Anfragebeantwortung zu Jordanien: Notwendigkeit der Zustimmung des Vaters der Braut bei Eheschließung vor einem Scharia-Gericht; gängige Praxis; alternative Möglichkeiten der Eheschließung ohne Zustimmung eines männlichen Vormunds der Frau [a-12117-1-v2]

1. September 2023

Das vorliegende Dokument beruht auf einer zeitlich begrenzten Recherche in öffentlich zugänglichen Dokumenten, die ACCORD derzeit zur Verfügung stehen sowie gegebenenfalls auf Auskünften von Expert·innen und wurde in Übereinstimmung mit den Standards von ACCORD und den Common EU Guidelines for processing Country of Origin Information (COI) erstellt.

Dieses Produkt stellt keine Meinung zum Inhalt eines Ansuchens um Asyl oder anderen internationalen Schutz dar. Alle Übersetzungen stellen Arbeitsübersetzungen dar, für die keine Gewähr übernommen werden kann.

Wir empfehlen, die verwendeten Materialien im Original durchzusehen. Originaldokumente, die nicht kostenfrei oder online abrufbar sind, können bei ACCORD eingesehen oder angefordert werden.

Kurzbeschreibungen zu den in dieser Anfragebeantwortung verwendeten Quellen sowie Ausschnitte mit Informationen aus diesen Quellen finden Sie im Anhang.

Die Umstände, unter denen eine Eheschließung der Zustimmung eines Vormunds bedarf, sind im dritten Kapitel (Artikel 14-20) des jordanischen Personenstandsgesetzes kodifiziert.[1] Den Originaltext des gültigen Personenstandsgesetzes Nr. 15 von 2019 finden Sie unter folgendem Link:

·      Jordanisches Personenstandsgesetz Nr. (15) von 2019 [Arabisch]
https://www.aliftaa.jo/ShowContent.aspx?Id=205

Mehrere Quellen geben an, dass eine Frau, die zum ersten Mal heirate, nach jordanischem Recht die Zustimmung eines Vormunds für die Eheschließung benötige (Abnaneh, Sara, Mai 2023, S. 139; musawah, 31. März 2022, S. 17; El-Azhary Sonbol, 2022, S. 135; UNDP et al., Dezember 2019, S. 2; AI, Oktober 2019, S. 15-16). Amnesty International (AI) schreibt dazu in einem Bericht über Überwachung von Sex, Ehe und Schwangerschaft in Jordanien vom Oktober 2019, das Gesetz definiere den Vormund einer Frau als einen Blutsverwandten, der normalerweise ihr Vater sei. In Abwesenheit ihres Vaters sei es ihr Bruder, ansonsten der Bruder ihres Vaters oder jemand anderes in ihrer Patrilinie (AI, Oktober 2019, S. 15).

Unterschiedliche Quellen führen an, dass das Erfordernis der Zustimmung des Vormundes unabhängig vom Alter der Frau bestehe (Abnaneh, Sara, Mai 2023, S. 139; musawah, 31. März 2022, S. 17; El-Azhary Sonbol, 2022, S. 135). Demgegenüber heißt es in einer Publikation vom Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen et al. (United Nations Development Programme, UNDP) von Dezember 2019, dass die Zustimmung eines männlichen Vormunds für die Eheschließung einer unverheirateten Frau unter 40 Jahren erforderlich sei, unabhängig davon, ob es sich dabei um eine geschiedene, verwitwete oder ledige Frau handle (UNDP et al., Dezember 2019, S. 2). UNDP nennt für die Altersgrenze von 40 Jahren allerdings keine Quelle, es konnten auch keine weiteren Quellen gefunden werden, die diese Altersgrenze angeben, auch im Personenstandsgesetz findet sich kein Hinweis darauf. AI erläutert wiederum unter Bezugnahme auf Artikel 185[2] des Personenstandsgesetzes, dass die Zustimmung eines Vormunds nicht erforderlich sei, wenn die zukünftige Braut über 30 Jahre alt sei (AI, Oktober 2019, S. 16). Es ist ACCORD nicht möglich einzuschätzen, ob Artikel 185 im Zusammenhang mit einer Eheschließung tatsächlich relevant ist. In ihrer 2013 publizierten Doktorarbeit erläutert die Wissenschaftlerin Annie Mohsen Samhouri lediglich, dass Artikel 185 des jordanischen Personenstandsrechts festlege, dass unverheiratete Frauen unter 30 Jahren die Erlaubnis ihres Vormunds einzuholen hätten, wenn sie außerhalb der familiären Unterkunft leben wollten (Samhouri, 1. Dezember 2013, S. 59). Es konnten keine weiteren Quellen gefunden werden, die die Altersgrenze von 30 Jahren nennen oder einen Hinweis auf Artikel 185 im Zusammenhang mit Eheschließung beinhalten.

Weiters führen verschiedene Quellen an, dass eine Frau, die älter als 18 und bereits verheiratet gewesen sei, nach jordanischem Recht nicht die Zustimmung eines Vormunds benötige, um neuerlich zu heiraten (musawah, 31. März 2022, S. 18; El-Azhary Sonbol, 2022, S. 135; AI, Oktober 2019, S. 16), sofern sie zurechnungsfähig sei („sound of mind“) (El-Azhary Sonbol, 2022, S. 135; Personenstandsgesetz Nr. 15 von 2019, 2019, Artikel 19).

Wenn der Vormund die Eheschließung ohne triftigen Grund ablehne, könne die zukünftige Braut einen Antrag an das Gericht stellen und ein Richter könne die Eheschließung genehmigen, sofern dieser feststelle, dass die Weigerung des Vormunds unangemessen sei (musawah, 31. März 2022, S. 17; AI, Oktober 2019, S. 16). Allerdings sei es laut AI für Frauen schwierig, diese Rechtsbehelfe in Anspruch zu nehmen, da der kostenlose Zugang zu Rechtsbeistand in Jordanien begrenzt sei (AI, Oktober 2019, S. 16).

Die jordanische Nachrichtenwebseite Ammon News zitiert in einem Artikel vom September 2022 Dr. Shorouq Al-Hunaiti, Professorin für Scharia-Justiz an der Universität für Islamische Wissenschaften. Laut Al-Hunaiti sehe die Mehrheit der Jurist·innen die Notwendigkeit eines Vormunds. Ein Ehevertrag für eine Frau, die das erste Mal heirate, werde nicht ohne die Anwesenheit ihres Vormunds geschlossen (Ammon News, 3. September 2022).

AI teilt in dem bereits erwähnten Bericht die Erfahrungen von Dr. Isra Tawalbeh, Direktorin eines Spitals. Tawalbeh habe mit 26 Jahren geheiratet. Mit Ausnahme ihres Vaters sei ihre gesamte Familie anwesend gewesen. Obwohl sowohl ihr Onkel wie auch ihr Großvater (die beide angesehene Richter seien) anwesend gewesen seien, habe der Scheich die Zustimmung ihres Vaters verlangt. Ihr Vater habe schließlich diese Zustimmung gefaxt. Ihrer Schwester sei das Gleiche passiert. Tawalbeh berichtet weiters von einer engen Freundin, einer Anwältin, die mit 30 Jahren geheiratet habe. Ihr Vater habe die Familie zwanzig Jahre zuvor verlassen. Die Anwältin habe Dokumente vorgelegt, die bewiesen hätten, dass ihr Vater das Land verlassen habe, und habe erklärt, dass ihre Mutter die volle Verantwortung für sie trage. Der Scheich habe trotz allem auf die Zustimmung ihres Vaters bestanden. Sie habe schließlich vor Gericht gehen müssen, um die Erlaubnis zur Eheschließung einzuholen. In einem anderen ihr bekannten Fall habe eine Frau im Alter von 46 Jahren zum zweiten Mal geheiratet. Sie sei mit zwei Zeugen vor Gericht erschienen. Der Scheich habe darauf bestanden die Zustimmung ihres Vaters zu erhalten, obwohl eine Frau über 18, die bereits verheiratet war, laut Gesetz ohne Erlaubnis ihres Vormundes heiraten könne (AI, Oktober 2019, S. 15-16). AI zitiert eine weitere Frau, deren Ehe nicht genehmigt worden sei, weil sie keinen männlichen Vormund gehabt habe. Ihre Eltern seien tot und sie habe keine Brüder (AI, Oktober 2019, S. 7).

AI schreibt im Jahresbericht für 2022, dass Frauen weiterhin die Erlaubnis eines männlichen Vormunds benötigen würden, um zu heiraten (AI, 27. März 2023).

Das US-Außenministerium erklärt im März 2023, dass es in Jordanien keine standesamtlichen Ehen gebe und alle Ehen gemäß einer anerkannten religiösen Tradition geschlossen werden müssten (USDOS, 20. März 2023, Section 6).

Die Fatwa-Abteilung Jordaniens (General Iftaa Department Jordan) ist laut eigenen Angaben eine von anderen staatlichen Abteilungen unabhängige Abteilung, deren Mufti (islamischer Rechtsgelehrter, Anmerkung ACCORD) den Rang eines Ministers in Jordanien habe. Die Abteilung erlasse unter anderem Fatwas (von einer muslimischen Autorität erteilte Rechtsauskünfte, Anmerkung ACCORD), beantworte Fragen der Bürger·innen und habe allen [muslimischen] Richter·innen im Land einen Mufti zugeteilt (General Iftaa Department Jordan, ohne Datum d). Auf der Webseite der Fatwa-Abteilung Jordaniens finden sich von Bürger·innen gestellte Fragen und Antworten von Rechtsgelehrten zum Thema Eheschließung und Vormundschaft:

Fatwa Nummer 934 vom Oktober 2010 geht auf die Frage ein, was bei der Wahl der zukünftigen Ehefrau beachtet werden solle. In der Antwort heißt es unter anderem, dass ein Vormund vorhanden sein müsse („there must be a Wali (Guardian)“), damit die Eheschließung Gültigkeit habe (General Iftaa Department Jordan, 4. Oktober 2010).

Fragesteller·innen richteten darüber hinaus folgende, in Zusammenhang mit Vormundschaft und Ehe stehende, Anliegen an die Fatwa-Abteilung Jordaniens:

Eine Frau schreibt, dass sie einen Scheich gebeten habe ihren Ehevertrag abzuschließen. Da sie keinen Vormund habe, sei ihr Ansuchen abgelehnt worden. Auf die Frage, was sie tun solle, erhielt sie die Antwort, dass eine gültige legale Ehe einen Vormund bedürfe. Dies könne der Vater, Bruder, Onkel oder ein anderer Verwandter sein (General Iftaa Department Jordan, ohne Datum a).

Eine weitere Frage auf der Webseite bezieht sich darauf, ob es einer jungen Frau erlaubt sei, ohne Zustimmung ihrer Familien einen jungen Mann zu heiraten. Es wurde geantwortet, dass es keine Ehe ohne Vormund und zwei Zeugen gebe. Wenn die Familie die Frau daran hindere zu heiraten, solle sie ihren Fall vor Gericht bringen (General Iftaa Department Jordan, ohne Datum b).

Auf die Frage, ob es dem Vormund (in diesem Fall: dem älteren Bruder) erlaubt sei, seine Schwester ohne triftigen Grund an einer Heirat zu hindern, wurde geantwortet, dass die Frau die Angelegenheit in einem solchen Fall einem Richter / einer Richterin vorlegen müsse (General Iftaa Department Jordan, ohne Datum e; General Iftaa Department Jordan, ohne Datum c). Der/die Richter·in würde dann entscheiden, welche Vorgehensweise angemessen sei (General Iftaa Department Jordan, ohne Datum c).

Es wurden mehrere Expert·innen kontaktiert, um weitere Beispiele aus der aktuell gängigen Praxis zu erhalten. Sollten wir eine Antwort erhalten, werden wir diese unverzüglich an Sie weiterleiten.

Quellen: (Zugriff auf alle Quellen am [Veröffentlichungsdatum])

·      Ababneh, Sara: In Circles We Go – A Historical Overview of the Jordanian Personal Status Law; In: Family Law and Gender in the Middle East and North Africa: Change and Stasis since the Arab Spring, Mai 2023 (Verfügbar auf: https://www.cambridge.org/core/books/abs/family-law-and-gender-in-the-middle-east-and-north-africa/in-circles-we-go/CB7084E93DF1B520CABB5D068C638453)

·      AI – Amnesty International: Imprisoned women, stolen children: Policing sex, marriage and pregnancy in Jordan [MDE 16/0831/2019], Oktober 2019
https://www.ecoi.net/en/file/local/2018929/MDE1608312019ENGLISH.PDF

·      AI – Amnesty International: Amnesty International Report 2022/23 - The State of the World's Human Rights - Jordan 2022, 27. März 2023
https://www.ecoi.net/de/dokument/2089544.html

·      Ammon News: Wie wird in Jordanien über Sittenehen entschieden? [Arabisch], 3. September 2022
https://www.ammonnews.net/article/704077

·      El-Azhary Sonbol, Amira: Title: Women of Jordan : Islam, Labor, and the Law, 2022 (Verfügbar auf: https://www.google.at/books/edition/Women_of_Jordan/KwBsEAAAQBAJ?hl=de&gbpv=1&dq=jordan+guardian+consent&pg=PA135&printsec=frontcover)

·      General Iftaa Department Jordan: Fatawaa, Fatwa Number: 934, 4. Oktober 2010
https://aliftaa.jo/QuestionEn.aspx?QuestionId=934

·      General Iftaa Department Jordan: Fatwas [الفتاوى], Fatwa Nr. 1487, ohne Datum a
https://aliftaa.jo/Question1.aspx?QuestionId=1487

·      General Iftaa Department Jordan: Summarized Fatawaa, Fatwa Number: 1099, ohne Datum b
https://aliftaa.jo/Question1En.aspx?QuestionId=1099

·      General Iftaa Department Jordan: Fatwas [الفتاوى], Fatwa Nr. 1095, ohne Datum c
https://aliftaa.jo/Question1.aspx?QuestionId=1095

·      General Iftaa Department Jordan: About the General Fatwa Department, ohne Datum d
https://aliftaa.jo/ShowContentEn.aspx?Id=74

·      General Iftaa Department Jordan: Summarized Fatawaa, Fatwa Number: 1095, ohne Datum e
https://aliftaa.jo/Question1En.aspx?QuestionId=1095

·      Jordanisches Personenstandsgesetz Nr. (36) von 2010 [Arabisch], 2010
https://learningpartnership.org/sites/default/files/resources/pdfs/Jordan-Personal-Status-Law-2010-Arabic.pdf

·      Jordanisches Personenstandsgesetz Nr. (15) von 2019 [Arabisch]
https://www.aliftaa.jo/ShowContent.aspx?Id=205

·      musawah: Jordan - Overview of Muslim family laws and practices (Updated as at 31 March 2022), 31. März 2022
https://www.musawah.org/wp-content/uploads/2019/03/Jordan-Overview-Table-2022.pdf

·      Samhouri, Annie Mohsen: Service Provider and Beneficiary Perceptions of Collectivist Domestic Violence Social Issues, 1. Dezember 2013
https://scholarsarchive.byu.edu/cgi/viewcontent.cgi?article=5276&context=etd

·      UNDP – United Nations Development Programme et al.: Jordan – Gender Justice & the Law: Does the law ensure gender equality and protection from violence?, Dezember 2019
https://www.undp.org/sites/g/files/zskgke326/files/migration/arabstates/Jordan.Summary.19.Eng.pdf

·      USDOS – US Department of State: 2022 Country Report on Human Rights Practices: Jordan, 20. März 2023
https://www.ecoi.net/de/dokument/2089239.html


Anhang: Quellenbeschreibungen und Informationen aus ausgewählten Quellen

Amnesty International (AI) ist eine internationale regierungsunabhängige Menschenrechtsorganisation mit Hauptsitz in London.

·      AI – Amnesty International: Imprisoned women, stolen children: Policing sex, marriage and pregnancy in Jordan [MDE 16/0831/2019], Oktober 2019
https://www.ecoi.net/en/file/local/2018929/MDE1608312019ENGLISH.PDF

„’I got pregnant and tried to marry the man. But the marriage wasn’t approved because I have no male guardian. My parents are dead, and I just have younger sisters, no brothers… I went to hospital and gave birth. The hospital asked if I was married and I said no, so then they called the police. That’s how I ended up here. I don’t know how long I will be here for. I also don’t know what’s happened to my child, they took [my child] away from me.’ ‘Ola’, detainee aged in her twenties in Juweideh prison, February 2019.“ (AI, Oktober 2019, S. 7)

„Male guardianship (‘welaya’) is codified in the Jordanian Personal Status Law which applies to all Muslims. The law prohibits an unmarried woman from entering into a valid marriage contract without the approval of her guardian. The law defines a woman’s guardian as a blood relative who is normally her father. In the absence of her father, it is her brother, then her father’s brother, or someone else in her patriliny.

According to the law, consent of a guardian is not required if the prospective bride is over thirty, or if she has been previously married and is over 18. If the guardian opposes the marriage without a legitimate reason, the prospective bride may petition the court and a judge may authorize the marriage, provided he determines that the guardian’s refusal is unreasonable. However, it is difficult for women to make use of these legal remedies, especially as there is limited free access to legal assistance in Jordan. Provisions that prohibited women from obtaining a passport without their guardian’s permission were reformed in 2013, and in 2017 parliament also amended the Penal Code to grant women permission to give consent for surgeries on their children without consent of the child’s father.

IFE UNDER MALE GUARDIANSHIP – REFLECTIONS BY DOCTOR ISRA TAWALBEH, HOSPITAL DIRECTOR

‘I was 26 when I was married. My family were around but my father was out of the country. The sheikh demanded my father’s consent. My uncle and grandfather were there, they were both respected judges… But it didn’t matter. We had to get my father to fax his consent as an emergency. This happened to my sister also…

I have a close friend, a lawyer, who was 30. Her father had left over twenty years before. They had had no contact for decades. The sheikh insisted on her father’s consent. She had documents to prove he had left the country and said that her mother was fully responsible for her. She explained that her father was not in her life, she didn’t even know what he looked like. She had to go to the court and get permission to marry…

In another case I know, the woman was 46 and getting married for a second time. She went to court with two witnesses. The sheikh insisted to receive her father’s approval. He was applying his own beliefs because according to the law a woman who is over 18 who has previously been married can marry herself [without permission of her guardian]. They always want a woman under the control of a man.’“ (AI, Oktober 2019, S. 15-16)

·      AI – Amnesty International: Amnesty International Report 2022/23 - The State of the World's Human Rights - Jordan 2022, 27. März 2023
https://www.ecoi.net/de/dokument/2089544.html

„For example, women continued to require the permission of a male guardian to marry or travel abroad with their children and risked arrest if they fled their homes.“ (AI, 27. März 2023)

Die Fatwa-Abteilung Jordaniens (General Iftaa Department Jordan) ist laut eigenen Angaben eine von anderen staatlichen Abteilungen unabhängige Abteilung, deren Mufti (islamischer Rechtsgelehrter, Anmerkung ACCORD) den Rang eines Ministers in Jordanien habe. Die Abteilung erlasse unter anderem Fatwas (von einer muslimischen Autorität erteilte Rechtsauskünfte, Anmerkung ACCORD), beantworte Fragen der Bürger·innen und habe allen [muslimischen] Richter·innen im Land einen Mufti zugeteilt.

·      General Iftaa Department Jordan: Fatawaa, Fatwa Number: 934, 4. Oktober 2010
https://aliftaa.jo/QuestionEn.aspx?QuestionId=934

4- For the marriage contract to be valid, there must be a Wali (Guardian) of the woman and witnesses. If this isn`t the case then this marriage is just a whim which both will soon regret.” (General Iftaa Department Jordan, 4. Oktober 2010)

Musawah ist laut Selbstbeschreibung eine globale Organisation, die sich für Gleichberechtigung und Gerechtigkeit in muslimischen Familien einsetzt. Musawah wurde 2009 in Kuala Lumpur in Malaysia gegründet und ist ein Zusammenschluss von NGOs, Aktivist·innen, Wissenschaftler·innen, Jurist·innen, Entscheidungsträger·innen und Unterstützer·innen.

musawah: Jordan - Overview of Muslim family laws and practices (Updated as at 31 March 2022), 31. März 2022
https://www.musawah.org/wp-content/uploads/2019/03/Jordan-Overview-Table-2022.pdf

„Regardless of her age, a prospective bride who is getting married for the first time requires the consent of a marital guardian (wali) to enter into marriage. The guardian must be a Muslim and a male relative of the prospective bride (e.g. grandfather, father, brother, uncle, etc.). A judge can act as guardian in the absence of male relatives. In addition, if the guardian opposes the marriage, the prospective bride may file a case known as ‘Adel Al Wali’, whereby the judge may authorise the marriage, after determining that the prospective bride’s guardian’s refusal is unreasonable and she is above 15.” (musawah, 31. März 2022, S. 17)

„A prospective bride who has been previously married and is over 18 does not require the consent of a guardian to re-marry.” (musawah, 31. März 2022, S. 18)

Annie Mohsen Samhouri war zum Zeitpunkt der Veröffentlichung ihrer Doktorarbeit Wissenschaftlerin an der Brigham Young University im US-Bundesstaat Utah.

·      Samhouri, Annie Mohsen: Service Provider and Beneficiary Perceptions of Collectivist Domestic Violence Social Issues, 1. Dezember 2013
https://scholarsarchive.byu.edu/cgi/viewcontent.cgi?article=5276&context=etd

„Article 185 in the Jordanian Personal Status Law requires unmarried women under 30 years old to receive permission from her guardian in order to reside outside of the family home. As described earlier, women within this category are called “absent girls.” A legal expert explained this legal situation when she said:

They [the family] have announced [that she is missing] because the girl left her family’s house… We have something written in the law called walaya [male guardianship] and qawama [male physical and social responsibility over the woman]. It is that the girl stays under the power of her family until she reaches the age of – now it is 30 years old but it was 40 [years old.] So, a result of our requests lowered this age to 30 [years old.] It is the family’s right to issue the freedoms of the woman to move her, to leave the family until she reaches 30 years old.

If the young woman violates this law, the guardian can file a complaint with the local police. This allows the police to take the young woman into custody and return her to her guardian’s home.” (Samhouri, 1. Dezember 2013, S. 59)

Das Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (United Nations Development Programme, UNDP), 1965 gegründet und mit Hauptsitz in New York, ist das globale Entwicklungsnetzwerk der Vereinten Nationen.

·      UNDP – United Nations Development Programme et al.: Jordan – Gender Justice & the Law: Does the law ensure gender equality and protection from violence?, Dezember 2019
https://www.undp.org/sites/g/files/zskgke326/files/migration/arabstates/Jordan.Summary.19.Eng.pdf

„A male guardian is required for an unmarried woman under the age of 40 (whether divorced, widowed, or single). The guardian’s consent to marriage is required to a first marriage. There are weak codified protections for women under guardianship. A judge can overrule a guardian’s objection to a marriage.” (UNDP et al., Dezember 2019, S. 2)

Das US Department of State (USDOS) ist das US-Bundesministerium, das für die auswärtigen Angelegenheiten der Vereinigten Staaten zuständig ist.

·      USDOS – US Department of State: 2022 Country Report on Human Rights Practices: Jordan, 20. März 2023
https://www.ecoi.net/de/dokument/2089239.html

„In Jordan there are no civil marriages, and all marriages must be performed according to a recognized religious tradition.“ (USDOS, 20. März 2023, Section 6)

 



[1] Artikel 14 bis 17 sowie 19 und 20 des vorhergehenden Personenstandsgesetzes Nr. 36 von 2010 blieben im Personenstandsgesetz Nr. 15 von 2019 unverändert. In Artikel 18 des Personenstandsgesetzes von 2019 finden sich Abweichungen in der Formulierung, jedoch keine inhaltlichen Änderungen (Personenstandsgesetz Nr. 36 von 2010, 2010, Artikel 14 – 20; Personenstandsgesetz Nr. 15 von 2019, 2019, Artikel 14 – 20).

[2] AI bezieht sich auf Artikel 185 des Personenstandsgesetzes Nr. 36 von 2010, der im Personenstandsgesetz Nr. 15 von 2019 unverändert blieb (Personenstandsgesetz Nr. 36 von 2010, 2010, Artikel 185; Personenstandsgesetz Nr. 15 von 2019, 2019, Artikel 185).