Amnesty International Report 2021/22; Zur weltweiten Lage der Menschenrechte; Vereinigte Arabische Emirate 2021

Amtliche Bezeichnung

Vereinigte Arabische Emirate

STAATSOBERHAUPT

Khalifa bin Zayed Al Nahyan

STAATS- UND REGIERUNGSCHEF_IN

Mohammed bin Rashed Al Maktoum

Stand:

1|2022

Berichtszeitraum: 1. Januar 2021 bis 31. Dezember 2021

Die staatlichen Stellen begingen weiterhin schwere Menschenrechtsverletzungen, darunter willkürliche Inhaftierungen, grausame und unmenschliche Behandlung von Gefangenen, Unterdrückung des Rechts auf freie Meinungsäußerung und Verletzung des Rechts auf Privatsphäre. Das Recht auf Gesundheit wurde teilweise erfüllt. Die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) verweigerten staatenlosen Personen weiterhin das Recht auf Staatsangehörigkeit, was ihren Zugang zu einer Reihe von Dienstleistungen beeinträchtigte. Gerichte fällten Todesurteile, und es gab Berichte über Hinrichtungen.

Hintergrund

Im Januar 2021 kündigten die VAE an, die Wirtschafts- und Reiseblockade gegen Katar zu beenden, und nahmen in den folgenden Monaten die Handelsbeziehungen wieder auf. Die VAE waren weiterhin als Partei am bewaffneten Konflikt im Jemen beteiligt, in dem schwere Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht und die internationalen Menschenrechtsnormen verübt wurden (siehe Länderkapitel Jemen). Die VAE beteiligten sich zudem weiterhin an dem Konflikt in Libyen , indem sie die selbst ernannten Libysch-Arabischen Streitkräfte (auch bekannt als Libysche Nationalarmee) unterstützten, die gegen das humanitäre Völkerrecht und die internationalen Menschenrechtsnormen verstießen (siehe Länderkapitel Libyen). Nach dem umstrittenen Abkommen des Vorjahres erreichte der Handel der VAE mit Israel einen Wert von über 500 Millionen US-Dollar.

Willkürliche Inhaftierung

Die Behörden der VAE hielten weiterhin emiratische und ausländische Staatsangehörige willkürlich in Haft. Im Januar 2021 überführten die Behörden den willkürlich inhaftierten syrischen Staatsangehörigen Abdel Rahman al-Nahhass in das al-Wathba-Gefängnis im Emirat Abu Dhabi, nachdem sie ihn 13 Monate lang ohne Kontakt zur Außenwelt an einem unbekannten Ort in Untersuchungshaft gehalten hatten. Die Staatsanwaltschaft und der von der Regierung beauftragte Anwalt von Abdel Rahman al-Nahhass weigerten sich, seiner Familie die Anklage schriftlich vorzulegen.

Es wurden weiterhin Gefangene über den Ablauf ihrer Haftzeit hinaus willkürlich festgehalten, und zwar auf der Grundlage von nicht anfechtbaren Gerichtsbeschlüssen im Rahmen des Anti-Extremismus-Gesetzes. Vier von elf dieser Gefangenen wurden im April 2021 im Rahmen einer Amnestie während des Ramadan begnadigt: Faisal Ali al-Shehhi (drei Jahre und elf Monate nach Ablauf der Strafe), Ahmed al-Molla (drei Jahre und elf Monate), Saeed Abdullah al-Buraimi (drei Jahre und einen Monat) und Mansoor Hassan al-Ahmedi (ein Jahr und fünf Monate). Die anderen sieben Gefangenen blieben in Haft, obwohl sie ihre Strafe bereits verbüßt hatten.

Grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung

Grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung blieb in den Gefängnissen an der Tagesordnung. Der Menschenrechtsverteidiger Ahmed Mansoor befindet sich seit 2017 in Einzelhaft. Er hat abgesehen von zwei dünnen, schmutzigen Decken kein Bettzeug und verfügt nicht über angemessene persönliche Hygieneartikel. Im September 2021 forderte das Europäische Parlament die VAE auf, Ahmed Mansoors grausame und unmenschliche Behandlung zu beenden.

Während einer in diesem Ausmaß seltenen Aktion nahmen die Behörden vom 24. auf den 25. Juni 2021 mindestens 375 afrikanische Arbeitsmigrant_innen willkürlich fest und brachten sie über Nacht in das Gefängnis von al-Wathba. Sie wurden bis zu sechs Wochen lang ohne Kontakt zur Außenwelt in überfüllten Zellen ohne ausreichende Betten oder Toiletten festgehalten und später ohne ordnungsgemäßes Verfahren oder Rechtsbeistand abgeschoben. Polizei und Wachpersonal misshandelten mindestens 18 dieser Inhaftierten, unter anderem verbal mit rassistischen Beleidigungen und indem sie sie zwangen, sich auszuziehen. Die Polizei schlug Personen, die sich der Festnahme widersetzten, und setzte Taser ein. Weibliche Häftlinge, die Nahrung verweigerten, mussten eine Woche lang Fußfesseln tragen. Gefangenen, die abgeschoben werden sollten, wurde ihr Eigentum abgenommen, einschließlich ihrer Ausweispapiere.

Recht auf freie Meinungsäußerung

Die Regierung schränkte weiterhin das Recht auf freie Meinungsäußerung ein. Mindestens 26 Gefangene befanden sich weiterhin in Haft, weil sie friedlich ihre politische Meinung geäußert hatten.

Auf der Website der Regierung zur "Durchsetzung der Gesetze zur Eindämmung von Covid-19" wurde weiterhin davor gewarnt, dass die Veröffentlichung von "Gerüchten", "Fake News" und "falschen" oder "irreführenden gesundheitsbezogenen Informationen" strafbar sei.

Im Juni 2021 kündigte die Regierung an, dass die Regulierung der Medien teilweise vom Nationalen Medienrat auf eine neue Behörde – die dem Ministerium für Kultur und Jugend unterstellte Medienaufsichtsbehörde – übertragen werden soll. Als Nichtregierungsorganisationen und Journalist_innen über die willkürliche Inhaftierung Hunderter afrikanischer Staatsangehöriger berichteten, forderte das Innenministerium die Medien auf, "keine Informationen mehr zu verbreiten, die nicht vorab von den zuständigen Behörden veröffentlicht worden waren".

Im April 2021 verurteilte ein Gericht die Gefangenen Maryam al-Balushi und Amina al-Abdouli zu drei weiteren Jahren Haft wegen "Veröffentlichung von Informationen, welche die öffentliche Ordnung stören". Die beiden Frauen hatten Tonaufnahmen ihrer Beschwerden über ihre Haftbedingungen veröffentlicht.

Recht auf Privatsphäre

Im Juli 2021 wurde bekannt, dass die VAE als eines von elf Ländern die Spionagesoftware Pegasus des israelischen Unternehmens NSO Group in Anspruch genommen hatte. Amnesty International führte gemeinsam mit der NGO Forbidden Stories im Rahmen des Pegasus-Projekts hochmoderne forensische Tests an Mobiltelefonen durch, um Spuren der Pegasus-Spionagesoftware nachzuweisen. Dabei wurde festgestellt, dass Pegasus verwendet wurde, um das Telefon von David Haigh zu überwachen, einem britischen Staatsbürger, der mit Sheikha Latifa in Kontakt stand. Sie ist eine Tochter des Herrschers von Dubai und war von indischen und emiratischen Kommandos auf See gefangen genommen worden, als sie im März 2018 versuchte, aus den VAE zu fliehen.

Im Mai 2021 stellte die Familienabteilung des britischen Hohen Gerichts (High Court of Justice) fest, dass der emiratische Ministerpräsident die NSO Group beauftragt hatte, die Endgeräte seiner Ex-Frau und ihrer beiden Rechtsbeistände im Vereinigten Königreich zu hacken. Im September bestätigte die Forschungsorganisation Citizen Lab, dass die Spionagesoftware der NSO Group gegen den emiratischen Dissidenten Alaa al-Siddiq eingesetzt worden war, der im Juni 2021 bei einem Autounfall im Vereinigten Königreich ums Leben kam.

Recht auf Gesundheit

Die VAE stellten 2021 eine umfassende Auswahl an Impfstoffen gegen Covid-19 zur Verfügung. Dieses kostenlose Impfangebot wurde emiratischen Staatsangehörigen und Arbeitsmigrant_innen mit gültigen emiratischen Ausweisen gemacht. Bis Juni 2021 waren allerdings Personen mit abgelaufenen Ausweispapieren von der Impfung ausgeschlossen, wodurch Migrant_innen mit abgelaufenem Visum sowie Staatenlose keinen Zugang zu den Impfstoffen bekamen. Im Juni weitete die Regierung den Anspruch auf kostenlose Impfungen auf alle Einwohner_innen aus, auch auf Personen mit abgelaufenen Dokumenten.

Diskriminierung

Die schätzungsweise 20.000 bis 100.000 in den VAE geborenen staatenlosen Personen hatten weiterhin nicht dieselben Rechte wie emiratische Staatsangehörige, die staatlich subventionierte Leistungen in Anspruch nehmen konnten, darunter Zugang zu Gesundheitsversorgung, Wohnraum und höherer Bildung. Auch konnten sie sich nicht auf Arbeitsplätze im öffentlichen Dienst bewerben. Um Zugang zu diesen Leistungen zu erhalten, musste die Staatsbürgerschaft nachgewiesen werden, die diesem Personenkreis jedoch nach wie vor verweigert wurde. Staatenlose Personen haben erst seit Juni 2021 – sechs Monate nach Beginn der Kampagne – Anspruch auf eine Impfung gegen Covid-19.

Klimakrise

Die VAE setzten sich für eine Rücknahme der von den weltweiten Ölproduzenten während der Pandemie vereinbarten Drosselung der Ölförderung ein. Damit wollten die Emirate eigene Marktanteile zurückzugewinnen, die sie aufgrund des geringeren Erdölverbrauchs im Jahr 2020 verloren hatten. Eine solche Ausweitung der Produktion steht im Widerspruch zu den Schlussfolgerungen der von den Vereinten Nationen geförderten Forschung, wonach die Länder ihre Ölproduktion stetig senken müssen, um die Klimaziele des Pariser Abkommens zu erreichen, dem die VAE beigetreten sind.

Sexuelle und reproduktive Rechte

2021 war das erste Jahr, in dem Paragraf 356 des Strafgesetzbuchs einvernehmliche sexuelle Handlungen nicht mehr kriminalisierte. Eine vage Formulierung, die "skandalöse Handlungen, die das Schamgefühl verletzen" unter Strafe stellt, blieb jedoch in Paragraf 358 festgeschrieben. Anders als im Vorjahr gab es 2021 keine dokumentierten strafrechtlichen Ermittlungen wegen einvernehmlicher sexueller Handlungen.

Todesstrafe

Gerichte verhängten 2021 weiterhin neue Todesurteile, vor allem gegen ausländische Staatsangehörige wegen Gewaltverbrechen. Es gab Berichte über Hinrichtungen.

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