ecoi.net-Themendossier zu Afghanistan: Überblick über aktuelle Entwicklungen und zentrale Akteure in Afghanistan

Die ecoi.net-Themendossiers bieten einen Überblick zu einem ausgewählten Thema. Dieses Themendossier behandelt die jüngsten Entwicklungen und wichtigsten Akteur·innen. Die Informationen stammen aus ausgewählten Quellen und erheben nicht den Anspruch vollständig zu sein. Erstellt von ACCORD.

Anmerkung: Bezeichnungen wie "regierungsfreundlich" oder "regierungsfeindlich" sind im Kontext des jeweiligen Berichtszeitraumes zu verstehen. Sie können daher vor und nach dem 15. August 2021 von unterschiedlicher Bedeutung sein.

1. Aktuelle Entwicklungen
2. Die Taliban
2.1 Erste Berichte nach der neuerlichen Machtergreifung der Taliban
2.2 Gefährdete Gruppen
3. Weitere Akteure
3.1 Mit den Taliban in Verbindung stehende Gruppen
3.1.1 Haqqani Network
3.1.2 al-Qaida
3.2 Islamischer Staat in der Provinz Khorasan (ISKP)
3.3 Nationale Widerstandsfront von Afghanistan (NRF)
4. Quellen

Overview of recent developments and key players in Afghanistan

1. Aktuelle Entwicklungen

Informationen zu aktuellen humanitären Entwicklungen in Afghanistan finden sich in einer ACCORD-Anfragebeantwortung vom Dezember 2021 (ACCORD, 6. Dezember 2021).

Am 14. April kündigte US-Präsident Joe Biden den Truppenabzug der USA wie auch der NATO-Verbündeten bis 11. September 2021 an. Zwar kam diese Ankündigung aufgrund des im Februar 2020 in Doha unterzeichneten Abkommens zwischen den USA und den Taliban nicht ganz unerwartet, allerdings doch mit deutlichen Abweichungen von dem, was ursprünglich erwartet wurde. Auf der Grundlage des Doha-Abkommens zwischen den USA und den Taliban wurde davon ausgegangen, dass die Bedingungen für einen vollständigen Abzug ausländischer Streitkräfte ein deutlicher Rückgang der Gewalt und zumindest die Schaffung eines Rahmens für die politische Einigung zwischen der Regierung und den Taliban wären. Biden stellte jedoch klar, dass dies nicht der Fall sei, indem er darauf verwies, dass amerikanische Truppen nicht als Druckmittel zwischen Kriegsparteien in anderen Ländern benutzt werden sollten (AAN, 10. Juni 2021)[i].

ICG berichtete, dass die Taliban am 15. August ihren Kampf um die Macht in Afghanistan abschlossen, indem sie Kabul, die Hauptstadt des Landes, zum ersten Mal seit sie von 1996 bis 2001 den größten Teil des Landes beherrschten, einnahmen. Nach dem Zusammenbruch der vorangegangenen Regierung ist die Gruppe nun de facto die herrschende Macht im ganzen Land (ICG, 26. August 2021, S. 1)[ii].

Am 7. September kündigten die Taliban ein „Interimskabinett“ an, so ICG. Dies war ihr erster Schritt seit der Machtübernahme am 15. August in Richtung Regierungsbildung und der von ihnen geplanten Art der Regierungsumsetzung. Das Kabinett wurde mit langjährigen Schlüsselfiguren aus der Zeit der Taliban-Regierung und des späteren Taliban-Aufstandes besetzt. Es ähnelt stark dem früheren Regime der Taliban aus den 1990er-Jahren (ICG, 9. September 2021).

Die Vereinten Nationen berichteten, dass Tausende von afghanischen Bürger·innen aus Angst um ihr Leben, ihre Rechte und ihre Sicherheit in dem Versuch das Land zu verlassen zum internationalen Flughafen Hamid Karzai in Kabul strömten, wo die USA ihre Militärpräsenz verstärkten, um die Evakuierung ausländischer Staatsangehöriger, einschließlich Diplomat·innen und gefährdeter Afghan·innen zu leiten. Alle kommerziellen Flüge wurden indessen ausgesetzt. Aus von den Taliban kontrollierten Gebieten sei berichtet worden, dass die persönlichen und sozialen Freiheiten eingeschränkt und die Rechte der Frauen sowie ihr Zugang zu Dienstleistungen, einschließlich zu Bildung, beschnitten worden seien (UNGA, 2. September 2021, S. 1)[iii].

Des Weiteren berichteten die Vereinten Nationen, dass es vor der Übernahme der Großstädte durch die Taliban im ganzen Land zu aufsehenerregenden Anschlägen durch regierungsfeindliche Kräfte gekommen ist. Zwischen dem 16. Mai und dem 31. Juli dokumentierten die Vereinten Nationen 18 Selbstmordanschläge – verglichen mit 11 solchen Anschlägen im vorangegangenen Berichtszeitraum – darunter 16 Selbstmordattentate mit improvisierten Sprengsätzen in Fahrzeugen, die in erster Linie auf Stellungen der afghanischen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte abzielten. Darüber hinaus wurden 68 Anschläge mit improvisierten Sprengsätzen (IEDs) verübt, darunter 14 in Kabul (UNGA, 2. September 2021, S. 6).

Die ICG konstatierte, dass in den ersten Monaten des Jahres 2021 eine noch nie dagewesene Zahl an Zivilist·innen getötet und verletzt wurde und mindestens 560.000 Menschen vertrieben wurden. Die Zahl enthält etwa 120.000 Personen, die vor dem Vormarsch der Taliban auf der Suche nach Zuflucht nach Kabul geflohen sind. Diese Zahlen machen diesen Zeitraum zum schlimmsten dieses Konflikts, der seit Jahren der weltweit tödlichste ist. Die Zahl der Vertriebenen in Afghanistan ist in den letzten sieben Monaten doppelt so hoch wie der monatliche Durchschnitt der letzten fünf Jahre gewesen, und es wird mit einem weiteren Anstieg gerechnet. Frauen und Kinder machen etwa 80 Prozent der Menschen aus, die seit Ende Mai vor der Gewalt geflohen sind. Tausende von Vertriebenen schlafen in Kabul im Freien und nur ein winziger Teil ist über die internationale Luftbrücke entkommen, welche am 30. August ihren Abschluss gefunden hat (ICG, 2. September 2021).

Zwischen dem 16. Mai und dem 31. Juli verzeichneten die Vereinten Nationen 6.302 sicherheitsrelevante Vorfälle, was einen Anstieg um 25,6 Prozent gegenüber den 5.016 Vorfällen im gleichen Zeitraum des Jahres 2020 darstellt. Bewaffnete Zusammenstöße haben mit einem Anstieg von 2.931 auf 4.039 Vorfällen um 37,8 Prozent zugenommen und Luftangriffe sind von 136 auf 457 gestiegen, was einem Anstieg um 236 Prozent entspricht. Die Anzahl der Attentate hat um 6 Prozent zugenommen, was einen Anstieg von 235 auf 250 bedeutet. Dagegen sind die durch improvisierte Sprengsätze verursachten Detonationen um 15 Prozent zurückgegangen, und zwar von 635 auf 538. 60,4 Prozent aller erfassten Vorfälle entfallen auf die südlichen, östlichen und nördlichen Regionen, wobei die Provinzen Helmand, Kandahar und Nangarhar durchweg am stärksten von den Konflikten betroffen waren. Da die Taliban ihre territoriale Kontrolle seit Anfang August zunehmend gefestigt haben, sind die konfliktbezogenen Sicherheitsvorfälle, wie Luftangriffe, bewaffnete Zusammenstöße und Vorfälle im Zusammenhang mit improvisierten Sprengsätzen, deutlich zurückgegangen (UNGA, 2. September 2021, S. 5-6).

Laut den Vereinten Nationen haben Angriffe, die die Gruppe Islamischer Staat in der Provinz Khorasan (ISKP) für sich beansprucht oder die ihr zugeschrieben werden, zugenommen. Zwischen dem 16. Mai und dem 18. August verzeichneten die Vereinten Nationen 88 Angriffe, verglichen mit 15 Angriffen im gleichen Zeitraum des Jahres 2020. Der ISKP hat in städtischen Gegenden mit Angriffen, die keinem bestimmten Muster folgten, auf Zivilist·innen abgezielt. Die Gruppierung hat sich zu schätzungsweise sieben Raketenangriffen auf den Präsidentenpalast in Kabul während der offiziellen Eid-Feierlichkeiten am 20. Juli sowie zu einer Reihe von Angriffen mit improvisierten Sprengsätzen auf religiöse Minderheiten bekannt, darunter eine Hazara-Versammlung in der Stadt Kunduz am 13. Mai und eine Sufi-Moschee in Kabul am 14. Mai sowie mehrere Personenkraftwagen, die entweder Hazara-Schiit·innen beförderten oder zwischen dem 1. und 12. Juni durch überwiegend von Hazara-Schiit·innen bewohnte Gebiete in den Provinzen Parwan und Kabul gefahren sind. Die Gruppierung hat sich auch zu einem Angriff auf Minenräumer der amerikanisch-britischen NGO HALO Trust am 8. Juni in der Provinz Baghlan bekannt, bei dem 10 Minenräumer getötet wurden. Weiters hat sie einige Angriffe auf wirtschaftsrelevante Infrastrukturen und Posten für sich beansprucht. Es herrsche jedoch Uneinigkeit darüber, inwieweit der ISKP Angriffe für sich beansprucht, die von anderen Gruppierungen oder gemeinsam mit anderen Gruppierungen durchgeführt wurden. In einer Kundmachung vom 17. Juni hat die Bewegung außerdem angekündigt, ihre Angriffe zu verstärken und sie hat zudem in den letzten Wochen zunehmend versucht, die Taliban, die dabei waren, die Kontrolle über ganz Afghanistan zu erlangen, herauszufordern (UNGA, 2. September 2021, S. 6).

Am 26. August führte der ISKP zwei Autobombenangriffe am Eingang des Internationalen Flughafens Hamid Karzai in Kabul durch, bei dem 170 Zivilist·innen und 13 Angehörige der US-Streitkräfte umgekommen sind, so das DIS (DIS, September 2021, S. 14)[iv].

Laut einem Bericht von HRW vom 25. Oktober bekannte sich der ISKP zu einer Reihe von Angriffen auf die schiitische Hazara-Minderheit. Dazu zählt ein Selbstmordanschlag am 8. Oktober in der Sayed Abad Moschee in Kunduz, bei dem mindestens 72 Menschen umgekommen sind, sowie ein Anschlag am 15. Oktober in der Bibi Fatima Moschee in Kandahar, bei dem mindestens 63 Menschen getötet wurden (HRW, 25. Oktober 2021)[v].

ACLED berichtete von auf die Taliban gerichteten Angriffen des ISKP und unbekannter Gruppen Ende November 2021. Derartige Vorfälle wurden in Kabul und den Provinzen Kandahar, Tachar und Helmand dokumentiert (ACLED, 2. Dezember 2021)[vi].

Am 2. November fand ein Angriff auf das Sardar-Daud-Khan-Krankenhaus in Kabul statt, dem größten Militärkrankenhaus Afghanistans. Zunächst kam es zu zwei massiven Explosionen außerhalb des Gebäudes, bevor sich bewaffnete Männer Zugang in das Krankenhaus verschafften. Der ISKP bekannte sich in späterer Folge zu dem Anschlag. Die Opferzahlen liegen unterschiedlichen Quellen zufolge bei 20 bzw. mehr als 25 getöteten Personen und mindestens 16 bzw. mehr als 50 Verletzten (UNHCR, 2. November 2021, S. 1[vii]; BBC, 2. November 2021[viii]).

Am 2. November beschrieb UNHCR die Sicherheitslage in Afghanistan als höchst volatil (UNHCR, 2. November 2021, S. 1).

Laut einem Bericht des australischen Außenministeriums (Department of Foreign Affairs and Trade - DFAT) vom 14. Jänner 2022 ist die Lage in Afghanistan volatil, aber das Land in seiner Gesamtheit für viele Afghan·innen (relativ gesehen) weniger gefährlich als in der Zeit vor August 2021, da die meisten bewaffneten Konflikte nach der Machtübernahme der Taliban endeten. Afghanistan ist jedoch weiterhin ein gefährliches Land, in dem weiterhin Bedrohungen durch Terrorismus und Entführungen sowie andere Formen von Gewalt bestehen. Seit der Machtübernahme durch die Taliban gab es mehrere Terrorangriffe mit einer hohen Anzahl an Verletzten, zu denen sich in den meisten Fällen der ISKP bekannte, so der Bericht. Es kann weiterhin überall im Land zu Terrorangriffen kommen, aber mit größeren Angriffen ist eher in wichtigen Städten zu rechnen, da der ISKP dadurch mehr Aufmerksamkeit erlangt. Kabul, das Ziel einer Reihe von Anschlägen war, bleibt laut dem Bericht weiterhin unsicher.

Teile des Landes kehren zu einer „Normalität“ zurück, die in der Form seit vielen Jahren nicht bestand, heißt es laut dem Bericht in lokalen Quellen. So haben etwa Bazare, die während des Krieges geschlossen waren, wieder geöffnet. Von einem niedrigen Niveau ausgehend, ist das Reisen auf dem Landweg quer durch Afghanistan durch diesen relativen Frieden im Allgemeinen sicherer als es lange Zeit der Fall war. Dem DFAT-Bericht zufolge ist das Reisen für Frauen wahrscheinlich weniger sicher als für Männer.

Die Sicherheitslage befindet sich nach wie vor in der Schwebe. Es ist unklar, wie lange die derzeitige relative Sicherheit anhalten wird. Wahrscheinlich werden Terrorangriffe weiterhin erfolgen und möglicherweise zunehmen. Neben dem ISKP gibt es zahlreiche andere, kleinere militante Gruppen und lokale Anführer. Viele von ihnen verpflichteten sich zur Unterstützung der Taliban, weil sie die Taliban als möglichen Gewinner im Konflikt mit der ehemaligen afghanischen Regierung sahen. Unter Bezugnahme auf das Australian Strategic Policy Institute (ASPI), einem australischen Think-Tank für Sicherheitspolitik und strategische Studien mit Sitz in Canberra, erläutert der Bericht, dass solche lokale Gruppierungen aufgrund der unsicheren Lage anderen Anführern ihre Unterstützung zusagen könnten (DFAT, 14. Jänner 2022, S. 10)[ix].

Einem BBC-Artikel vom 29. Oktober zufolge sind die Taliban-Kräfte in Dschalalabad fast täglich ISKP-Angriffen ausgesetzt. Der ISKP setzt dabei dieselben überfallartigen Methoden, etwa Straßenbomben oder unangekündigte Anschläge, ein, wie die Taliban sie einst gegen die vergangene Regierung eingesetzt haben. Derselbe Bericht bezeichnet die Lage in Afghanistan seit der Machtübernahme durch die Taliban zum Zeitpunkt der Berichterstattung insgesamt als friedlicher (BBC, 29. Oktober 2021).

ACLED berichtete am 27. Jänner 2022, dass Arbeiter·innen-Gruppen, Gefängnisinsass·innen und Frauen in der Woche vor der Veröffentlichung des Berichts in Afghanistan protestierten. Sie warfen den Taliban vor, Aktivistinnen bedroht und Zivilist·innen getötet zu haben. Überdies kam es zu Zusammenstößen zwischen Talibankräften und dem ISKP, der Nationalen Widerstandsfront von Afghanistan (NRF) und unbekannten Gruppierungen. Zudem bestanden entlang der Durand-Linie weiterhin Spannungen zwischen Militärkräften Pakistans und den Taliban (ACLED, 27. Jänner 2022).

Einem Artikel vom 14. Jänner 2022 der Jamestown Foundation (JF) zufolge rührt der Konflikt zwischen Pakistan und den Taliban daher, dass Uneinigkeit betreffend der Legitimation der Durand-Linie herrscht. Die Durand-Linie ist eine Grenzmarkierung, die 1893 im Zuge einer Vereinbarung zwischen dem damaligen König Afghanistans, Abdul Rahman Kahn, und dem damaligen Außenminister Britisch-Indiens, Sir Mortimer Durand, gezogen wurde. Dieser 2.600 Kilometer lange Streifen hat seither einen gesetzlosen, durchlässigen, gebirgigen Grenzabschnitt dargestellt, dessen Straßen selten frequentiert werden. Dennoch sorgt der Streifen für Spannungen. Die Taliban sind, ebenso wie die Vorgängerregierung Afghanistans, gegen die Errichtung eines Grenzzauns entlang der Durand-Linie. Sollte der Streit um die Errichtung eines Zauns zwischen Pakistan und der Taliban-Regierung nicht gelöst werden, könnte eine Eskalation der Spannungen an der Grenze zu Zusammenstößen zwischen den beiden Parteien führen, so die Einschätzung des JF-Artikels (JF, 14. Jänner 2022)[x].

Seit der Machtübernahme der Taliban im August bauen sich einem Artikel von RFE/RL zufolge in Teilen Nordafghanistans Spannungen zwischen ethnischen Usbek·innen, Turkmen·innen und Tadschik·innen und Taliban-Kämpfern auf, die in den der Berichterstattung vorangegangenen Monaten in die Gegend vorgedrungen sind und größtenteils der Volksgruppe der Paschtun·innen angehören. Die wachsende Feindseligkeit zwischen ethnischen Usbek·innen, Turkmen·innen und Tadschik·innen auf der einen Seite und Taliban-Kämpfern auf der anderen spitzte sich Mitte Jänner in einem Vorfall in Maimana, der Provinzhauptstadt Faryabs, kurzzeitig zu. Ursache waren Proteste aufgrund der Festnahme eines lokalen Anführers, die zu Kämpfen führten (RFE/RL, 29. Jänner 2022)[xi].

Zwischen dem 19. August und dem 31. Dezember verzeichneten die Vereinten Nationen 985 sicherheitsrelevante Vorfälle, was einen Rückgang um 91 Prozent gegenüber den Zahlen im gleichen Zeitraum des Jahres 2020 darstellt. Die Zahl der sicherheitsrelevanten Vorfälle fiel nach dem 15. August 2021 von 600 Vorfällen auf weniger als 100 Vorfälle pro Woche bedeutend. Bewaffnete Zusammenstöße haben mit einem Rückgang von 7.430 auf 148 Vorfällen um 98 Prozent abgenommen und Luftangriffe sind von 501 auf 3 gefallen, was einem Rückgang um 99 Prozent entspricht. Die durch improvisierte Sprengsätze verursachten Detonationen sind um 91 Prozent zurückgegangen, und zwar von 1.118 auf 101, während die Anzahl der Attentate um 51 Prozent zurückgegangen ist, was einen Rückgang von 424 auf 207 bedeutet. Dagegen gab es einen Anstieg anderer Arten sicherheitsrelevanter Vorfälle wie Verbrechen vor dem Hintergrund einer sich rapide verschlechternden wirtschaftlichen und humanitären Lage. 75 Prozent aller erfassten Vorfälle entfallen auf die östlichen, zentralen, südlichen und westlichen Regionen, wobei die Provinzen Nangarhar, Kabul, Kunar und Kandahar am stärksten von den Konflikten betroffen waren. Trotz des Gewaltrückgangs musste sich die de-facto-Regierung verschiedenen Herausforderungen stellen, darunter eine erhöhte Zahl an Angriffen gegen deren Mitglieder. Einige der Angriffe werden der NRF zugeschrieben, die vornehmlich in der Provinz Pandschschir sowie im Bezirk Andarab der Provinz Baghlan operiert, aber keine bedeutenden Gebietsgewinne verzeichnen konnte (UNGA, 28. Jänner 2022, S. 5).

Laut Angaben des UNO-Menschenrechtsrats ist die Zahl ziviler Opfer seit der Machtübernahme durch die Taliban am 15. August 2021zwar deutlich gesunken, der Schutz der Zivilbevölkerung gibt jedoch weiterhin Anlass zur Sorge. Im Zeitraum zwischen 15. August 2021 und 15. Februar 2022 dokumentierten UNAMA/OHCHR mindestens 1.153 zivile Opfer (mindestens 397 Tote und 756 Verletzte), darunter 173 Kinder (55 Tote, 118 Verletzte) und 25 Frauen (11 Tote, 14 Verletzte). (HRC, 4. März 2022, S. 6)[xii]

Angriffe auf Zivilist·innen machten laut ACLED im Dezember 2021 den größten Teil der gewaltsamen Vorfälle im Land aus. Sowohl die Taliban als auch unbekannte Gruppen griffen Zivilist·innen in 22 Provinzen an. Wie in den Wochen davor zählten ehemalige Sicherheitsbeamt·innen zu den Opfern. Berichten zufolge schlugen die Taliban Zivilist·innen, die sich weigerten, am gemeinsamen Gebet teilzunehmen oder die Musik auf Hochzeiten spielten, so ACLED. Auch der ISKP griff weiterhin Zivilist·innen an und tötete dabei mehrere Menschen in Kandahar und Kabul, darunter Angehörige der Hazara-Volksgruppe und schiitische Muslim·innen. Außerdem töteten Mitglieder des ISKP einen Zivilisten in der Stadt Farah, was den ersten dokumentierten Angriff des ISKP in der Provinz Farah darstellt. (ACLED, 13. Jänner 2022)

Die Parlamentarische Versammlung des Europarates (CoE-PACE) zeigte sich in einem Bericht vom September 2021 um die Einhaltung der Menschenrechte in Afghanistan nach der Machtübernahme der Taliban besorgt. Während die Taliban in der Öffentlichkeit versprochen haben, die Menschenrechte - im Rahmen der Scharia - zu achten, widerspricht die Realität vor Ort diesen Aussagen, wie die Vereinten Nationen, Nichtregierungsorganisationen und Medien berichten. Als besonders gefährdete Gruppen gelten dem Bericht zufolge vor allem Personen, die für ausländische Truppen und diplomatische Vertretungen gearbeitet haben, Angehörige der afghanischen Sicherheitskräfte oder Afghan·innen, die politische oder administrative Verantwortung trugen, Frauen und Mädchen in Bezug auf ihr Recht auf Bildung, Freizügigkeit, Zugang zur Arbeit, zur Gesundheitsversorgung und das Recht auf Teilnahme am öffentlichen und politischen Leben, Kinder, denen eine Rekrutierung als Kindersoldaten drohen kann, Angehörige ethnischer und religiöser Minderheiten sowie Journalist·innen und Menschenrechtsverteidiger·innen (CoE-PACE, 28. September 2021, S. 12)[xiii]. Weitere Informationen zur Lage dieser Personengruppen unter der Herrschaft der Taliban finden sich in Abschnitt 2.

Mit Stand vom 1. Dezember 2021 schätzte UNHCR die Zahl der in Afghanistan konfliktbedingt Binnenvertriebenen auf 3,4 Millionen. Die Zahl der allein seit dem 1. Jänner 2021 konfliktbedingt Binnenvertriebenen belief sich schätzungsweise auf 736.889 Menschen (UNHCR, 22. März 2022, S. 1)

2. Die Taliban

Ausführliche Informationen zu den Strukturen und verschiedenen Fraktionen innerhalb der Taliban finden sich im Bericht zum COI-Webinar mit Katja Mielke und Emran Feroz. (ACCORD, März 2022)

In einem Bericht vom Mai 2016 beschrieb das norwegische Herkunftsländerinformationszentrum Landinfo die Taliban als eine Dachorganisation verschiedener, miteinander lose verbundener aufständischer Gruppen. Unter diesen befinden sich mehr oder weniger autonome Gruppen mit unterschiedlichen Graden von Loyalität zu der Taliban-Führung und zur Idee des sogenannten Islamischen Emirats Afghanistan. Die Taliban haben eine hierarchische Organisationsstruktur, an deren Spitze ein Amir ul-Muminin (Commander of the Faithful) steht. Dieser gibt moralische, religiöse und politische Erklärungen ab, hat die Aufsicht über Richter, Gerichte und politische Ausschüsse der Taliban, ernennt Schattengouverneure und hat das Kommando über die militärische Organisation inne (Landinfo, 13. Mai 2016, S. 4)[xiv].

Über die Herrschaft der Taliban in den 1990er-Jahren berichtete BBC im September 2021, dass die Taliban Strafen gemäß ihrer strengen Auslegung des islamischen Rechts einführten und diese auch durchsetzten: Mörder und Ehebrecher wurden öffentlich hingerichtet, Dieben die Gliedmaßen amputiert. Unter der Führung des zurückgezogen lebenden Mullah Mohammed Omar verboten die Taliban auch Fernsehen, Musik, Filme und Make-up und untersagten Mädchen ab 10 Jahren den Schulbesuch (BBC, 7. September 2021).

Laut dem US-amerikanische Congressional Research Service (CRS) verlautbarten die Taliban im Juli 2015, dass der ursprüngliche Anführer der Bewegung, Mullah Omar, bereits 2013 verstorben war. Aus einem umstrittenen Auswahlprozess ging Akhtar Mohammad Mansour als Nachfolger Omars hervor. Mansour wurde seinerseits am 21. Mai 2016 durch einen US-Drohnenangriff getötet. Wenige Tage später erklärten die Taliban, dass einer von Mansours Stellvertretern, Hibatullah Achundsada, zum neuen Anführer der Taliban bestimmt worden war. Seine beiden Stellvertreter sind Mullah Yaqub (Sohn von Mullah Omar) und Siradschuddin Haqqani (operativer Befehlshaber des Haqqani-Netzwerks) (CRS, 19. Mai 2017, S. 16)[xv].

BBC berichtete, dass Hibatullah Achundsada im Mai 2016 zum Oberbefehlshaber der Taliban ernannt wurde und nun Führer des sogenannten Islamischen Emirats Afghanistan ist. In den 1980er Jahren beteiligte er sich am islamistischen Widerstand gegen die sowjetische Militäroffensive in Afghanistan, er gilt jedoch eher als religiöser Führer denn als militärischer Befehlshaber. In den 1990er-Jahren leitete Achundsada die Scharia-Gerichte (BBC, 7. September 2021).

Im September 2021 schrieb BBC, dass Siradschuddin Haqqani, der Anführer der als Haqqani-Netzwerk bekannten militanten Gruppe, die mit den Taliban verbunden ist und für einige der tödlichsten Anschläge in dem seit zwei Jahrzehnten andauernden Krieg im Land verantwortlich ist, zum amtierenden Innenminister ernannt wurde. Anders als die Taliban wurde das Haqqani-Netzwerk von den USA als ausländische terroristische Organisation eingestuft. Außerdem unterhält es enge Verbindungen zu Al-Qaida (BBC, 8. September 2021). Detailliertere Informationen über mit den Taliban assoziierte Gruppierungen finden sich im gleichnamigen Abschnitt weiter unten.

Laut einem BBC-Bericht vom Juli 2021 scheinen die Taliban im Jahr nach dem Friedensabkommen mit den USA im Februar 2020 ihre Taktik von komplexen Anschlägen in Städten und auf militärische Außenposten auf eine Welle gezielter Attentate, die die afghanische Zivilbevölkerung in Angst versetzten, verlagert zu haben. Die Ziele, Journalist·innen, Richter·innen, Friedensaktivist·innen, Frauen in Machtpositionen, schienen darauf hinzudeuten, dass die Taliban nicht ihre extremistische Ideologie, sondern nur ihre Strategie geändert hatten. Man geht davon aus, dass die Gruppe derzeit, mit bis zu 85.000 Vollzeitkämpfern, zahlenmäßig stärker ist als jemals zuvor seit ihrem Sturz im Jahr 2001, so die jüngsten Schätzungen der NATO (BBC, 3. Juli 2021).

In einem Positionspapier vom September 2021 erläuterte das Forschungsinstitut swisspeace die jüngsten Veränderungen im (medialen) Auftreten der „neuen“ Taliban (Swisspeace, September 2021)[xvi].

Das Afghanistan Analyst Network berichtete, dass sich die am 7. September 2021 vorgestellte Übergangsregierung der Taliban beinahe ausschließlich aus einer sehr homogenen Gruppe (beinahe ausschließlich Taliban, Kleriker, Paschtunen) zusammensetzte. Dies würde verdeutlichen, dass die Taliban vor allem um internen Zusammenhalt, ihr Machtmonopol sowie die Unterdrückung offener Meinungsverschiedenheiten bemüht sind (AAN, 15. September 2021). Ein Bericht der International Crisis Group erläutert, dass die am 22. September vorgestellte Liste der zusätzlich ernannten Regierungsmitglieder die Heterogenität der Regierung nur geringfügig verbessert. Mit den Neuzugängen gehören der neuen 53-köpfigen Regierung nun vier Tadschiken, zwei Usbeken, ein Turkmene, ein Hazara, ein Nuristani und ein Khwaja an. Trotz des anhaltenden internationalen Drucks haben die Taliban keine Frauen und keine Personen aus dem früheren, vom Westen unterstützten politischen Establishment in ihr Kabinett berufen (ICG, 28. September 2021).

Interne Spannungen zwischen hochrangigen Taliban-Führern, namentlich zwischen Baradar und Khalil al-Rahman Haqqani, führten am 11. September zu Zusammenstößen zwischen den Leibwächtern der beiden. Inhalt der Streitigkeiten war die Struktur der Übergangsregierung, ausgelöst durch Meinungsverschiedenheiten zwischen moderaten und streng-konservativen Köpfen der Taliban-Führungsriege, so Insecurity Insight unter Berufung auf Medienberichte (Insecurity Insight, 12. Oktober 2021, S. 1)[xvii].

UNHCR berichtete am 2. November, dass die Taliban die USA und andere Länder dazu aufgerufen haben, ihre Regierung anzuerkennen. Bei einem regionalen Treffen zu Afghanistan am 27. Oktober in Teheran hoben die Außenminister von China, Pakistan, Tadschikistan, Usbekistan, Turkmenistan, Russland und vom Iran in einer gemeinsamen Stellungnahme hervor, dass eine politische Struktur, die auf einer breiten Basis beruhe, die einzige Lösung für die Probleme in dem Land sei. Die Außenminister betonten die Bedeutung des Schutzes der Grundrechte aller Afghan·innen, während sie sich gleichzeitig für den Ansatz der Nicht-Einmischung aussprachen. Zwar erkannte bisher noch kein Land die Taliban-Regierung an, jedoch hatten hochrangige Politiker einiger Länder, darunter der Iran, sich mit der De-Facto-Regierung in Kabul und außerhalb des Landes getroffen. UNHCR zufolge traten Diplomaten der Taliban-Regierung den Dienst in der afghanischen Vertretung in Pakistan an. Zudem plant die EU laut UNHCR, ihre diplomatische Vertretung in Afghanistan im nächsten Monat wiederzueröffnen (UNHCR, 2. November 2021, S. 1-2).

2.1 Erste Berichte nach der neuerlichen Machtergreifung der Taliban

In einem gemeinsamen Bericht vom September 2021, führten Menschenrechtsorganisationen, darunter Amnesty International (AI) an, dass obwohl die Taliban versucht haben, der Welt zu vermitteln, die Menschenrechte zu achten, die Realität weit davon entfernt sei. Die Organisationen verwiesen insbesondere auf Verletzungen der Rechte von Frauen und Mädchen, Einschüchterungen von Menschenrechtsverteidiger·innen, die Unterdrückung der freien Meinungsäußerung, Repressalien gegen ehemalige Regierungsmitarbeiter·innen sowie die Schwierigkeiten, denen Geflüchtete und Menschen, die Afghanistan verlassen wollen, ausgesetzt sind (AI et al., September 2021, S. 1)[xviii].

In einem Bericht der UNO-Generalversammlung wurde erwähnt, dass Taliban-Kämpfer nach der Eroberung Kabuls in der gesamten Hauptstadt Kontrollpunkte errichteten und ihre Patrouillen intensivierten. Berichten zufolge wurden auch einige Personen erschossen, nachdem sie die Kontrollpunkte ohne Genehmigung passiert hatten. Während die Taliban in ihren Erklärungen unter anderem anordneten, ohne Erlaubnis keine Häuser zu betreten und „Leben, Eigentum und Ehre“ zu schützen, tauchten zahlreiche Berichte auf, wonach die Taliban von Haus zu Haus gingen, um nach Regierungsmitarbeiter·innen, Waffen und Eigentum zu suchen und teilweise zu beschlagnahmen. Aus einigen Berichten ging hervor, dass die Taliban auch Personen suchten, die „mit Ausländern zusammengearbeitet“ hatten, und diese mitunter auch misshandelten (UNGA, 2. September 2021, S. 5).

Human Rights Watch (HRW) berichtete Anfang August, dass die Taliban, die in Ghazni, Kandahar und andere afghanische Provinzen vorrückten, inhaftierte Soldaten, Polizisten und Zivilist·innen mit angeblichen Verbindungen zur afghanischen Regierung summarisch hinrichteten (HRW, 3. August 2021). Auch die Afghanistan Independent Human Rights Commission (AIHRC) berichtete Ende Juli von Beweisen, die darauf hindeuten, dass die Taliban unter Verletzung des humanitären Völkerrechts Vergeltungstötungen an Zivilist·innen begangen und das Eigentum mehrerer Anwohner·innen geplündert haben, darunter auch das Eigentum ehemaliger und amtierender Regierungsvertreter·innen (AIHRC, 31. Juli 2021)[xix].

Mehrere Quellen berichteten, dass die Taliban friedliche Demonstrationen in verschiedenen Provinzen Afghanistans zunehmend gewaltsamen niederschlugen (UNGA, 2. September 2021, S. 2; AAN, 19. August 2021; AI, 8. September 2021), unter anderem durch den Einsatz von scharfer Munition, Schlagstöcken und Peitschen (OHCHR, 10. September 2021)[xx]. Dabei wurden mehrere Menschen getötet und verletzt (OHCHR, 10. September 2021; UNGA, 2 .September 2021, S. 2; AAN, 19. August 2021; AI, 8. September 2021).

Das Hohe Kommissariat der Vereinten Nationen für Menschenrechte (OHCHR) berichtete, dass auch in Kabul Demonstrierende, darunter Frauen und bis zu 15 Journalist·innen, von den Taliban geschlagen und festgenommen wurden. Anfang September 2021 erließen die Taliban ein Verbot nicht genehmigter Versammlungen und wiesen Telekommunikationsunternehmen an, das Internet für Mobiltelefone in bestimmten Gebieten Kabuls zu sperren (OHCHR, 10. September 2021).

ACLED berichtete, dass die Anzahl der dokumentierten Protestveranstaltungen Ende November leicht zunahm. Kleine Gruppen von Frauen protestierten in den Bezirken Kabul und Rukha gegen die Gesetze der Taliban, die Frauenrechte verletzten. Die meisten Demonstrationen fanden am Internationalen Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen am 25. November statt. Auch in der Stadt Chost versammelten sich Hunderte von Demonstranten und forderten die internationale Gemeinschaft auf, die Wirtschaftssanktionen gegen die Taliban-Regierung aufzuheben. Die Demonstranten forderten die Taliban-Regierung außerdem auf, die Entwicklungsprojekte wieder aufzunehmen (ACLED, 2. Dezember 2021).

Laut einem Bericht von FIDH vom November 2021, ist die Rechtsordnung in Afghanistan seit der Machtübernahme durch die Taliban völlig zusammengebrochen, was zu einer Situation geführt hat, in der es keine Verantwortungspflicht für Fehlverhalten gibt. Die nationalen Gerichte funktionieren nicht mehr, während die Taliban-Gewohnheitsgerichte im ganzen Land ihre Arbeit fortsetzen. Die Polizei und andere Strafverfolgungsbehörden nehmen ihre Aufgaben nicht wahr. Richter und Staatsanwälte leben in Angst vor Racheakten ehemaliger Taliban-Gefangener. Es gibt, so FIDH, keine Anzeichen dafür, dass die Taliban vorhaben, den bestehenden Rechtsrahmen und die juristischen Prozesse zu respektieren (FIDH, 23. November 2021)[xxi].

Ende September 2021 schrieb die BBC, dass die Taliban vier mutmaßliche Entführer erschossen und ihre Leichen auf öffentlichen Plätzen in der Stadt Herat aufhängten. Der grausame Akt fand einen Tag nach der Warnung eines berüchtigten Taliban-Beamten statt, dass extreme Strafen wie Hinrichtungen und Amputationen wieder eingeführt werden würden (BBC, 25. September 2021).

Laut dem juristischen Online-Nachrichtenportal Jurist, gab das afghanische Justizministerium am 3. Jänner 2022 bekannt, dass unabhängige Anwälte ein neuerliches Zulassungsverfahrung durchlaufen müssen, das vom Ministerium festgelegt wird. Dies ist, der Quelle zufolge, ein Zeichen dafür, dass die Taliban-Regierung dem Berufsstand der Jurist·innen die Unabhängigkeit entziehen wolle. Laut dem Ministerium dürfen Anwälte weiterhin auf Basis ihrer alten Zulassungen praktizieren, bis das neue Zulassungsverfahren finalisiert wird. Am 14. November gab die Taliban-Regierung per Dekret bekannt, dass das Justizministerium sich die unabhängige afghanische Rechtsanwaltskammer unterstelle (Afghanistan Independent Bar Association - AIBA), die 2008 mit dem Ziel gegründet wurde, die Zulassung neuer Anwälte zu überwachen und für Rechtsstaatlichkeit und soziale Gerechtigkeit einzutreten. Am 23. November wurden die Räumlichkeiten der AIBA von bewaffneten Taliban-Mitgliedern eingenommen, die anwesendem Personal and anwesenden Anwält·innen mit Gewalt drohten, bevor sie sie zum Gehen aufforderten. Daraufhin wurde ein neuer Präsident ernannt, dessen Qualifikationen fragwürdig seien, so der Jurist-Artikel. Das Verhalten dieser Taliban-Kräfte deute darauf hin, dass das Dekret von ihnen so interpretiert wurde, dass das Justizministerium alleine für Zulassungen zuständig ist und die Kontrolle über die AIBA-Mitgliederdatenbank und das Bankkonto hat (Jurist, 3. Jänner 2022)[xxii]. Einem Bericht der Vereinten Nationen vom 28. Jänner 2022 zufolge hat das Justizministerium UNAMA mitgeteilt, dass Anwälte, die eine Zulassung vom Ministerium bekommen, unabhängig und ungehindert ihrer Arbeit nachgehen können und auch Anwältinnen erlaubt wird, unter Berücksichtigung notwendiger Voraussetzungen, zu arbeiten (UNGA, 28. Jänner 2022, S. 8).

Laut einem Bericht der Associated Press (AP) vom 26. Dezember 2021 teilte Bilal Karimi, der stellvertretende Sprecher der Taliban-Regierung, mit, dass die unabhängige Wahlkommission des Landes und die Wahlbeschwerdekommission aufgelöst wurden. Die beiden Einrichtungen waren dazu befugt, jegliche Wahlen im Land, inklusive Präsidentschaftswahlen, parlamentarische Wahlen und Wahlen auf Provinzebene, zu organisieren und zu überwachen. Karimi zufolge seien diese Institutionen für die gegenwärtige Situation in Afghanistan nicht notwendig. Bestehe in Zukunft eine Notwendigkeit für diese Einrichtungen, könne die Taliban-Regierung sie erneut einführen. Auch das Friedensministerium und das Ministerium für parlamentarische Angelegenheiten seien ihm zufolge aufgelöst worden, da sie für die gegenwärtige Regierungsstruktur nicht notwendig seien, so der AP-Bericht (AP, 26. Dezember 2021)[xxiii].

In einem weiteren BBC-Artikel vom September 2021 hieß es, dass die Taliban Friseuren in der afghanischen Provinz Helmand verbieten, Bärte zu rasieren oder zu kürzen, da dies gegen ihre Auslegung des islamischen Rechts verstoße. Einige Friseure in der Hauptstadt Kabul haben nach eigenen Angaben ebenfalls ähnliche Anweisungen erhalten. Die Anweisungen deuten darauf hin, dass die Taliban trotz gegenteiliger Versprechungen zu den strengen Regeln ihrer früheren Herrschaft zurückkehren, so die BBC (BBC, 26. September 2021).

UNHCR berichtete von einem Angriff durch bewaffnete Männer, die sich selbst als Taliban bezeichneten, auf eine Hochzeitsfeier in der östlichen Provinz Nangarhar am 30. Oktober, bei dem mindestens drei Personen getötet wurden. Laut Taliban-Sprecher Zabiullah Mudschahid hätten diese Personen nicht im Auftrag der Taliban-Regierung gehandelt (UNHCR, 2. November 2021, S. 1).

Im November berichtete FIDH, dass die afghanische Zivilgesellschaft hundert Tage nach der gewaltsamen und rechtswidrigen Machtübernahme der Taliban unter Beschuss steht. Für Frauen und Mädchen, Menschenrechtsverteidiger·innen, Journalist·innen und alle, die es wagen, für ihre Rechte einzutreten, ist Afghanistan nicht sicher, so FIDH. In dem Versuch, die Zivilgesellschaft und jede Form von Dissens gewaltsam zu unterdrücken, haben die Taliban und ihre Verbündeten schwere Menschenrechtsverletzungen begangen, von willkürlichen Verhaftungen und Inhaftierungen bis hin zu Folter, brutalen Schlägen und Hausdurchsuchungen. Darüber hinaus bedeute das Fehlen geeigneter Mechanismen zur Untersuchung von Verstößen, dass die Menschenrechtsverletzungen weitgehend ungeahndet bleiben (FIDH, 23. November 2021).

Der UNO-Menschenrechtsrat wies im März 2022 darauf hin, dass die unverhältnismäßige Anwendung von Gewalt durch die Taliban-Behörden bei Protesten, Durchsuchungsaktionen und an Kontrollpunkten ebenfalls zu Toten und Verletzten führte. Nach einem tödlichen Vorfall, gab das Taliban-Innenministerium Ende Februar 2022 Berichten zufolge eine Anweisung heraus, die das Sicherheitspersonal anwies, an Kontrollpunkten nicht auf Zivilist·innen zu schießen, Verdächtige nicht zu belästigen, zu beleidigen oder zu schlagen, sowie ohne richterlichen Beschluss keine Hausdurchsuchung durchzuführen. Darüber hinaus wurden die Sicherheitskräfte angewiesen, ihre Handlungen in Anwesenheit von Anwälten und am helllichten Tag durchzuführen. (HRC, 4. März 2022, S. 7)

Human Rights Watch berichtete von im Februar 2022 durchgeführten Durchsuchungsaktionen der Taliban, bei denen angeblich nach Kriminellen und Waffen gesucht wurde. Berichten zufolge schufen die Hausdurchsuchungen eine Atmosphäre der Angst. (HRW, 1. März 2022)

Ende März 2022 berichtete Human Rights Watch, dass die Taliban über Systeme mit sensiblen biometrischen Daten, die westliche Regierungen im August 2021 in Afghanistan zurückgelassen hatten, verfügen und sich dadurch Tausende Afghan·innen in Gefahr befinden. Seit der Machtübernahme durch die Taliban am 15. August sind viele Menschen, die sich selbst für gefährdet halten, untergetaucht und häufig umgezogen. Durch den Zugriff der Taliban auf diese Systeme wird es für diese Menschen möglicherweise sehr viel schwieriger oder gar unmöglich, sich zu verstecken. Die Taliban haben, so Human Rights Watch, außerdem Maßnahmen ergriffen, um Menschen an der Flucht aus dem Land zu hindern. Bereits 2016 und 2017 hätten die Taliban Berichten zufolge biometrische Daten genutzt, um Menschen ins Visier zu nehmen. (HRW, 30. März 2022)

UNHCR äußerte sich im November besorgt über das Risiko von Menschenrechtsverletzungen gegen Zivilist·innen, einschließlich Frauen und Mädchen sowie Personen, von denen angenommen wird, dass sie derzeit oder in der Vergangenheit mit der früheren afghanischen Regierung, internationalen Organisationen oder den internationalen Streitkräften in Verbindung standen (UNHCR, 19. November 2021).

Im März berichtete Amnesty International von einer Zunahme an willkürlichen Verhaftungen und Fällen von Verschwindenlassen. Unter der Taliban-Herrschaft werden die Rechte auf freie Meinungsäußerung und Versammlungsfreiheit zunehmend beschnitten. Auf jede Form von Dissens werde laut Amnesty International mit gewaltsamem Verschwindenlassen, willkürlichen Verhaftungen und unrechtmäßiger Inhaftierung reagiert. Das gewaltsame Verschwindenlassen von Frauen und die willkürliche Verhaftung von Journalist·innen und Aktivist·innen der Zivilgesellschaft scheint die neueste Taktik der Taliban zu sein, um kritische Stimmen zum Schweigen zu bringen. (AI, 21. März 2022, S. 1)

2.2 Gefährdete Gruppen

Ausführliche Informationen über die Situation gefährdeter Gruppen nach der Machtübernahme durch die Taliban finden sich auch im Bericht zum COI-Webinar mit Katja Mielke und Emran Feroz. (ACCORD, März 2022)

Frauen und Mädchen

Der UNO-Menschenrechtsrat wies im März 2022 darauf hin, dass Frauen seit dem 15. August 2021 aus dem politischen Leben und aus der Arbeitswelt im weiteren Sinne ausgeschlossen sind. Sie sind in der rein männlichen Regieurng nicht vertreten und besetzen nur eine begrenzte Anzahl an Positionen im öffentlichen Dienst. (HRC, 4. März 2022, S. 8-9) Am 18. September 2021 lösten die Taliban-Behörden das Ministerium für Frauenangelegenheiten auf, das 2001 eingerichtet worden war, um Geschlechtergleichstellung zu fördern. Die Räumlichkeiten des Ministeriums wurden vom Ministerium für die Verbreitung der Tugend und die Verhütung des Lasters übernommen. (HRC, 4. März 2022, S. 8-9; BBC, 17. September 2021). Während der ersten Taliban-Regierung von 1996 bis 2001 war dieses Ministerium zu einem berüchtigten Symbol für Misshandlung, insbesondere von Frauen und Mädchen, geworden. (HRW, 29. Oktober 2021).

Die veränderten Machtverhältnisse wirken sich für Frauen, die geschlechterspezifische Gewalt erleben, zudem negativ auf den Zugang zu Justiz, Schutz und Unterstützung aus. Die Schließung verschiedener Einrichtungen, die sich mit geschlechtsspezifischer Gewalt befassen, wie z. B. Frauenhäuser, hat eine große institutionelle Lücke für Unterstützung und Schutz gefährdeter Frauen und Mädchen verursacht. (HRC, 4. März 2022, S. 8-9) Laut einem Bericht des deutschen Bundesamts für Migration und Flüchtlinge „[…] zeichnet sich eine Steigerung von Gewalt gegen Frauen bei gleichzeitiger Verschlechterung der Schutzsituation ab.“ (BAMF, 7 Februar 2022)[xxiv]

Das OHCHR berichtete unter Bezugnahme auf Aussagen von UN-Menschenrechtsexpert·innen am 17. Jänner 2022, dass die Anführer der Taliban in Afghanistan systematische und großflächige geschlechtsbezogene Diskriminierung sowie Gewalt gegen Frauen und Mädchen institutionalisieren. Eine Reihe von restriktiven Maßnahmen, die seit der Machtübernahme der Taliban in Afghanistan eingeführt wurden, insbesondere jene, die Mädchen und Frauen betreffen, veranlassten die Expert·innen zur wiederholten Äußerung dieser Sorge. Diese wiesen laut dem OHCHR weiters auf das erhöhte Risiko der Ausbeutung von Frauen und Mädchen hin, etwa durch Menschenhandel zum Zweck von Kinder- und Zwangsehen sowie sexuelle Ausbeutung und Zwangsarbeit. Zu den ausgrenzenden und diskriminierenden Maßnahmen zählen zum Beispiel das Verbot für Frauen, an ihren Arbeitsplatz zurückzukehren, die Pflicht, sich nur in Begleitung eines männlichen Verwandten in der Öffentlichkeit aufzuhalten, das Verbot für Frauen, öffentliche Verkehrsmittel unbegleitet zu benutzen, sowie eine strenge Kleiderordnung für Frauen und Mädchen. (OHCHR, 17. Jänner 2022).

Laut dem UNO-Menschenrechtsrat wirkt sich die Einschränkung der Bewegungsfreiheit von Frauen auch negativ auf andere Aspekte ihres Lebens aus, wie den Zugang zu Gesundheitsdiensten und zur Beschäftigung. In einigen Provinzen wurde Berichten zufolge Frauen der Zugang zu medizinischer Versorgung verwehrt, weil sie nicht von einem Mahram begleitet wurden. Auch das Armutsrisiko für Haushalte, die von Frauen geführt werden, wird als erhöht eingeschätzt, da sie in ihrer Bewegungsfreiheit und Arbeitsfähigkeit eingeschränkt sind. (HRC, 4. März 2022, S. 8-9)

Die Maßnahmen betreffen zwar Frauen und Mädchen aller Lebensbereiche, doch die Expert·innen drückten besondere Sorge über die Lage von Menschenrechtsverteidigerinnen, zivilgesellschaftlichen Aktivistinnen und weiblichen Führungspersonen, Richterinnen und Staatsanwältinnen, weiblichen Mitgliedern der Sicherheitskräfte, ehemaligen Regierungsbeamtinnen und Journalistinnen aus. Diese Gruppen sind Belästigungen, Gewaltandrohungen und manchmal der Anwendung von Gewalt in besonderem Ausmaß ausgesetzt. Zudem wurde ihr Zugang zum öffentlichen Raum maßgeblich ausgehöhlt, so das OHCHR (OHCHR, 17. Jänner 2022).

FIDH berichtete im November 2021, dass eine rasche und drastische Verschlechterung der Rechte von Frauen und Mädchen dazu geführt hat, dass Millionen von afghanischen Frauen und Mädchen der Zugang zu Justiz, Bildung, Beschäftigung und Gesundheitsversorgung verwehrt wird. Diese Verstöße stehen im Widerspruch zu den Verpflichtungen Afghanistans aus mehreren Menschenrechtsverträgen, denen das Land beigetreten ist, darunter das Übereinkommen zur Beseitigung der Diskriminierung der Frau (CEDAW), der Internationale Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (ICESCR) und das Übereinkommen über die Rechte des Kindes (CRC). Laut FIDH wissen die Taliban, dass die Welt sie beobachtet. Daher hat die Gruppe zahlreiche öffentliche Erklärungen abgegeben, um ihr Engagement für die Achtung der Rechte von Frauen und Mädchen zum Ausdruck zu bringen. Die von den Taliban auferlegten strengen Beschränkungen der Rechte von Frauen auf Bewegungsfreiheit, Bildung, Gesundheit und Arbeit stehen allerdings in krassem Gegensatz zu den Erklärungen der Gruppe und haben negative Auswirkungen auf große Teile der afghanischen Gesellschaft (FIDH, 23. November 2021).

Während Schulen der Sekundarstufe für Buben im Oktober wieder geöffnet wurden, blieben sie für die Mehrheit der Mädchen geschlossen. Viele Lehrerinnen wurden entlassen (IPS, 29. Oktober 2021[xxv]; ICG, 28. September 2021). In den nördlichen Provinzen Afghanistans wurde es Mädchen der siebten bis zwölften Schulstufe wieder erlaubt, die Schule zu besuchen (UNHCR, 26. Oktober 2021, S. 1). Frauen blieben den Universitäten größtenteils fern und aufgrund neuer Beschränkungen ist unklar, wann und unter welchen Bedingungen sie wieder studieren können (IPS, 29. Oktober 2021). Obwohl die Taliban angekündigt hatten, mit 23. März 2022 die Bildungseinrichtungen wieder für alle Kinder und Jugendliche zu öffnen, wurde die Entscheidung, Mädchen der 7. bis 12. Klasse die Rückkehr in die Schule zu erlauben, kurz vor den angekündigten Öffnungen revidiert. (IPS, 28. März 2022) Laut einem Artikel der britischen BBC hatten lokale Taliban-Beamte - trotz einer fehlenden offiziellen Herangehensweise - bereits 2021 in einer Reihe von Provinzen Sekundarschulen für Mädchen wiedereröffnet. Der chaotische Charakter der Kehrtwende vom März 2022 deutet laut BBC darauf hin, dass die zentrale Führung der Taliban in letzter Minute beschlossen hatte, aus Angst ihre ultrakonservativen Mitglieder zu verärgern, ihr eigenes Bildungsministerium zu überstimmen. (BBC, 23. März 2022)

Frauen blieb der Zugang zu den meisten Arbeitsstellen laut einem IPS-Bericht vom 29. Oktober verwehrt. Dem Bericht zufolge erlaubt es die Taliban-Regierung Frauen nur dann ihre Arbeit zu behalten, wenn diese nicht auch durch einen Mann erledigt werden könnte und führt als Beispiel Betreuerinnen von Damentoiletten an (IPS, 29. Oktober 2021). UNHCR berichtete am 26. Oktober, dass der Taliban-Leiter der Öffentlichkeitsabteilung von Kabul weibliche Angestellte der Stadtverwaltung aufgefordert hat, nicht zur Arbeit zu kommen, und darüber informiert hat, dass an einem ‚Plan‘ gearbeitet wird, der es diesen Frauen ermöglicht, ihre Stellen wieder anzutreten (UNHCR, 26. Oktober 2021, S. 1-2). Laut dem Leiter des afghanischen Passamtes würden weibliche Angestellte nach wie vor für die Bearbeitung der Pässe weiblicher Staatsbürger eingesetzt, so ein Reuters-Bericht am 5. Oktober 2021 (Reuters, 5 October 2021)[xxvi].

Ein im Dezember 2021 vom DIS veröffentlichter Bericht verwies hinsichtlich der Arbeitssituation von Frauen auf die Aussagen eines in Kabul lebenden Journalisten. Diesem zufolge erscheinen Frauen, die noch offiziell in einem öffentlichen Amt beschäftigt sind, monatlich auf ihren Arbeitsstellen, um ihre Anwesenheit zu melden, obwohl sie aufgrund fehlender finanzieller Mittel kein Gehalt bekommen. Bei Frauen, die in Afghanistan nach wie vor täglich einer Arbeit nachgehen, handelt es sich hauptsächlich um Beschäftigte im Gesundheitswesens und einige Lehrerinnen, von denen ebenfalls viele keine Gehälter mehr erhalten. Einem ebenfalls für den Bericht des DIS befragten afghanischen Rechtsprofessor zufolge dürfen Frauen, die in der Privatwirtschaft beschäftigt sind, ihre Arbeit weitgehend fortsetzen (DIS, Dezember 2021, S. 19).

Laut offiziellen Aussagen aus Kabul ist die Regelung, die es Frauen nur in Begleitung eines „Mahram“, also eines männlichen Familienmitgliedes, erlaubt, das Haus zu verlassen, nicht in Kraft. Dennoch setzen Taliban-Anhänger diese Regelung auf der Straße bisweilen um. Des Weiteren werden Frauen aufgrund ihrer Bekleidung von Taliban-Anhängern schikaniert. Einrichtungen zum Schutz von Frauen und Mädchen, die von häuslicher Gewalt betroffen sind, wurden systematisch geschlossen, so IPS (IPS, 29. Oktober 2021).

In einem Artikel berichtete Al Jazeera, dass die Taliban am 3. Dezember 2021 einen Erlass herausgebracht haben, der besagt, dass Frauen nicht als „Eigentum“ betrachtet werden dürfen und dass ihr Einverständnis für eine Eheschließung erforderlich ist. Ein Mindestalter, welches zuvor 16 Jahre betrug, wird im Erlass nicht genannt. Der Erlass lässt auch offen, ob Frauen mehr Rechte in den Bereichen Arbeit und Bildung zugestanden werden. Die Taliban äußerten dem Artikel zufolge zudem, dass Witwen 17 Wochen nach dem Tod des Ehemannes wieder heiraten und den Ehemann selbst wählen dürfen. Langjährige Stammestraditionen sahen es bisher vor, dass eine Witwe einen Bruder des verstorbenen Ehemannes oder einen seiner Verwandten heiratet. Aussagen der Taliban-Führung zufolge habe diese überdies afghanische Gerichte beauftragt, Frauen, insbesondere Witwen in Erbschaftsfragen, gerecht zu behandeln und die Regierung gebeten, Bewusstsein rund um Frauenrechte in der Bevölkerung zu schaffen (Al Jazeera, 3. Dezember 2021)[xxvii]. Die Vereinten Nationen berichteten am 28. Jänner 2022, dass der Erlass, mit dem unter anderem das De-facto-Höchstgericht beauftragt wird, über Fälle zu entscheiden, die Frauen betreffen, von manchen begrüßt wurde. Andere kritisierten den Erlass, weil er nicht die volle Breite der Frauenrechte, inklusive dem Recht auf Arbeit sowie dem Recht auf Bildung für Mädchen nach dem 11. oder 12. Lebensjahr, behandelt (UNGA, 28. Jänner 2022, S. 2).

BBC berichtete am 27. Dezember 2021, dass das Ministerium für Tugend und Laster der Taliban-Regierung per Erlass festlegte, dass Frauen, die mehr als 72 Kilometer (45 Meilen) reisen, von einem nahestehenden, männlichen Familienmitglied begleitet werden müssen. Fahrzeugbesitzer werden zudem aufgefordert, Frauen, die keine islamische Kopf- oder Gesichtsbedeckung tragen, die Mitnahme zu verweigern, wobei der Erlass nicht festlegt, welche Bedeckung verwendet werden soll. Die meisten afghanischen Frauen tragen bereits ein Tuch um den Kopf. Der Erlass verbietet außerdem, Musik in Fahrzeugen zu spielen (BBC, 27. Dezember 2021).

Etwa 230 afghanische Richterinnen befinden sich immer noch in Afghanistan und sind untergetaucht. Interviews mit Richterinnen und ihren Vertreter·innen zufolge wurden ehemalige Unterkünfte von Richterinnen durchsucht und geplündert. Überdies wurden deren Angehörige bedroht und Konten eingefroren. In einem Interview der International Association of Women Judges (IAWJ) mit einer Richterin, die in Kabul untergetaucht ist, schildert diese, dass ein Mann, den sie einst verurteilt hat, freigelassen wurde, sie bedrohte und darüber hinaus zu einem Taliban-Richter ernannt wurde. Eine andere Richterin berichtete, aus Angst davor, erkannt zu werden, nicht zu einem geplanten Kaiserschnitt im Krankenhaus erschienen zu sein, obwohl sie unmittelbar vor der Geburt gestanden sei (BBC, 6. Oktober 2021).

Amnesty International berichtete im April 2022 von Berichten denen zu folge Frauen, die in der Öffentlichkeit stehen, routinemäßig bedroht, verhaftet und entführt werden. Frauen, die mit der früheren Regierung in Verbindung standen, gehören, laut Amnesty International, zu denjenigen, die angeblich von den Taliban verfolgt werden. (AI, 1. April 2022)

UNHCR berichtete im Jänner, dass UNAMA die Taliban am 22. Jänner dazu aufforderte, Informationen über den Verbleib der Frauenrechtsaktivistinnen Tamana Zaryab Paryani und Parawana Ibrahimkhel bereitzustellen und deren Rechte zu schützen. Die beiden Frauen verschwanden am 19. Jänner in Kabul. Die Taliban dementierten jegliche Beteiligung an ihrem Verschwinden. Paryani war eine von etwa 25 Frauen, die am 16. Jänner an einer Anti-Taliban-Demonstration gegen die verpflichtende islamische Kopfbedeckung für Frauen teilgenommen hatten. Laut dem UNHCR-Bericht wurde Kabul-weit von ähnlichen Überfällen auf Unterkünfte von Demonstrantinnen berichtet. Bezugnehmend auf weitere Berichte informierte UNHCR weiters, dass die Religionspolizei der Taliban in einer nord-westlichen Provinz Afghanistans damit drohte, auf NGO-Mitarbeiterinnen zu schießen, wenn diese sich weigerten die den ganzen Körper verhüllende Burka zu tragen (UNHCR, 23. Jänner 2022, S. 2).

Am 21. Jänner 2022 forderte AI in einer Presseaussendung, dass die Taliban-Regierung dringend Nachforschungen bezüglich der Entführung von Alia Azizi anstellen müsse. Die ehemalige hochrangige Gefängnisbeamtin leitete das Frauengefängnis in Herat und ist Angehörige der Hazara-Volksgruppe. Sie gilt, seit sie sich zuletzt am 2. Oktober 2021 in Herat zum Dienst gemeldet hat, als vermisst. Obwohl ihre Familie die Taliban mehrmals bat, Nachforschungen anzustellen, bleibt ihr Fall ungeklärt. AI forderte außerdem die unverzügliche und bedingungslose Freilassung Azizis, sollte sie von den Taliban festgehalten werden (AI, 21. Jänner 2022).

Am 19. Jänner 2022 berichtete Al Jazeera unter Bezugnahme auf Aussagen des Taliban-Sprechers Mohammad Naeem von der Festnahme eines Taliban-Kämpfers, der Zainab Abdullahi, Angehörige der Hazara-Volksgruppe, am 13. Jänner 2022 auf dem Heimweg von einer Hochzeitsfeier an einem Checkpoint im Viertel Dasht-e-Barchi in Kabul erschossen hatte. Über Twitter gab Naeem bekannt, Abdullahi sei aus Versehen getötet worden und der festgenommene Kämpfer würde bestraft werden. Zudem gab das Taliban-Innenministerium bekannt, man habe der Familie der Ermordeten 600.000 Afghani, umgerechnet etwa 5.700 US-Dollar, [zum Zeitpunkt der Berichterstattung, Anm. ACCORD] als Entschädigung angeboten (Al Jazeera, 19. Jänner 2022).

Die folgenden kürzlich veröffentlichten Berichte enthalten detailliertere Informationen über die Lage von Frauen in Afghanistan:

Angehörige der Vorgängerregierung und der nationalen Sicherheitskräfte

Der UNO-Menschenrechtsrat erklärte im März 2022, dass die Taliban-Führung seit dem 15. August 2021 wiederholt Schutzgarantien für ehemalige Regierungsbeamte und Angehörige der afghanischen Sicherheitskräfte angekündigt hatte. Der Oberste Führer der Taliban, der Premierminister, der Verteidigungsminister, der Innenminister und andere hochrangige Beamte sowie lokale Beamte haben die Taliban-Kämpfer mehrfach aufgefordert, die Generalamnestie zu befolgen und keine ehemaligen Regierungsbeamten zu verletzen. Trotz dieser Zusagen hat UNAMA/OHCHR glaubwürdige Hinweise über die Tötung von mehr als 130 ehemaligen Angehörigen der afghanischen Sicherheits- und Verteidigungskräfte (ANSDF) und der Regierung oder deren Familienangehörigen erhalten. Bei etwa 100 davon handelte es sich um außergerichtliche Tötungen, die den Taliban-Behörden oder mit ihnen verbundenen Organisationen zugeschrieben werden. (HRC, 4. März 2022, S. 6)

Trotz der Ankündigung einer Generalamnestie für Mitarbeiter·innen und Unterstützer·innen der ehemaligen afghanischen Regierung, erhält UNAMA laut einer Stellungnahme vom 26. Jänner 2022 weiterhin glaubwürdige Meldungen über mutmaßliche Tötungen, Fälle des Verschwindenlassens und anderer Formen von Gewaltausübung gegenüber dieser Personengruppe. Diese Übergriffe wurden von der Justiz nicht untersucht (UNAMA, 26. Jänner 2022)[xxviii].

Al Jazeera berichtete in einem Artikel vom 31. Jänner 2022 unter Bezugnahme auf einen UN-Bericht, dass mehr als 100 ehemalige Mitglieder der afghanischen Regierung und ihrer Sicherheitskräfte sowie Personen, die für internationale Truppen gearbeitet haben, seit der Machtübernahme der Taliban im August getötet wurden (Al Jazeera, 31. Jänner 2022; siehe auch UNGA, 28. Jänner 2022, S. 7). Die UN berichtete am 28. Jänner 2022, dass mehr als zwei Drittel dieser Tötungen außergerichtlich durch die De-facto-Regierung oder deren Mitglieder durchgeführt wurden. UNAMA erhielt, dem Bericht nach, überdies glaubwürdige Meldungen über außergerichtliche Tötungen von mindestens 50 Personen, die im Verdacht standen, dem ISKP nahezustehen (UNGA, 28. Jänner 2022, S. 7).

Amnesty International berichtete am 5. Oktober, dass elf Angehörige der Afghan National Defence Security Forces (ANDSF) der ehemaligen Regierung im Dorf Kahor in der Provinz Daikondi am 30. August von den Taliban widerrechtlich getötet wurden. Neun der ANDSF-Mitglieder wurden Augenzeugen zufolge widerrechtlich exekutiert, nachdem sie kapituliert hatten. Ein Zivilist und ein Mädchen wurden beim Versuch zu fliehen getötet, als die Taliban das Feuer auf eine Menschenmenge eröffneten. Alle 13 Opfer waren Angehörige der Hazara-Ethnie (AI, 5. Oktober 2021).

Afghanische Militärpiloten, die nach der Machtübernahme der Taliban nach Tadschikistan geflohen sind, berichteten RFE/RL, dass die Taliban und mit ihnen in Verbindung stehende militante Gruppierungen sie unter Druck setzen nach Afghanistan zurückzukehren. Sie drohen damit, deren Verwandte in Afghanistan zu töten. Einem Piloten zufolge sind die Taliban im Besitz der Namen aller 143 afghanischen Piloten, die sich derzeit in Tadschikistan befinden. Taliban-Sprecher Zabiullah Mudschahid dementierte, dass die Taliban Angehörige von Piloten bedrohen (RFE/RL, 23. Oktober 2021).

HRW veröffentlichte im November 2021 einen Bericht, der die summarische Hinrichtung oder das gewaltsame Verschwindenlassens von 47 ehemaligen Angehörigen der Afghanischen Nationalen Sicherheitskräfte (ANSF) dokumentiert. Diese Personen umfassten Militärangehörige, Polizisten, Geheimdienstmitarbeiter und paramilitärische Milizen, die sich zwischen dem 15. August und dem 31. Oktober 2021 den Taliban ergeben hatten oder von ihnen aufgegriffen wurden. Der Bericht konzentriert sich auf die Provinzen Ghazni, Helmand, Kandahar und Kunduz. Die Fälle würden aber ein breiteres Muster von Misshandlungen widerspiegeln, die auch in Chost, Paktiya, Paktika und anderen Provinzen gemeldet wurden. Trotz der von den Taliban angekündigten Amnestie für ehemalige zivile und militärische Regierungsbeamt·innen und der Zusicherungen der Taliban-Führung, dass sie ihre Truppen für Verstöße gegen die Amnestie zur Rechenschaft ziehen würden, kam es zu summarischen Tötungen und gewaltsamem Verschwindenlassen. Bereits in den Wochen vor der Eroberung Kabuls wurden in den Großstädten und entlang der wichtigsten Verkehrsrouten Rachemorde, bei denen auch Regierungsbeamte ins Visier genommen wurden, verübt. Dies zeigte sich im Juli, als die Taliban ihre Operationen rund um die Stadt Kandahar ausweiteten und Mitglieder der Sicherheitskräfte, die sich ergeben hatten oder gefangen genommen worden waren, im Schnellverfahren hinrichteten. Ähnliche Muster sind in vielen anderen Provinzen zu beobachten, auch nach dem 15. August.
Die Taliban haben, so HRW im November 2021, durch ihre nachrichtendienstlichen Operationen und den Zugang zu Personalakten, die die frühere Regierung hinterlassen hat, neue Ziele für Verhaftungen und Hinrichtungen ausgemacht. Die Ermordung eines früheren Geheimdienstmitarbeiters, etwa 45 Tage nach der Übernahme der Macht durch die Taliban, lässt, laut HRW, vermuten, dass hochrangige Taliban-Beamte die Tötung angeordnet haben oder zumindest davon wussten.
Die Taliban-Führung wies Mitglieder der sich ergebenden ANSF-Einheiten an, sich zu melden, um ein Schutz-Schreiben zu erhalten. Im Rahmen dieses Amnestieprogramms wurden die registrierten Personen auf Verbindungen zu bestimmten Militär-, Polizei-, Miliz- und Spezialeinheiten oder zu Befehlshabern oder ehemaligen Provinzbehörden überprüft, und sie wurden aufgefordert, ihre Waffen abzugeben. Laut HRW nutzten die Taliban diese Überprüfungen jedoch, um Personen zu inhaftieren und innerhalb weniger Tage nach ihrer Registrierung summarisch hinzurichten oder gewaltsam verschwinden zu lassen (HRW, November 2021, S. 1-2).

Basierend auf Interviews mit einem afghanischen Rechtsprofessor sowie einem Journalisten in London und einem in Kabul berichtete das DIS im Dezember 2021, dass Afghan·innen, die mit der früheren Regierung in Verbindung standen, abhängig von ihrem Beruf und ihrer spezifischen Tätigkeiten von den Taliban unterschiedlich behandelt werden. So seien beispielsweise Beschäftigte des Gesundheitswesens weitgehend von den Taliban verschont geblieben (DIS, Dezember 2021, S. 24).

Am 31. Dezember 2021 berichtete die Khaama Press News Agency (KP), dass Ahmadullah Wasiq, ein Sprecher der Taliban-Regierung, verkündete, die Regierung werde Nachforschungen zu Fällen von Tötungen, Entführung oder Festnahmen ehemaliger Sicherheitskräfte durch Taliban-Mitglieder anstellen. Die Taliban-Regierung stehe laut Wasiq voll und ganz hinter der vom Obersten Führer Hebtullah Achundzada verkündeten Generalamnestie und erlaube niemanden, sie zu verletzen. Wasiq zufolge würden die Fälle in den sozialen Medien eine übertriebene Darstellung bieten und wo die Taliban Vergehen beobachten würden, würden sie den Fällen voll und ganz nachgehen. Einen Tag zuvor hatte Hebtullah Achundzada persönlich bei einem Treffen mit den Provinzbeamten Kandahars die Taliban-Verbündeten aufgefordert, die Generalamnestie zu respektieren und außergerichtliche Tötungen und Bestrafungen zu unterlassen. Diese Reaktionen der Taliban-Regierung stehen laut KP vor dem Hintergrund eines Videos, dass die Folterung eines ehemaligen afghanischen Kommandeurs zeigt und in den sozialen Medien für Aufmerksamkeit gesorgt hatte (KP, 31. Dezember 2021)[xxix].

Schiitische Minderheit und Hazara

Die schiitische Hazara-Gemeinschaft im Westen der Stadt Kabul, insbesondere im Viertel Dasht-e Barchi, ist seit 2016 verstärkt das Ziel einiger der tödlichsten Anschläge in der Stadt, schildert ein AAN-Artikel vom 17. Jänner 2022. Hazara und Schiit·innen wurden aber auch in anderen Teilen Afghanistans angegriffen. Nach der Machtübernahme der Taliban im August setzten Angriffe auf das Viertel für eine kurze Zeit aus. Doch danach wurde es wieder Ziel einer neuen Serie von Attentaten und Bombenanschlägen, weshalb die Angehörigen der Hazara-Volksgruppe und schiitische Muslim·innen dort besonders gefährdet sind, Opfer einer anhaltenden Serie gezielter Tötungen zu werden (AAN, 17. Jänner 2022).

Amnesty International (AI) berichtete Mitte August 2021 von der brutalen Ermordung von neun Hazara im Distrikt Malistan Anfang Juli durch die Taliban, nachdem diese die Kontrolle über die Provinz Ghazni übernommen hatten (AI, 19. August 2021).

Hunderte Hazara-Familien wurden seit der Taliban-Machtübernahme aufgefordert, ihre Häuser und Ackerböden zu verlassen. Viele von ihnen leben nun in Zelten oder unter Bäumen. Die meisten Vertreibungen erfolgten in ländlichen Gebieten (ABC, 15. Oktober 2021)[xxx]. Nach erfolgten Zwangsdelogierungen in den Provinzen Daikondi, Uruzgan und Kandahar wurden Anfang Oktober laut HRW hunderte Familien in der südlichen Provinz Helmand und in der nördlichen Provinz Balkh vertrieben. Am stärksten betroffen sind 15 Dörfer in Daikondi und Uruzgan, wo im September mindestens 2.800 Hazara vertrieben wurden. In vielen Fällen wurden den Betroffenen nur einige Tage Zeit eingeräumt, um die Orte zu verlassen und es wurde ihnen nicht die Möglichkeit gegeben, bestehende rechtliche Ansprüche geltend zu machen. Die Delogierungen erfolgten unter Androhung von Konsequenzen und ohne rechtliche Grundlage (HRW, 22 Oktober 2021).

Das DIS führte im Dezember 2021 unter Bezugnahme auf zwei Expertengespräche an, dass die Hazara in Afghanistan seit der Machtübernahme durch die Taliban beim Zugang zum Rechtssystem und bei den Ressourcen diskriminiert werden (DIS, Dezember 2021, S. 28).

In einem Bericht vom November 2021 wies Amnesty International darauf hin, dass schon mit dem Abzug der ersten amerikanischen Soldat·innen Anfang Mai 2021 die Angst, in Zukunft noch ungeschützter dem Terror ausgeliefert zu sein, unter den Hazara wuchs. Durch den Rückzug der US- und NATO-Truppen würden Terroristen des ISKP Raum und Möglichkeiten zur Entfaltung erhalten, so die Befürchtung (AI, 15. November 2021).

Journalisten und Medienbedienstete

Human Rights Watch erklärte im März 2022, dass die Taliban-Behörden weitreichende Zensur und Gewalt gegen die afghanischen Medien in den Distrikt- und Provinzzentren anwenden und damit die kritische Berichterstattung in Afghanistan drastisch einschränken. Die Situation für Journalist·innen außerhalb Kabuls scheint wesentlich schlechter zu sein als innerhalb der Hauptstadt, insbesondere für Frauen. Journalist·innen in den Provinzen haben berichtet, dass Taliban-Mitglieder sie und ihre Kollleg·innen bedrohen, festhalten und verprügeln würden. Viele Journalist·innen sahen sich gezwungen, sich selbst zu zensieren und nur über Aussendungen der Taliban und offizielle Ereignisse zu berichten. Journalistinnen waren am stärksten von Repressionen betroffen. Journalist·innen in ganz Afghanistan haben erklärt, dass die Taliban ihre Arbeit stark einschränken und damit gegen das afghanische Mediengesetz und die internationalen Menschenrechtsstandards zur Meinungs- und Medienfreiheit verstoßen. Schätzungsweise 80 Prozent der Journalist·innen in ganz Afghanistan haben seit der Machtübernahme durch die Taliban im August 2021 ihren Arbeitsplatz verloren oder ihren Beruf aufgegeben, und Hunderte von Medienunternehmen wurden geschlossen. (HRW, 7. März 2022)

Amnesty International (AI) berichtete Anfang September 2021, dass Journalist·innen und Kameraleute der afghanischen Medien Ariana, Tolo und Etilaat-e-Roz nach eigenen Angaben von Taliban-Kämpfern verprügelt und festgenommen wurden, als sie versuchten, über Proteste zu berichten. Ihre Ausrüstung wurde beschlagnahmt und Filmmaterial zerstört (AI, 8. September 2021). Auch Reporter ohne Grenzen (RSF) erwähnte, dass afghanische Journalist·innen von den Taliban schikaniert, verhaftet und mit Kabeln geschlagen wurden. Einige Reporter·innen wurden misshandelt bis hin zu Folter. Sowohl in Kabul als auch in den Provinzhauptstädten kam es Anfang September vermehrt zu Zwischenfällen mit Medienvertreter·innen (RSF, 10. September 2021)[xxxi]. Am 19. September 2021 verkündeten die Taliban “11 Journalismus-Regeln”, die afghanische Journalist·innen strikt befolgen müssen und die Zensur und Repressalien Tür und Tor öffnen könnten (RSF, 22. September 2021).

ACLED verzeichnete mehr als ein Dutzend Vorfälle, bei denen Taliban-Mitglieder seit Mitte August Journalisten angegriffen und Radiosender geschlossen haben (ACLED, 2. Dezember 2021).

HRW berichtete im November 2021, dass Beamte des Taliban-Geheimdienstes Todesdrohungen gegen Journalisten·innen, die Taliban-Beamte kritisieren, aussprechen und von Journalist·innen verlangen, dass sie alle Berichte vor der Veröffentlichung zur Genehmigung vorlegen. Neue Richtlinien des Ministeriums für Sitte und Tugend schreiben die Kleidung von Journalistinnen im Fernsehen vor und verbieten Unterhaltungsprogramme mit weiblichen Darstellern. Laut HRW spiegeln die neuen Medienvorschriften der Taliban und die Drohungen gegen Journalist·innen die allgemeinen Bemühungen wider, jegliche Kritik an der Taliban-Herrschaft zum Schweigen zu bringen. Das Verschwinden jeglichen Raums für abweichende Meinungen und die Verschärfung der Beschränkungen für Frauen in den Medien und in der Kunst seien verheerend, so HRW. Mehrere Journalist·innen berichteten, dass sie unmittelbar nach der Veröffentlichung von Berichten über Misshandlungen durch die Taliban von lokalen Beamten vorgeladen worden seien.
Medienmitarbeiter·innen berichteten, dass schwer bewaffnete Beamte des Taliban-Geheimdienstes ihre Büros aufsuchten und die Journalist·innen warnten, in ihrer Berichterstattung nicht das Wort „Taliban“ zu verwenden, sondern in allen Veröffentlichungen auf das „Islamische Emirat“ zu verweisen. In einer Provinz wiesen Beamte des Geheimdienstes lokale Medien an, das Wort „Selbstmordattentäter“ durch das Wort „Märtyrer“ zu ersetzen, nachdem in einem veröffentlichten Bericht erwähnt worden war, dass ·Innenminister Siradschuddin Haqqani die Familien von Selbstmordattentätern geehrt hatte (HRW, 22. November 2021).

In einer Veröffentlichung vom 11. Jänner 2022 forderte das Committee to Protect Journalists (CPJ) von der Taliban-Regierung, die Journalist·innen Faisal Modaris, Idris Rahimi und Milad Azizi unverzüglich und bedingungslos freizulassen und aufzuhören, Journalist·innen aufgrund ihrer Tätigkeit zu verhaften. Die drei Journalisten, die für den Youtube-Kanal Kabul Lovers tätig sind, wurden am 6. Jänner 2022 gemeinsam mit Azizis Bruder Rashid Azizi von bewaffneten Taliban-Mitgliedern in einem Kabuler Restaurant festgenommen, so CPJ unter Berufung auf Aussagen von Personen vor Ort sowie Twitter-Postings (CPJ, 11. Jänner 2022)[xxxii].

Laut einem Bericht der BBC vom 21. November 2021 enthalten die jüngsten Richtlinien der Taliban, die an afghanische Fernsehsender ausgegeben wurden, acht neue Regeln: darunter das Verbot von Filmen, die gegen die Prinzipien der Scharia und die afghanischen Werte verstoßen. Verboten sind auch Comedy- und Unterhaltungsshows, die die Religion beleidigen oder von den Afghan·innen als anstößig empfunden werden könnten. Die Taliban legten außerdem fest, dass ausländische Filme, die fremde kulturelle Werte fördern, nicht ausgestrahlt werden dürfen. Ein Mitglied einer Organisation, die Journalist·innen in Afghanistan vertritt, führte an, dass die Ankündigung neuer Beschränkungen unerwartet kam und einige der Regeln nicht praktikabel seien. Sollten die Regeln umgesetzt werden, könnten seiner Einschätzung nach Sender gezwungen sein zu schließen (BBC, 21. November 2021).

Personengruppe der LGBTIQ

In einem Artikel vom 2. November 2021 berichtete France 24 von einem Telefoninterview mit Kimahli Powell, dem Leiter von Rainbow Railroad, der einzigen LGBTIQ-Organisation vor Ort in Afghanistan, zur Situation von LGBTIQ in Afghanistan. Powell zufolge habe die Organisation Berichte darüber erhalten, dass Namen von Personen die Runde machen würden, die verdächtigt werden, der LGBTIQ-Personengruppe anzugehören. In manchen Fällen könne es sogar lebensgefährlich sein, auf einer solchen ad-hoc-Liste zu landen. Die Organisation wisse mit Sicherheit, dass die Taliban „Tötungslisten“ im Umlauf habe, auf denen LGBTIQ-Personen stehen würden, so Powell laut France 24. Diese Listen seien höchstwahrscheinlich in der Zeit des Machtvakuums nach dem Abzug der US-Truppen entstanden, indem genauestens darauf geachtet worden sei, wer auf den Evakuierungslisten ausländischer Menschenrechtsgruppen gestanden habe. Durch das Stellen von Fallen und durch Datenlecks scheinen die Taliban diese Listen aktiv ergänzt zu haben, äußerte Powell gegenüber France 24. Es hätten sich Personen an Rainbow Railroad gewandt, die dubiose E-Mails erhalten hätten. Die Absender hätten behauptet, in Verbindung mit Rainbow Railroad zu stehen und um Daten sowie den Reisepass der Empfänger·innen gebeten. Dadurch wisse die Organisation, dass Informationen durchgesickert sind (France 24, 2. November 2021)[xxxiii].

Am 26. Jänner 2022 berichtete HRW in einer Pressemitteilung über die Veröffentlichung eines 43-seitigen HRW-Berichtes zur Lage von Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Transgenderpersonen in Afghanistan, der auf 60 Interviews mit LGBTIQ-Afghan·innen basiert. LGBTIQ-Personen in Afghanistan finden sich in einer zunehmend verzweifelten Lage wieder und sehen sich unter der Taliban-Regierung massiven Bedrohungen ihrer Sicherheit und ihres Lebens gegenüberstehen, so die Pressemitteilung.

Viele der Interviewten berichteten, dass die Taliban sie aufgrund ihrer sexuellen Orientierung oder ihrer Geschlechtsidentität angegriffen oder bedroht haben. Andere berichteten von Missbrauch durch Familienmitglieder, Nachbar·innen und Lebensgefährt·innen, die nunmehr die Taliban unterstützen und der Meinung sind, sich gegen LGBTIQ-Personen wenden zu müssen, um ihre eigene Sicherheit zu garantieren. Manche der Interviewten flohen aufgrund von Angriffen der Taliban oder der Verfolgung durch deren Anhänger von zuhause oder sahen das Leben, das sie sich über die Jahre aufgebaut hatten, über Nacht zusammenbrechen.

Afghanistan war bereits vor der Machtübernahme durch die Taliban im August 2021 ein gefährlicher Ort für LGBTIQ-Personen. 2018 verabschiedete die ehemalige Regierung ein Gesetz, dass gleichgeschlechtliche Beziehungen explizit kriminalisiert. Die Interviewten hatten bereits vor der Machtübernahme durch die Taliban Misshandlung aufgrund ihrer sexuellen Orientierung oder ihrer Geschlechtsidentität erlebt. Doch mit der Machtübernahme verschlechterte sich die Lage bedeutend, so HRW. Die Taliban bekräftigten die Gesetzgebung der Vorgängerregierung und manche der Anführer schworen, bei den Rechten von LGBTIQ-Personen eine harte Linie zu verfolgen (HRW, 26. Jänner 2022)

3. Weitere Akteure

In einem im September 2021 veröffentlichten Bericht wies die dänische Einwanderungsbehörde (DIS) darauf hin, dass die Taliban trotz der rasanten Entwicklungen und ihrer Kontrolle über fast ganz Afghanistan nicht der einzige Akteur im Land sind (DIS, September 2021, S. 12).

3.1 Mit den Taliban in Verbindung stehende Gruppen

3.1.1 Haqqani Network

Ausführliche Informationen zu den verschiedenen Fraktionen innerhalb der Taliban finden Sie auch im Bericht zum COI-Webinar mit Katja Mielke und Emran Feroz. (ACCORD, March 2022)

Das US-amerikanische Außenministerium (US Department of State, USDOS) hielt in einem Bericht vom Dezember 2021 fest, dass das Haqqani-Netzwerk (HQN) in den späten 1980er Jahren, ungefähr zu der Zeit des Einmarsches der Sowjetunion in Afghanistan, entstanden ist. Der Begründer des HQN, Dschalauddin Haqqani, baute Mitte der 1980er Jahre Beziehungen zu Osama Bin Laden auf und schloss sich 1995 den Taliban an. Nach dem Sturz der Taliban im Jahr 2001 zog Haqqani sich nach Pakistan zurück, von wo aus das HQN unter der Führung seines Sohnes Siradschuddin weiterhin Terroraktivitäten in Afghanistan plante und ausführte. 2015 wurde Siradschuddin Haqqani zum stellvertretenden Leiter der Taliban ernannt (USDOS, 16. Dezember 2021)[xxxiv].

Das Haqqani-Netzwerk wurde von US-Behörden oftmals als ein „entscheidender Wegbereiter“ für al-Qaida bezeichnet, so das CRS. Das Netzwerk verfügte während seiner Hochzeit im Zeitraum von 2004 bis 2010 über rund 3.000 Kämpfer und Unterstützer, allerdings wird gegenwärtig von einer weitaus geringeren Zahl ausgegangen. Trotzdem ist das Netzwerk immer noch in der Lage, Operationen durchzuführen, darunter größere Bombenanschläge in Kabul und anderen Teilen Afghanistans. Die Gruppe scheint sich nun verstärkt auf Entführungen zu konzentrieren, die das Ziel haben mögen, finanzielle Mittel zu lukrieren und die Bedeutung dieser Gruppierung in der Öffentlichkeit zu propagieren (CRS, 19. Mai 2017, S. 20).

USDOS hielt im oben genannten Bericht fest, dass angenommen wird, dass das HQN etwa 3.000 bis 5.000 Kämpfer umfasst und in Afghanistan und Pakistan tätig ist.

Das HQN bezieht einen Großteil seiner Mittel aus der Besteuerung des lokalen Handels, Erpressung, Schmuggel und anderen legalen und illegalen Geschäften. Zusätzlich zu den Mitteln, die das HQN als Teil der afghanischen Taliban erhält, erhält es auch Mittel von Geldgebern aus Pakistan und den Golfstaaten (USDOS, 16. Dezember 2021).

Wie BBC im September 2021 berichtete, wurde Siradschuddin Haqqani nach dem Tod seines Vaters Dschalaluddin Haqqani zum neuen Anführer des Haqqani-Netzwerks, das für einige der gewalttätigsten Anschläge verantwortlich gemacht wird, die in den letzten Jahren in Afghanistan gegen die afghanischen Streitkräfte und ihre westlichen Verbündeten verübt wurden. Das Haqqani-Netzwerk ist derzeit eine der mächtigsten und gefürchtetsten militanten Gruppen in der Region. Manche sagen, es sei sogar einflussreicher als der ISKP (BBC, 8. September 2021b).

Auf der Grundlage eines Skype-Interviews mit einer gut informierten Journalistin mit umfassenden und aktuellen Kenntnissen über die Lage in Afghanistan stellt die dänische Einwanderungsbehörde (DIS) fest, dass das Haqqani-Netzwerk den am stärksten anti-westlich eingestellten Teil der Taliban darstellt und wahrscheinlich die Politik der Taliban in Zukunft bestimmen wird. Das Haqqani-Netzwerk soll zudem sehr enge Beziehungen zu al-Qaida unterhalten und auch in gewisser Weise mit dem ISKP in Verbindung stehen. Es wird berichtet, dass zwischen den (ehemaligen) afghanischen Sicherheitsdiensten und den westlichen Geheimdiensten Einigkeit darüber besteht, dass das Haqqani-Netzwerk in die Durchführung der sehr blutigen Terroranschläge des ISKP in Kabul, denen hauptsächlich Hazara zum Opfer fielen, involviert war (DIS, September 2021, S. 38).

3.1.2 al-Qaida

Bezüglich der Präsenz von al-Qaida in Afghanistan schreibt das CRS, dass US-Behörden bis ins Jahr 2015 der Ansicht waren, dass die Gruppe nur über eine minimale Präsenz im Land verfüge (weniger als 100 Mitglieder) und vorwiegend im Nordosten des Landes vor allem als Unterstützer anderer aufständischer Gruppen aktiv sei. Ende 2015 haben US-Spezialeinheiten und Einheiten der afghanischen Streit- und Sicherheitskräfte jedoch ein großes Trainingslager der al-Qaida in der Provinz Kandahar ausgehoben und zerstört. Dies weist darauf hin, dass al-Qaida zuvor ihre Präsenz im Land ausgeweitet hatte. So korrigierten Kommandeure der US-Streitkräfte im April 2016 ihre Schätzungen zur Zahl der al-Qaida-Kämpfer in Afghanistan auf 100-300 Mann und sprachen von zunehmend engeren Beziehungen zwischen al-Qaida und den Taliban. Afghanische Behörden gehen indes von 300 bis 500 al-Qaida-Kämpfern im Land aus (CRS, 19. Mai 2017, S. 17).

Dem CRS zu Folge wird al-Qaida immer noch eine Präsenz in Afghanistan zugeschrieben, und ihre jahrzehntelangen Verbindungen zu den Taliban scheinen in den letzten Jahren stark geblieben zu sein. Im Mai 2021 berichteten die UN-Beobachter, dass al-Qaida die Kommunikation mit der Taliban-Führung minimiert hat, um die diplomatische Position der Taliban nicht zu gefährden. Im Oktober 2020 töteten afghanische Streitkräfte einen hochrangigen al-Qaida-Funktionär, der Berichten zufolge mit Taliban-Kräften zusammenarbeitete, was Fragen zu den Verbindungen zwischen al-Qaida und den Taliban und zu den Absichten der Taliban in Bezug auf al-Qaida weiter unterstreicht. Im Allgemeinen deuten Einschätzungen der US-Regierung darauf hin, dass die Taliban ihren Verpflichtungen zur Terrorismusbekämpfung in Bezug auf al-Qaida nicht nachkommen. Laut Berichten des US-Verteidigungsministeriums unterhalten die Taliban Verbindungen zu al-Qaida und haben al-Qaida-Mitglieder in ihre Streitkräfte und Kommandostruktur integriert (CRS, 11. Juni 2021, S. 1-2).

Laut dem zuständigen Beobachtungsteams des UNO-Sicherheitsrates, ist al-Qaida in mindestens 15 afghanischen Provinzen präsent, hauptsächlich in den östlichen, südlichen und südöstlichen Regionen. Al-Qaida operiert in dieser Region unter dem Schutz der Taliban von den Provinzen Kandahar, Helmand und Nimrus aus (UN-Sicherheitsrat, 21. Juli 2021, S. 14).

BBC berichtete Anfang September 2021, dass al-Qaida mit den Taliban durch einen Treueschwur („bay'ah“) verbunden ist, der erstmals in den 1990er Jahren von Osama Bin Laden seinem Taliban-Kollegen Mullah Omar angeboten wurde. Dieser Schwur wurde seither mehrmals erneuert, obwohl dies von den Taliban nicht immer öffentlich bestätigt wurde. Im Rahmen des Friedensabkommens mit den USA im Jahr 2020 verpflichteten sich die Taliban, weder al-Qaida noch anderen extremistischen Gruppen zu gestatten, in den von ihnen kontrollierten Gebieten zu operieren. Sie bekräftigten dieses Versprechen wenige Tage nach der Übernahme von Kabul am 15. August. Allerdings scheinen sie al-Qaida nicht öffentlich abzulehnen. Al-Qaida unterhält zudem Berichten zufolge enge Verbindungen zum Haqqani-Netzwerk, das Teil der Taliban ist (BBC, 7. September 2021).

Laut DIS schätzt die Journalistin und Afghanistan-Expertin Sune Engel Rasmussen, dass al-Qaida in Zukunft noch stärker in Afghanistan Fuß fassen wird, entweder direkt durch die Taliban oder aufgrund der entstehenden Gesetzlosigkeit in entlegenen Teilen des Landes. Es ist bereits bekannt, dass al-Qaida in Afghanistan unter dem Schutz der Taliban steht, was sich künftig auf die Situation der Hazara auswirken könnte (DIS, September 2021, S. 38). Dem US-Unterstaatssekretär für Verteidigungspolitik (Under-Secretary of Defence for Policy) Colin Kahl zufolge stellt al-Qaida in Afghanistan vermutlich ein komplexeres Problem dar als der ISKP. Seiner Einschätzung zufolge könnte al-Qaida bereits in ein oder zwei Jahren wieder genug Kapazitäten aufgestellt haben, um Angriffe außerhalb von Afghanistan durchzuführen (UNHCR, 2. November 2021, S. 1).

In einem Artikel vom 20. September 2021 schrieb der Politikwissenschaftler Antonio Giustozzi, dass die Zusammensetzung der ersten Taliban-Regierung hinsichtlich der Wahrscheinlichkeit, dass Afghanistan erneut eine Basis für die Al-Qaida werden könnte, Fragen aufwirft. Die Taliban verhandelten nach der Unterzeichnung des Doha-Deals neue Vereinbarungen mit dschihadistischen Gruppierungen aus. Taliban-Quellen zufolge haben die drei dschihadistischen Gruppierungen Lashkar-e Taiba, Lashkar-e Jhangvi und die Islamische Bewegung Usbekistans der Unterzeichnung solcher Vereinbarungen zugestimmt, die sie einer umfassenderen Kontrolle durch die Taliban unterstellen, ihre Bewegungsfreiheiten einschränken und ihnen verbieten Handlungen gegen andere Länder zu setzen. Andere Gruppen, die zahlenmäßig überwiegen, verweigerten die Unterzeichnung oder versuchten durch langwierige Verhandlungen Zeit zu gewinnen. Zu Letzteren zählen insbesondere Al-Qaida und Tehrik-i-Taliban Pakistan (TTP).

Die „pro-dschihadistische Lobby“ hat laut Giustozzi dennoch gute Chancen sich in Kabul zu etablieren. Das HQN ist in der Regierung mit vier Ministerposten, darunter dem des Innenministers, stark vertreten und hat aufgrund seiner Kontrolle über Kabul augenscheinlich Einfluss auf die Regierungsaktivitäten. Al-Qaida wird, der Einschätzung des Wissenschaftlers zufolge, sein Schicksal nicht vom ungewissen Ausgang der Machtkämpfe in Kabul abhängig machen und traf bereits Vorbereitungen, für den Fall, dass sie ihre Verbündeten innerhalb der Taliban verlieren. Al-Qaida hat TTP im zweiten Halbjahr 2021 dazu ermutigt, unter dem Schutz des HQN in die Region Loya Paktia umzuziehen. Örtlichen Quellen zufolge ziehen nun auch alte Al-Qaida-Mitglieder von Wasiristan in die afghanische Provinz Paktia um - ein weiteres Anzeichen dafür, dass Al-Qaida das Gebiet zu seinem neuen Rückzugsgebiet machen will (Giustozzi, 20. September 2021)[xxxv].

3.2 Islamischer Staat in der Provinz Khorasan (ISKP)

Das Congressional Research Service (CRS) des US-amerikanischen Kongresses hält in einem Bericht vom Mai 2017 fest, dass ein Ableger der Gruppe Islamischer Staat seit Mitte 2014 in Afghanistan aktiv ist. Der Ableger heißt Islamischer Staat in der Provinz Khorasan (ISKP), wird häufig aber auch Islamischer Staat von Irak und der Levante-Khorasan, ISIL-K, bezeichnet (CRS, 19. Mai 2017, S. 20).

Der IS hat seine Operationen in Afghanistan am 10. Jänner 2015 offiziell aufgenommen, als pakistanische und afghanische Kämpfer dem IS die Treue geschworen haben. Seither hat sich der ISKP als einer der brutalsten Arme der Gruppierung erwiesen, der ungeschützte Ziele angreift, auf die schiitische Bevölkerung abzielt, Sufis tötet und Schreine zerstört sowie eigene Dissidenten enthauptet, deren Kinder entführt und deren Witwen heiratet, schreibt die Jamestown Foundation (JF) (JF, 6. April 2018).

Der ISKP hat seine Basis in der Provinz Nangarhar errichtet, einem strategischen Standort an der Grenze zu Pakistan. Die Rekrutierung erfolge auf beiden Seiten der durchgängigen Grenze und biete die Möglichkeit, etwa einem Militärschlag, leicht zu entkommen, so die JF (JF, 6. April 2018).

Der ISKP hat von Anfang an schiitische Gruppen, ausländische Truppen, die Sicherheitskräfte, die afghanische Zentralregierung sowie die Taliban, welche zuvor von keiner aufständischen Gruppe herausgefordert worden waren, als ihre Ziele festgelegt (JF, 6 April 2018).

2019 berichtete der UNO-Sicherheitsrat, dass sich die ISKP-Hochburgen in Afghanistan zum Berichtszeitpunkt in den östlichen Provinzen Nangarhar, Kunar, Nuristan und Laghman befinden (UNO-Sicherheitsrat, 1. Februar 2019, S. 7).

Neben den Taliban hat sich ein erheblicher Teil der US-Operationen gegen den ISKP gerichtet, so CRS. Zudem wurden einige Anführer des ISKP seit 2016 bei US-Luftangriffen getötet und afghanischen Kräfte haben zwei ISKP-Anführer im Frühling 2020 festgenommen (CRS, 11. Juni 2021, S. 5-6).

Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen berichtet, dass der ISKP trotz territorialer, führungsmäßiger, personeller und finanzieller Verluste in den Provinzen Kunar und Nangarhar im Jahr 2020 in andere Provinzen vorgedrungen ist, darunter Nuristan, Badghis, Sari Pul, Baghlan, Badachschan, Kunduz und Kabul, wo Kämpfer Schläferzellen gebildet haben. Die Gruppe hat ihre Positionen in und um Kabul gestärkt, wo sie die meisten ihrer Anschläge verübt hat, die sich gegen Minderheiten, Aktivist·innen, Regierungsangestellte und die afghanischen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte richteten. Dabei hat der ISKP die Rekrutierung und Ausbildung neuer Anhänger in den Vordergrund gestellt. Laut dem Sicherheitsrat hofft der ISKP, die Hardliner unter den Taliban und andere Kämpfer anzulocken, die das Abkommen zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und den Taliban zum Frieden in Afghanistan ablehnen, sowie Kämpfer aus Syrien, dem Irak und anderen Konfliktgebieten zu rekrutieren (UN Security Council, 21. Juli 2021, S. 14-15)[xxxvi].

Nach dem Angriff auf den Flughafen von Kabul am 26. August 2021 wird darüber spekuliert, ob der ISKP in der Lage ist, die Kontrolle der Taliban herauszufordern, was zu einer Fortsetzung der Feindseligkeiten im Land führen kann. Grundsätzlich gilt der ISKP jedoch mit Stand Oktober 2021 als ein Akteur mit begrenzten militärischen Kräften in Afghanistan. Der ISKP hat keine territoriale Kontrolle und die Zahl seiner Kämpfer ist begrenzt. Der ISKP wurde von den Taliban sowie von der afghanischen Armee, unterstützt durch US-Luftangriffe, aus den Basen in Nangarhar und Kunar vertrieben. Etwa 70.000 mittlerweile mit US-Ausrüstung ausgestatteten Taliban-Anhängern stehen einige Tausend ISKP-Anhänger gegenüber. Dennoch ist nicht auszuschließen, dass der ISKP in der nächsten Zeit eine Rolle spielt, da einige Taliban-Kämpfer mit der von den Taliban eingeschlagenen Richtung nicht einverstanden sein könnten, insbesondere für den Fall, dass die Taliban sich für eine gemäßigte und integrative Linie entscheiden. Dies kann dazu führen, dass einige Taliban die Seiten wechseln und zum ISKP überlaufen. Das Gleiche kann passieren, wenn es zu Spaltungen unter den Taliban kommt. Darüber hinaus wurden im Zusammenhang mit der Machtergreifung der Taliban viele Gefangene freigelassen, von denen einige möglicherweise mit dem ISKP in Verbindung standen, was den Einfluss des ISKP stärken könnte. Des Weiteren besteht die Befürchtung, dass der ISKP ausländische Kämpfer aus Zentralasien oder Pakistan rekrutieren könnte, die sich vermutlich in Afghanistan aufhalten. Die USA hoffen darauf, den ISKP weiterhin durch Luftangriffe von außerhalb Afghanistans, anzugreifen, während die Taliban davon ausgehen, den ISKP ohne externe Hilfe bewältigen zu können (Landinfo, 2. September 2021; BBC, 29. Oktober 2021). Dem US-Unterstaatssekretär für Verteidigungspolitik (Under-Secretary of Defence for Policy) Colin Kahl zufolge könnte der IS in Afghanistan bereits in sechs Monaten stark genug sein, um Angriffe außerhalb des Landes, darunter auch in den USA, durchzuführen (UNHCR, 2. November 2021, S. 1). RFE/RL berichtete im Oktober über einen Anstieg von ISKP-Angriffen zwischen September und Oktober, der Experten zufolge auf die fehlende US-Präsenz und die unbeabsichtigte Freilassung hunderter ISKP-Anhänger durch die Taliban zurückzuführen ist. In der Bevölkerung werden Stimmen laut, die eine Eskalation der Gewalt zwischen den Taliban und dem ISKP befürchten (RFE/RL, 13. Oktober 2021). Während der ISKP die Taliban unter dem Vorwurf nicht streng genug zu sein als Abtrünnige betrachtet, erachten die Taliban ISKP-Anhänger als ketzerische Extremisten (BBC, 29. Oktober 2021).

Der ISKP stellt HRW zufolge für bestimmte Bevölkerungsgruppen, etwa Angehörige der Hazara, eine ernsthafte Bedrohung dar. Seit etwa 2015 begann der ISKP insbesondere in schiitischen Vierteln Moscheen, Krankenhäuser, Schulen und andere zivile Einrichtungen anzugreifen. Bei den Angriffen wurden mindestens 1.500 Zivilist·innen getötet und tausende weitere verletzt. Die Angriffe fanden unter anderem in Kabul, Dschalalabad und Herat statt. Der ISKP griff in der Vergangenheit auch Journalist·innen, zivilgesellschaftliche Aktivist·innen, Gesundheitspersonal und insbesondere Mädchenschulen an. Seit 2020 ist ein Anstieg der Angriffe zu beobachten (HRW, 25. Oktober 2021). Bei einem Selbstmordanschlag auf eine schiitische Moschee am 15. Oktober 2021 in der Stadt Kandahar wurden mehr als 50 Menschen getötet und mehr als 80 verletzt. Ein weiterer Angriff auf eine schiitische Moschee in Kunduz am 8. Oktober kostete mindestens 50 Menschen das Leben, während mehr als 100 Personen verletzt wurden. Beide Angriffe erfolgten während des Freitagsgebets (CSW, 18. Oktober 2021)[xxxvii]. Nach dem Kandahar-Anschlag ließ der ISKP verlautbaren, dass Schiit·innen in ihren Häusern und Gemeinden angegriffen werden würden und dass diese Angriffe „vom Abschlagen des Kopfes bis zum Zerstückeln von Gliedmaßen reichen werden“ (HRW, 25. Oktober 2021).

Die Vereinten Nationen berichteten am 28. Jänner 2022, dass Angriffe, die vom ISKP durchgeführt oder ihm zugeschrieben werden, zugenommen haben. Zudem haben sich die Angriffe über die Grenzen der bisherigen Angriffsziele Kabul und Ostafghanistan hinaus ausgeweitet. Zwischen dem 19. August und dem 31. Dezember verzeichnete die UN 152 Angriffe durch den ISKP in 16 Provinzen im Vergleich zu 20 Angriffen in 5 Provinzen im selben Zeitraum 2020 (UNGA, 28. Jänner 2022, S. 5).

Die Jamestown Foundation wies im März 2022 auf eine massive Medienkampagne des ISKP gegen die Taliban hin. Ziel der Kampagne sei es, die Taliban als Regierungsorgan zu delegitimieren und als religiöse Autorität zu diskreditieren. Im Mittelpunkt dieser Bemühungen steht die Darstellung, dass sich die Taliban als eine einst fromme und ehrenwerte Bewegung vom Islam entfernte, moralisch korrumpiert wurde und ihre Gründungsprinzipien verraten habe. (JF, 11. März 2022)

Der UNO-Menschenrechtsrat berichtete im März 2022 von glaubwürdigen Hinweisen, die UNAMA/OHCHR seit August 2021 erhalten hatten und die auf die Tötung von mehr als 50 Personen, die der Zugehörigkeit zum ISKP verdächtigt wurden, hinweisen. Dabei handelte es sich bei etwa 35 um außergerichtliche Tötungen, die den Taliban- Behörden zugeschrieben werden. (HRC, 4. März 2022, S. 6)

3.3 Nationale Widerstandsfront von Afghanistan (NRF)

Das DIS schreibt, dass Anhänger der ehemaligen afghanischen Regierung und lokale Milizen im Pandschschir-Tal unter der Führung des ehemaligen Vizepräsidenten Afghanistans, Amrullah Saleh und Ahmad Massoud, die Nationale Widerstandsfront (NRF) gebildet haben. Vor der Eroberung von Pandschschir durch die Taliban soll die NRF aus mehreren tausend Mann bestanden haben und mit Ausrüstung der afghanischen Armee ausgestattet gewesen sein. In den Tagen nach der Einnahme von Pandschschir durch die Taliban hat Massoud geschworen, dass die NRF den Widerstand gegen die Taliban fortsetzen wird (DIS, September 2021, S. 12).

Die Vereinten Nationen berichten, dass diverse Oppositionsfiguren die Gründung von Widerstandskräften sowie von Gremien zur Koordinierung der lokalen Verteidigungsbewegungen verkündeten, was durch viele Parlamentarier, Provinzräte, Volksälteste und religiöse Führer unterstützt wurde. Nach der Einnahme Kabuls am 15. August hat der ehemalige Vizepräsident Amrullah Saleh Afghan·innen über soziale Medien dazu aufgefordert, sich dem Widerstand anzuschließen, und sich selbst zum verfassungsgemäßen Übergangspräsidenten erklärt (UNGA, 2. September 2021, S. 2-3).

BBC berichtet, die Taliban haben am 7. September verkündet, das Pandschschirtal, welches in den Händen der NRF gewesen ist, eingenommen zu haben. Es war die letzte Region, die sich der Taliban-Kontrolle noch widersetzt hat. Die NRF, geführt von Ahmed Shah Massouds Sohn, habe verkündet, dass sie weiterkämpfen wird (BBC, 10. September 2021).

Laut einem Interview von France24 mit Ali Maisam Nazary, dem Leiter der Nationalen Widerstandsfront von Afghanistan (NRF) sei die nordöstliche Region Pandschschir von der neuen Taliban-Regierung noch nicht besiegt worden und der Widerstand werde fortgesetzt. Seinen Aussagen zufolge habe die NRF die Kontrolle über die Hälfte der Panschschir-Region inne (France24, 5. Oktober 2021). Voice of America berichtet, dass offizielle US-Stellen bestätigt haben, dass die NRF die Berechtigung erhalten habe, einen Standort in den USA zu eröffnen, um von dort aus politische Lobby-Arbeit zu betreiben. Dem Bericht zufolge hat die NRF ausgesagt, Basen in gebirgigen Regionen des Pandschschir-Tals errichtet zu haben. Diese Aussagen wurden von Taliban-Vertretern dementiert, die behaupten, dass keine NRF-Köpfe mehr in Afghanistan sind (VOA, 1. November 2021)[xxxviii].

4. Quellen

(Zugriff auf alle Quellen 7. April 2022, wenn nicht anders angegeben)


[i] Das Afghanistan Analysts Network (AAN) ist eine unabhängige, gemeinnützige Forschungsorganisation mit Hauptsitz in Kabul.

[ii] Die International Crisis Group (ICG), gegründet 1995 und ansässig in Brüssel, ist eine transnationale, unabhängige Nonprofit-Organisation, die durch feldbasierte Analysen und Fürsprache auf hoher Ebene daran arbeitet, tödliche Konflikte zu vermeiden, mildern oder lösen.

[iii] Die UNO-Generalversammlung (UN General Assembly, UNGA) ist die Vollversammlung der Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen.

[iv] Das Danish Immigration Service (DIS) ist die in Dänemark für Einwanderung, Einreise und Aufenthalt von Ausländer·innen zuständige Behörde des Ministeriums für Einwanderung und Integration.

[v] Human Rights Watch (HRW) ist eine internationale Nichtregierungsorganisation mit Sitz in New York City, die sich für den weltweiten Schutz der Menschenrechte einsetzt.

[vi] Das Armed Conflict Location & Event Data Project (ACLED) sammelt, analysiert und kartiert Informationen zu Krisen und Konflikten in Afrika, Süd- und Südostasien und im Nahen Osten und stellt Datensätze zu konfliktbezogenen Vorfällen bereit.

[vii] Das Büro des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen (UNHCR) ist eine Behörde der Vereinten Nationen mit dem Mandat zum Schutz und zur Unterstützung von Flüchtlingen und zur Hilfestellung bei freiwilliger Rückkehr, lokaler Integration und Neuansiedelung in einem Drittland.

[viii] Die British Broadcasting Corporation (BBC) ist eine britische öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt mit Hauptsitz in London.

[ix] Das Department of Foreign Affairs and Trade (DFAT) ist das Außenministerium Australiens. Sein Ziel ist die Förderung und der Schutz der internationalen Interessen Australiens mit Blick auf die Sicherheit und den Wohlstand des Landes.

[x] Die Jamestown Foundation (JF) ist eine unabhängige, unparteiische und gemeinnützige Organisation mit Sitz in Washington, D.C., die Informationen zu Terrorismus, den ehemaligen Sowjetrepubliken, Tschetschenien, China und Nordkorea zur Verfügung stellt.

[xi] Radio Free Europe/Radio Liberty (RFE/RL) ist eine Rundfunkanstalt, die 1949 von der amerikanischen antikommunistischen Organisation National Committee for a Free Europe gegründet wurde und vom US-Kongress finanziert wird. Sie liefert Nachrichten aus Ländern in Osteuropa, Zentralasien und dem Nahen Osten.

[xii] Der Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen (UN Human Rights Council (HRC), ehemals bekannt als UN Commission on Human Rights bzw. Menschenrechtskommission der Vereinten Nationen), ist ein zwischenstaatliches Gremium innerhalb der Vereinten Nationen, das sich für die Förderung und den Schutz der Menschenrechte weltweit einsetzt.

[xiii] Die parlamentarische Versammlung des Europarates (CoE-PACE) ist eine interparlamentarische Organisation, die aus 318 Delegierten aus den Parlamenten der Mitgliedstaaten besteht und sich mit Demokratie, Menschenrechten und politischen, wirtschaftlichen und sozialen Themen befasst.

[xiv] Das norwegische Zentrum für Herkunftslandinformationen Landinfo ist eine unabhängige Einrichtung innerhalb der norwegischen Einwanderungsbehörden, die verschiedenen Akteuren innerhalb der norwegischen Einwanderungsbehörden COI-Dienste zur Verfügung stellt.

[xv] Der Forschungsdienst des US-Kongresses (Congressional Research Service, CRS) ist eine Forschungseinrichtung für öffentliche Angelegenheiten.

[xvi] swisspeace ist ein unabhängiges Institut zur Friedensforschung mit Sitz in Basel.

[xvii] Insecurity Insight erforscht Bedrohungen, denen Menschen ausgesetzt sind, die in gefährlichen Umgebungen leben und arbeiten. Die Datenerhebungs- und Analysemethoden der Organisation liefern Erkenntnisse, die für Entwicklungshelfer·innen, Hilfsorganisationen und alle, die sich mit dem Schutz von Gesundheitspersonal, Pädagog·innen, Binnenvertriebenen und Flüchtlingen befassen, relevant sind.

[xviii] Amnesty International (AI) ist eine internationale regierungsunabhängige Menschenrechtsorganisation mit Hauptsitz in London.

[xix] Die Afghanistan Independent Human Rights Commission (AIHRC) ist eine nationale Menschenrechtsorganisation in Afghanistan, die sich der Verbreitung, Wahrung und Kontrolle von Menschenrechten und der Untersuchung von Menschenrechtsverletzungen widmet.

[xx] Das Hohe Kommissariat der Vereinten Nationen für Menschenrechte (OHCHR) ist eine Abteilung des Sekretariats der Vereinten Nationen mit dem Auftrag, Menschenrechte zu fördern und zu schützen sowie Menschenrechtsverletzungen zu verhindern.

[xxi] Die Internationale Föderation für Menschenrechte (Fédération internationale des ligues des droits de l'Homme, FIDH) ist ein Dachverband von Menschenrechts-NGOs.

[xxii] Jurist ist eine Online-Plattform für rechtliche Nachrichten und Kommentare. Dahinter steht ein Team von etwa 50 Studierenden der Rechtwissenschaften, Redakteur·innen, Kommentator·innen, Designer·innen und Entwickler·innen aus 12 Rechtsfakultäten in den USA, im Vereinigten Königreich und in Indien. Die Plattform wird in Zusammenarbeit mit der University of Pittsburgh School of Law in Pittsburgh, Pennsylvania, in den USA betrieben.

[xxiii] Associated Press News (AP) ist eine Nachrichtenagentur mit Sitz in New York.

[xxiv] Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) ist die für die Durchführung von Asylverfahren und die Zuerkennung des Flüchtlingsschutzes zuständige Bundesbehörde Deutschlands. Das BAMF koordiniert außerdem die Integrationsförderung und betreibt darüber hinaus Forschung im Bereich der Migration.

[xxv] The Inter Press Service – News Agency (IPS) ist eine weltweit tätige, nichtstaatliche Nachrichtenagentur ohne Erwerbszweck, die sich schwerpunktmäßig mit Fragen der Entwicklung, der Globalisierung, der Menschenrechte und der Umwelt befasst.

[xxvi] Reuters ist eine internationale Nachrichtenagentur mit Sitz in London.

[xxvii] Al Jazeera ist ein in Qatar ansässiger arabischer Nachrichtensender.

[xxviii] Die Unterstützungsmission der Vereinten Nationen in Afghanistan (UN Assistance Mission in Afghanistan, UNAMA) ist eine politische Mission der Vereinten Nationen, welche auf der am 28. März 2002 vom UNO-Sicherheitsrat beschlossenen Resolution 1401 basiert.

[xxix] Die Khaama Press News Agency (KP) ist eine afghanische Online-Nachrichtenagentur.

[xxx] ABC News ist der öffentlich-rechtliche Rundfunksender Australiens.

[xxxi] Reporters Sans Frontières (RSF) (Deutsch: Reporter ohne Grenzen) ist eine in Paris ansässige internationale Nichtregierungsorganisation, die sich mittels Berichterstattung zu Verletzungen der Pressefreiheit für den Schutz der Meinungsfreiheit einsetzt.

[xxxii] Das Committee to Protect Journalists (CPJ) ist ein Komitee von NGOs mit Sitz in den USA zum Schutz von Journalist·innen.

[xxxiii] France24 ist ein internationaler Nachrichtensender im Maghreb und in den französischsprachigen Ländern Afrikas.

[xxxiv] Das US Department of State (USDOS) ist das Außenministerium der Vereinigten Staaten von Amerika.

[xxxv] Giustozzi, Antonio hat einen PhD von der London School of Economics and Political Science und ist Senior Research Fellow am Royal United Services Institute sowie Gastprofessor am King’s College London. Er ist spezialisiert auf Afghanistan, Pakistan und politische Unruhen.

[xxxvi] Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen (UNSC), eines der sechs Hauptorgane der UNO, ist dafür verantwortlich, Frieden und internationale Sicherheit aufrechtzuerhalten. Der UNSC veröffentlicht regelmäßig Berichte über ihre internationalen Missionen und weltweiten Entwicklungen, die Politik, Sicherheit, Menschenreche etc. betreffen.

[xxxvii] Christian Solidarity Worldwide (CSW) ist eine christliche Advocacy-Organisation, die weltweit für Religionsfreiheit eintritt und in Sachen Religionsfreiheit auf Regierungen einzuwirken.

[xxxviii] Voice of America (VOA) ist der offizielle staatliche Auslandssender der USA

Dieses Themendossier beruht auf einer zeitlich begrenzten Recherche. Es ist als Einstieg in bzw. Überblick über ein Thema gedacht und stellt keine Meinung zum Inhalt eines Ansuchens um Asyl oder anderen internationalen Schutz dar. Alle Übersetzungen sind Arbeitsübersetzungen für die keine Gewähr übernommen werden kann. Chronologien stellen keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Jede Aussage wird mit einem Link zum entsprechenden Dokument referenziert.

Associated documents