Document #2098574
ACCORD – Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation (Author)
8. September 2023
Das vorliegende Dokument beruht auf einer zeitlich begrenzten Recherche in öffentlich zugänglichen Dokumenten, die ACCORD derzeit zur Verfügung stehen sowie gegebenenfalls auf Auskünften von Expert·innen und wurde in Übereinstimmung mit den Standards von ACCORD und den Common EU Guidelines for processing Country of Origin Information (COI) erstellt.
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Gesetze.
Staatlicher Umgang mit LGBTIQ+-Personen
Gesellschaftliche Einstellung
Staatliche Reaktion auf Übergriffe
Quellen
Anhang: Quellenbeschreibungen und Informationen aus ausgewählten Quellen
Kurzbeschreibungen zu den in dieser Anfragebeantwortung verwendeten Quellen sowie Ausschnitte mit Informationen aus diesen Quellen finden Sie im Anhang.
Allgemeine gesetzliche Bestimmungen bezüglich LGBTIQ+-Personen in der Russischen Föderation entnehmen Sie bitte den Länderinformationen der BFA-Staatendokumentation im dem COI-CMS:
· BFA Staatendokumentation: Länderinformationen der BFA-Staatendokumentation aus dem COI-CMS – Russische Föderation, Version 12, 4. Juli 2023 (Login der Staatendokumentation erforderlich)
https://www.ecoi.net/de/laender/russische-foederation/coi-cms
Im Folgenden werden nur jene rechtlichen Bestimmungen angeführt, die Transgender-Personen betreffen sowie in die Länderinformationen der BFA-Staatendokumentation aus dem COI-CMS noch nicht aufgenommen wurden.
Die Tagesschau, eine Nachrichtensendung der Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland (ARD), veröffentlicht auf ihrer Webseite im Juli 2023 folgende Informationen:
„Künftig sind in Russland geschlechtsangleichende Eingriffe verboten. Die Duma stimmte geschlossen für ein Verbot von ‚Geschlechtsumwandlungen‘. Für Transmenschen in Russland bedeutet das konkret: kein Zugang mehr zu Hormonbehandlungen und operativen Eingriffen. Darüber hinaus ist es nun nicht mehr möglich, den Geschlechtseintrag im Pass ändern zu lassen. Transmenschen wird es verboten, Kinder zu adoptieren, die Vormundschaft für diese zu übernehmen oder Pflegekinder aufzunehmen. Bestehende Ehen mit Transpersonen werden für ungültig erklärt. […] Das Gesetz bietet jedoch eine Ausnahme: Geschlechtsangleichende Operationen sind bei Kindern mit bestimmten Krankheiten, die mit ‚Störungen der Bildung der Geschlechtsorgane‘ einhergehen, erlaubt. Wer dann konkret unter die Ausnahme fällt, wird eine medizinische Kommission entscheiden.“ (Tagesschau, 14. Juli 2023)
Auch mehrere andere Quellen stimmen mit diesen Informationen überein (Der Standard, 24. Juli 2023; The Guardian, 24. Juli 2023; NYT, 24. Juli 2023; HRW, 15. Juli 2023, openDemocracy, 26. Juli 2023).
Präsident Putin unterzeichnete das Gesetz am 24. Juli 2023 (Der Standard, 24. Juli 2023; The Guardian, 24. Juli 2023; NYT, 24. Juli 2023). Es wurde am selben Tag veröffentlicht (Nowaja Gaseta Europe, 24. Juli 2023), wodurch es umgehend in Kraft trat (Nowaja Gaseta Europe, 24. Juli 2023; The Moscow Times, 25. Juli 2023).
Den russischen Originaltext des Gesetzes finden Sie unter folgendem Link:
· Föderales Gesetz Nr. 386-FS „Über Änderungen einzelner Gesetzesakte der Russischen Föderation“ [Russisch], 24. Juli 2023
http://publication.pravo.gov.ru/document/0001202307240059?index=1
OpenDemocracy erwähnt in einem Artikel vom Juli 2023, dass das Gesetz den Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) bezüglich LGBTIQ+-Personen widerspreche. Der Artikel führt weiter aus, dass LGBTIQ+-Aktivist·innen davon ausgehen würden, dass mit dem Gesetz auch Ärztinnen und Ärzte, Psycholog·innen sowie Endokrinolog·innen und Anwält·innen bestraft würden, die Transgender-Personen beim Zugang zu geschlechtsangleichender Gesundheitsversorgung unterstützen würden, auch wenn noch nicht klar sei, wie dies umgesetzt werde (openDemocracy, 26. Juli 2023).
OpenDemocracy erwähnt in dem Artikel vom Juli 2023 auch, dass vor der Verabschiedung des Gesetzes Transgender-Personen ihren Geschlechtervermerk hätten ändern können, wenn sie sich einer staatlich anerkannten („state-certified“) geschlechtsangleichenden Operation unterzogen hätten. In den Wochen vor Erscheinen des Artikels hätten viele Trans-, Intersex und gendervariante Personen noch versucht, ihre offiziellen Dokumente ändern zu lassen, da Anträge, die vor Inkrafttreten des Gesetzes gestellt worden seien, eigentlich noch bearbeitet hätten werden müssten. Allerdings seien laut russischen Transaktivist·innen und Änwält·innen kaum Personen erfolgreich gewesen, was auf Verzögerungen der Standesämter zurückzuführen gewesen sei (openDemocracy, 26. Juli 2023).
Derselbe Artikel erläutert auch, dass ein Erlass des russischen Gesundheitsministeriums im Juli 2023 in Kraft getreten sei, der sogenannten „Sexolog·innen“ in russischen Krankenhäusern ermächtige, LGBTIQ+-Personen Konversationstherapien anzubieten oder Personen medizinisch zu behandeln, die an „psychischen Störungen in Zusammenhang mit der sexuellen Entwicklung und Orientierung, Störungen der Geschlechtsidentität oder der sexuellen Präferenz“ leiden würden. Der Erlass führe aus, dass diese Sexolog·innen bei der Behandlung von LGBTIQ+-Personen zusammen mit einem/einer Psychiater·in das Recht hätten, „Zwangsmaßnahmen medizinischer Natur“ anzuwenden (openDemocracy, 26. Juli 2023, siehe auch Reuters, 29. Juni 2023; The Moscow Times, 29. Juni 2023; Crisis24, 30. Juni 2023).
Den russischen Originaltext des Erlasses, der am 1. Juli 2023 in Kraft trat, finden Sie unter folgendem Link:
· Erlass des Gesundheitsministeriums der Russischen Föderation NR. 668n „Über die Bestätigung der Vorgehensweise der Erbringung medizinischer Hilfe bei psychischen Störungen und Verhaltensstörungen“ [Russisch], 14. November 2022
http://publication.pravo.gov.ru/Document/View/0001202211140024
Das US Department of State (UDSOS) erwähnt in seinem im März 2023 veröffentlichten Jahresbericht zur Menschenrechtslage im Jahr 2022, dass einvernehmlicher gleichgeschlechtlicher Sex zwischen Erwachsenen per Gesetz nicht verboten sei, dass die Behörden aber vermeintlich neutrale Gesetze zum Schutz Minderjähriger herangezogen hätten, um die Verhaftung von LGBTIQ+-Personen zu rechtfertigen. Im August 2022 habe die in Sankt Petersburg ansässige LGBTIQ+-Organisation Coming Out über ein gleichgeschlechtliches Paar aus Moskau berichtet, dass verhaftet und gewalttätiger Handlungen sexueller Natur gegen Personen unter 14 Jahren („violent acts of a sexual nature against persons under age 14“) beschuldigt worden sei. Die beiden hätten in ihrer Wohnung bei offenem Fenster und in Sichtweite Minderjähriger („in view of minors”) Sex gehabt. Das Paar habe die Anschuldigungen zurückgewiesen. Sollten die beiden verurteilt werden, würden ihnen bis zu 20 Jahre Haft drohen (USDOS, 20. März 2023, Section 6).
Staatlicher Umgang mit LGBTIQ+-Personen
Nach Angaben des UDSOS habe es im Laufe des Jahres 2022 Berichte gegeben, dass staatliche Akteure Gewalt gegen LGBTIQ+-Personen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität angewandt hätten, insbesondere in Tschetschenien. Es sei berichtet worden, dass Regierungsbeamt·innen LGBTIQ+-Aktivist·innen angegriffen, schikaniert und bedroht hätten. Es habe Berichte gegeben, dass LGBTIQ+-Personen unfreiwillig „Konversionstherapien“ unterzogen worden seien. Es sei auch berichtet worden, dass die Polizei unfreiwillige körperliche Untersuchungen bei Transgender- und Intersex-Personen durchgeführt habe (USDOS, 20. März 2023, Section 6).
Michail Tumasow, ehemaliger Vorsitzender des russischen LGBT-Netzwerks, gibt im Mai 2023 in einer Stellungnahme vor dem Ausschuss des Deutschen Bundestags für Menschenrechte und humanitäre Hilfe Folgendes an:
„In einigen Fällen hat das Regime mit Hilfe der föderalen Massenmedien und Bürgerwehrgruppen soziale Medien und Online-Plattformen genutzt, um LSBTIQ* zu identifizieren und öffentlich zu beschämen, was zu ihrer weiteren Marginalisierung und Stigmatisierung geführt hat. Solche Aktionen haben eine Atmosphäre der Angst und Repression für die LSBTIQ*-Community in Russland geschaffen, sodass man inzwischen von einem systematischen Ansatz bei der LSBTIQ*-Verfolgung sprechen muss.“ (Deutscher Bundestag, 24. Mai 2023, S. 3)
HRW schreibt in einem Artikel vom Juli 2023, dass die Polizei Aktivist·innen verhaftet und strafrechtlich verfolgt habe, die gegen das Gesetz zum Verbot geschlechtsangleichender Gesundheitsversorgung demonstriert hätten. Im September 2022 habe ein Gericht dem Antrag eines Staatsanwalts stattgegeben, Beiträge in sozialen Medien für illegal zu erklären, die den „Anschein erwecken würden, dass das Transgendersein gesellschaftlich akzeptiert“ sei (HRW, 15. Juli 2023).
Laut USDOS hätten die Behörden das Gesetz über die Propaganda „nichttraditioneller sexueller Beziehungen“ und andere Gesetze, etwa das Gesetz über „ausländische Agent·innen“, dazu genutzt, um Druck auf LGBTIQ+-Organisationen auszuüben (USDOS, 20. März 2023, Section 6). Ähnlich äußert sich der oben bereits zitierte Michail Tumasow im Mai 2023 vor dem Ausschuss des Deutschen Bundestags für Menschenrechte und humanitäre Hilfe:
„Neben Gewalt und Diskriminierung wurde das sogenannte Anti-Propaganda-Gesetz auch dazu benutzt, LSBTIQ*-Aktivist*innen und -Organisationen zum Schweigen zu bringen. Viele Aktivist*innen und Organisationen sahen sich einer verstärkten Kontrolle, rechtlichen Einschränkungen und Schikanen durch Behörden und konservative Gruppen ausgesetzt. Dies hat ein feindliches Umfeld für LSBTIQ* geschaffen, das es ihnen erschwert, Unterstützung zu suchen oder Hassverbrechen anzuzeigen.“ (Deutscher Bundestag, 24. Mai 2023, S. 3)
Das USDOS führt detaillierter aus, dass im April 2022 ein Gericht in Sankt Petersburg die Schließung der Sphere Foundation angeordnet habe, nachdem das russische Justizministerium in einer Klage behauptet habe, die Stiftung lehne „traditionelle sexuelle Beziehungen“ ab. Die Sphere Foundation habe das russische LGBT-Netzwerk betrieben, eine der bekanntesten LGBTIQ+-Organisationen des Landes. Alle Mitarbeiter·innen der LGBTIQ+-Organisation Coming Out hätten Russland im April 2022 verlassen. Ein/e Sprecher·in habe der oppositionellen Nowaja Gaseta gegenüber erklärt, dass die zunehmenden Repressionen nach dem Einmarsch Russlands in der Ukraine eine Fortsetzung der Arbeit von Russland aus unmöglich gemacht hätten. Im Jänner 2022 habe Igor Kotschetkow, einer der Mitbegründer des russischen LGBT-Netzwerks, das Land verlassen, nachdem er als „ausländischer Agent“ eingestuft worden sei (USDOS, 20. März 2023, Section 6).
openDemocracy berichtet im Juli 2023, dass die russische Medienüberwachungsbehörde Roskomnadsor das Zenter-T, eine Gruppe zur medizinischen, juristischen und psychologischen Unterstützung von Transgender-Personen in Moskau, verklagt habe und drohe, die Website der Organisation zu blockieren. Wie die meisten russischsprachigen LGBTIQ+-Webseiten sei auch Zenter-T bereits als „ausländischer Agent“ eingestuft worden und sei verpflichtet, eine 18+-Freigabe-Kennzeichnung einzublenden (openDemocracy, 26. Juli 2023).
Human Rights Watch (HRW) schreibt in einer Einreichung an den Ausschuss der Vereinten Nationen für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte vom August 2023, dass die Gesetzgebung zur „homosexuellen Propaganda“ genutzt worden sei, um Websites zu schließen, die wertvolle Informationen und Dienste für Jugendliche in ganz Russland angeboten hätten, und um LGBTIQ+-Organisationen die Arbeit mit Jugendlichen zu untersagen. Diese diskriminierende Gesetzgebung sei auch verstärkt verwendet worden, um LGBTIQ+-Veranstaltung zu verhindern und um Kinder für ihre Teilnahme an kulturellen Veranstaltungen zu schikanieren. Die Gesetzgebung sei auch dazu genutzt worden, um Kunst, die zu Toleranz aufrufe, und Beiträge mit LGBTIQ+-Themen in sozialen Medien zu unterbinden (HRW, August 2023, S. 5).
Die International Lesbian, Gay, Bisexual, Trans and Intersex Association (ILGA) schreibt in ihrem im Februar 2023 veröffentlichten Jahresbericht für 2022, dass Hassreden gegen LGBTIQ+-Personen das gesamte Jahr 2022 ein ernsthaftes Problem gewesen seien, auch in Zusammenhang mit dem neuen Propagandagesetz[1]. So habe etwa im März 2022 der russische Patriarch (das Oberhaupt der russisch-orthodoxen Kirche) die Invasion der Ukraine befürwortet und als einen der Gründe dafür den Kampf der Menschen im Donbass gegen Pride-Märsche angeführt. Der russische Parlamentsabgeordnete Witali Milonow sei Mitinitiator einer Fernsehsendung mit dem Titel „Ich bin nicht schwul“ gewesen, in der die Teilnehmer hätten erraten müssen, wer von ihnen schwul sei. Im Juli 2022 habe das tschetschenische Oberhaupt Ramsan Kadyrow transsexuelle Vertreter·innen der NATO verhöhnt. Bei dieser Aufzählung handle es sich laut ILGA nur um eine Handvoll von insgesamt vielen derartigen Vorfällen (ILGA-Europe, 20. Februar 2023. S. 122).
Die New York Times (NYT) berichtet im August 2023, dass Präsident Putin lange vor dem Einmarsch seiner Truppen in die Ukraine die Idee verachtet habe, dass auch LGBTIQ+-Personen Rechte hätten. Als die Erfolge seines Militärs ausgeblieben seien, habe er begonnen, die Geschichte des Kriegs umzuschreiben als einen Versuch des Westens, die Sicherheit und „traditionellen Werte“ Russlands zu untergraben. Er habe sich auf Fragen der Geschlechtsidentität und der sexuellen Orientierung eingeschossen („he took aim at“), in seinen Reden regelmäßig Transgender-Personen verunglimpft und über Begrifflichkeiten wie „Elternteil Nr. 1“ und „Elternteil Nr. 2“ anstelle von „Mama und Papa“ gespottet. Er habe behauptet, der Westen wolle die Welt dazu bringen „dutzende Geschlechter“ anzunehmen (NYT, 1 August 2023).
BBC News meldet im Juli 2023, dass es in den letzten Jahren zu einem immer stärkeren Bündnis zwischen der orthodoxen Kirche und dem Staat in Russland gekommen sei, wobei der Staat die konservativen gesellschaftlichen Ansichten der Kirche fördere („pushing the church's conservative social outlook“). Präsident Putin habe selbst gesagt, dass die Lebensstile von LGBTIQ+-Personen traditionellen russischen Werten zuwiderlaufen würden und er habe wiederholt gegen die Rechte von Transpersonen gehetzt. Das Gesetz zum Verbot von Geschlechtsumwandlungen sei verabschiedet worden nur einen Tag, nachdem der russische Inlandsgeheimdienst FSB verkündet habe, einen Aktivisten für Transgenderrechte wegen Unterstützung der Ukraine unter dem Vorwurf des Hochverrats verhaftet zu haben,. Auf Aufnahmen der staatlichen Nachrichtenagentur Ria Nowosti sei ein Mann zu sehen gewesen, der von bewaffneten Mitgliedern der Exekutive gegen eine Wand geschleudert und dann in einem Auto weggebracht worden sei. Ria Nowosti habe behauptet, der Mann habe für OVD-info gespendet, eine Organisation zum Schutz der Menschenrechte, die in Russland seit 2021 aufgrund des Gesetzes zu „ausländischen Agenten“ verboten sei (BBC News, 14. Juli 2023).
Die deutsche täglich erscheinende Süddeutsche Zeitung (SZ) meldet im August 2023 Folgendes:
„Nach der Mobilmachung im Herbst 2022 gingen auch in Dworkins Hilfszentrum [Zenter-T] mehr Hilfsanträge ein als je zuvor. Vor allem transgender Frauen wollten ihre Geschlechtsumwandlung schnell offiziell machen, bevor sie in der Armee landeten. Das russische Innenministerium hat Zahlen dazu herausgegeben: Knapp eintausend Menschen beantragten 2022 eine Geschlechtsänderung im Pass, deutlich mehr als in früheren Jahren. Manch Propagandist bezeichnet die transgender Frauen als Wehrdienstverweigerer. ‚Eine Geschlechtsumwandlung auf dem Papier ist ein Schwindel‘, sagte Alexander Bastrykin, Chef des russischen Ermittlungskomitees. ‚Wenn es ein Schwindel ist, verletzt dieser Betrug die Interessen des Staates, unsere Verteidigungsfähigkeit.‘“ (SZ, 10. August 2023)
Auch openDemocracy erwähnt in dem bereits oben angeführten Artikel vom Juli 2023, dass bei einer Plenarsitzung Abgeordnete der Staatsduma (des Unterhauses des russischen Parlaments) Transgendertum als Grund für die Verweigerung des Militärdienstes dargestellt und die „westliche Transgender-Industrie“ beschuldigt hätten, Russlands traditionelle und familiäre Werte zu „unterwandern“ (openDemocracy, 26. Juli 2023)
Laut dem Artikel der NYT vom August 2023 hätten Umfragen des unabhängigen Meinungsforschungsinstituts Lewada gezeigt, dass die Propaganda-Kampagnen gegen LGBTIQ+-Personen seitens des Kremls in den letzten zehn Jahren die Einstellungen vieler Russ·innen beeinflusst haben könnten. Der Anteil der Befragten, die angegeben hätten, sie würden Homosexuelle verabscheuen oder mit Angst betrachten, sei von 26 Prozent im Jahr 2013 auf 38 Prozent im Jahr 2021 gestiegen. Der Artikel führt das Beispiel von Jan Dworkin an, Psychologe und Leiter des Zenter-T. Dieser habe sieben Jahre lang seinen Adoptivsohn großgezogen, bis er im Mai 2023 von den Behörden darüber informiert worden sei, dass ihm das Sorgerecht entzogen werde. Eine Frau, die Herr Dworkin kenne, habe offiziell Beschwerde gegen ihn eingereicht und angegeben, er sei als Elternteil ungeeignet, weil er transgender und schwul sei. Als Herr Dworkin die Frau gefragt habe, warum sie ihn angezeigt habe, habe sie geantwortet, dass er sich das selbst zuzuschreiben habe. Er hätte die Anzeige leicht vermeiden können, hätte er sich nicht geoutet. Laut der NYT unterstreiche die Erfahrung von Jan Dworkin die zunehmend repressive Behandlung, der LGBTIQ+-Personen in ganz Russland ausgesetzt seien. Diese werde sicherlich noch schlimmer werden, da die russische Regierung den Krieg in der Ukraine als Rechtfertigung nutze, um das Leben von LGBTIQ+-Personen noch weiter einzuschränken, so der Artikel (NYT, 1 August 2023).
Das USDOS schreibt in seinem Jahresbericht für 2022, dass Aktivist·innen von einer Zunahme der Feindseligkeiten gegenüber LGBTIQ+-Personen sowohl im Internet als auch im realen Leben berichtet hätten, nachdem die Staatsduma im Oktober 2022 das Gesetz zur Ausweitung des Verbots der Propaganda „nichttraditioneller sexueller Beziehungen“ eingebracht habe. Ein Aktivist aus Sankt Petersburg habe den Medien berichtet, dass junge Nationalist·innen Mitglieder einer örtlichen LGBTIQ+-Gruppe während eines Treffens in einem Park angegriffen hätten. Davor sei die Organisation laut dem Aktivisten daran gehindert worden, das Treffen in einem Gemeindezentrum abzuhalten. Aus einem Bericht des LGBT-Netzwerks von 2020 sei hervorgegangen, dass zwölf Prozent der befragten LGBTIQ+-Personen im Laufe ihres Lebens körperliche Gewalt erlebt hätten, vier Prozent hätten sexuelle Gewalt erlebt und 56 Prozent psychischen Missbrauch. Der Bericht habe auch festgestellt, dass Transgender-Personen in besonderem Maße von Gewalt bedroht gewesen seien (USDOS, 20. März 2023, Section 6).
HRW erwähnt in seiner Einreichung an den Ausschuss der Vereinten Nationen für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte vom August 2023, dass LGBTIQ+-Personen in Russland lange mit Drohungen, Mobbing, Missbrauch, unter anderem innerhalb der eigenen Familie, sowie Diskriminierung konfrontiert gewesen seien. HRW habe festgestellt, dass das „Anti-Homosexuellen-Propaganda-Gesetz” die gesellschaftliche Feindseligkeit verstärkt und zu einem Anstieg der Gewalt geführt habe. Die Verabschiedung dieser Gesetze sei zeitlich mit einer zunehmenden, häufig grausamen Selbstjustiz und homophoben Gewalt gegenüber LGBTIQ+-Personen zusammengefallen, die oftmals im Namen des Schutzes von Kindern und „traditionellen Werten“ verübt worden sei (HRW, August 2023, S. 5).
Michail Tumasow gibt im Mai 2023 vor dem Ausschuss des Deutschen Bundestags für Menschenrechte und humanitäre Hilfe Folgendes an:
„Mit der Verabschiedung des sogenannten ‚Anti-Homosexuellen-Propaganda-Gesetzes‘ hat Russland Raum für einen Krieg gegen die LSBTIQ*-Community gegeben. Das Gesetz, genau wie sein Vorgänger-Gesetz von 2013, wurde nicht nur beschlossen, um die russische Gesellschaft vor den angeblich negativen Auswirkungen der liberalen oder westlichen Werte zu schützen, sondern hat effektiv LSBTIQ*-feindliche Gewalt und Hassverbrechen gegen die sexuellen Minderheiten von Russland geschürt. Das Fehlen jedweder Schutzgesetze macht die LSBTIQ*-Community schutz- und hoffnungslos gegenüber diesen Angriffen. Es ist wichtig, darauf hinzuweisen, dass das russische ‚Anti-Homosexuellen-Propaganda-Gesetz‘ nur eine der Herausforderungen darstellt, denen sich die LGBTQ+-Gemeinschaft im Land gegenübersieht. Bestehende gesellschaftliche Vorurteile und Diskriminierung sowie das Fehlen eines umfassenden rechtlichen Schutzes spielen ebenfalls eine wichtige Rolle bei den Schwierigkeiten, mit denen diese Gruppe konfrontiert ist, wie auch das Fehlen von Schutzgesetzen und das Vorhandensein vieler weiterer Gesetze, die die Meinungsfreiheit massiv einschränken.“ (Deutscher Bundestag, 24. Mai 2023, S. 1-2)
Laut Jahresbericht des UDSOS sei per Gesetz weder die Diskriminierung durch staatliche noch durch nichtstaatliche Akteure in Bezug auf wesentliche Güter und Dienstleistungen wie Wohnraum, Beschäftigung, staatliche Dienste und Gesundheitsversorgung verboten. LGBTIQ+-Personen hätten von erheblicher gesellschaftlicher Stigmatisierung und Diskriminierung berichtet, die manche auf die Verbreitung von Homophobie von offizieller Seite zurückführen würden, inklusive der Kampagnen in staatlich kontrollierten Medien, die LGBTIQ+-Personen als „Perverse“ verhöhnt hätten und Homosexualität mit Pädophilie in Verbindung gebracht hätten. Aktivist·innen hätten behauptet, dass die meisten LGBTIQ+-Personen ihre sexuelle Orientierung oder Geschlechtsidentität am Arbeitsplatz verheimlicht hätten, aus Angst, den Job oder das Zuhause zu verlieren, wie auch wegen des Risikos von Gewalt. LGBTIQ+-Personen hätten zudem über Diskriminierung an Schulen und Universitäten berichtet. Mediziner·innen hätten weiterhin die Gesundheitsversorgung von LGBTIQ+-Personen aufgrund von Intoleranz und persönlichen Vorurteilen eingeschränkt oder vollständig verweigert. Das LGBT-Netzwerk habe berichtet, dass LGBTIQ+-Personen, die medizinische Versorgung in Anspruch hätten nehmen wollen, oft mit starken negativen Reaktionen und der Annahme, sie seien psychisch krank, konfrontiert gewesen seien. Im Mai 2022 habe die NGO Coming Out Ergebnisse einer Umfrage unter LGBTIQ+-Personen in Sankt Petersburg veröffentlicht, denen zufolge 20 Prozent der Befragten mit Diskriminierung am Arbeitsplatz und 27,2 Prozent mit Diskriminierung im Gesundheitsbereich konfrontiert gewesen seien. Es habe auch Berichte gegeben, dass LGBTIQ+-Personen bei den Elternrechten diskriminiert worden seien (USDOS, 20. März 2023, Section 6).
Auch ILGA bezieht sich auf den vom USDOS genannten Bericht von Coming Out und zitiert die 20 Prozent, die über Diskriminierung am Arbeitsplatz, und die 27 Prozent, die über Diskriminierung im medizinischen Bereich berichtet hätten (ILGA-Europe, 20. Februar 2023, S. 123, 125). Bezüglich Diskriminierung am Arbeitsplatz führt ILGA zudem das Beispiel einer Transfrau an, die bei der Moskauer Polizei gearbeitet habe und im Februar 2022 gezwungen worden sei, ihre Kündigung einzureichen, nachdem sie ihr rechtliches Geschlecht („legal gender“) geändert habe. Im Juli 2022 sei zudem ein Fotograf in Moskau aufgrund seiner sexuellen Orientierung entlassen worden (ILGA-Europe, 20. Februar 2023, S. 123). Im Zusammenhang mit Diskriminierung im medizinischen Bereich ergänzt ILGA, dass 18 Prozent bei der Umfrage von Coming Out angegeben hätten, von Mediziner·innen bedroht worden zu sein. Der Bericht von Coming Out habe zudem gezeigt, dass LGBTIQ+-Personen regelmäßig bei der Wohnungssuche Probleme hätten und über Konflikte mit Nachbar·innen berichten würden (ILGA-Europe, 20. Februar 2023, S. 125-126)
HRW erwähnt in seiner Einreichung an den Ausschuss der Vereinten Nationen für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte vom August 2023, dass das „Anti-Homosexuellen-Propaganda-Gesetz” den Zugang zu Sexualerziehung und zu Unterstützungsdiensten erschwert habe. Einzelne Fachpersonen auf dem Gebiet der psychischen Gesundheit hätten das, was sie sagen würden, wie auch die Unterstützungsleistungen für ihre Klient·innen eingeschränkt (HRW, August 2023, S. 5).
Speziell zu Transgenderpersonen führt Jan Dworkin im August 2023 gegenüber der SZ aus:
„Dworkin befürchtete, dass mit dem neuen Gesetz nicht nur der Schwarzmarkt für Hormonpräparate wächst. Transgender Menschen fänden kaum Arbeit, wenn ihr Äußeres nicht zu ihren Papieren passt. Geldverdienen, studieren, reisen, Autos kaufen, all das wird für sie schwieriger. Viele betrachteten die Geschlechtsumwandlung zudem als einzige Hoffnung auf eine glückliche Zukunft.” (SZ, 10. August 2023)
Staatliche Reaktion auf Übergriffe
Das deutsche Auswärtige Amt (AA)[2] schreibt in seinem Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation vom September 2022 Folgendes zum Schutz von LGBTIQ+-Personen:
„Der staatliche Schutz vor solchen Übergriffen Dritter scheint unzureichend. Homosexuelle können sich nicht überall darauf verlassen, dass Polizeikräfte sie bei Veranstaltungen oder Demonstrationen vor Übergriffen Dritter schützen. Laut Aussagen von NROs [Nichtregierungsorganisation] bringen Opfer von homophoben Straftaten diese häufig nicht zur Anzeige. Wird Anzeige erstattet, weigert sich nach Erkenntnissen der NRO ‚LGBTQIA Moscow, Raduga und Stimul‘ die Polizei häufig, sie aufzunehmen, wenn das Opfer den homophoben Hintergrund der Tat benennt. Eine Ahndung der Tat durch die Justiz ist dann nur möglich, wenn das Tatopfer Beschwerde bei der vorgesetzten Polizeidienststelle, der Staatsanwaltschaft oder bei Gericht einlegt. Es liegen keine Erkenntnisse vor, inwiefern solche Beschwerden erfolgreich bzw. erfolglos sind.“ (AA, 28. September 2022, S. 12)
ILGA erwähnt in seinem Jahresbericht vom Februar 2023, dass Hassverbrechen, darunter Morde, körperliche Gewalt und Erpressung, gegen LGBTIQ+-Personen 2022 verübt worden seien. Die Behörden hätten es verabsäumt, diese Verbrechen als Hassverbrechen gegen LGBTIQ+-Personen einzustufen (ILGA-Europe, 20. Februar 2023, S. 122).
Das UDSOS schreibt in seinem Jahresbericht für 2022, dass es Fälle von Gewalt durch nichtstaatliche Akteure gegeben habe, die sich gegen LGBTIQ+-Personen gerichtet hätten. Die Polizei habe häufig nicht angemessen auf solche Vorfälle reagiert. Das russische LGBT-Netzwerk habe angegeben, dass die Strafverfolgungsbehörden die Rechte von LGBTIQ+-Personen nicht immer schützen würden und manchmal selbst die Quelle von Gewalt seien. Daher hätten LGBTIQ+-Personen sehr wenig Vertrauen in Gerichte und die Polizei (USDOS, 20. März 2023, Section 6).
Dekoder, ein Online-Medium, das journalistische Berichte über Russland mit Expertise aus europäischen Forschungsinstituten kombiniert, führt in einem aus dem Russischen übersetzten und gekürzten Artikel von Mediasona Folgendes Beispiel an:
„‚Zieh dich aus, dann schauen wir, wer du bist‘ – das bekam die trans Frau Elis Femina kürzlich von einer Moskauer Polizistin zu hören, wie sie gegenüber Mediazona berichtet. Auf der Polizeiwache war sie gelandet, nachdem sie ein Türsteher am Wiederbetreten eines Klubs gehindert hatte mit den Worten: ‚Das ist doch ein Typ im Rock.‘ Im Verlauf der Auseinandersetzung rief Femina schließlich ‚Ruhm der Ukraine!‘. Dafür habe man ihr auf der Wache später gedroht, sie in die Ukraine an die Front zu schicken: ‚Dort kannst du dann unsere Männer „bedienen“, du FRAU.‘ Für LGBTQ und speziell für trans Menschen gehören Diskriminierungen in Russland zur alltäglichen Erfahrung – gerade auch von staatlicher Seite.“ (Dekoder, 14. Juni 2023)
Die deutsche Tageszeitung Frankfurter Rundschau (FR) erwähnt in einem Artikel vom März 2023 Folgendes:
„Menschenrechtsorganisationen wie Human Rights Watch fordern seit langem, dass der russische Staat sein Propagandaverbot abschafft, da es die Gewalt gegen Homosexuelle weiter schüre. ‚Es sagt der Bevölkerung, dass Homosexuelle Bürger zweiter Klasse sind, dass Gewalt gegen sie ganz normal ist‘, so Menschenrechtsaktivistin Cooper. Während Polizisten und Behörden zwar immer wieder hart gegen LGBTQ-Aktivisten vorgingen, zum Beispiel bei Demonstrationen, gebe es bei der Strafverfolgung von Gewalt gegen Schwule ein ‚Totalversagen der russischen Behörden‘“ (FR, 4. März 2023)
Quellen: (Zugriff auf alle Quellen am 8. September 2023)
· AA – Auswärtiges Amt: Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation (Stand: 10. September 2022), 28. September 2022
· BBC News: Russian parliament bans gender reassignment surgery for trans people, 14. Juli 2023
https://www.bbc.com/news/world-europe-66200194
· BFA Staatendokumentation: Länderinformationen der BFA-Staatendokumentation aus dem COI-CMS – Russische Föderation, Version 12, 4. Juli 2023 (Login der Staatendokumentation erforderlich)
https://www.ecoi.net/de/laender/russische-foederation/coi-cms
· Crisis24: How the Russian Invasion Has Created Two Realities for the LGBTQ Community in Ukraine, 30. Juni 2023
https://crisis24.garda.com/insights-intelligence/insights/articles/how-the-russian-invasion-has-created-two-realities-for-the-lgbtq-community-in-ukraine
· Dekoder: „Die westliche Transgender-Industrie versucht unser Land zu durchdringen“, 14. Juni 2023
https://www.dekoder.org/de/article/transgender-gesetz-verbot-geschlechtsangleichung-russland
· Der Standard: Russland verschärft Kurs gegen "LGBTQ-Propaganda", 7. Dezember 2022
https://www.derstandard.at/story/2000141588124/russland-verschaerft-kurs-gegenlgbtq-propaganda
· Der Standard: Putin verbietet Geschlechtsangleichungen in Russland, 24. Juli 2023
https://www.derstandard.at/story/3000000180330/putin-verbietet-geschlechtsangleichungen-in-russland
· Deutscher Bundestag: Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe – „LGBTIQ - Rechte weltweit". Stellungnahme von Mikhail Tumasov, ehemaliger Vorsitzender des Russian LGBT Network, 24. Mai 2023
https://www.bundestag.de/resource/blob/950050/da9f6f2bcc8138cbaf2a7aaab14ec615/Stellungnahme-SV-Tumasov-data.pdf
· Erlass des Gesundheitsministeriums der Russischen Föderation NR. 668n „Über die Bestätigung der Vorgehensweise der Erbringung medizinischer Hilfe bei psychischen Störungen und Verhaltensstörungen“ [Russisch], 14. November 2022
http://publication.pravo.gov.ru/Document/View/0001202211140024
· Föderales Gesetz Nr. 386-FS „Über Änderungen einzelner Gesetzesakte der Russischen Föderation“ [Russisch], 24. Juli 2023
http://publication.pravo.gov.ru/document/0001202307240059?index=1
· FR – Frankfurter Rundschau: Fake Dates locken Schwule in Russland in die Falle: „Putin nutzt Minderheit als Feindbild“, 4. März 2023
https://www.fr.de/politik/russland-news-putin-kreml-westen-feindbild-propaganda-homosexuelle-schwule-gewalt-lgbtq-menschenrechte-92120769.html
· Guardian (The): Vladimir Putin signs law banning gender changes in Russia, 24. Juli 2023
https://www.theguardian.com/world/2023/jul/24/vladimir-putin-signs-law-banning-gender-changes-in-russia
· HRW – Human Rights Watch: Russia: Trans Health Care, Families Bill Violates Rights, 15. Juli 2023
https://www.ecoi.net/de/dokument/2095069.html
· HRW – Human Rights Watch: Human Rights Watch Submission to the United Nations Committee on Economic, Social and Cultural Rights; List of Issues of the Russian Federation; 73rd Pre-Sessional Working Group, August 2023
https://tbinternet.ohchr.org/_layouts/15/TreatyBodyExternal/DownloadDraft.aspx?key=ocur2hRT+kKZk9oJz6sKXMKGA6dnQyM7Phz4101HZ/nAqLcNynZPpR+Yz+v68KZmI7sYFEWpLmlrCZND5iT+/A==
· ILGA-Europe - International Lesbian, Gay, Bisexual, Trans and Intersex Association Europe: 2023 Annual Review of the Human Rights Situation of Lesbian, Gay, Bisexual, Trans and Intersex People in Europe and Central Asia, 20. Februar 2023
https://www.ecoi.net/en/file/local/2087591/annual-review-2023.pdf
· Moscow Times (The): В российских больницах начнут лечить гомосексуальность [In russischen Krankenhäusern wird damit begonnen, Homosexualität zu behandeln], 29. Juni 2023
https://www.moscowtimes.ink/2023/06/29/v-rossiiskih-bolnitsah-nachnut-lechit-gomoseksualizm-a47400
· Moscow Times (The): Putin Signs Gender Reassignment Ban Into Law, 25. Juli 2023
https://www.themoscowtimes.com/2023/07/24/putin-signs-gender-reassignment-ban-into-law-a81950
· Nowaja Gaseta Europe: Putin signs law banning ‘sex change’ in Russia, 24. Juli 2023
https://novayagazeta.eu/articles/2023/07/24/putin-signs-law-banning-sex-change-in-russia-en-news
· NYT - New York Times: Putin signs a harsh new law targeting transgender people in Russia, 24. Juli 2023
https://www.nytimes.com/2023/07/24/world/europe/putin-transgender-transition-surgery-russia.html
· NYT - New York Times: Putin’s Crackdown Leaves Transgender Russians Bracing for Worse, 1 August 2023
https://www.nytimes.com/2023/08/01/world/europe/russia-transgender-ban.html
· openDemocracy: Russia’s draconian new law is forcing trans people to flee the country. 26. Juli 2023
https://www.opendemocracy.net/en/5050/russia-transgender-law-gender-emmigrate-putin-lgbtiq/
· Reuters: Russian sexologists to target homosexuality, other 'disorders' under new rules, 29. Juni 2023
https://www.reuters.com/world/europe/russian-sexologists-target-homosexuality-other-disorders-under-new-rules-2023-06-29/
· SZ – Süddeutsche Zeitung: Uns darf es gar nicht geben, 10. August 2023 (verfügbar auf Factiva)
· Tagesschau: Russland verbietet Geschlechtsangleichungen, 14. Juli 2023
https://www.tagesschau.de/ausland/europa/russland-verbot-geschlechtsumwandlungen-100.html
· USDOS – US Department of State: 2022 Country Report on Human Rights Practices: Russia, 20. März 2023
https://www.ecoi.net/de/dokument/2089062.html
Anhang: Quellenbeschreibungen und Informationen aus ausgewählten Quellen
Die British Broadcasting Corporation (BBC) ist eine britische öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt mit Hauptsitz in London.
· BBC News: Russian parliament bans gender reassignment surgery for trans people, 14. Juli 2023
https://www.bbc.com/news/world-europe-66200194
„In recent years the Russia has seen the Orthodox Church and the state enter into an increasingly powerful alliance, with the government pushing the church's conservative social outlook. President Putin himself has said LGBT lifestyles run counter to traditional Russian values and he has repeatedly railed against trans rights. The latest attack comes just a day after Russia's internal security service, the FSB, announced that it had arrested a transgender rights activist on charges of treason for supporting Ukraine. In footage carried by the state-run RIA Novosti news agency, the man was seen being slammed into a wall by armed officers clad in tactical gear, before being driven away in a van. The agency alleged he had donated to OVD-info, a human rights monitoring organisation banned in Russian in 2021 under its foreign agents laws.“ (BBC News, 14. Juli 2023)
Human Rights Watch ist eine internationale Nichtregierungsorganisation mit Sitz in New York City, die sich für den weltweiten Schutz der Menschenrechte einsetzt.
· HRW - Human Rights Watch: Russia: Trans Health Care, Families Bill Violates Rights, 15. Juli 2023
https://www.hrw.org/news/2023/07/15/russia-trans-health-care-families-bill-violates-rights
„The new laws are part of Russia’s intensifying crackdown on LGBT people. Legislation adopted in December 2022 expanded the ban on sharing positive and even neutral information about LGBT people, including about gender transition. Police detained and prosecuted activists protesting the law banning gender-affirming care. In September 2022, a court in Saint Petersburg upheld a prosecutor’s appeal to declare social media posts ‘creating an appearance that [being transgender] is socially acceptable’ illegal in Russia.“ (HRW, 15. Juli 2023)
· HRW – Human Rights Watch: Human Rights Watch Submission to the United Nations Committee on Economic, Social and Cultural Rights; List of Issues of the Russian Federation; 73rd Pre-Sessional Working Group, August 2023
https://tbinternet.ohchr.org/_layouts/15/TreatyBodyExternal/DownloadDraft.aspx?key=ocur2hRT+kKZk9oJz6sKXMKGA6dnQyM7Phz4101HZ/nAqLcNynZPpR+Yz+v68KZmI7sYFEWpLmlrCZND5iT+/A==
„Lesbian, gay, bisexual and transgender (LGBT) people in Russia have long faced threats, bullying, abuse including within their own families, as well as discrimination. Human Rights Watch has found that the ‘gay propaganda’ legislation increased social hostility and led to an uptick in violence. […] Its passage coincided with increased, often-gruesome vigilante, homophobic violence against LGBT people in Russia—frequently carried out in the name of protecting children and ’traditional values.’ […]
The ‘gay propaganda’ legislation has been used to shut down websites that provide valuable information and services to teens across Russia and to bar LGBT support groups from working with youth. […] This discriminatory legislation has also been extensively used by the government to stifle LGBT events and harass children for participating in cultural events. It has also been used to curtail art seen to be teaching tolerance and LGBT-themed posts on social media. […]
The [‘gay propaganda’] law has also had a stifling effect on access to sexuality education and support services. […] Individual mental health professionals have curtailed what they say and what support they give to their clients.” (HRW, August 2023, S. 5)
Die International Lesbian, Gay, Bisexual, Trans and Intersex Association (ILGA), 1978 gegründet und mit Sitz in der Schweiz, ist ein Zusammenschluss von Organisationen, die sich für gleiche Rechte für lesbische, schwule, bisexuelle, transsexuelle und intersexuelle Personen einsetzen.
· ILGA-Europe - International Lesbian, Gay, Bisexual, Trans and Intersex Association Europe: 2023 Annual Review of the Human Rights Situation of Lesbian, Gay, Bisexual, Trans and Intersex People in Europe and Central Asia, 20. Februar 2023
https://www.ecoi.net/en/file/local/2087591/annual-review-2023.pdf
„Anti-LGBT hate speech was a severe issue throughout the year, including in the context of the new ‘propaganda’ law […]. For instance, in March, the head of the Russian Orthodox Church endorsed Ukraine’s invasion and identified one of its causes the struggle of the ‘people of Donbas’ against Pride marches. MP [member of parliament] Vitaly Milonov co-launched a homophobic reality TV show ‘I’m Not Gay’ where contestants have to guess who among them is gay. In July, Chechen leader Ramzan Kadyrov mocked trans representatives of NATO. These are just a handful of examples of many. […]
Hate crimes against LGBTI people, including murder, physical violence and extortion were committed again this year. The authorities failed to classify them as anti-LGBTI hate crimes.“ (ILGA-Europe, 20. Februar 2023. S. 122)
„Coming Out’s report found that 20% of the respondents faced discrimination in employment because they were LGBT*. In February, a trans woman working at the Moscow police was forced to file a letter of resignation after changing her legal gender. In July, a photographer in Moscow was fired because of his sexual orientation. […]“ (ILGA-Europe, 20. Februar 2023, S. 123)
„Coming Out’s report found that 27% of the respondents who disclosed their SOGI in clinics faced discrimination in healthcare and 18% faced threats from medical professionals.” (ILGA-Europe, 20. Februar 2023. S. 125)
„Coming Out’s annual report highlighted that LGBT* people regularly face difficulty finding housing and report conflicts with neighbours.” (ILGA-Europe, 20. Februar 2023. S. 126)
Die New York Times (NYT) ist eine US-amerikanische Tageszeitung.
· NYT - New York Times: Putin’s Crackdown Leaves Transgender Russians Bracing for Worse, 1 August 2023
https://www.nytimes.com/2023/08/01/world/europe/russia-transgender-ban.html
„Jan Dvorkin had raised and nurtured his adopted son in Moscow for seven years until, one day in May, the Russian authorities notified him they were revoking custody. A woman Mr. Dvorkin knew had filed an official complaint, saying that because he was transgender and gay, he was an unfit parent. When Mr. Dvorkin asked the woman why she had reported him, she told him he had brought it on himself, and ‘that I could have easily avoided it by staying in the closet.’ Mr. Dvorkin’s experience underscores the increasingly repressive treatment gay and transgender people are subjected to across Russia — a hardship that seems certain to grow as the government leverages the war in Ukraine as justification for greater restrictions on L.G.B.T.Q. life. […]
„As with many repressive measures, Mr. Putin himself seemed to have inspired the law. Long before his invasion of Ukraine, Mr. Putin had scorned the idea of gay rights. But as his military stumbled, he began to rewrite the war as a Western attempt to undermine Russian security and ‘traditional values.’ He took aim at questions of gender identity as well as sexual orientation, regularly denigrated transgender people in his speeches, mocking the idea of ‘Parent No. 1 and Parent No. 2’ instead of ‘mom and dad,’ and suggested that the West sought to make the world adopt ‘dozens of genders.’ […]
„Surveys by the independent pollster Levada show that, over the last decade, the Kremlin’s propaganda campaign against the L.G.B.T.Q. community may have affected Russian attitudes: The percentage of respondents who said they viewed gay people with disgust or fear increased from 26 percent in 2013 to 38 percent in 2021.“ (NYT, 1 August 2023)
OpenDemocracy ist laut Selbstbeschreibung eine unabhängige, internationale Medienplattform mit Sitz im Vereinigten Königreich.
· openDemocracy: Russia’s draconian new law is forcing trans people to flee the country. 26. Juli 2023
https://www.opendemocracy.net/en/5050/russia-transgender-law-gender-emmigrate-putin-lgbtiq/
„The law, which violates the World Health Organisation’s recommendations for LGBTIQ people, bans sex-reassignment surgeries, gender-affirming hormone replacement therapy and legally changing a person’s gender on official documents such as birth certificates and passports. It also dissolves the marriages of Russian citizens who have previously legally and/or medically changed their gender and bans them from adopting or fostering children. […] The draconian ban is also expected to punish any doctors, psychologists, endocrinologists or lawyers assisting trans people with accessing gender-affirming healthcare – though it’s still unclear how, Russian LGBTIQ activists told openDemocracy. […]
Before the new law was passed, trans people in Russia could legally change their gender markers if they had undergone state-certified sex-reassignment surgery. In recent weeks, many trans, intersex and gender non-conforming people rushed to amend their official documents, as applications submitted before the law came into effect technically must still be processed. But few, if any, have been successful, according to several Russian trans activists and lawyers, who told openDemocracy that stalling by civil registry offices is to blame […]
At a plenary meeting to discuss the law last month, deputies in the State Duma, the lower house of Russia’s parliament, falsely equated transgenderism ‘as the reason for evading military service’ and accused the ‘Western transgender industry’ of ’infiltrating’ Russia’s traditional and family values. […]
The Russian state media surveillance entity Roskomnadzor is suing Centre-T [a trans medical, legal and psychological support group in Moscow] and threatening to block its website, with the first court hearing held on 24 July, according to Centre-T’s Telegram channel. As with most Russian-language LGBTIQ websites, Centre-T has already been labelled a ‘foreign agent’ and forced to display an ‘18+’ label. The organisation maintains that even if the state blocks its website, it will still be accessible via VPNs as the server is hosted outside of Russia. […]
A Russian health ministry order that came into force earlier this month enlists so-called ‘sexologists’ in Russian clinics to provide conversion therapy to LGBTIQ people, or medical treatment to ‘people suffering from mental disorders associated with sexual development and orientation, disorders of gender identity and sexual preference’. The order adds that these ‘sexologists’ have the right to use ‘coercive measures of a medical nature’ with a psychiatrist when treating LGBTIQ people. The order was first published in November 2022, while the law banning the spread of so-called ‘LGBTIQ propaganda’ among all ages was still under consideration. The anti-propaganda law was enacted last December.
‘Compulsory psychiatric treatment is a tradition that was left in the Soviet Union,’ Natalia said. ‘Our country now wants to adopt this experience again. Therefore, I simply do not consider being in this country safe, unfortunately, for any [LGBTIQ people].’“ (openDemocracy, 26. Juli 2023)
Das US Department of State (UDSOS) ist das US-amerikanische Außenministerium.
· USDOS – US Department of State: 2022 Country Report on Human Rights Practices: Russia, 20. März 2023
https://www.ecoi.net/de/dokument/2089062.html
„While the law does not criminalize consensual same-sex sexual conduct between adults, authorities used seemingly neutral laws on protecting minors to justify the arbitrary arrest of LGBTQI+ persons. In August, the St. Petersburg-based LGBTQI+ rights organization Coming Out reported a same-sex couple from Moscow were arrested and charged with violent acts of a sexual nature against persons under age 14 for allegedly having sex in their apartment by an open window and in view of minors. The couple denied the allegation. If convicted, they faced a maximum sentence of 20 years in prison.“ (USDOS, 20. März 2023, Section 6)
„During the year there were reports state actors committed violence against LGBTQI+ individuals based on their sexual orientation or gender identity, particularly in Chechnya […]. There were reports that government agents attacked, harassed, and threatened LGBTQI+ activists. […] There were reports of LGBTQI+ persons being targeted for involuntary ‘conversion therapy.’ […] There were reports police conducted involuntary physical exams of transgender or intersex persons. […]
There were instances of nonstate actor violence targeting LGBTQI+ persons and police often failed to respond adequately to such incidents. […]
The Russian LGBT Network claimed that law enforcement authorities did not always protect the rights of LGBTQI+ individuals and were sometimes the source of violence themselves. As a result, LGBTQI+ individuals had extremely low levels of trust in courts and police. […]
The law does not prohibit discrimination by state or nonstate actors against LGBTQI+ persons with respect to essential goods and services such as housing, employment, or access to government services such as health care. LGBTQI+ persons reported significant societal stigma and discrimination, which some attributed to official promotion of homophobia, including campaigns on state-controlled media that derided LGBTQI+ persons as ‘perverts’ and conflated homosexuality with pedophilia. Activists asserted most LGBTQI+ persons hid their sexual orientation or gender identity in the workplace due to fear of losing their jobs or homes, as well as the risk of violence. LGBTQI+ students reported discrimination at schools and universities. Medical practitioners reportedly continued to limit or deny LGBTQI+ persons health services due to intolerance and prejudice; the Russian LGBT Network reported that LGBTQI+ individuals seeking health care often encountered strong negative reactions and the presumption they were mentally ill. In May, the NGO Coming Out published a survey of LGBTQI+ persons in St. Petersburg showing 20 percent of respondents encountered workplace discrimination and 27.2 percent said they faced discrimination in medical services. There were reports LGBTQI+ persons faced discrimination in parental rights. […]
Authorities used the law on propaganda of ‘nontraditional sexual relations’ and other laws, such as the foreign agent law, to pressure LGBTQI+ rights organizations. In April, a St. Petersburg court ordered the closure of the Sphere Foundation following a Ministry of Justice lawsuit alleging the foundation ‘denies traditional sexual relations.’ The Sphere Foundation operated the Russian LGBT Network, one of the country’s most prominent LGBTQI+ organizations. The entire staff of the LGBTQI + rights organization Coming Out left the country in April; a spokesperson told Novaya Gazeta that increased repression following Russia’s February 24 invasion of Ukraine made it impossible to continue working from Russia. In January, Russian LGBT Network cofounder Igor Kochetkov left the country after being designated a ‘foreign agent.’ […]
Activists reported an increase in hostility online and in real life toward LGBTQI+ persons after the State Duma introduced legislation in October expanding the ban on ‘propaganda’ of ‘nontraditional sexual relations.’ One St. Petersburg-based activist told media that young nationalists attacked members of a local LGBTQI+ organization during a meeting in a public park. The organization had been prevented from holding the meeting in a community center, the activist said. A 2020 report from the Russian LGBT Network showed 12 percent of LGBTQI+ respondents in a survey experienced physical violence, 4 percent experienced sexual violence, and 56 percent experienced psychological abuse during their lifetime. The report also noted that transgender persons were uniquely vulnerable to violence.“ (USDOS, 20. März 2023, Section 6)
[1] Im Dezember 2022 unterzeichnete Präsident Putin ein Gesetz, mit dem jegliche „LGBT-Propaganda“, nicht mehr nur gegenüber Minderjährigen, verboten wurde (Der Standard, 7. Dezember 2022).
[2] Informationen des Auswärtigen Amtes werden ausschließlich zur Verwendung in asyl- oder fremdenrechtlichen Verfahren, in deren Rahmen um rechtlichen oder humanitären Abschiebungsschutz angesucht wird, zur Verfügung gestellt. Wir möchten Sie darauf hinweisen, dass die Informationen und Materialien des Auswärtigen Amtes nur für das gegenständliche Verfahren verwendet werden dürfen und weder an nicht verfahrensbeteiligte Dritte weiterzugeben noch in irgendeiner Form zu veröffentlichen sind.