Amnesty International Report 2022/23; Zur weltweiten Lage der Menschenrechte; Eritrea 2022

Berichtszeitraum: 1. Januar 2022 bis 31. Dezember 2022

AMTLICHE BEZEICHNUNG

Staat Eritrea

STAATS- UND REGIERUNGSCHEF*IN

Isaias Afwerki

Stand:
1/2023

Auch im Jahr 2022 nahmen die Behörden Journalist*innen, politisch Andersdenkende sowie hochrangige Persönlichkeiten und Mitglieder religiöser Gemeinschaften willkürlich in Haft. Dies kam in einigen Fällen dem Verschwindenlassen gleich. Tausende Menschen waren auf unbestimmte Zeit zum Militärdienst eingezogen. Immer wieder gab es Vorwürfe über sexualisierte Gewalt gegen Wehrdienstleistende durch Befehlshaber*innen im militärischen Ausbildungslager Sawa. Eritrea veröffentlichte keinerlei Informationen über sein Impfprogramm gegen Covid-19.

Hintergrund

Trotz seiner Mitgliedschaft im Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen unternahm Eritrea 2022 keine Bemühungen, sich an internationalen Menschenrechtsmechanismen zu beteiligen. Die Regierung reagierte weder auf die Besuchsanträge des im Jahr 2012 eingesetzten UN-Sonderberichterstatters über die Menschenrechtssituation in Eritrea, noch erließ sie Gesetze zum Schutz der Menschenrechte im Einklang mit den von Eritrea ratifizierten Menschenrechtsverträgen.

Eritreische Streitkräfte, die seit 2020 in Nordäthiopien, vor allem im Westen der Region Tigray, stationiert waren, beteiligten sich an der ethnischen Säuberungskampagne gegen die Bevölkerung der Region. Sie waren für außergerichtliche Hinrichtungen, willkürliche Inhaftierungen, Vergewaltigungen und andere Formen sexualisierter Gewalt sowie für Vertreibungen verantwortlich (siehe Länderkapitel Äthiopien).

Verschwindenlassen

Die Behörden hielten weiterhin Journalist*innen, politisch Andersdenkende sowie hochrangige und andere Mitglieder religiöser Gemeinschaften unter Umständen fest, die dem Verschwindenlassen gleichkamen. Das Schicksal und der Verbleib von elf Mitgliedern der als G-15 bekannten Gruppe, die von Sicherheitskräften im September 2001 festgenommen worden waren, blieb auch 2022 unbekannt. Bei den G-15 handelte es sich um eine Gruppe von 15 hochrangigen Politikern, die sich friedlich gegen Präsident Afwerki gestellt hatten. Die betroffenen elf Mitglieder waren festgenommen worden, nachdem sie den Präsidenten in einem offenen Brief dazu aufgefordert hatten, den Verfassungsentwurf in Kraft zu setzen und freie Wahlen abzuhalten. Der Aufenthaltsort und das Schicksal des schwedischen Journalisten Dawit Isaak und weiterer 16 Personen, die als Unterstützer*innen der G-15 galten, blieben ebenfalls unbekannt.

Ciham Ali und Berhane Abrehe "verschwanden", nachdem sie 2012 bzw. 2018 festgenommen worden waren. Ciham Ali, die neben der eritreischen auch die US-amerikanische Staatsbürgerschaft besitzt, war im Alter von 15 Jahren bei einem Fluchtversuch an der Grenze zum Sudan von den eritreischen Behörden festgenommen worden. Ciham Alis Vater Ali Abdu war damals Informationsminister in Eritrea und war kurz vor ihrer Festnahme ins Exil gegangen. Der ehemalige Finanzminister Berhane Abrehe war im September 2018 festgenommen worden, wenige Tage nachdem er ein Buch mit dem Titel Eritrea Hagerey ("Eritrea, mein Land") veröffentlicht hatte, in dem er die Regierung kritisierte. Kurz vor Erscheinen des Buchs hatte er den Präsidenten zu einer Fernsehdebatte herausgefordert.

 

Willkürliche Festnahmen und Inhaftierungen

Tausende Menschen wurden 2022 in Eritrea willkürlich in Haft gehalten. Abune Antonios, der 16 Jahre lang willkürlich unter Hausarrest stand, starb im Februar 2022 im Alter von 94 Jahren. Er war das damalige Oberhaupt der eritreisch-orthodoxen Kirche. Nach seiner offen geäußerten Kritik an der Regierung hatten ihn die Behörden aus seinem Kirchenamt entfernt und 2006 ohne rechtliche Grundlage unter Hausarrest gestellt. Er wurde nie wegen einer international anerkannten Straftat angeklagt oder verurteilt. Einen Tag nach seiner Beerdigung am 10. Februar nahmen die Behörden elf Personen fest, die an der Beerdigung teilgenommen hatten. Sie wurden nach vier Tagen ohne Anklage wieder freigelassen.

Im Oktober 2022 nahmen Sicherheitskräfte drei hochrangige katholische Geistliche fest. Am 11. Oktober wurden zunächst die beiden Priester Abba Mihretab Stefanos von der Pfarrei Saint Michael’s Church in der im Süden Eritreas gelegenen Stadt Segeneity und Abba Abreham aus der im Westen des Landes gelegenen Stadt Teseney festgenommen. Am 15. Oktober nahmen Sicherheitskräfte dann Bischof Abune Fikremariam Hagos, ebenfalls aus Segeneity, nach seiner Rückkehr aus Europa am internationalen Flughafen von Asmara fest. Mehreren Quellen zufolge waren sie alle ohne Anklage im Gefängnis Adi-Abieto inhaftiert. Bischof Abune Fikremariam Hagos und Abba Mihretab wurden am 28. Dezember aus der Haft entlassen.

Zwangsarbeit

Die Regierung verpflichtete Schüler*innen im letzten Schuljahr weiterhin zum Militärdienst. Die Wehrdienstleistenden wurden gezwungen, auf unbestimmte Zeit – über den gesetzlich vorgesehenen Zeitraum von 18 Monaten hinaus – im Militärdienst zu bleiben.

Regierungstruppen führten zahlreiche überfallartige Aktionen durch, die auf Tigrinisch als giffa ("Zusammentreiben") bezeichnet werden. Dabei trieben sie Jugendliche auf der Straße zusammen und zogen sie zum Militärdienst ein. Regierungsangestellte sollen Eltern gezwungen haben, ihre Kinder, die sich der Einberufung entzogen hatten, zum Militärdienst zu bringen. Im Juli 2022 brachten Regierungsangestellte Tausende Schüler*innen weiterführender Schulen, viele von ihnen unter 18 Jahren, in die Warsai-Yikealo-Schule im Militärausbildungslager Sawa, wo sie ihr letztes Schuljahr absolvieren mussten. Nach den Abschlussprüfungen wurden die Schüler*innen gezwungen, zur militärischen Ausbildung im Ausbildungszentrum zu bleiben. Schüler*innen, die in der Warsai-Yikealo-Schule geringfügiger Verstöße beschuldigt wurden, und Wehrpflichtige im Ausbildungslager waren häufig körperlichen Bestrafungen ausgesetzt, die Folter und anderen Misshandlungen gleichkamen. Es gab zudem zahlreiche Vorwürfe über sexualisierte Gewalt durch hochrangige Militärangehörige. Die Behörden ließen eine Verweigerung des Militärdienstes nicht zu.

Recht auf Gesundheit

Eritrea war auch 2022 das einzige Land in Afrika und eines der wenigen Länder weltweit, das keine Angaben zu seinem Impfprogramm gegen Covid-19 machte. Eritrea bezog keine Impfstoffdosen über die COVAX-Initiative der Weltgesundheitsorganisation.

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