Amnesty International Report 2021/22; Zur weltweiten Lage der Menschenrechte; Korea (Nord) 2021

Amtliche Bezeichnung

Demokratische Volksrepublik Korea

STAATSOBERHAUPT

Kim Jong-un

STAATS- UND REGIERUNGSCHEF_IN

Kim Tok-hun

Stand:

1|2022

Berichtszeitraum: 1. Januar 2021 bis 31. Dezember 2021

Im Zuge von Coronamaßnahmen schränkte die Regierung das Recht auf Freizügigkeit nahezu vollständig ein, dies galt nicht nur für Reisen ins Ausland, sondern auch im Inland. Der großflächige Mangel an Medikamenten und Lebensmitteln beeinträchtigte das Recht auf Gesundheit. Das Recht auf freie Meinungsäußerung sowie andere Menschenrechte blieben massiv eingeschränkt. Die Regierung beteiligte sich vermehrt an internationalen Foren, indem sie Vertreter_innen zu globalen Veranstaltungen entsandte, insbesondere solche, die wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte betrafen.

Hintergrund

Nordkorea blieb 2021 de facto vom Rest der Welt abgeschnitten, nachdem die Regierung immer drakonischere Beschränkungen verhängt hatte, die vorgeblich der Pandemiebekämpfung dienten. Aufgrund der Pandemie nahm das Land auch nicht an den Olympischen Spielen in Japan teil.

Trotz der weiterhin bestehenden strengen Wirtschaftssanktionen und UN-Verbote testete Nordkorea weiterhin Raketen und feuerte im September einen Langstrecken-Marschflugkörper und im Oktober U-Boot-gestützte ballistische Raketen ab. Die Beziehungen zu Südkorea blieben angespannt.

Die bereits bestehende Lebensmittelknappheit wurde durch ungewöhnlich hohe Temperaturen im Juli und schwere Überschwemmungen in der Provinz Süd-Hamgyong im August noch verschärft. Unterernährung stellte weiterhin ein Problem dar.

Recht auf Freizügigkeit

Nordkorea war das gesamte Jahr über faktisch von der Außenwelt abgeschnitten. Die Regierung hielt das zweite Jahr in Folge alle Grenzen geschlossen, um eine Ausbreitung des Coronavirus zu verhindern. Der Zugverkehr zwischen Nordkorea und China war sowohl für Personenzüge als auch für den Gütertransport eingestellt.

Die Grenzschutzmaßnahmen an der langen Landgrenze Nordkoreas zu China waren nach wie vor sehr streng. Dem Grenzschutz war es weiterhin erlaubt, jede Person "bedingungslos" zu erschießen, die versuchte, die Grenze ohne Genehmigung zu überqueren.

Im Laufe des Jahres gelangten mindestens 63 Nordkoreaner_innen (23 Frauen, 40 Männer) nach Südkorea. Dies war die niedrigste Zahl seit dem Jahr 2003, als entsprechende Zahlen erstmals verfügbar waren.

Inlandsreisen wurden aufgrund der Coronapandemie noch schwieriger. Zusätzlich zu den bereits bestehenden Auflagen waren für Reisen zwischen den Provinzen Sondergenehmigungen erforderlich.

Recht auf Gesundheit

Laut den regulären Statistiken, die die Regierung der WHO vorlegte, gab es 2021 weder Infektionen noch Todesfälle in Zusammenhang mit dem Coronavirus. Im Gegensatz dazu berichteten inoffizielle Quellen über eine hohe Zahl von Infektionen und Toten sowie über Einäscherungen, die stattfanden, bevor die Todesursache ermittelt werden konnte. Die tatsächliche Situation blieb unklar.

Die COVAX-Initiative der Weltgesundheitsorganisation bot Nordkorea wiederholt Impfstofflieferungen an. Ein erstes Angebot von 2 Mio. Dosen wurde im März 2021 offenbar aus Angst vor möglichen Nebenwirkungen abgelehnt. Die nordkoreanische Führung verwies zudem darauf, dass andere Länder die Impfstoffe dringender benötigten. Im November bot die COVAX-Initiative mehr als 4 Mio. Dosen an. Nach Angaben der WHO war Nordkorea im November eines von nur zwei Ländern weltweit, in denen kein Impfprogramm durchgeführt wurde.

Die von der Regierung verhängten Coronamaßnahmen führten dazu, dass Familien mehrere Wochen lang zu Hause in Quarantäne bleiben mussten, ohne dass die Behörden ihnen halfen, sich angemessen mit Lebensmitteln zu versorgen.

Aufgrund der Grenzschließungen und der Sanktionen waren Medikamente noch knapper als bereits zuvor. Die WHO und das Kinderhilfswerk UNICEF erhielten die Erlaubnis, einige Medikamente nach Nordkorea zu liefern.

Das nationale Gesundheitssystem war nach wie vor schwach und konnte die Gesundheitsversorgung der Bevölkerung nicht gewährleisten. Berichten zufolge konsumierten Menschen trotz Strafandrohungen der Regierung illegale Drogen wie Methamphetamine und Opium, um chronische Schmerzen zu lindern.

Rechte auf Nahrung, Wasser und Sanitärversorgung

Die Nahrungsmittelknappheit war weiterhin ein großes Problem, das sich durch die Grenzschließungen und extreme Wetterereignisse noch verschärfte. Im Juni 2021 räumte Staatschef Kim Jong-un ein, dass es Schwierigkeiten gebe, die für die Getreideproduktion ausgegebenen Ziele zu erreichen.

Aufgrund der Schließung der Grenzen und der Unterbrechung aller Zugverbindungen mit China wurden Berichten zufolge keine Lebensmittel mehr importiert, weder über den von der Regierung kontrollierten Handel noch über den inoffiziellen "grauen" Markt. In einigen Gebieten verdreifachten sich die Preise für Grundnahrungsmittel wie Reis, Mais und Öl.

Nach Angaben des UNICEF-Berichts über die Ernährungssituation von Kindern 2021 litt fast jedes fünfte nordkoreanische Kind unter mäßigem bis schwerem Wachstumsrückstand. Dies stellte zwar eine Verbesserung gegenüber den Vorjahren dar, doch bestand die Gefahr, dass die Lebensmittelknappheit diesen Trend wieder umkehren könnte.

Unterdrückung Andersdenkender

Das Recht auf freie Meinungsäußerung, einschließlich offener Kritik an den Behörden und der Staatsführung, existierte nicht. Im Oktober 2021 berichtete der UN-Sonderberichterstatter über die Menschenrechtssituation in der Demokratischen Volksrepublik Korea, dass "weithin bekannt ist, dass jeder, der als politische Bedrohung für das derzeitige politische System und die Führung angesehen wird, weiterhin in Kwanliso (Straflager für politische Gefangene) eingewiesen wird".

Personen, die gegen das im Dezember 2020 erlassene Gesetz zur Bekämpfung reaktionären Gedanken- und Kulturguts verstießen, wurden schwer bestraft, u. a. mit jahrelanger Haft in Lagern zur "Umerziehung durch Arbeit". Das Gesetz bestrafte Personen, die sich mit "illegaler ausländischer Kultur" befassten, wie z. B. südkoreanischen Theaterstücken, Filmen und Liedern. Unbestätigten Berichten zufolge wurden mehrere Personen hingerichtet, weil sie Filme und andere Kulturerzeugnisse aus dem Ausland angesehen und verbreitet hatten. Den Angaben zufolge wurden weiterhin in großem Umfang Todesurteile verhängt und vollstreckt.

Die Zahl der Mobilfunknutzer_innen stieg auf 6 Mio. (bei einer Bevölkerung von etwa 25 Mio.). Die Behörden verstärkten die Überwachung, insbesondere in den Grenzgebieten, um Personen ausfindig zu machen, die chinesische und andere internationale Mobilfunkdienste nutzten, um Auslandsgespräche zu tätigen, u. a. mit Menschen in Südkorea. Nur ein kleiner Teil der Führungselite hatte Zugang zum Internet.

Willkürliche Festnahmen und Inhaftierungen

Trotz mehrerer Berichte, denen zufolge die Menschenrechtsverletzungen in einigen Hafteinrichtungen teilweise zurückgegangen seien, wurden die Häftlinge offenbar weiterhin sehr schlecht behandelt.

Es gab nach wie vor Meldungen, dass Inhaftierte in den Hafteinrichtungen des Ministeriums für Staatssicherheit während der Vernehmungen verprügelt und in anderer Weise gefoltert oder misshandelt wurden. Die Haftbedingungen in den Einrichtungen des Ministeriums für Volkssicherheit waren weiterhin sehr schlecht. In Berichten war von Zwangsarbeit, unzureichender Nahrungsmittel- und Gesundheitsversorgung sowie von Beschimpfungen die Rede.

Straflager für politische Gefangene

Die Regierung leugnete weiterhin die Existenz von vier bekannten Straflagern für politische Gefangene (Kwanliso). Es wurde angenommen, dass dort bis zu 120.000 Gefangene festgehalten wurden und Zwangsarbeit, Folter oder anderen Misshandlungen ausgesetzt waren.

Wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte

Arbeitnehmer_innenrechte

Die Löhne in den staatlichen Fabriken waren nach wie vor sehr niedrig. Einige Beschäftigte in staatlichen Fabriken und anderen Unternehmen, in denen die Löhne nicht ausreichten, um die Lebenshaltungskosten zu decken, griffen auf die Bestechung von Staatsbediensteten zurück, um eine besser bezahlte Arbeit an anderer Stelle, auch in der Schattenwirtschaft, zu erhalten.

Recht auf freie Wahl des Arbeitsplatzes

Das System des "zugeschriebenen Status" (Songbun) blieb in Kraft und bestimmte die schulischen, politischen und beruflichen Möglichkeiten aller Nordkoreaner_innen. Kinder aus Bauernfamilien waren oft gezwungen, die Arbeit ihrer Eltern fortzuführen. Berichten zufolge versuchten einige Eltern, durch Bestechung oder Kontakte zu einflussreichen Personen zu erreichen, dass ihre Kinder andere Berufe ergreifen konnten als die ihnen zugewiesenen.

Kinderarbeit/Zwangsarbeit

Die staatlichen Medien behaupteten, dass sich Waisenkinder massenhaft "freiwillig" für unbeliebte und gefährliche körperliche Arbeit, u. a. im Bergbau, gemeldet hätten.

Internationale Zusammenarbeit

Nordkorea nahm an mehreren internationalen Foren teil, die wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte zum Thema hatten. Im Juli beteiligte sich das Land am Hochrangigen Politischen Forum der Vereinten Nationen zu nachhaltiger Entwicklung und legte zum ersten Mal einen freiwilligen nationalen Rechenschaftsbericht vor, in dem sich das Land verpflichtete, die Ziele für nachhaltige Entwicklung umzusetzen. Im November nahm Nordkorea an der UN-Weltklimakonferenz (COP26) teil.

Associated documents