Amnesty International Report 2022/23; Zur weltweiten Lage der Menschenrechte; Gambia 2022

Berichtszeitraum: 1. Januar 2022 bis 31. Dezember 2022

AMTLICHE BEZEICHNUNG

Republik Gambia

STAATS- UND REGIERUNGSCHEF*IN

Adama Barrow

Stand:
1/2023

Die Regierung erklärte sich bereit, die meisten Empfehlungen aus dem Abschlussbericht der Kommission für Wahrheit, Versöhnung und Wiedergutmachung umzusetzen. Dazu gehörte auch die strafrechtliche Verfolgung des ehemaligen Präsidenten Yahya Jammeh wegen Menschenrechtsverletzungen während seiner Amtszeit. Das Recht auf freie Meinungsäußerung von Regierungskritiker*innen war 2022 bedroht. Die Polizei ging mit exzessiver Gewalt gegen Demonstrierende vor. Frauen waren sowohl in der Politik als auch in den Medien weiterhin unterrepräsentiert. Die Gefängnisse waren nach wie vor überbelegt und Menschen befanden sich über lange Zeiträume hinweg in Untersuchungshaft. Mindestens fünf Personen wurden zum Tode verurteilt.

Hintergrund

Adama Barrow trat im Januar 2022 seine zweite Amtszeit als Präsident an. Im April fanden Parlamentswahlen statt.

Recht auf Wahrheit, Gerechtigkeit und Wiedergutmachung

Im Januar 2022 wurden drei ehemalige Junglers (Mitglieder einer paramilitärischen Todesschwadron während der Präsidentschaft von Yahya Jammeh), darunter der ehemalige Befehlshaber der Staatsgarde, bei ihrer Einreise aus Äquatorialguinea festgenommen. Da keine Anklage gegen sie erhoben wurde, ordnete das Oberste Gericht einen Monat später ihre Freilassung an. Die Kommission für Wahrheit, Versöhnung und Wiedergutmachung, die den Auftrag hatte, die während der 22-jährigen Herrschaft des ehemaligen Präsidenten Yahya Jammeh begangenen Menschenrechtsverletzungen und -verstöße unparteiisch zu untersuchen, empfahl im März 2022, den ehemaligen stellvertretenden Vorsitzenden des Provisorischen Regierungsrats der Streitkräfte, Sanna Sabally, zu begnadigen. Er hatte die Verantwortung für die außergerichtliche Tötung einiger Soldaten übernommen. Organisationen, die Betroffene vertraten, kritisierten das Verfahren zur Empfehlung von Amnestien, bei dem sie keine Mitsprache hatten, und forderten die Regierung auf, die Empfehlung der Kommission in Bezug auf Sanna Sabally nicht umzusetzen.

Im Mai 2022 veröffentlichte die Regierung ein Weißbuch, in dem sie 263 der im Abschlussbericht der Kommission für Wahrheit, Versöhnung und Wiedergutmachung enthaltenen 265 Empfehlungen annahm. Hierunter fielen u. a. die Suspendierung amtierender Staatsbediensteter, denen Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen wurden, sowie die strafrechtliche Verfolgung des ehemaligen Präsidenten Yahya Jammeh. Die Empfehlung, Sanna Sabally zu begnadigen, wurde von der Regierung zurückgewiesen. Im Juni erklärte der Justizminister, dass die Regierung nicht über genügend Haushaltsmittel verfüge, um im Jahr 2022 mit der Umsetzung der Empfehlungen zu beginnen.

Im November erklärte der Justizminister, dass die Regierung Gespräche mit der Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft ECOWAS aufgenommen habe, um ein hybrides Gericht einzurichten, das die unter Yahya Jammeh begangenen völkerrechtlichen Verbrechen strafrechtlich verfolgen soll.

Recht auf freie Meinungsäußerung

Während seines jährlichen Treffens mit dem Komitee der muslimischen Ältesten von Banjul (Committee of Banjul Muslim Elders) im Mai 2022 griff der Präsident den Menschenrechtler Madi Jobarteh verbal an, nachdem dieser die Absetzung eines Ministers wegen mutmaßlicher Misswirtschaft bei der Verwaltung öffentlicher Grundstücke gefordert hatte. Der Präsident bezeichnete Madi Jobarteh als "Unruhestifter" und beschuldigte ihn, das Land niederbrennen zu wollen. Er kritisierte auch die Medien dafür, dem Menschenrechtler eine Plattform geboten zu haben, und erklärte, dass dies nicht toleriert werde.

Exzessive Gewaltanwendung

Am 10. März 2022 kam es in der Stadt Brikama zu Zusammenstößen zwischen Anhänger*innen der Oppositionspartei United Democratic Party (UDP) und einer Sondereinsatztruppe der Polizei (Police Intervention Unit), nachdem die Wahlbehörde die Nominierung eines UDP-Kandidaten für den Wahlkreis Busumbala abgelehnt hatte. Kurz nach den Zusammenstößen kursierte im Internet ein Video, in dem zu sehen war, wie Polizeikräfte einen unbewaffneten UDP-Anhänger treten und mit Schlagstöcken verprügeln. Amnesty International hat dieses Video verifiziert. Sowohl die Menschenrechtsorganisation Gambia Centre for Victims of Human Rights Violations als auch die unabhängige Nationale Menschenrechtskommission NHRC verurteilten die exzessive Gewaltanwendung durch die Polizei. Die NHRC forderte den Generalinspekteur der Polizei nachdrücklich auf, die Umsetzung der Leitlinien der Afrikanischen Kommission für Menschenrechte und Rechte der Völker für die Kontrolle von Versammlungen durch Polizeikräfte in Afrika sicherzustellen.

Diskriminierung

Frauenrechte

Im März 2022 stellte die EU-Wahlbeobachtungsmission in ihrem Bericht fest, dass Frauen in der gambischen Politik stark unterrepräsentiert waren: Nur fünf von 58 Mitgliedern der Nationalversammlung waren Frauen und nur vier von 23 Ministerialposten waren mit Frauen besetzt. Einen Monat zuvor war in der Nationalversammlung erfolglos ein Gesetzentwurf debattiert worden, der darauf abzielte, eine bestimmte Anzahl von Sitzen in der Nationalversammlung mit Frauen und Menschen mit Behinderungen zu belegen.

Ebenfalls im März äußerte sich der Präsident der Pressegewerkschaft Gambias (Gambia Press Union – GPU) besorgt über die weit verbreitete sexualisierte Belästigung und Diskriminierung von Frauen in den Medien und die Besetzung der meisten einflussreichen Positionen in Redaktionsleitungen und Nachrichtenredaktionen mit Männern. Er forderte die Medienanstalten auf, die GPU-Richtlinie gegen sexualisierte Belästigung anzuwenden und mehr Frauen in einflussreiche Positionen zu berufen.

Im Oktober 2022 bat der Vorsitzende der NHRC den UN-Ausschuss für die Beseitigung der Diskriminierung der Frau, Gambia zu empfehlen, Vergewaltigung in der Ehe unter Strafe zu stellen. Im Gesetz über Sexualdelikte wird Vergewaltigung in der Ehe bisher nicht als Straftat aufgeführt.

Rechte von Gefangenen

Mehrere Medien berichteten, dass die Lebensbedingungen im Zentralgefängnis (Mile II) im Bericht der Kommission für Wahrheit, Versöhnung und Wiedergutmachung als erniedrigend und menschenunwürdig bezeichnet wurden. Im Oktober 2022 räumte der gambische Justizminister vor der UN-Kommission für Friedenskonsolidierung ein, dass die Gefängnisse des Landes "stark überbelegt" seien und dass im Mile II-Gefängnis in Zellen, die eigentlich für fünf Personen vorgesehen sind, 25 Häftlinge untergebracht waren.

Im September 2022 erklärte der Menschenrechtsausschuss der Nationalversammlung nach einem Besuch in der Haftanstalt, dass er sich beim Obersten Richter dafür einsetzen werde, den Fall eines Insassen zu untersuchen, dessen Verfahren sich schon über zehn Jahre hinzog. Der Justizminister kündigte eine Untersuchung des Falles an und erklärte, dass sein Büro derzeit eine Liste aller Personen in Untersuchungshaft zusammenstelle, um die Zeit, die sie auf ihr Verfahren warten müssen, zu verkürzen.

Todesstrafe

Im Juli 2022 wurden der Leiter des Geheimdienstes (National Intelligence Agency – NIA) unter Yahya Jammeh sowie vier weitere NIA-Angehörige wegen der im Jahr 2016 erfolgten Tötung von Solo Sandeng, Jugendführer der UDP, vom Hohen Gericht in Banjul zum Tode verurteilt.

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