Amnesty International Report 2022/23; Zur weltweiten Lage der Menschenrechte; Mosambik 2022

Berichtszeitraum: 1. Januar 2022 bis 31. Dezember 2022

AMTLICHE BEZEICHNUNG

Republik Mosambik

STAATS- UND REGIERUNGSCHEF*IN

Filipe Jacinto Nyusi

Stand:
 1/2023

Die Menschenrechtsverstöße im Zusammenhang mit dem bewaffneten Konflikt im Norden Mosambiks hielten auch im Jahr 2022 an und verschärften die humanitäre Krise. Bewaffnete Gruppen brannten weiterhin Dörfer nieder, enthaupteten Menschen und verschleppten Frauen und Mädchen. Gleichzeitig verübten die in dem Gebiet operierenden Sicherheitskräfte der Regierung Menschenrechtsverletzungen gegen die Bevölkerung. So ließen sie u. a. Personen verschwinden, schüchterten die Zivilbevölkerung ein und erpressten Geld von Händler*innen. Binnenvertriebene lebten weiterhin unter elenden Bedingungen und hatten kaum Zugang zu Nahrung, Wasser und Wohnraum. Die Rechte auf freie Meinungsäußerung und friedliche Versammlung wurden unterdrückt. Ein neues NGO-Gesetz drohte den zivilgesellschaftlichen Handlungsspielraum einzuschränken, sollte es Wirksamkeit erlangen.

Hintergrund

Der Prozess gegen Mitangeklagte im Skandal um geheime Kredite, in den der ehemalige und der amtierende Präsident verwickelt sind, zeigte auf, in welchem Ausmaß das Vertrauen der Öffentlichkeit und die staatlichen Institutionen für die Erlangung persönlicher finanzieller Vorteile missbraucht wurden. Zudem offenbarte der Prozess die wirtschaftlichen, sozialen und politischen Schwachstellen des Landes nach mehreren aufeinanderfolgenden Regierungsperioden der Mosambikanischen Befreiungsfront (Frente de Libertação de Moçambique).

Unterdessen ging in der Provinz Cabo Delgado im Norden Mosambiks der bewaffnete Konflikt zwischen Regierungstruppen und einer bewaffneten Gruppe, die in der Provinz unter dem Namen al-Shabaab operiert, mit unverminderter Härte weiter. Soweit bekannt, besteht zwischen dieser Gruppierung und al-Shabaab in Somalia kein Zusammenhang. Die gemeinsamen Offensiven der mosambikanischen und ruandischen Streitkräfte sowie der Mission der Entwicklungsgemeinschaft des südlichen Afrika in Mosambik (SAMIM) gegen die bewaffneten Gruppen führten nicht zur Beendigung der Angriffe. Die bewaffneten Gruppen zerstreuten sich und eröffneten neue Angriffsfronten in zuvor nicht betroffenen Regionen. Dabei drangen sie nach Westen und Süden in die Provinzen Niassa und Nampula vor. Gleichzeitig verschärften die extrem hohen Lebenshaltungskosten, die vor allem durch die steigenden Kraftstoffpreise verursacht wurden, die Unzufriedenheit in der Bevölkerung. All diese Faktoren untergruben das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Regierung von Präsident Nyusi.

Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht

Mitglieder der bewaffneten Gruppe al-Shabaab begingen Kriegsverbrechen: Sie enthaupteten Zivilpersonen, verschleppten Frauen und Mädchen, plünderten Ortschaften und brannten sie nieder. Allein am 21. Mai 2022 griffen sie im Distrikt Macomia die Dörfer Chicomo, Nguida und Nova Zambezia an. Dabei setzten sie Häuser in Brand, plünderten Ernten, enthaupteten zehn Männer und entführten Frauen und Mädchen. Im Juni 2022 griffen Mitglieder von al-Shabaab das Dorf Mitopue im Distrikt Memba (Provinz Nampula) an. Auch hier brannten sie Häuser nieder und plünderten Privateigentum. Am 6. September 2022 brannten sie ebenfalls im Distrikt Memba weitere Häuser und ein Krankenhaus nieder, plünderten das Hab und Gut der Menschen und töteten sechs Zivilpersonen, darunter eine katholische Nonne. In der Nacht zum 2. September setzten al-Shabaab-Mitglieder im Distrikt Erati Häuser, die örtliche Gesundheitsstelle und eine Schule in Brand. 40.000 Menschen wurden vertrieben. Bis Ende des Jahres 2022 hatte al-Shabaab in allen Provinzen im Norden Mosambiks – Cabo Delgado, Nampula und Niassa – Angriffe verübt.

Die mosambikanischen Sicherheitskräfte entführten in der Provinz Cabo Delgado Händler*innen und ließen sie verschwinden, um so Geld zu erpressen. In der Stadt Macomia verübten Angehörige der schnellen Eingreiftruppe der Polizei Menschenrechtsverletzungen an Zivilpersonen, darunter Drohungen, Erpressung und die Entführung von Händler*innen zwecks Lösegelderpressung. Die Bevölkerung von Macomia forderte deshalb am 13. Mai 2022 den Abzug der Polizeikräfte. Militärangehörige, die auf dem Marinestützpunkt von Pemba stationiert waren, griffen Zivilpersonen in der Gegend tätlich an und erpressten und beraubten sie.

Rechte von Binnenvertriebenen

Durch die Ausweitung des bewaffneten Konflikts spitzte sich die humanitäre Lage weiter zu. Das Amt der Vereinten Nationen für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (OCHA) ging davon aus, dass in den Provinzen Cabo Delgado, Nampula und Niassa 1,5 Millionen Vertriebene aufgrund des Konflikts humanitäre Hilfe und Schutz benötigten. Die Lebensbedingungen dieser Menschen waren durch eine unsichere Nahrungsmittel- und Wasserversorgung, Unterernährung, eine prekäre Gesundheitslage und unzureichende Unterkünfte geprägt. Nach Angaben von OCHA war in der Provinz Cabo Delgado die Not in den Distrikten Chiure, Macomia, Metuge, Mocímboa da Praia, Montepuez, Mueda, Nangade, Palma, Pemba und Quissanga besonders groß. In der Stadt Pemba beispielsweise kamen zu den ursprünglich 224.000 Einwohner*innen 152.000 Binnenvertriebene hinzu; in Metuge stieg die Zahl der Bewohner*innen von 101.000 auf 228.000. Etwa 80 Prozent der Vertriebenen kamen bei Familienangehörigen und Freund*innen unter, was für Haushalte, die selbst nur wenig hatten, eine große Belastung darstellte.

Rechte auf Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit

Die Rechte auf friedliche Versammlung und Vereinigungsfreiheit wurden unterdrückt, und es wurden Anstrengungen unternommen, den zivilgesellschaftlichen Handlungsspielraum mit rechtlichen Mitteln einzuschränken. Am 5. Februar 2022 hinderten schwer bewaffnete Polizeiangehörige mit Hunden eine Gruppe junger Menschen daran, einen friedlichen Protest gegen die Mautgebühren auf der Ringstraße in der Hauptstadt Maputo abzuhalten. Clemente Carlos, der Sprecher der Gruppe, wurde festgenommen, auf dem Polizeirevier 18 inhaftiert und dort tätlich und verbal angegriffen. Nach einigen Stunden kam er ohne Anklageerhebung frei.

Am 18. August 2022 ging die Polizei gewaltsam gegen Händler*innen im Distrikt Gondola (Provinz Sofala) vor, die friedlich dagegen protestierten, dass sie ihre Marktstände räumen mussten, ohne vorher von der Stadtverwaltung konsultiert oder angemessen informiert worden zu sein. Die Polizei setzte scharfe Munition ein und verletzte drei Demonstrierende durch Schüsse.

Vor dem Hintergrund zunehmender Repression arbeitete das Kabinett im September 2022 einen neuen Gesetzentwurf über gemeinnützige Organisationen aus, welcher der Regierung einen enormen Ermessensspielraum einräumt, um die zivilgesellschaftlichen Handlungsmöglichkeiten weiter einzuschränken. Der Entwurf lag Ende 2022 noch beim Parlament, da im Februar 2023 eine öffentliche Konsultation dazu durchgeführt werden sollte.

Recht auf freie Meinungsäußerung

Journalist*innen und Menschenrechtsverteidiger*innen wurden bedroht, eingeschüchtert und willkürlich festgenommen, weil sie die Regierung und ihre Amtsträger*innen kritisierten. Am 22. Januar 2022 brachen Unbekannte, bei denen es sich vermutlich um Staatsbedienstete handelte, in das Büro des Menschenrechtsanwalts João Nhampossa ein und stahlen seinen Computer, USB-Sticks, Mobiltelefone sowie verschiedene Dokumente. Er hatte zu brisanten Themen gearbeitet, u. a. zum berüchtigten Skandal um geheime Kredite sowie zu Fällen im Zusammenhang mit Mautstellen und der Rohstoffindustrie. In der zweiten Aprilwoche 2022 ordneten der Gouverneur der Provinz Tete und der Bürgermeister der gleichnamigen Stadt an, einen Mann namens Anastácio festzunehmen, zu inhaftieren und zu verhören. Der Mann hatte zwei Regierungsbedienstete eines Interessenkonflikts beschuldigt, weil sie Grundstücke in Chingodzi besaßen, und zwar in einem Gebiet, das ausschließlich dem Militär vorbehalten ist.

Am 16. August 2022 erhielt Adriano Nuvunga, Geschäftsführer der zivilgesellschaftlichen Organisation Centro Para Democracia e Desenvolvimento Morddrohungen. In seinem Vorgarten wurden zwei unbenutzte Patronen gefunden, die in Papier mit der Aufschrift "Hüte dich, Nuvunga" eingewickelt waren. Am 19. September 2022 überreichten zwei Unbekannte Armando Nenane, Journalist und Direktor der Zeitschrift Crónica Jurídica e Juduciária, in der Innenstadt von Maputo eine unbenutzte Patrone. Die Männer gaben an, auf Geheiß ihrer Vorgesetzten gehandelt zu haben. Zuvor hatte ein Gericht Armando Nenane von den Vorwürfen der Urkundenfälschung und Verleumdung freigesprochen, die vom ehemaligen Verteidigungsminister erhoben worden waren. Nachdem er freigesprochen worden war, reichte Armando Nenane seinerseits Klage wegen verleumderischer Anschuldigungen (denúncia caluniosa) und Diffamierung gegen den ehemaligen Verteidigungsminister sowie Angehörige des Geheimdiensts und der Spionageabwehr ein.

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