie dazu zwingen, sich zur Ideologie der Sowjetunion zu bekennen. Sie durften keine Bibeln oder sonstige religiöse Literatur besitzen. Wegen ständiger Überwachung mussten sie ihre Zusammenkünfte im Geheimen abhalten. Wurden sie entdeckt, waren Schläge und lange Freiheitsstrafen die Folge. Tausende wurden nach Sibirien deportiert.
Das änderte sich 1991, als Russland Jehovas Zeugen rechtlich anerkannte und ihnen Religionsfreiheit ohne staatliche Einmischung gewährte. Diese friedliche Phase dauerte allerdings nicht lange an. Im Jahr 2009 zeigte sich zunehmender Widerstand und es kam zu Einschränkungen, als Russlands Oberstes Gericht die Entscheidung einer Vorinstanz bestätigte, eine Versammlung der Zeugen Jehovas als ‚extremistisch‘ einzustufen. Nach einem jahrelangen Rechtsstreit entschied das Oberste Gericht im April 2017, alle Rechtskörperschaften von Jehovas Zeugen wegen angeblicher extremistischer Aktivitäten aufzulösen. Russische Behörden leiteten umgehend die Beschlagnahme des gesamten Besitzes der Religionsgemeinschaft in die Wege, schlossen ihre Zusammenkunftsstätten und erklärten ihre religiöse Literatur zu ‚extremistischem Material‘.“ (JW.org, 18. Oktober 2023)
Staatliches Vorgehen, gesellschaftliche Situation und Diskriminierung
Auf der bereits oben zitierten deutschsprachigen Seite der Zeugen Jehovas finden sich folgende Informationen zum Vorgehen des Staates gegen die Zeug·innen Jehovas in Russland vom Oktober 2023:
„Das Vorgehen der russischen Behörden beschränkte sich allerdings nicht auf die Rechtskörperschaften von Jehovas Zeugen; es richtet sich auch gegen die einzelnen Gläubigen. Dabei wird nicht zwischen der verbotenen Organisation und der Religionsausübung von Einzelpersonen unterschieden.“ (JW.org, 18. Oktober 2023)
Die BFA Staatendokumentation führt unter Bezugnahme auf die österreichische Botschaft in ihren Informationen aus dem COI-CMS mit Stand Juli 2023 (Version 12), die in einem Urteil des BVwG vom September 2023 veröffentlicht sind, Folgendes aus:
„Wenngleich sich das Verbot der Religionsgemeinschaft der Zeugen Jehovas auf die Organisation bezieht, werden in der Praxis auch einfache Gläubige ins Visier genommen (ÖB 30.6.2022).“ (BVwG, 29. September 2023)
Mehrere Vereinigungen der Zeug·innen Jehovas schreiben in einem Bericht vom Jänner 2022 an den UNO-Menschenrechtsausschuss, die Russische Föderation habe behauptet, dass nur die juristischen Körperschaften („legal entities“) der Zeug·innen Jehovas verboten seien, dass Einzelpersonen ihren Glauben aber frei praktizieren könnten. Diese Aussagen würden allerdings an der Realität vorbeigehen. Zeug·innen Jehovas würden in Russland in der ständigen Angst leben, dass ihre Häuser von der Polizei durchsucht und sie eines schweren Verbrechens angeklagt würden, nur weil sie ihren Glauben praktizieren würden (African Association of Jehovah's Witnesses et al., 31. Jänner 2022, S. 11-12). Auch das USDOS schreibt in seinem Bericht zur Religionsfreiheit im Jahr 2022, dass Zeug·innen Jehovas nach Angabe verschiedener Quellen wegen normaler religiöser Praktiken und der Durchführung grundlegender Aktivitäten religiöser Organisationen verurteilt worden seien (USDOS, 15. Mai 2023, Section II). In einem Artikel von Forum 18 vom Jänner 2023 wird auf den Fall von Waleri Kriger eingegangen, der zu sieben Jahren Haft verurteilt worden sei. Er habe in seinem Schlussplädoyer angegeben, dass die Staatsanwaltschaft zwar behauptet habe, er habe sich an der Organisation der Aktivitäten der Zeug·innen Jehovas in Birobidschan beteiligt, in Wirklichkeit habe er aber mit anderen Gläubigen die Bibel gelesen, gebetet und religiöse Lieder gesungen (Forum 18, 24. Jänner 2023).
Das niederländische Außenministerium erläutert in einem im März 2023 veröffentlichten Bericht für den Zeitraum April 2021 bis März 2023, dass Zeug·innen Jehovas im Berichtszeitraum weiterhin verhaftet, strafrechtlich verfolgt und verurteilt worden seien, weil sie sich an einer extremistischen Organisation beteiligt und diese aufrechterhalten hätten. Der Oberste Gerichtshof habe zwar im Oktober 2021 entschieden, dass individuelle oder kollektive Überzeugungen für eine strafrechtliche Verurteilung nicht ausreichend seien und dass zusätzliche Beweise für extremistische Aktivitäten notwendig seien, dennoch hätten die Gerichte weiterhin Zeug·innen Jehovas wegen Extremismus verurteilt. Es sei zwar eine Reihe von Personen auf der Grundlage dieses Urteils freigesprochen worden, die Staatsanwaltschaft habe aber dagegen Berufung eingelegt (Netherlands Ministry of Foreign Affairs, März 2023, S. 15). Forum 18 schreibt in einem Artikel vom Juni 2023 ebenfalls, dass der Oberste Gerichtshof im Oktober 2021 seine Leitlinien für Extremismusprozesse überarbeitet habe. Es sei das Dekret „Über die gerichtliche Praxis in Strafsachen im Zusammenhang mit Extremismusdelikten“ abgeändert worden, das Richter·innen Anweisungen für die Anwendung des Extremismusgesetzes gebe, um eine einheitliche Anwendung der russischen Rechtsvorschriften durch alle Gerichte zu gewährleisten. Das Dekret behandle unter anderem die Anwendung von Artikel 282.2 Absatz 1 („Organisation von“) und 2 („Beteiligung an“) den „Aktivitäten einer sozialen oder religiösen Organisation, für die ein Gericht eine rechtskräftige Entscheidung über die Auflösung oder das Verbot der Aktivitäten im Zusammenhang mit der Ausübung extremistischer Aktivitäten erlassen“ habe. Die Gerichte würden ausdrücklich angewiesen, die „spezifischen Handlungen“ eines/einer Angeklagten, seine/ihre Motivation und „die Bedeutung [dieser Handlungen] für die Fortsetzung oder Wiederaufnahme der Aktivitäten der [verbotenen Organisation]“ zu überprüfen. Die Abänderungen des Dekrets würden auch festhalten, dass nach dem Verbot einer als „extremistisch“ eingestuften Organisation die nachfolgenden Handlungen einer Person, „die ausschließlich in der Ausübung ihres Rechts auf Gewissens- und Religionsfreiheit bestehen, einschließlich des individuellen oder gemeinsamen Glaubensbekenntnisses und der Durchführung von Gottesdiensten oder anderer religiöser Riten und Zeremonien, für sich genommen keine Straftat nach Artikel 282.2 Absatz 2 darstellen, wenn sie keine Anzeichen von Extremismus enthalten“. Alle acht Freisprüche, die sich aus den überarbeiteten Leitlinien ergeben hätten, seien inzwischen wieder aufgehoben worden, wobei einer der Freigesprochenen jetzt zu acht Jahren Haft verurteilt worden sei. Laut Anwält·innen der Zeug·innen Jehovas sei ihre anfängliche Hoffnung nun völlig verschwunden. Die Verteidigung beziehe sich zwar in jedem Fall auf die Leitlinien des Obersten Gerichtshofes, aber die Richter·innen würden diese völlig ignorieren. Laut Forum 18 dürften sich die abgeänderten Leitlinien kaum auf die Fällen von Personen ausgewirkt haben, die wegen der Ausübung ihrer Religions- und Glaubensfreiheit strafrechtlich verfolgt worden seien (Forum 18, 26. Juni 2023)
Das SOVA Research Center schreibt in seinem im April 2023 veröffentlichten Bericht zu Herausforderungen für die Gewissensfreiheit in Russland im Jahr 2022, dass sich die strafrechtliche Verfolgung der Zeug·innen Jehovas fortgesetzt habe. Im Laufe des Jahres seien nach Angaben der Zeug·innen Jehovas gegen 77 Personen (gegenüber 142 Personen im Jahr 2021) neue Strafverfahren wegen der Fortsetzung der Aktivitäten einer extremistischen Organisation eingeleitet worden. Es habe 59 Schuldsprüche (gegenüber 68 im Jahr 2021) nach Artikel 282.2 des Strafgesetzbuches („Organisation von Aktivitäten einer extremistischen Organisation“) und Artikel 282.3 („Finanzierung der Aktivitäten einer extremistischen Organisation“) (im Jahr 2021 - 68) gegen 118 Personen (gegenüber 105 im Jahr 2021) gegeben. Gleichzeitig seien die Strafen verschärft worden: 45 Personen, darunter ältere Menschen, Frauen und Menschen mit schweren gesundheitlichen Problemen, seien zu Haftstrafen zwischen 16 Monaten und siebeneinhalb Jahren verurteilt worden. Nach Angaben der Zeug·innen Jehovas habe die durchschnittliche Strafe bei fünfeinhalb Jahren (gegenüber fünf Jahren im Jahr 2021) gelegen. 61 Gläubige hätten Bewährungsstrafen von bis zu sechseinhalb Jahren erhalten (gegenüber 68 im Jahr 2021). Elf Personen (gegenüber zehn im Jahr 2021) seien zu Geldstrafen zwischen 350.000 und 600.000 Rubel und eine Person zu Strafarbeit verurteilt worden. Eines der härtesten Urteile sei gegen den 53-jährigen Andrej Wlassow verhängt worden, der im Mai 2022 zu sieben Jahren Haft in einer allgemeinen Strafkolonie verurteilt worden sei, obwohl er eine Behinderung der Gruppe II habe und sich nicht selbständig bewegen könne. Außerdem seien im Jahr 2022 mehrere Freisprüche von Zeug·innen Jehovas aufgehoben worden. Ende Februar 2023 seien mindestens 123 Personen in Kolonien und Untersuchungshaftanstalten inhaftiert gewesen, die älteste von ihnen sei 71 Jahre alt gewesen. Nach Angaben der Zeug·innen Jehovas seien ab dem Verbot ihrer Zentrale und ihrer örtlichen Organisationen bis Ende 2022 bereits 674 Gläubige von der Strafverfolgung betroffen gewesen. Wie in den Vorjahren seien im Rahmen der Strafverfahren Häusern von Zeug·innen Jehovas durchsucht worden, wobei es zu zahlreichen Verstößen gekommen sei, darunter auch zur ungerechtfertigten Anwendung von Gewalt. Im Jahr 2022 seien nach Angaben der Zeug·innen Jehovas 200 Hausdurchsuchungen durchgeführt worden und insgesamt seien seit dem Verbot der Zeug·innen Jehovas 1.874 Durchsuchungen vorgenommen worden (SOVA Research Center, 13. April 2023).
Forum 18 schreibt in einem Artikel vom Jänner 2023 ebenfalls, dass Zeug·innen Jehovas 2022 weiterhin unvermindert von Razzien, strafrechtlichen Verfolgungen und Verurteilungen wegen der Ausübung ihres Glaubens betroffen gewesen seien, und das, obwohl es 2021 einen abgeänderten Leitlinien für Richter für Fälle mit Extremismus-Bezug gegeben habe. Laut Forum 18, das sich auf Statistiken der Zeug·innen Jehovas beruft, habe es im Jahr 2022 124 Verurteilungen in erster Instanz gegeben, von denen ein kleiner Teil später aufgehoben und zurück an die Staatsanwaltschaft geschickt worden sei. Die Anzahl der Verurteilungen sei seit Beginn der Strafverfolgung im Jahr 2018 nach dem landesweiten Verbot der Aktivitäten der Zeug·innen Jehovas stetig gestiegen. Die meisten Zeug·innen Jehovas würden nach mehrmonatiger Überwachung durch den Inlandsgeheimdienst FSB oder die Polizei nach Artikel 282.2 des russischen Strafgesetzbuches wegen „Organisation von“ (Absatz 1) oder „Beteiligung an“ (Absatz 2) den „Aktivitäten einer sozialen oder religiösen Organisation, für die ein Gericht eine rechtskräftige Entscheidung über die Auflösung oder das Verbot der Aktivitäten im Zusammenhang mit der Ausübung extremistischer Aktivitäten erlassen“ habe, verfolgt. Zeug·innen Jehovas seien nach Artikel 282.2 wegen Treffen in Häusern der jeweils anderen, um gemeinsam zu beten und zu singen, heilige Texte zu studieren und über gemeinsame Überzeugungen zu diskutieren, verurteilt worden (Forum 18, 24. Jänner 2023).
Die deutschsprachige Seite der Zeugen Jehovas gibt Folgendes zu Haftstrafen an, die gegen Zeug·innen Jehovas in Russland verhängt wurden:
„Seit dem Verbot im April 2017 wurden Hunderte Zeugen Jehovas in Untersuchungshaft genommen oder aufgrund von Extremismusvorwürfen zu Freiheitsstrafen verurteilt. Nach Stand vom 18. Oktober 2023 befinden sich 113 Zeugen Jehovas in Haft.“ (JW.org, 18. Oktober 2023)
Die russische Webseite der Zeug·innen Jehovas gibt auf einer undatierten Seite an, dass es bisher 2045 Durchsuchungen in 75 Regionen der Russischen Föderation gegeben habe. Insgesamt seien 374 Verfahren eröffnet und 403 Urteile gesprochen worden. Es seien 53 Strafen sowie 209 bedingte Haftstrafe verhängt worden und 138 Personen seien zu Haft in einer Strafkolonie verurteilt worden. 127 Personen würden sich in Haft befinden, 15 stünden unter Hausarrest und insgesamt gebe es 782 Beschuldigte (JW-Russia.org, ohne Datum).
In einem Bericht vom April 2021 für den Zeitraum Dezember 2018 bis März 2021 schreibt das niederländische Außenministerium, dass Zeug·innen Jehovas neben Strafverfahren auch mit Überwachung, Beschlagnahmungen, Durchsuchungen, Hausarrest, Drohungen und in einigen Fällen mit Folter während der Verhöre konfrontiert seien (Netherlands Ministry of Foreign Affairs, 1. April 2021, S. 42). Freedom House erwähnt in seinem Jahresbericht für das Jahr 2022 allgemein, dass Zeug·innen Jehovas in Russland Überwachung, der Beschlagnahme von Eigentum, Verhaftungen und Folter ausgesetzt gewesen seien (Freedom House, 2023). Das US-Außenministerium (USDOS) schreibt in seinem im Mai 2023 veröffentlichten Bericht zur Religionsfreiheit im Jahr 2022, dass Zeug·innen Jehovas nach Angaben von NGOs durch Angehörige des Inlandsgeheimdienstes, Beamte des Zentrums für Extremismusbekämpfung des Innenministeriums, Polizeibeamte und Bereitschaftspolizisten überwacht, verhaftet und durchsucht worden seien, außerdem seien ihre Wohnung und Gedenkstätten durchsucht worden (USDOS, 15. Mai 2023, Section II). Das European External Action Service (EEAS) schreibt in seinem Jahresbericht für das Jahr 2022 von einer diskriminierenden Politik und diskriminierenden Gesetzen gegenüber unter anderem religiösen Gemeinschaften, beispielsweise den Zeug·innen Jehovas (EEAS, 31. Juli 2023, S. 68).
Das niederländische Außenministerium erläutert in seinem im März 2023 veröffentlichten Bericht für den Zeitraum April 2021 bis März 2023, dass Mitglieder von Glaubensgemeinschaften, die als unerwünscht oder extremistisch eingestuft worden seien, die indirekten Konsequenzen davon zu spüren bekommen könnten. Sie könnten beispielsweise von der Gesellschaft diskriminiert oder stärker überwacht werden. Zeug·innen Jehovas hätten sich früher bereits über Probleme bezüglich der Ausübung ihres Rechts auf einen alternativen Wehrdienst beklagt (Netherlands Ministry of Foreign Affairs, März 2023, S. 82).
Mehrere Vereinigungen der Zeug·innen Jehovas schreiben in dem bereits erwähnten Bericht vom Jänner 2022 an den UNO-Menschenrechtsausschuss darüber, dass Dutzende Personen wegen ihrer Aufnahme in die „Liste der Extremisten“ der russischen Finanzaufsichtsbehörde Rosfinmonitoring leiden würden. Durch die Aufnahme in die Liste würden Bankkonten gesperrt, Versicherungsgesellschaften, nichtstaatliche Pensionsfonds, Wechselstuben, Pfandhäuser und andere Finanzinstitute würden den betreffenden Personen die Durchführung von Finanztransaktionen verweigern, Notare würden diesen Personen die Beurkundung von Immobiliengeschäften und die Ausstellung von Vollmachten verweigern und Arbeitgeber·innen könnten ihre Einstellung verweigern, weil sie kein Bankkonten für die Überweisung der Löhne hätten. Viele seien aufgrund der Tatsache, dass sie Zeug·innen Jehovas seien, entlassen worden, wodurch ganze Familien ohne Existenzgrundlage dastehen würden (African Association of Jehovah's Witnesses et al., 31. Jänner 2022, S. 12). Die US Commission on International Religious Freedom (USCIRF) verweist in einem Factsheet vom März 2021 ebenfalls darauf, dass der Staat religiöse Minderheiten, die als extremistisch eingestuft worden seien, mit Hilfe der Liste der Terroristen und Extremisten von Rosfinmonitoring finanziell schikaniere. Die Gelder der Personen auf dieser Liste könnten eingefroren oder strengen Beschränkungen unterworfen werden. Es könnten Personen ohne Verurteilung in die Liste aufgenommen werden, wenn sie im Zuge einer laufenden Ermittlung extremistischer Aktivitäten verdächtigt würden. Wer wegen Extremismus verurteil werde, könne bis zu acht Jahre auf der Liste bleiben, selbst nach Verbüßen einer Haftstrafe. Auf der Liste hätten zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des Factsheets mehr als 200 Zeug·innen Jehovas gestanden. Zeug·innen Jehovas hätten berichtet, dass ihre Bankkarten beschlagnahmt worden seien und beispielsweise die Bezahlung von Betriebskosten für das Eigentum von Zeug·innen Jehovas verwendet worden sei, um Einzelpersonen extremistischer Aktivitäten zu beschuldigen. Die Zeug·innen Jehovas würden behaupten, die russische Regierung habe Eigentum im Wert von mehr als 50 Millionen Dollar beschlagnahmt (USCIRF, März 2021, S. 6). In einem Bericht vom April 2021 für den Zeitraum Dezember 2018 bis März 2021 schreibt das niederländische Außenministerium, dass eine Aufnahme von Zeug·innen Jehovas in die Liste der Extremisten von Rosfinmonitoring zur Folge gehabt habe, dass sie ihren Arbeitsplatz, ihr Bankkonto, ihren Anspruch auf eine Rente und die Möglichkeit, eine neue SIM-Karte zu kaufen oder eine Versicherung abzuschließen, verloren hätten (Netherlands Ministry of Foreign Affairs, 1. April 2021, S. 42).
The Advocates for Human Rights erwähnen in einem Bericht vom Juni 2020, dass im Jahr 2018 laut dem russischen SOVA-Zentrum fast keine religiös motivierten Angriffe verzeichnet worden seien. Das Zentrum sei aber davon ausgegangen, dass diese Entwicklung wahrscheinlich zu einem großen Teil auf die von der Regierung veranlassten Einschränkungen der Aktivitäten der Zeug·innen Jehovas zurückzuführen gewesen sei. Einerseits seien die Anführer·innen der Zeug·innen Jehovas mit Strafverfahren gegen ihre Anhänger·innen beschäftigt gewesen und hätten die Veröffentlichung von Informationen über Angriffe auf Zeug·innen Jehovas eingestellt. Andererseits seien Fälle von hassmotiviertem Vandalismus zurückgegangen, da die Regierung Gebäude beschlagnahmt habe, die die Zeug·innen Jehovas zuvor für Gottesdienste genutzt hätten. Darüber hinaus seien die Zeug·innen Jehovas durch das Verbot ihrer offenen Missionsarbeit zu weniger sichtbaren Zielen von Angriffen geworden. Laut dem SOVA-Zentrum hätten vor 2018 Angriffe auf die Zeug·innen Jehovas die überwältigende Mehrheit der Fälle, die durch religiösen Hass motiviert gewesen seien, ausgemacht. Maßnahmen, die vorgeblich zur Bekämpfung von Extremismus ergriffen worden seien, seien einer Diskriminierung der Zeugen Jehovas gleichgekommen und hätten diese gefördert (The Advocates for Human Rights, 1. Juni 2020, S. 3).
Informationen zum Entzug des Sorgerechts aufgrund der Glaubensausübung
Bitte beachten Sie, dass die unter dieser Überschrift angeführte Übersetzung aus dem Norwegischen unter Verwendung von technischen Übersetzungshilfen erstellt wurden. Es besteht daher ein erhöhtes Risiko, dass diese Arbeitsübersetzung Ungenauigkeiten enthält.
Die Schweizerische Flüchtlingshilfe schreibt in einem Bericht vom Dezember 2020 Folgendes zu diesem Thema:
„Drohung, Sorgerecht für Kinder zu entziehen.
Was den Entzug des Sorgerechts anbelangt, so sehen die russischen Gesetze nach Angaben von Kontaktperson B vom SOVA Center die Möglichkeit vor, das Sorgerecht im Falle der Beteiligung von Minderjährigen an Aktivitäten extremistischer Organisationen zu entziehen. Das SOVA Center kennt laut Kontaktperson B nur einen einzigen Versuch dieser Art aus jüngster Zeit, der glücklicherweise gescheitert ist. Dennoch sei dem SOVA Center bekannt, dass Zeugen Jehovas oft entsprechende Drohungen von Strafverfolgungsbeamten erhalten. So wurde von Drohungen, das Sorgerecht zu entziehen, bei Verhören und Hausdurchsuchungen berichtet. Mandanten der NGO Advocates for Human Rights, die Zeugen Jehovas sind, haben ebenfalls berichtet, dass sie schikaniert und mit der Entziehung ihrer Kinder bedroht wurden. So hätten beispielsweise die Betroffenen ihre Kinder für eine Reise bei Freunden untergebracht, worauf der Lehrer der Kinder und ein anderes Elternteil den Freunden vorgaben, sie seien die Kinderfürsorge und drohten, die Kinder wegzunehmen, weil sie ohne Eltern zurückgelassen wurden. Diese Drohung hätten sie geäussert, weil sie wussten, dass die Familie als Zeugen Jehovas praktizierte. Bei einem anderen beispielhaften Fall verlangten Personen, die sich als Kinderfürsorgepersonal ausgaben, dass sie in das Haus gelassen werden, um es zu inspizieren, indem sie damit drohten, dass sie die vier Kinder des betroffenen Zeugen Jehovas andernfalls an Ort und Stelle mitnehmen würden. Zudem schikanierten sie die betroffenen Eltern und verlangten, dass sie bestimmte Dokumente ausfüllen würden.“ (SFH, 2. Dezember 2020)
Landinfo schreibt in einem Bericht vom Februar 2021, dass Zeug·innen Jehovas befürchten würden, dass ihnen das Sorgerecht für ihre Kinder entzogen werden könnte. Dies beruhe auf einer Erklärung des Plenums des Obersten Gerichtshofs vom 14. November 2017, in der es heiße, dass Eltern „durch Gerichtsbeschluss das Sorgerecht verlieren" können, wenn sie ihre Kinder in Aktivitäten für „extremistische“ religiöse Organisationen einbeziehen würden. Derzeit gebe es keine Informationen dazu, dass Zeug·innen Jehovas das Sorgerecht für ihre Kinder entzogen werde. Die Polizei habe jedoch in mehreren Fällen damit gedroht, auch um Zeug·innen Jehovas zur Zusammenarbeit mit der Polizei zu bewegen (Landinfo, 15. Februar 2021, S. 23).
Die BFA Staatendokumentation führt unter Bezugnahme auf verschiedene Quellen in ihren Informationen aus dem COI-CMS mit Stand Juli 2023 (Version 12), die in einem Urteil des BVwG vom September 2023 veröffentlicht sind, Folgendes aus:
„Gemäß einer Entscheidung des Obersten Gerichtshofes von November 2017 dürfen Gerichte Eltern das Sorgerecht entziehen, wenn diese ihre Kinder in die Aktivitäten einer gerichtlich aufgelösten oder verbotenen Organisation miteinbeziehen (OG 14.11.2017; vgl. AA 28.9.2022). Kurz darauf empfahl das Ministerium für Bildung und Wissenschaft, Kinder, die religiös-extremistischer Ideologie ausgesetzt wurden, zu 'resozialisieren'. Diesbezüglich erwähnte das Ministerium zwei Gruppen: Kinder von IS-Angehörigen und Zeugen Jehovas. Bisher ist kein derartiger Fall bekannt (AA 28.9.2022).“ (BVwG, 29. September 2023)
Es konnten keine weiteren Informationen zu dieser Frage gefunden werden. Im Zuge dieser Anfragebeantwortung wurden keine Quellen in Russland kontaktiert, da sie dies möglicherweise in Gefahr bringen könnte. Im Zusammenhang mit anderen Anfragen wiesen Quellen darauf hin, dass es ihnen nicht möglich sei, auf Fragen zu antworten, da es in Russland derzeit praktisch verboten sei, mit ausländischen und internationalen Organisationen zusammenzuarbeiten. Die Strafen dafür könnten von einer Aufnahme ins Register „ausländischer Agent·innen“ bis hin zu einem Strafverfahren reichen, weshalb eine offene Zusammenarbeit nicht möglich sei.
Quellen: (Zugriff auf alle Quellen am 4. Dezember 2023)
· Advocates for Human Rights (The): Russian Federation’s Compliance with International Covenant on Civil and Political Rights Treaty; Suggested List of Issues Relating to Freedom of Opinion and Expression and Discrimination Based on Religion; Submitted by The Advocates for Human Rights; a non-governmental organization in special consultative status with ECOSOC since 1996; 129th Session of the Human Rights Committee; 29 June–25 July 2020, 1. Juni 2020
https://tbinternet.ohchr.org/Treaties/CCPR/Shared Documents/RUS/INT_CCPR_ICO_RUS_42324_E.pdf
· African Association of Jehovah's Witnesses et al.: On behalf of The European Association of Jehovah’s Witnesses Asia-Pacific Association of Jehovah’s Witnesses and African Association of Jehovah’s Witnesses; Joint Submission to the UN Human Rights Committee; Subsequent to the Adoption of the List of Issues; 134th Session (28 February 2022 - 25 March 2022); Russian Federation, 31. Jänner 2022
https://tbinternet.ohchr.org/Treaties/CCPR/Shared%20Documents/RUS/INT_CCPR_CSS_RUS_47737_E.pdf
· BVwG – Bundesverwaltungsgericht: Entscheidungstext W280 2276462-1/10E, 29. September 2023
https://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/Bvwg/BVWGT_20230929_W280_2276461_1_00/BVWGT_20230929_W280_2276461_1_00.html
· EEAS – European External Action Service: EU Annual Report On Human Rights And Democracy In The World - 2022 Country Updates, 31. Juli 2023
https://www.eeas.europa.eu/sites/default/files/documents/2023/2022%20EU%20Annual%20Human%20Rights%20and%20Democracy%20Country%20Reports_0.pdf
· Forum 18: RUSSIA: Two trials, nine long jail terms, 24. Jänner 2023
https://www.forum18.org/archive.php?article_id=2805
· Forum 18: Judges "ignore completely" amended Supreme Court guidance on Extremism Law application, 26. Juni 2023
https://www.ecoi.net/de/dokument/2094838.html
· Freedom House: Freedom in the World 2023 - Russia, 2023
https://www.ecoi.net/de/dokument/2088552.html
· JW.org: Wegen ihres Glaubens in Haft – in Russland, 18. Oktober 2023
https://www.jw.org/de/nachrichten/region/russland/zeugen-jehovas-im-gefaengnis/
· JW-Russia.org: [Узники совести] Gefangene aus Gewissensgründen, ohne Datum
https://jw-russia.org/prisoners.html
· Landinfo – Norwegian Country of Origin Information Centre (Autor): Russland; Jehovas vitner, 15. Februar 2021
https://www.ecoi.net/en/file/local/2046353/Russland-temanotat-Jehovas-Vitner-15022021.pdf
· Netherlands Ministry of Foreign Affairs: Country of origin information report for the Russian Federation, 1. April 2021
https://www.ecoi.net/en/file/local/2054388/04_2021_MinBZ_NL_COI_report_Russian_Federation.pdf
· Netherlands Ministry of Foreign Affairs: Country of origin information report Russian Federation, März 2023
https://www.ecoi.net/en/file/local/2094189/EN+COI+Report+Netherlands+on+Russian+Federation+March+2023.pdf
· SFH – Schweizerische Flüchtlingshilfe: Russland: Zeugen Jehovas, 2. Dezember 2020
https://www.ecoi.net/en/file/local/2044359/201202_RUS_ZeugenJehovas_anonym.pdf
· SOVA Research Center: Challenges to Freedom of Conscience in Russia in 2022, 13. April 2023
https://www.sova-center.ru/en/religion/publications/2023/04/d47036/
· USCIRF – US Commission on International Religious Freedom: Factsheet: Controlling Civil Society's Purse Strings, März 2021
https://www.uscirf.gov/sites/default/files/2021-03/2021%20Financial%20Regulations%20Factsheet.pdf
· USDOS – US Department of State: 2022 Report on International Religious Freedom: Russia, 15. Mai 2023
https://www.ecoi.net/de/dokument/2091893.html
Anhang: Quellenbeschreibungen und Informationen aus ausgewählten Quellen
The Advocates for Human Rights ist eine in den USA ansässige Menschenrechtsorganisation.
· Advocates for Human Rights (The): Russian Federation’s Compliance with International Covenant on Civil and Political Rights Treaty; Suggested List of Issues Relating to Freedom of Opinion and Expression and Discrimination Based on Religion; Submitted by The Advocates for Human Rights; a non-governmental organization in special consultative status with ECOSOC since 1996; 129th Session of the Human Rights Committee; 29 June–25 July 2020, 1. Juni 2020
https://tbinternet.ohchr.org/Treaties/CCPR/Shared Documents/RUS/INT_CCPR_ICO_RUS_42324_E.pdf
„The SOVA Center for Information and Analysis reported that in 2018 there was almost no record of attacks motivated by religion in Russia; however, the report concedes that this trend is likely explained in large part by government-initiated restrictions on the activities of Jehovah’s Witnesses. First, Jehovah’s Witness leaders have been preoccupied with criminal cases against adherents and have stopped publishing information on attacks targeting Jehovah’s Witnesses. Second, hate-motivated vandalism cases have waned as the government has confiscated buildings that Jehovah’s Witnesses had previously used for worship. Third, prohibitions on their open missionary work have made Jehovah’s Witnesses less visible targets of attacks. According to the report, prior to 2018, attacks on Jehovah’s Witnesses ‘used to constitute the overwhelming majority of cases of’ attacks motivated by religious hatred. Measures purportedly instituted to fight extremism have amounted to and promoted discrimination targeting Jehovah’s Witnesses.“ (The Advocates for Human Rights, 1. Juni 2020, S. 3)
Die Zeug·innen Jehovas sind eine Religionsgemeinschaft.
· African Association of Jehovah's Witnesses et al.: On behalf of The European Association of Jehovah’s Witnesses Asia-Pacific Association of Jehovah’s Witnesses and African Association of Jehovah’s Witnesses; Joint Submission to the UN Human Rights Committee; Subsequent to the Adoption of the List of Issues; 134th Session (28 February 2022 - 25 March 2022); Russian Federation, 31. Jänner 2022
https://tbinternet.ohchr.org/Treaties/CCPR/Shared%20Documents/RUS/INT_CCPR_CSS_RUS_47737_E.pdf
„The Russian Federation has made the irrational claim that only the legal entities of Jehovah’s Witnesses are banned but that individuals are free to practise their faith. […] These statements by representatives of the Russian Federation ignore reality. Jehovah’s Witnesses in Russia live in constant fear of their home being raided by police and of being charged with a serious crime just for practising their faith. To date, authorities have conducted 1,678 home raids and prosecuted nearly 600 individual Jehovah’s Witnesses. Eighty Jehovah’s Witnesses are currently in detention facilities, and there are 445 more who are still under investigation.“ (African Association of Jehovah's Witnesses et al., 31. Jänner 2022, S. 11-12)
„Dozens of individuals and their families suffer as a result of being included in the Rosfinmonitoring ‘List of Extremists’. This results in 1) bank accounts will be blocked, 2) insurance companies, non-State pension funds, currency exchange offices, pawnshops and any other financial organizations will refuse to allow the individual to perform financial transactions, 3) notaries will refuse to allow such a person to certify real estate transactions and issue powers of attorney, 4) an employer may refuse employment because there is no bank account for the transfer of wages. As a matter of fact, many have been fired from their job because they are Jehovah’s Witnesses, leaving whole families without any means of subsistence.“ (African Association of Jehovah's Witnesses et al., 31. Jänner 2022, S. 12)
Der European External Action Service (EEAS) ist der Europäische Auswärtige Dienst zur Unterstützung des Hohen Vertreters der Europäischen Union für Außen- und Sicherheitspolitik.
· EEAS – European External Action Service: EU Annual Report On Human Rights And Democracy In The World - 2022 Country Updates, 31. Juli 2023
https://www.eeas.europa.eu/sites/default/files/documents/2023/2022%20EU%20Annual%20Human%20Rights%20and%20Democracy%20Country%20Reports_0.pdf
„The discriminatory policies and laws against LGBTI and religious communities, such as the Jehovah's Witnesses, remain unchanged or have in some cases even been further strengthened.” (EEAS, 31. Juli 2023, S. 68)
Forum 18 ist eine christliche norwegische Menschenrechtsorganisation, die sich auf der Grundlage von Artikel 18 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte zum Ziel setzt, religiöse Freiheit für alle zu etablieren.
· Forum 18: RUSSIA: Two trials, nine long jail terms, 24. Jänner 2023
https://www.forum18.org/archive.php?article_id=2805
„Raids, prosecutions, and convictions of Jehovah's Witnesses for practising their faith in Russia continued unabated in 2022, despite the issuance in late 2021 of amended guidance for judges in ‘extremism’-related cases.
In 2022 there were 124 convictions in first-instance courts, according to Jehovah's Witness statistics. A small number of convictions were later overturned on appeal and sent back to prosecutors or for re-trial. The number of convictions has risen every year since prosecutions began in 2018, after the nationwide ban on Jehovah's Witness activities. […]
In his final speech, Valery Kriger – jailed for 7 years - told the court that ‘although the prosecution states that I participated in organising [the activities] of the Local Religious Organisation of Jehovah's Witnesses in the city of Birobidzhan, in fact it all boiled down to the fact that I, along with fellow believers, read the Bible, prayed, and sang religious songs’ […]
After being kept under FSB security service or police surveillance for some months, most targeted Jehovah's Witnesses and Muslim readers of Nursi's works are prosecuted under Criminal Code Article 282.2 for either ‘organising’ (Part 1), or ‘participating in’ (Part 2), ‘the activity of a social or religious association or other organisation in relation to which a court has adopted a decision legally in force on liquidation or ban on the activity in connection with the carrying out of extremist activity’.
The manifestations of freedom of religion and belief for which Jehovah's Witnesses and Muslims are prosecuted under both these parts of Criminal Code Article 282.2 are similar. They include meeting in each other's homes to pray and sing together, study sacred texts, and to discuss shared beliefs.” (Forum 18, 24. Jänner 2023)
· Forum 18: Judges "ignore completely" amended Supreme Court guidance on Extremism Law application, 26. Juni 2023
https://www.ecoi.net/de/dokument/2094838.html
„Hundreds of Jehovah's Witnesses and dozens of Muslims who read theologian Said Nursi's works have been jailed or given suspended sentences on ‘extremism’ charges. October 2021 Supreme Court revised guidance for extremism trials directed judges to ascertain defendants' ‘specific actions’ and ‘motivation’. Courts have now overturned all eight acquittals resulting from the revised guidance, with one acquitted earlier jailed for 8 years. Early hope has now ‘completely gone’, Jehovah's Witness lawyers say. The defence ‘of course’ refers to the Supreme Court guidance in every case, but ’the judges ignore it completely’.[…]
On 28 October 2021, the Plenum of the Supreme Court in Moscow issued amendments to the Court's 2011 Decree ‘On judicial practice in criminal cases concerning extremism offences’, which instructs judges on how to apply the Extremism Law. Such decrees are aimed at ensuring uniform application of Russian legislation across all courts.
Part of the Decree governs the application of Criminal Code Article 282.2 (‘organising’ (Part 1), or ‘participating in’ (Part 2), ‘the activity of a social or religious association or other organisation in relation to which a court has adopted a decision legally in force on liquidation or ban on the activity in connection with the carrying out of extremist activity’). This now explicitly directs courts to ascertain a defendant's ‘specific actions’, their motivation, and ’the significance [of these actions] for the continuation or resumption of the [banned organisation]'s activities’.
The amendments also note that, after an organisation is banned as ‘extremist’, a person's subsequent actions ‘consisting solely of the exercise of their right to freedom of conscience and freedom of religion, including through individual or joint confession of faith and the performance of services or other religious rites and ceremonies, do not in themselves constitute a crime under Article 282.2, Part 2, if they do not contain signs of extremism’.
The amendments state that if a person is considered to be the leader or organiser of a banned extremist organisation, then any recruitment of others to that organisation they may have carried out is covered by the Article 282.2, Part 1 charge. The person should not also be charged under Part 1.1 (‘Inclination, recruitment or other involvement of a person in an extremist organisation’). The possibility of double charges under Part 2 and Part 1.1 nevertheless remains.
Despite a few not-guilty verdicts in late 2021 and 2022 and cautious early optimism from lawyers and human rights defenders, the revised guidance appears to have had little impact in cases of individuals prosecuted for exercising their freedom of religion and belief.“ (Forum 18, 26. Juni 2023)
Freedom House ist eine in den USA ansässige Nichtregierungsorganisation, die sich mit Recherchen und Advocacy-Arbeit zu Demokratie, politischen Freiheiten und Menschenrechten befasst.
· Freedom House: Freedom in the World 2023 - Russia, 2023
https://www.ecoi.net/de/dokument/2088552.html
„The Jehovah’s Witnesses were declared an extremist organization in 2017, leading to a protracted campaign against worshippers marked by surveillance, property seizures, arrests, and torture“ (Freedom House, 2023, D2)
JW-Russia.org ist die Webseite der Zeug·innen Jehovas in Russland.
· JW-Russia.org: [Узники совести] Gefangene aus Gewissensgründen, ohne Datum
https://jw-russia.org/prisoners.html
„обысков 2045
Регионов 75
дел всего 374
приговоров всего 403
назначен штраф 53
осуждены условно 209
приговорены к колонии 138
в заключении 127
под домашним арестом 15
обвиняемых всего 782“ (JW-Russia.org, ohne Datum)
Das norwegische Herkunftsländerinformationszentrum Landinfo ist eine unabhängige Einrichtung innerhalb der norwegischen Immigrationsbehörden, welche für diese sowie für das norwegische Ministerium für Justiz und Öffentliche Sicherheit Herkunftsländerinformationen bereitstellt.
· Landinfo – Norwegian Country of Origin Information Centre (Autor): Russland; Jehovas vitner, 15. Februar 2021
https://www.ecoi.net/en/file/local/2046353/Russland-temanotat-Jehovas-Vitner-15022021.pdf
„Jehovas vitner frykter at de kan bli fratatt barna sine. Det har sin bakgrunn i en plenumsuttalelse fra russisk høyesterett den 14. november 2017, som sier at foreldre kan ‚miste foreldreretten ved domstolsavgjørelse‘ dersom de involverer barna i aktiviteter for ‚ekstremistiske‘ religiøse organisasjoner (Russlands høyesteretts plenum 2017). Det foreligger per i dag ingen informasjon om at Jehovas vitner har blitt fratatt barna sine. Uttalelsen har imidlertid blitt brukt som trussel fra politiet i flere tilfeller, blant annet for at de skal samarbeide med politiet (Jehova’s Witnesses in Russia 2020a; Jehovas vitner i Russland, video-samtale desember 2020).“ (Landinfo, 15. Februar 2021, S. 23)
Das Außenministerium der Niederlande (Ministerie van Buitenlandse Zaken, BZ) ist die Regierungsbehörde der Niederlande, die für die auswärtigen Angelegenheiten des Landes zuständig ist.
· Netherlands Ministry of Foreign Affairs: Country of origin information report for the Russian Federation, 1. April 2021
https://www.ecoi.net/en/file/local/2054388/04_2021_MinBZ_NL_COI_report_Russian_Federation.pdf
„In addition to criminal proceedings, members of the faith community faced surveillance, seizures, searches, house arrest, threats and, in some cases, torture during interrogations. People were also placed on the list of extremists by Rosfinmonitoring, with the result that they lost their jobs, their bank accounts, their right to a pension and the possibility of a new SIM card or insurance.“ (Netherlands Ministry of Foreign Affairs, 1. April 2021, S. 41-42)
· Netherlands Ministry of Foreign Affairs: Country of origin information report Russian Federation, März 2023
https://www.ecoi.net/en/file/local/2094189/EN+COI+Report+Netherlands+on+Russian+Federation+March+2023.pdf
„Since the federal ban on their organisation in 2017, Russian authorities have continued to arrest, prosecute and convict Jehovah's Witnesses for participating in and maintaining an extremist organisation during the reporting period. […]
Although the Supreme Court ruled in October 2021 that individual or collective beliefs were insufficient for a criminal conviction and that additional evidence of extremist activity was required, the courts continued to convict Jehovah's witnesses of extremism. While a number of people were acquitted on the basis of the verdict, the Public Prosecution Service (prokuratura) appealed against this. In October 2022, a Jehovah's witness in Birobidzhan in the Jewish Autonomous Oblast was sentenced to two and a half years' detention on appeal for being an adherent of the Jehovah's Witnesses. Her fellow believer in Murmansk, Vitaly Omelchenko, was fined 580 thousand roubles. In December 2022, four Jehovah's witnesses in Birobidzhan were given varying prison sentences from three-and-a-half to seven years for violating extremism laws, including organising illegal religious gatherings and distributing banned religious doctrines to the local population.“ (Netherlands Ministry of Foreign Affairs, März 2023, S. 15)
„Members of faith communities that have been declared undesirable or extremist may face the indirect consequences of being classified as undesirable or extremist. For example, they can be discriminated against by society or can be subjected to additional monitoring. Jehovah's witnesses have previously complained of difficulties in exercising their right to perform alternative military service.“ (Netherlands Ministry of Foreign Affairs, März 2023, S. 82)
Das SOVA Research Center ist nach eigenen Angaben eine Gruppe von Forscher·innen, die sich unter anderem für Nationalismus und Fremdenfeindlichkeit befassen. Die Gruppe sei im August 2023 nach der Auflösung des SOVA Center for Information and Analysis entstanden.
· SOVA Research Center: Challenges to Freedom of Conscience in Russia in 2022, 13. April 2023
https://www.sova-center.ru/en/religion/publications/2023/04/d47036/
„The criminal prosecution of Jehovah's Witnesses continued. During the year, new criminal cases on the continuation of the activities of an extremist organization, according to the Jehovah's Witnesses themselves, were initiated against 77 people (against 142 people in the year 2021). There were 59 guilty verdicts under Article 2822 of the Criminal Code (organizing the activities of an extremist organization) and Article 2823 (financing the activities of an extremist organization) (in 2021 – 68) against 118 persons (in 2021 – 105). At the same time, the penalties became harsher: 45 people, including elderly, women, and people with serious health problems, were sentenced to real terms ranging between one year and four months and seven and a half years in prison. According to Jehovah's Witnesses, the average sentence was five and a half years (in 2021 – five years). 61 believers received suspended sentences (68 in 2021) of up to six and a half years. 11 people were sentenced to fines between 350000 and 600000 rubles (in 2021 – 10) and one to compulsory labor. (Four people sentenced to real and two to suspended terms of imprisonment, whose sentences were later canceled, are not taken into account here. Although the sentences may be reviewed, and people punished.)
One of the cruelest sentences was handed down to 53-year-old Andrei Vlasov: in May, the Central District Court of Prokopyevsk sentenced him to seven years in a general-regime colony, despite the fact that he has a group II disability and cannot move on his own. The verdict was approved by the Kemerovo Regional Court. […] In 2022, several acquittals of Jehovah's Witnesses were canceled, including the very first one, handed down in 2021 to Dmitry Barmakin.
At the end of February 2023, at least 123 people were held in colonies and pre-trial detention centers, the oldest of whom is 71 years old. According to the Jehovah's Witnesses, from the moment the ban was imposed on its headquarters and local organizations and until the end of 2022, criminal prosecution has already affected 674 believers.
As in previous years, as part of the criminal cases, searches were conducted in the houses of Jehovah's Witnesses, during which numerous violations were committed, including the unjustified use of violence. For example, in Ivanovo in November, security forces forced a 60-year-old believer onto the floor and handcuffed him, although he did not resist. In September, in Tolyatti, the security forces broke into the believer Alexander Chagan’s home, breaking a window, handcuffed the owner, and one of the officers insulted the believers. During the year 2022, according to Jehovah's Witnesses, 200 searches were conducted; a total of 1874 searches have been carried out since the introduction of the ban.“ (SOVA research center, 13. April 2023)
Die US Commission on International Religious Freedom (USCIRF) ist eine staatliche Einrichtung der Vereinigten Staaten zur Beobachtung des Zustands der Meinungs- und Gewissens-, sowie der Religions- und Glaubensfreiheit im Ausland.
· USCIRF – US Commission on International Religious Freedom: Factsheet: Controlling Civil Society's Purse Strings, März 2021
https://www.uscirf.gov/sites/default/files/2021-03/2021%20Financial%20Regulations%20Factsheet.pdf
„Russia: In Russia, the state pursues a particularly severe form of financial harassment against peaceful religious minorities deemed to be ‘extremists.’ The Russian Federal Financial Monitoring Service (Rosfinmonitoring) maintains a list of ‘terrorists and extremists’ whose finances can be frozen or subjected to severe restrictions. Rosfinmonitoring was initially established to combat organized crime, money laundering, and terrorist financing, but the list has subsequently expanded to include journalists, human rights activists, and religious minorities, like the Jehovah’s Witnesses, who have been branded as ‘extremists.’ Individuals may be placed on the list without being convicted if they are suspected of extremist activity as part of an ongoing investigation. In December 2020, the Russian Duma considered new legislation that would prohibit anyone included on the list from participating in or leading religious groups. The law requires banks to freeze all assets of those on the list, but since 2014 limited transactions may be made with prior approval. Those convicted of extremism may be kept on the list for up to eight years, even after completing prison sentences. The list currently includes more than 200 Jehovah’s Witnesses, as well as many members of peaceful Muslim groups like Tablighi Jamaat, or readers of the theologian Said Nursi. Jehovah’s Witnesses report having their bank cards confiscated, and evidence of upkeep on Jehovah’s Witness’ property, like paying for utilities, has been used to charge individuals with extremist activity. Jehovah’s Witnesses claim the Russian government has seized property valued at more than $50 million.“ (USCIRF, März 2021, S. 6)
Das US Department of State (USDOS) ist das US-Bundesministerium, das für die auswärtigen Angelegenheiten der Vereinigten Staaten zuständig ist.
· USDOS – US Department of State: 2022 Report on International Religious Freedom: Russia, 15. Mai 2023
https://www.ecoi.net/de/dokument/2091893.html
„NGOs also stated that FSB agents, officers of the Ministry of Interior’s Center for Countering Extremism, police officers, and riot police continued to monitor, detain, search, and carry out raids in the homes and places of worship of Jehovah’s Witnesses. […]
According to various sources, including official Jehovah’s Witnesses sources, the activities for which the individuals were convicted amounted to normal religious practice and conducting basic activities of religious organizations.“ (USDOS, 15. Mai 2023, Section II)