Amnesty International Report 2022/23; Zur weltweiten Lage der Menschenrechte; Côte D’ivoire 2022

Berichtszeitraum: 1. Januar 2022 bis 31. Dezember 2022

AMTLICHE BEZEICHNUNG

Republik Côte d’Ivoire

STAATSOBERHAUPT

Alassane Dramane Ouattara

STAATS- UND REGIERUNGSCHEF*IN

Patrick Achi

Stand:
1/2023

Zwei vom Senat verabschiedete Gesetzesreformen drohten das Recht auf freie Meinungsäußerung einzuschränken. Politische Parteien und zivilgesellschaftliche Organisationen veröffentlichten einen Bericht mit Empfehlungen zur Entschädigung der Opfer von Gewalt während der Wahlen im Jahr 2020. Überlebende von sexualisierter und geschlechtsspezifischer Gewalt stießen bei der Suche nach Gerechtigkeit weiterhin auf Hindernisse. Es gab mehrere Vorfälle, bei denen schlecht gebaute Gebäude einstürzten und Menschen getötet wurden. Die Regierung ergriff Maßnahmen, um die Rechte auf Gesundheit und Nahrung zu gewährleisten. Aktivist*innen und die lokale Bevölkerung kritisierten weiterhin die Abholzung der Wälder. Die Behörden ergriffen Maßnahmen zur Bekämpfung der Umweltzerstörung.

Hintergrund

Das Jahr 2022 war geprägt von steigenden Lebenshaltungskosten, einem Zustrom von Flüchtlingen, die vor dem bewaffneten Konflikt in Burkina Faso flohen, und der Fortsetzung des "politischen Dialogs" zwischen der Regierungspartei, den Oppositionsparteien und verschiedenen zivilgesellschaftlichen Organisationen. Ziel dieses Dialogs war es, sich auf notwendige Maßnahmen zur "politischen Befriedung" und "Stärkung der demokratischen Kultur" zu verständigen, um die jahrzehntelange politische Krise zu beenden.

Es kam zu einer diplomatischen Krise zwischen Côte d’Ivoire und Mali, weil die malische Regierung im Juli 49 ivorische Soldat*innen als mutmaßliche "Söldner*innen" festgenommen hatte. Im August wurde die Aktivistin Pulchérie Edith Gbalet nach ihrer Rückkehr von einer Reise nach Mali festgenommen. Sie hatte ein Video veröffentlicht, in dem sie die ivorische Regierung für ihr Vorgehen in der Krise kritisierte.

Rechte auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit

Im April 2022 setzte die Polizei in der Stadt Bouaké bei der Auflösung einer Demonstration von Studierenden Tränengas ein und verletzte mehrere Personen. Mehr als 20 Studierende wurden festgenommen und im Mai wieder freigelassen. Die Protestierenden hatten bessere Studienbedingungen gefordert.

Im Dezember 2022 verabschiedete der Senat zwei Gesetzentwürfe zur Änderung des Pressegesetzes und des Gesetzes über audiovisuelle Kommunikation. Mithilfe der neuen Gesetze sollte die Veröffentlichung von Falschinformationen bekämpft und sichergestellt werden, dass online aktive Personen, insbesondere Blogger*innen, Aktivist*innen und Influencer*innen von den zuständigen Behörden reguliert werden können. Aktivist*innen hatten zuvor gewarnt, dass die Gesetze bei Inkrafttreten dazu verwendet werden könnten, das Recht auf freie Meinungsäußerung im Internet zu unterdrücken und direkt gegen Kritiker*innen der Behörden vorzugehen.

Ebenfalls im Dezember wurden in Abidjan 46 Akademiker*innen festgenommen, als sie an einem Protestmarsch teilnahmen, mit dem sie beim Premierminister ihre Anstellung im öffentlichen Dienst forderten. Nach einer Woche in Gewahrsam wurde eine Person freigesprochen, während die übrigen 45 wegen Störung der öffentlichen Ordnung zu viermonatigen Bewährungsstrafen verurteilt wurden.

Recht auf Wahrheit, Gerechtigkeit und Wiedergutmachung

Im März 2022 wurde der Bericht der fünften Runde des politischen Dialogs veröffentlicht. Er empfahl Maßnahmen zur Gewährleistung friedlicher Wahlen sowie einen Mechanismus zur Entschädigung der Opfer von Gewalt während der Wahlen im Jahr 2020. Nach offiziellen Angaben waren im Jahr 2020 bei Demonstrationen und Zusammenstößen zwischen Unterstützer*innen der Regierungspartei und Unterstützer*innen der Opposition 85 Menschen getötet und Hunderte verletzt worden.

Sexualisierte und geschlechtsspezifische Gewalt

Im März 2022 veröffentlichte die internationale Menschenrechtsorganisation FIDH einen Bericht, in dem die Schwierigkeiten und Hürden aufgezeigt wurden, mit denen Überlebende sexualisierter und geschlechtsspezifischer Gewalt konfrontiert sind. Hierzu zählten u. a. der auf sie ausgeübte Druck, Fälle außergerichtlich zu regeln, sowie fehlende Kapazitäten in den sozialen Diensten und mangelnde Rechtsberatung bzw. Rechtshilfe.

Recht auf Wohnen

Aufgrund unzureichender staatlicher Aufsicht lebten Menschen in baufälligen und ungeeigneten Wohnverhältnissen. Zahlreiche Personen kamen im Jahr 2022 ums Leben, weil minderwertige Gebäude, die ohne Baugenehmigung errichtet worden waren, einstürzten. In der Stadt Abidjan kam es innerhalb von 30 Tagen zu zwei derartigen Vorfällen: Im Februar stürzte in Treichville ein im Bau befindliches Gebäude ein und begrub andere Häuser unter sich. Dabei starben fünf Menschen, 20 wurden verletzt. Beim Einsturz eines Wohnhauses in Cocody kamen im März sieben Menschen ums Leben, 13 Verletzte mussten ins Krankenhaus eingeliefert werden. Am 9. März kündigte die Regierung Maßnahmen zur Bekämpfung dieses Missstands an. Diese beinhalteten u. a. verwaltungsrechtliche Sanktionen gegen Staatsbedienstete, die den Bau von Gebäuden ohne vorherige Genehmigung zulassen, sowie die Einrichtung einer gemeinsamen Kontrollbehörde zur Überwachung der Umsetzung der Vorschriften. Der Behörde gehören nach Angaben der Regierung Vertreter*innen der Stadtverwaltungen, der Bezirksbehörden und der Abteilung für Stadtsanierung und Wasserentsorgung an.

Recht auf Gesundheit

Die Impfkampagne gegen das Coronavirus wurde fortgesetzt. Die Zahl der Impfungen stieg zwischen Dezember 2021 und März 2022 auf mehr als das Doppelte an. Zudem wurde die Impfkampagne im März auf Jugendliche ausgeweitet.

Der Ministerrat verabschiedete im September 2022 ein Dekret, dem zufolge es eine allgemeine Pflichtkrankenversicherung für alle Menschen im Land geben soll. Durch diese sollen 70 Prozent der Gesundheitskosten abgedeckt und die Gesundheitsfürsorge erschwinglicher werden.

Recht auf Nahrung

Im März 2022 kündigte die Regierung eine Reihe von Maßnahmen an, um die steigenden Lebenshaltungskosten in den Griff zu bekommen. So war u. a. eine stärkere Kontrolle der Preise für bestimmte Lebensmittel vorgesehen. Im August gab der Präsident neue Maßnahmen zum Schutz der Kaufkraft bekannt, wie z. B. bessere Zusatzleistungen für Beschäftigte im Öffentlichen Dienst.

Im Juli 2022 belegte der Nationale Rat zur Bekämpfung hoher Lebenshaltungskosten (Conseil National de Lutte contre la Vie Chère), der geschaffen wurde, um die Inflation zu bekämpfen, rund 2.000 Händler*innen mit Sanktionen, weil sie sich nicht an den Preisrahmen für bestimmte Produkte gehalten hatten.

Umweltzerstörung

Der Verband für Kaffee und Kakao, Conseil du Café-Cacao, der für die Regulierung, Stabilisierung und Entwicklung des Kakao- und Kaffeesektors in Côte d’Ivoire zuständig ist, kündigte an, ab April 2022 ein System zur Rückverfolgung der Kakaoproduktion von der Plantage bis zu den Exporthäfen einzuführen, um Kinderarbeit und Entwaldung zu bekämpfen.

Im Mai 2022 unterzeichneten der Landwirtschaftsminister und der Umweltminister eine Absichtserklärung mit dem französischen Beratungsunternehmen Genesis, das auf Umweltverträglichkeitsprüfungen spezialisiert ist. Genesis soll die Auswirkungen von Projekten zur Wiederherstellung degradierter Flächen bewerten, die im Rahmen eines staatlichen Programms zur Bekämpfung der Entwaldung und zur Förderung der Sanierung geschädigter Waldflächen (Initiative d’Abidjan) finanziert werden. Ebenfalls im Mai gab der Premierminister bekannt, dass die Regierung in weniger als drei Jahren 38 Millionen Bäume aufgeforstet habe.

Gleichzeitig forderten die Einwohner*innen der Ortschaft Bébou die Regierung auf, sie im Kampf gegen illegale Kakaoplantagen zu unterstützen, durch die u. a. im geschützten Waldreservat Bossématié Waldflächen zerstört werden. Im Juni brachten Aktivist*innen eine Petition auf den Weg, in der sie an die Regierung appellierten, auf ein Projekt zu verzichten, das die Zerstörung vieler Hektar Land in einem Naturpark vorsah, um Platz für ein Hotel in der Stadt Bingerville zu schaffen.

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