Document #2095411
ACCORD – Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation (Author)
3. August 2023
Das vorliegende Dokument beruht auf einer zeitlich begrenzten Recherche in öffentlich zugänglichen Dokumenten, die ACCORD derzeit zur Verfügung stehen sowie gegebenenfalls auf Auskünften von Expert·innen und wurde in Übereinstimmung mit den Standards von ACCORD und den Common EU Guidelines for processing Country of Origin Information (COI) erstellt.
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Kurzbeschreibungen zu den in dieser Anfragebeantwortung verwendeten Quellen sowie Ausschnitte mit Informationen aus diesen Quellen finden Sie im Anhang.
Vorkommnisse und Dokumentenarten
Mehrere Quellen berichten darüber, dass in Syrien gefälschte Dokumente (DIS, Juni 2022, S. 24, 37; SÇDD, 2021, S. 10; Rozana Radio, 20. Februar 2021; Government of Syria, 24. Jänner 2020, S. 5) bzw. echte Dokumente mit wahrheitswidrigem Inhalt in Umlauf gelangen (Landinfo, 9. September 2022, S. 28 -29; Netherlands Ministry of Foreign Affairs, Mai 2022, S. 35; Sosnowski & Hamadeh, Oktober 2021, S. 1, S. 3). Gefälscht würden verschiedenen Quellen zufolge beispielsweise Personenstandsdokumente (Landinfo, 9. September 2022, S. 28; Sosnowski & Hamadeh, Oktober 2021, S. 3; Rozana Radio, 20. Februar 2021; UNFPA, 10. März 2019, S. 71), darunter Ehezertifikate sowie Vaterschaftsnachweise (Rozana Radio, 20. Februar 2021; Le Monde Diplomatique, 13. August 2020), Identitätsnachweise (Landinfo, 9. September 2022, S. 28-29; Netherlands Ministry of Foreign Affairs, Mai 2022, S. 35; SÇDD, 2021, S. 39; UNFPA, 10. März 2019, S. 71), Vertretungsvollmachten, bildungsrelevante Dokumente (Netherlands Ministry of Foreign Affairs, Mai 2022, S. 35; SÇDD, 2021, S. 10; Al-Watan, 8. Dezember 2020; UNFPA, 10. März 2019, S. 71) und Führerscheine (Netherlands Ministry of Foreign Affairs, Mai 2022, S. 35) sowie mit dem Militärdienst in Zusammenhang stehende Dokumente (Netherlands Ministry of Foreign Affairs, Mai 2022, S. 54-55; Al-Watan, 8. Dezember 2020; Jesr Press, 15. Mai 2020) und Strafregisterauszüge (Jesr Press, 15. Mai 2020).
Das norwegische Herkunftsländerinformationszentrum Landinfo erläutert in einem Bericht vom September 2022 unter Bezugnahme auf Aussagen einer humanitären Organisation aus dem Jahr 2017, dass Syrien vor dem bewaffneten Konflikt über ein relativ gut funktionierendes System der Standesämter verfügt habe. Fälschungen sowie anderweitige Eingriffe in Ausweisdokumenten, die vom Standesamt oder der Direktion für Migration und Reisepässe ausgestellt worden seien, seien nur selten vorgekommen. Durch den bewaffneten Konflikt habe sich die Lage geändert. Lokale Standesämter hätten außerhalb der Kontrolle der syrischen Regierung agiert und die Kontrollprozesse bei der Ausstellung von Dokumenten seien geschwächt worden. Die Zahl gefälschter und manipulierter Dokumente habe zugenommen (Landinfo, 9. September 2022, S. 28). Die Beschaffung von Dokumenten unter falschen Voraussetzungen oder mit falschen Personenangaben sei nun weitaus verbreiteter (Landinfo, 9. September 2022, S. 28-29). Unter Bezugnahme auf Aussagen der syrischen Direktion für Migration und Reisepässe aus dem Jahr 2016 berichtet Landinfo weiters, dass 10.000 Blanko-Reisepässe gestohlen worden seien. In Norwegen sei ein Anstieg gefälschter syrischer Ausweisdokumente, darunter Personalausweise, Pässe und andere Dokumente registriert worden. Einen Höchstwert habe es im Jahr 2016 gegeben, als 160 gefälschte syrische Ausweisdokumenten entdeckt worden seien (Landinfo, 9. September 2022, S. 29). Die syrische Tageszeitung Al-Watan berichtet im Dezember 2020 unter Bezugnahme auf den Leiter der dem syrischen Innenministerium unterstellten Abteilung für Urkundenfälschungen von einem Rückgang gefälschter Dokumente, insbesondere für im Ausland lebende Syrer·innen. In den meisten Fällen habe es sich um Aufenthaltsdokumente, Dokumente zur Aufschiebung des Militärdienstes oder Universitätsabschlüsse gehandelt (Al-Watan, 8. Dezember 2020). Der laut Selbstbeschreibung unabhängigen, syrischen Online-Nachrichtenplattform Rozana Radio zufolge sei das Phänomen der Fälschung von Dokumenten und Ausweisen mit Stand Februar 2021 im Anstieg gewesen (Rozana Radio, 20. Februar 2021).
Unter Bezugnahme auf Aussagen von Vertretern von syrischen Personenstandsabteilungen aus dem Jahr 2015 erklärt Landinfo im oben erwähnten Bericht, dass syrische Geburtsurkunden zwar grundsätzlich das korrekte Geburtsdatum enthalten müssten. Der norwegischen Botschaft in der jordanischen Hauptstadt Amman zufolge seien jedoch Fälle bekannt, in denen aus unterschiedlichen Gründen nicht das richtige Geburtsdatum enthalten gewesen sei (Landinfo, 9. September 2022, S. 28).
Mittlersystem für Dokumente und Ausweise
Mehrere Quellen berichten von einem Mittlersystem (AR: Samasira) im syrischen Untergrund über das echte und gefälschte syrische Dokumente erhältlich seien (Sosnowski & Hamadeh, Oktober 2021, S. 3; Landinfo, 9. September 2022, S. 28-29; Netherlands Ministry of Foreign Affairs, Mai 2022, S. 35; Al-Araby Al-Jadeed, 15. Mai 2022). In einem Artikel vom Oktober 2021 beschreiben die Wissenschaftlerinnen Marika Sosnowski und Noor Hamadeh, dass dieses System teuer und unzuverlässig sei. Samasira-Mittler seien dem Artikel zufolge in der Regel Männer mit Nähe zur syrischen Regierung und Kontakten zu staatlichen Standesämtern. Sie würden alle Dienste in Personenstandsfragen anbieten. Die Preise seien hoch, insbesondere für Personen, nach denen gefahndet werde. Die Palette der Dokumente reiche von vollständig gefälschten bis hin zu offiziellen, staatlich ausgestellten Dokumenten (Sosnowski & Hamadeh, Oktober 2021, S. 3). Es sei den Mittlern möglich, Checkpoints, die zwischen Gebieten liegen würden, die von der syrischen Regierung bzw. der Opposition kontrolliert würden, zu passieren. Für viele Syrer·innen, die nicht in von der Regierung kontrollierten Gebieten leben würden oder aufgrund von Sicherheitsbedenken keine Frontlinien überschreiten könnten, sei es unmöglich staatliche Personenstandsdokumente zu erhalten. Dies habe dem Samasira-System und gefälschten Dokumenten Auftrieb gegeben (Sosnowski & Hamadeh, Oktober 2021, S. 3). Unter Bezugnahme auf Aussagen einer humanitären Organisation vom März 2022 erläutert Landinfo, dass Mittler eigene Netzwerke aufbauen würden. Sie seien nicht in Damaskus tätig, sondern in Randgebieten und in kleineren Standesämtern (Landinfo, 9. September 2022, S. 28-29).
In einem Artikel der französischen Monatszeitung Le Monde Diplomatique von August 2020 wird der Fall einer in der von der Opposition kontrollierten Provinz Idlib lebenden, binnenvertriebenen Mutter geschildert, die „über einen Anwalt“ im von der syrischen Regierung kontrollierten Gebiet ein gefälschtes Ehezertifikat und einen Vaterschaftsnachweis erhalten habe (Le Monde Diplomatique, 13. August 2020).
Laut dem Artikel von Sosnowski und Hamadeh könne selbst bei einem über einen Mittler erhaltenen offiziellen, staatlichen Dokument nicht gewährleistet werden, dass es sich dabei nicht um ein gefälschtes Dokument handle (Sosnowski & Hamadeh, Oktober 2021, S. 3). Auch ein Herkunftsländerinformationsbericht des niederländischen Außenministeriums zu Syrien vom Mai 2022 führt an, dass Syrer·innen sich zwar wissentlich gefälschte Dokumente besorgen könnten, es jedoch auch vorkomme, das den Betroffenen selbst nicht bewusst sei, dass ihre über Mittler erhaltenen, offiziell ausgestellten Dokumente nachträglich gefälscht worden seien (Netherlands Ministry of Foreign Affairs, Mai 2022, S. 35).
Die syrischen Quellen Rozana Radio und Jesr Press berichten im Februar 2021 bzw. im Mai 2020 von Festnahmen von Dokumentenfälschern in Damaskus (Rozana Radio, 20. Februar 2021; Jesr Press, 15. Mai 2020).
Kosten
Die Zwischenschaltung von Mittlern führe dazu, dass die Kosten für die Inanspruchnahme von Diensten der Standesämter steigen würden. Zu den Gebühren für die jeweiligen Dienstleistungen käme noch die Bezahlung der Mittler und der Mitarbeiter·innen der Standesämter (Landinfo, 9. September 2022, S. 28-29). Dem Artikel von Le Monde Diplomatique zufolge könne die Ausstellung gefälschter Dokumente teuer sein. Ein standesamtliches Ehezertifikat, das in von der Assad-Regierung kontrolliertem Gebiet erstellt werde, koste zusammen mit einem Vaterschaftsnachweis pro Kind umgerechnet etwa 400 US-Dollar. In von der Opposition kontrollierten Gebieten seien Fälschungen solcher Dokumente bereits für 20 bis 40 US-Dollar erhältlich. Sie würden allerdings keinen Originalstempel aufweisen (Le Monde Diplomatique, 13. August 2020). Eine über einen Samasira-Mittler erhältliche staatliche Geburts- oder Sterbeurkunde könne mehr als 500 US-Dollar kosten. Habe eine Person Verbindungen zu Beamt·innen oder Sicherheitsdiensten könne der Preis etwas niedriger sein. Aufgrund der hohen Preise würden viele Syrer·innen sich für günstigere, über die Mittler erhältliche Optionen entscheiden. Das könne ein Dokument mit gänzlich gefälschter Identität oder der Identität einer anderen Person sein (Sosnowski & Hamadeh, Oktober 2021, S. 3). In einem Artikel des 2014 in London gegründeten Medienunternehmens Al-Araby Al-Jadeed (The New Arab) wird der Fall eines im Libanon befindlichen Syrers geschildert, der in die Türkei reisen habe wollen, um dort zu arbeiten. Die türkische Botschaft in der libanesischen Hauptstadt Beirut habe ihm mitgeteilt, dass er dafür ein rechtliches Dokument benötige, welches nachweise, dass er unbescholten sei. Der Betroffene habe das Dokument für 600 US-Dollar über einen Anwalt in Damaskus erhalten. Ihm sei die Bedingung gestellt worden, das Dokument nicht innerhalb von Syrien zu verwenden. Sein Bruder habe das über das Außenministerium übersetzte und zertifizierte Dokument drei Tage nach „Beantragung“ in Damaskus erhalten (Al-Araby Al-Jadeed, 15. Mai 2022).
In den ACCORD derzeit zur Verfügung stehenden Quellen konnten im Rahmen der zeitlich begrenzten Recherche keine Informationen zur Bezahlung im Kontext der Dokumentenfälschung und zur Rolle von Schleppern im Zusammenhang mit Dokumentenfälschung in Syrien gefunden werden.
Quellen: (Zugriff auf alle Quellen am [Veröffentlichungsdatum])
· Al-Araby Al-Jadeed: Samasira-Netzwerke nutzen den Bedarf der Syrer·innen an offiziellen Dokumenten aus [Arabisch], 15. Mai 2022
https://www.alaraby.co.uk/society/%D8%B4%D8%A8%D9%83%D8%A7%D8%AA-%D8%B3%D9%85%D8%B3%D8%B1%D8%A9-%D8%AA%D8%B3%D8%AA%D8%BA%D9%84-%D8%AD%D8%A7%D8%AC%D8%A9-%D8%A7%D9%84%D8%B3%D9%88%D8%B1%D9%8A%D9%8A%D9%86-%D8%A5%D9%84%D9%89-%D9%88%D8%AB%D8%A7%D8%A6%D9%82-%D8%B1%D8%B3%D9%85%D9%8A%D8%A9
· Al-Watan: Maarouf zu „Al-Watan“: Rückgang der gefälschten Dokumente für im Ausland lebende Syrer·innen von 20.000 auf nur 300; „Sadschina“ war der Erste, der Fälschungsnetzwerk für Immobiliendokumente unter Beteiligung von Richter·innen und Anwält·innen startete [Arabisch], 8. Dezember 2020
https://alwatan.sy/archives/238431
· DIS – Danish Immigration Service: Syria: Military recruitment in Hasakah Governorate, Juni 2022
https://www.ecoi.net/en/file/local/2075255/syria_fmm_rappport_military_recruitment_hasakah_governorate_june2022.pdf
· Government of Syria: Consideration of the combined second and third periodic reports submitted by the Syrian Arab Republic under article 73 of the Convention, due in 2011 and 2016 [23 December 2019], UN CMW (Hg.), 24. Jänner 2020
http://docstore.ohchr.org/SelfServices/FilesHandler.ashx?enc=6QkG1d/PPRiCAqhKb7yhsi/oPYMyG0jxTsIaFs84sIY6Jr6XxEupmxxUxdLgvzNxAaXDddI+4OdDJbrBOpnYhmFVO11KajOi4voYFQOrdX1C+EjMTubvtqRn0vrAtDLS
· Jesr Press: Festnahme von jungen Männern, die Militärdiensthefte und andere Dokumente fälschten [Arabisch], 15. Mai 2020
https://www.jesrpress.com/%D8%A7%D9%84%D9%82%D8%A8%D8%B6-%D8%B9%D9%84%D9%89-%D8%B4%D8%A8%D8%A7%D9%86-%D9%8A%D9%82%D9%88%D9%85%D9%88%D9%86-%D8%A8%D8%AA%D8%B2%D9%88%D9%8A%D8%B1-%D8%AF%D9%81%D8%A7%D8%AA%D8%B1-%D8%AE%D8%AF%D9%85/
· Landinfo – Norwegian Country of Origin Information Centre: Syria; Identitetsdokumenter og pass, 9. September 2022
https://www.ecoi.net/en/file/local/2079374/Syria-temanotat-Identitetsdokumenter-og-pass-09092022-Oppdatert-versjon.pdf
· Le Monde Diplomatique: Ohne Väter und Papiere, 13. August 2020
https://monde-diplomatique.de/artikel/!5705359
· Netherlands Ministry of Foreign Affairs: Country of origin information report Syria, Mai 2022
https://www.ecoi.net/en/file/local/2081724/Country+of+origin+information+report+Syria.pdf
· Rozana Radio: Damaskus und Damaskus Land – Gefälschte Heirats- und Scheidungsurkunden im Wert von 200.000 [Arabisch], 20. Februar 2021
https://www.rozana.fm/ar/news/2021/02/20/%D9%81%D9%8A-%D8%AF%D9%85%D8%B4%D9%82-%D9%88%D8%B1%D9%8A%D9%81%D9%87%D8%A7-%D9%88%D8%AB%D8%A7%D8%A6%D9%82-%D8%B2%D9%88%D8%A7%D8%AC-%D9%88%D8%B7%D9%84%D8%A7%D9%82-%D9%85%D8%B2%D9%88%D8%B1%D8%A9-%D8%A8%D9%80-200-%D8%A3%D9%84%D9%81
· SÇDD - Syrian Association for Studies and Consultations: The problem of unregistered civil incidents in North-Western Syria: Causes and Effects, 2021
https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/The%20problem%20of%20unregistered%20civil%20incidents%20in%20North-Western%20Syria.pdf
· Sosnowski, Marika & Hamadeh, Noor: “The Right to Have Rights”: Legal Identity Documentation in the Syrian Civil War, GIGA Focus Middle East Nr. 4/2021, GIGA (Hg.), Oktober 2021
https://www.ecoi.net/en/file/local/2063006/web_Nahost_2021_04.pdf
· UNFPA – UN Population Fund: Whole of Syria Gender-Based Violence Area of Responsibility: Voices from Syria 2019 - Assessment Findings of the Humanitarian Needs Overview, 10. März 2019
https://www.ecoi.net/en/file/local/2009369/voices_from_syria_2019.pdf
Anhang: Quellenbeschreibungen und Informationen aus ausgewählten Quellen
Das Danish Immigration Service (DIS) ist die in Dänemark für Einwanderung, Einreise und Aufenthalt von Ausländer·innen zuständige Behörde des Ministeriums für Einwanderung und Integration.
· DIS – Danish Immigration Service: Syria: Military recruitment in Hasakah Governorate, Juni 2022
https://www.ecoi.net/en/file/local/2075255/syria_fmm_rappport_military_recruitment_hasakah_governorate_june2022.pdf
„Despite the attempts to avoid the presence of minors in SDF [Syrian Democratic Forces], some minors were still in its ranks in the beginning of 2022, while there are allegedly no minors in YPJ anymore, according to a child protection actor interviewed by DIS. The SDF spokesperson mentioned that economic hardship sometimes made minors forge documents in order to be allowed into SDF and receive a salary. […]
12. There have been cases of minors who have joined the SDF. Due to economic hardship in the region, some children or their families have resorted to faking or forging some documents that will show them older to join the force.“ (DIS, Juni 2022, S. 24, 37)
Der Ausschuss zum Schutz der Rechte aller Wanderarbeitnehmer·innen und ihrer Familienangehörigen (Committee on the Protection of the Rights of All Migrant Workers and Members of their Families, UN CMW) ist ein UNO-Organ bestehend aus unabhängigen Expert·innen, das die Umsetzung der Internationalen Konvention zum Schutz der Rechte aller Wanderarbeitnehmer·innen und ihrer Familienangehörigen durch die Vertragsstaaten der Konvention überwacht.
· Government of Syria: Consideration of the combined second and third periodic reports submitted by the Syrian Arab Republic under article 73 of the Convention, due in 2011 and 2016 [23 December 2019], UN CMW (Hg.), 24. Jänner 2020
http://docstore.ohchr.org/SelfServices/FilesHandler.ashx?enc=6QkG1d/PPRiCAqhKb7yhsi/oPYMyG0jxTsIaFs84sIY6Jr6XxEupmxxUxdLgvzNxAaXDddI+4OdDJbrBOpnYhmFVO11KajOi4voYFQOrdX1C+EjMTubvtqRn0vrAtDLS
„10. The difficulties of daily life imposed by this combination of terrorist practices and unilateral coercive measures forced many Syrians to leave the country as refugees and migrants. Some of them opted for illegal means such as forged documents or large-scale payments to smuggling networks in border areas that were used by some countries as a passage for terrorists into the Syrian interior.“ (Government of Syria, 24. Jänner 2020, S. 5)
Le Monde diplomatique ist eine französische Monatszeitung, die Analysen und Meinungsartikel zu Konflikten, Politik, Kultur und internationalen Angelegenheiten veröffentlicht.
· Le Monde Diplomatique: Ohne Väter und Papiere, 13. August 2020
https://monde-diplomatique.de/artikel/!5705359
„Allein in al-Qasimia wurden laut Angaben des ansässigen Gerichts 260 Anträge auf Anerkennung einer Ehe gestellt. In Dscharabulus seien es über 100 Fälle, sagt Mohammed Ayman, der die Dossiers betreut. […]
Die Gerichte in den nicht vom Assad-Regime kontrollierten Gebieten wenden unterschiedliche Rechtsgrundlagen an, je nachdem, welche Gruppierung das Sagen hat. Im ‚Schutzschild Euphrat‘-Gebiet gilt syrisches Recht, während in den Gebieten westlich von Aleppo und rund um Idlib, die nicht unter HTS [Hay‘at Tahrir al-Scham] -Kontrolle stehen, das sogenannte vereinheitlichte arabische Recht gilt, eine Mischung aus syrischem Staatsrecht und Scharia. Wo HTS oder andere islamistische Gruppen herrschen, wird nach islamischem Recht geurteilt.
‚Bis jetzt erkennt keines dieser Gerichte eine Ehe mit einer nicht identifizierten Person an oder akzeptiert dessen Vaterschaft‘, erklärt der Anwalt Zakaria Amino aus Idlib. Für die Betroffenen hat das schwerwiegende Folgen: Denn die Hilfsorganisationen dürfen Kinder ohne offizielle Papiere eigentlich nicht versorgen, sagt Ahmed M., der für eine humanitäre Organisation in al-Bab arbeitet: ‚Es gibt da strikte Regeln, aber aus humanitären Gründen ignorieren wir die oft. Was haben diese Kinder getan?‘
Die meisten sind unter 6 Jahre alt und müssen noch nicht zur Schule gehen. ‚Bisher ist das also noch kein Problem‘, sagt Anas, der an einer Schule in Idlib unterrichtet. ‚Aber das wird sich ändern, vor allem, wenn wir diesen Kindern später Zeugnisse ausstellen sollen.‘ Vielen bleibt nichts anderes übrig, als die entsprechenden Dokumente zu fälschen, was allerdings teuer werden kann. In den von Assad kontrollierten Gebieten kostet ein Ehezertifikat vom Standesamt mit dem Nachweis der Vaterschaft pro Kind umgerechnet etwa 400 Dollar. In den oppositionellen Gebieten werden solche Dokumente bereits für 20 bis 40 Dollar gefälscht, allerdings ohne Originalstempel. […]
Im Januar 2019 haben wir Hibatullah im Dir-al-Hassan-Flüchtlingslager westlich von Aleppo wiedergesehen. Farah konnte mittlerweile laufen. Hibatullah zeigte uns stolz zwei Dokumente. Es waren die Nachweise über ihre Heirat und die Vaterschaft. Diese habe sie über einen Anwalt im von Assad kontrollierten Teil des Landes bekommen, erzählte sie. Die Papiere waren zweifellos gefälscht […].“ (Le Monde Diplomatique, 13. August 2020)
Das Außenministerium der Niederlande (Ministerie van Buitenlandse Zaken, BZ) ist die Regierungsbehörde der Niederlande, die für die auswärtigen Angelegenheiten des Landes zuständig ist.
· Netherlands Ministry of Foreign Affairs: Country of origin information report Syria, Mai 2022
https://www.ecoi.net/en/file/local/2081724/Country+of+origin+information+report+Syria.pdf
„Multiple sources reported that documents can be obtained through bribery in a manner inconsistent with the legal requirements. The use of forged or falsified documents is common in Syria, for documents ranging from identity documents to powers of attorney, education-related documents and driving licences. People generally use such documents out of desperation. Moreover, citizens are not always aware that their documents are false. People sometimes make use of an intermediary, popularly called a samasira, who arranges documents for them. The customer may knowingly request fraudulent documents, but it is also possible that a customer does not know whether an officially issued document has been subsequently falsified. Citizens are at great personal risk if their documents are found to be false.“ (Netherlands Ministry of Foreign Affairs, Mai 2022, S. 35)
„When a man commences military service, he must hand over his identity card to the recruitment office. In exchange, he receives a military identity card, with which he can identify himself while on his way to another military unit or another province, for example. After completing military service, he gets his identity card back.
Conscripts and reservists who commence service and are in possession of a passport at that time do not have to surrender it. However, they may not travel abroad during their military service without an official exit permit from the recruitment office. When asked about an ‘individual military extract’, sources indicated that this may be a document issued to Palestinians. Palestinian conscripts perform their military service with the Palestinian Liberation Army. A source also referred to an A4 document called shahada tahdad lil khidmeh that the conscript receives from his unit when he leaves. This contains personal data and a numerical assessment of his military service. In contrast to the military booklet, this document includes a passport photo in military uniform. According to the source, this document is easier to forge than a military booklet.“ (Netherlands Ministry of Foreign Affairs, Mai 2022, S. 54-55)
Die Syrian Association for Studies and Consultations (SÇDD) ist laut Selbstbeschreibung eine unabhängige Nichtregierungsorganisation mit dem Ziel, die Entwicklung der Gesellschaft zu fördern. SÇDD wurde 2013 von syrischen Expert·innen, Akademiker·innen und Aktivist·innen gegründet und hat ihren Sitz in der Türkei.
SÇDD – Syrian Association for Studies and Consultations: The problem of unregistered civil incidents in North-Western Syria: Causes and Effects, 2021
https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/The%20problem%20of%20unregistered%20civil%20incidents%20in%20North-Western%20Syria.pdf
„FGD [Focus Group Discussion] Meeting Notes… ‘The biggest challenge is the prices and then the bureaucracy. Dozens of documents are requested from everywhere. There is no way to get a personal identity for those who have no identity from the regime before the revolution. This leads people to forgery to have an identity card.’ (Kadriye, 42, Married, Housewife, IDP, Kelly)“ (SÇDD, 2021, S. 39)
„FGD Meeting Notes… ‘Sometimes forgery is used to obtain academic certificates, diplomas or documents that remain in the records of the regime. Sometimes documents are obtained through nepotism and bribery.’ (Firas, 44, Married, University, Freelancer, Kelly)“ (SÇDD, 2021, S. 10)
Marika Sosnowski ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am German Institute for Global and Area Studies (GIGA).
Noor Hamadeh ist Rechtsberaterin beim International Corporate Accountability Roundtable (ICAR). Sie ist internationale Menschenrechtsanwältin mit Fokus auf Menschenrechtsfragen im Nahen Osten sowie Wirtschaft und Menschenrechte.
· Sosnowski, Marika & Hamadeh, Noor: “The Right to Have Rights”: Legal Identity Documentation in the Syrian Civil War, GIGA Focus Middle East Nr. 4/2021, GIGA (Hg.), Oktober 2021
https://www.ecoi.net/en/file/local/2063006/web_Nahost_2021_04.pdf
„Driven primarily by necessity, many Syrians are attempting to access official, forged, or fraudulent documents through an expensive and unreliable underworld of brokers (samasira).” (Sosnowski & Hamadeh, Oktober 2021, S. 1)
„The Samasira Underworld
Non-state actors in Syria issue legal identity documents to people living within the areas they control as a strategy to usurp and undermine the political power of the Syrian state. However, throughout the war, life-cycle documents issued by the state have remained the documents of choice for most Syrians. As a bureaucrat from Daraʿa said while the area was under the control of the Syrian Interim Government, ‘People don’t care much about documents issued here, because they aren’t recognised internationally. Any document without international credibility isn’t important’ (Synaps 2018: 2). However, for many Syrians who are not living in government-controlled areas or cannot cross front lines because of security concerns it is impossible to register life-cycle events with the Syrian state. This has given rise to a thriving underworld industry of samasira and fraudulent documents. A Syrian university student said that after the regime retook control of southern Syria in mid-2018, ‘There are many people in the town of Tasil who cannot register their social status due to their fear of leaving the town and moving around. Sometimes people assign someone else to register, such as appointing a lawyer or broker, and they are registering on behalf of the person concerned’ (Interview with Syrian university student, March 2021).
Samasira are an emerging type of war profiteer, accruing substantial wealth and social influence as a result of their ability to provide vital life-cycle documents to Syrians in need. A Syrian media activist said that these brokers ‘are people affiliated with the regime who provide all registration services for a high fee, especially for wanted persons’ (Interview with Syrian media activist, January 2021). Samasira are generally men who by virtue of their family or employment situation have connections at Syrian state-run civil registry offices. Importantly, these individuals also have the ability to travel through checkpoints between state and opposition-held territory in order to access and deliver the documents they sell and profit from.
The type of documents samasira supply runs the gamut from completely counterfeit all the way through to official state-issued documents. For example, utilising a broker to have a birth or death registered with the state can cost upwards of USD 500. Connections (wasta) with officials or security services can minimise some of these costs, but the reality is that for most Syrians, they remain prohibitively expensive. As an alternative, many Syrians opt for a less pricey item on a broker’s menu. This could include having a document with a completely false identity or even requisitioning someone else’s identity. Additionally, even if an official state issued document is provided by a broker, there are no guarantees for the purchaser that the documents themselves are not forged. This puts Syrians at risk of arrest for possessing fake documents.“ (Sosnowski & Hamadeh, Oktober 2021, S. 3)
Der Bevölkerungsfonds der Vereinten Nationen, UN Population Fund (UNFPA), ist der weltweit größte Fonds zur Finanzierung von Bevölkerungsprogrammen.
UNFPA – UN Population Fund: Whole of Syria Gender-Based Violence Area of Responsibility: Voices from Syria 2019 - Assessment Findings of the Humanitarian Needs Overview, 10. März 2019
https://www.ecoi.net/en/file/local/2009369/voices_from_syria_2019.pdf
„Some FGD [Focus Group Discussion] participants discussed the reasons and concerns for obtaining non-official civil documents: ‘Sometimes people are obliged to get false documents in order to regain their rights,’ (Man from Kafr Nobol subdistrict, Idleb governorate). Another woman stated that her ‘brother obtained a false identity card in order to prove his identity in areas that are not under the control of the state while trying to go to Turkey. We are afraid of security barriers.’ (Woman from Ma’arrat An Nu’man sub-district, Idleb governorate). […]
The concerns associated with obtaining non-official documents were also shared: ‘People who resort to forgery always suffer from tension and fear.’ (Woman from Khan Shaykun, Idleb governorate). One participant shared his specific concern: ‘I got a nursing teaching certificate and I am worried that it might not be recognised.’ (Man from Heish sub-district, Idleb governorate). Yet, one male adult stated that ‘you can find false IDs, degrees, and family documents everywhere,’ (Man from Kafr Nobol sub-district, Idleb governorate), demonstrating the desperation of some Syrians living in the Idleb governorate.” (UNFPA, 10. März 2019, S. 71)
„An adolescent girl also pointed to the challenges of documentation and obtaining humanitarian assistance: ‘even when receiving aid, personal identification cards are important and some people fake cards in order to get the aid.’ (Adolescent girl from Daret Azza sub-district, Aleppo governorate).“ (UNFPA, 10. März 2019, S. 51)