Anfragebeantwortung zu Kolumbien: Gefährdungslage für Gewerkschafter·innen und soziale Aktivist·innen [a-11577-1]

25. Juni 2021

Das vorliegende Dokument beruht auf einer zeitlich begrenzten Recherche in öffentlich zugänglichen Dokumenten, die ACCORD derzeit zur Verfügung stehen sowie gegebenenfalls auf Auskünften von Expert·innen und wurde in Übereinstimmung mit den Standards von ACCORD und den Common EU Guidelines for processing Country of Origin Information (COI) erstellt.

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Kurzbeschreibungen zu den in dieser Anfragebeantwortung verwendeten Quellen sowie Ausschnitte mit Informationen aus diesen Quellen finden Sie im Anhang.

Auf der Seite des Internationalen Gewerkschaftsbunds (lGB), einem Dachverband nationaler Gewerkschaftsbünde, finden sich Informationen zu Gewerkschaftsrechten in Kolumbien sowie zur vorherrschenden Praxis und der Behandlung von Gewerkschaftsführern und –mitgliedern.

Ein Eintrag vom Jänner 2020 auf einer undatierten Übersicht berichtet beispielsweise über die Ermordung eines Gewerkschaftsführers aus der Landarbeiter- und Pendlergewerkschaft von Putumayo (SINTCAFROMAYO). Ein weiterer Eintrag vom Dezember 2019 meldet Folgendes:

Im Jahr 2019 meldete die CUT [Central Unitaria de Trabajadores] Kolumbien 12 Morde, 198 Morddrohungen, 11 Belästigungen, vier Attentate und eine gewaltsame Verschleppung, insgesamt also 226 Gewalttaten, die Arbeitnehmer und Gewerkschaftsführer direkt betrafen.“ (IGB, ohne Datum)

Freedom House erwähnt in seinem im März 2021 veröffentlichten Jahresbericht für das Jahr 2020, dass illegale bewaffnete Gruppierungen in den letzten 20 Jahren mehr als 2.600 Gewerkschaftsaktivist·innen und -anführer·innen getötet hätten. Die Tötungen seien seit ihrem Höhepunkt Anfang der 2000er-Jahre zwar in einem bedeutenden Ausmaß zurückgegangen, zwischen Jänner 2019 und März 2020 seien jedoch laut dem Internationalen Gewerkschaftsbund 14 Gewerkschafter·innen ermordet worden. Eine spezielle Einheit für Strafverfolgung habe die Strafverfolgung in solchen Mordfällen verstärkt, es habe jedoch wenige Ermittlungen gegeben, die auf die Auftraggeber der Morde abgezielt hätten. (Freedom House, 3. März 2021, E3)

Human Rights Watch (HRW) veröffentlicht im Februar 2021 einen Bericht zu Tötungen von Menschenrechtsaktivist·innen in abgelegenen Gemeinden, darunter Gewerkschafter·innen. HRW gibt an, dass das Büro der Hohen Kommissarin der Vereinten Nationen für Menschenrechte (OHCHR) mit Stand Dezember 2020 die Tötung von 421 Menschenrechtsaktivist·innen seit 2016 dokumentiert habe. Darunter seien zwölf Gewerkschafter·innen gewesen. (HRW, Februar 2021, S. 24)

Auf der Webseite der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), der Bildungsgewerkschaft im Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB), ist ein Interview vom Februar 2021 mit Martha Alfonso, der zweiten Vizepräsidentin des Dachverbands der kolumbianischen Bildungsgewerkschaften FECODE veröffentlicht. Darin gibt sie Folgendes an:

„E&W: Gewerkschaftsarbeit in Kolumbien ist gefährlich. Wie ist die Situation?

Alfonso: Seit September 2019 bekommen unsere Gewerkschaftssekretäre und -sekretärinnen erneut Morddrohungen. Ende 2020 hat ein Kollege eine sehr zynische Sendung bekommen: Er bekam Grabkerzen, Trauerkränze und Trauerflor. Darauf standen die Namen der Mitglieder des FECODE-Vorstands und des Präsidenten von Kolumbiens Gewerkschaftsdachverband geschrieben. Anschließend wurde unser Kollege angerufen und der Anrufer teilte ihm mit, dass er von den Aguilas Negras* (Anm.d.Red.: Die Aguilas Negras sind paramilitärische Gruppen, die sich seit der offiziellen Entwaffnung der rechtsgerichteten Paramilitärs (2005) an illegalen Aktivitäten, wie zum Beispiel der Drogenproduktion, beteiligen) sei. Unverhohlen drohte er mit unserer Ermordung.

Schon vor der Pandemie gab es Drohungen gegen die FECODE. Während des Lockdowns war es dann etwas ruhiger. Das Ende der Quarantäne im Juni 2020 haben wir genutzt, um auf die soziale Krise aufmerksam zu machen. Und dann begannen auch wieder die Kampagnen gegen die FECODE.

E&W: Wie laufen diese Kampagnen ab?

Marta Alfonso: Es ist immer das gleiche Muster: In den sozialen Netzwerken beginnt es mit Online-Kampagnen. Es gibt zum Beispiel den Hashtag ‚Nieder mit FECODE‘. Danach kommen Pamphlete, in denen Anschuldigungen gegen uns erhoben werden. Zuletzt kommt ein Anruf, eine SMS, eine E-Mail oder ein Brief. Mit diesen Drohungen sollen wir persönlich eingeschüchtert werden. Es geht dann um sehr konkrete Ereignisse: Was wir machen oder wo wir waren.

2005 hat die damalige rechtskonservative Regierung von Álvaro Uribe ein Abkommen mit den großen paramilitärischen Gruppen geschlossen. Sie sollten sich entwaffnen. Trotzdem gibt es viele kleine Gruppierungen. Wirklich kritisch ist, dass sich die Aguilas Negras häufig zugunsten des Ex-Präsidenten Uribe äußern. Da Uribe noch immer einen sehr großen Einfluss auf die aktuelle Regierung hat, gibt es also offensichtlich eine Beziehung zwischen den Drohungen gegen uns und der Regierung. Dem wird aber nicht nachgegangen. Die aktuelle Regierung verhindert die Morddrohungen nicht.

Die Regierung versucht, die Bildung weiter zu privatisieren. In der Öffentlichkeit bezeichnet sie dies als ‚Ende der Indoktrinierung durch FECODE‘. Damit wird Stimmung gegen uns gemacht. Es wird auch vermutet, dass die Aguilas Negras Verbindungen zum Militär haben. Das wäre nichts Neues, denn in unseren Berichten haben wir gezeigt: Dort, wo paramilitärische Gruppen sich ausbreiten und durch die Armee geschützt werden, sind auch Morde und Drohungen gegenüber sozialen Aktivistinnen und Aktivisten, Studierendenbewegungen und protestierenden Bäuerinnen und Bauern in die Höhe gegangen. Nehmen wir das Beispiel eines Kommandanten aus der Provinz Antioquia. Dort gab es Massaker und Morde. Dann wurde er an einen anderen Stützpunkt versetzt. Zwei oder drei Jahre später gab es auch dort Massaker.“ (GEW, 23. Februar 2021)

Das US-Außenministerium schreibt in seinem im März 2021 veröffentlichten Jahresbericht zur Menschenrechtslage im Jahr 2020, dass die Regierung die gültigen Gesetze nicht konsistent umgesetzt habe. Strukturelle Probleme hätten sich negativ auf die Strafverfolgung ausgewirkt, was dazu geführt habe, dass Verstöße gegen das Recht auf Vereinigungsfreiheit und Tarifverhandlungen weiterhin in hohem Maße straffrei geblieben seien, auch bei Drohungen und Gewalt gegen Gewerkschafter·innen. Die Regierung habe weiterhin aktive Aktivist·innen, die sich um die Gründung einer Gewerkschaft bemüht hätten, wie auch ehemalige Gewerkschafter·innen, die wegen vergangener Aktivitäten bedroht seien, in ihr Schutzprogramm aufgenommen. Mit Stand August 2020 habe die nationale Schutzeinheit der Polizei (NPU) 301 Gewerkschaftsführer·innen oder -mitgliedern Schutz zur Verfügung gestellt. Weniger als ein Prozent des Budgets der NPU sei dem Schutz von Gewerkschafter·innen gewidmet worden. Zwischen 1. Jänner und 31. Juli 2020 habe die NPU 193 Risikobewertungen von Gewerkschaftsführer·innen oder -mitgliedern durchgeführt. Bei 150 dieser Personen sei ein „außerordentliches Risiko“ festgestellt worden und die NPU habe ihnen Schutzmaßnahmen zur Verfügung gestellt. Die NPU habe berichtet, dass die durchschnittliche Zeit für die Implementierung von Schutzmaßnahmen nach Abschluss einer Risikoanalyse in regulären Fällen 60 Tage sei, in Notfällen fünf bis sechs Tage. NGOs hätten sich beklagt, dass dieser große Zeitraum bedrohte Gewerkschafter·innen in Gefahr gebracht habe.

Was die Tötung von Gewerkschafter·innen in den vorangegangenen Jahren anlange, so sei das Tempo der Ermittlungen und der Verurteilungen weiterhin langsam und die Straflosigkeit groß gewesen, obwohl es Fortschritte bei der Aufklärungsrate gegeben habe. Die Generalstaatsanwaltschaft habe angegeben, dass 217 Fälle von Tötungen von Gewerkschafter·innen zwischen Jänner 2011 und Juli 2020 bei ihr eingegangen seien. Zwischen Jänner 2011 und August 2016 habe es 20 Verurteilungen wegen Tötungen gegeben, zwischen September 2016 und Juli 2020 habe eine „Elitegruppe“, die im Rahmen einer nationalen Strategie zur Priorisierung von Fällen von Tötungsdelikten an Gewerkschaftern arbeite, 40 Verurteilungen erreicht. Gewerkschaftsgruppen hätten erklärt, dass mehr getan werden müsse, um gegen die Straflosigkeit bei Gewalt gegen Gewerkschafter·innen und gegen die große Zahl von Bedrohungsfällen vorzugehen.

Die Generalstaatsanwaltschaft habe über die Ermordung von acht Gewerkschafter·innen von Anfang bis Juli 2020 berichtet. Im Jahr 2019 habe die Generalstaatsanwaltschaft zehn getötete Gewerkschafter·innen gemeldet, im Jahr 2018 seien es 24 gewesen. Die Nationale Gewerkschaftsschule (National Union School, ENS), eine Nichtregierungsorganisation und Denkfabrik für Arbeitsrechte, habe berichtet, dass 14 Gewerkschafter·innen von Anfang bis August 2020 getötet worden seien. Die ENS und andere Gewerkschaftsgruppen hätten erklärt, dass die Fokussierung auf Tötungen allein die wahre Natur und das Ausmaß der Gewalt gegen aktive Gewerkschafter·innen verschleiere. Die Gewerkschaftsgruppen merkten an, dass in einigen Regionen die nicht-tödlichen Übergriffe weiter zugenommen hätten. Bis August 2020 habe ENS von 38 Todesdrohungen, neun nicht-tödlichen Angriffen, einem Fall von gewaltsamem Verschwindenlassen und sieben Fällen von Belästigung berichtet. Gewalt, Drohungen, Belästigungen und andere Praktiken gegen Gewerkschafter·innen hätten weiterhin die Ausübung des Rechts auf Vereinigungsfreiheit und Kollektivverhandlungen beeinträchtigt. (USDOS, 30. März 2021, Section 7a)

Im Folgenden finden Sie Informationen zur Gefährdungslage sozialer Aktivist·innen:

Deutschlandfunk Kultur, ein Hörfunkprogramm des Deutschlandradios, berichtet im Juli 2020 Folgendes:

In Kolumbien wütet – wie in vielen Ländern Lateinamerikas – Corona. Aber mehr als das Virus fürchten viele Menschen das, was sich klammheimlich im Schatten der Pandemie entwickelt. […] Die brutalen Morde an sozialen Aktivistinnen und Aktivisten haben in den letzten Monaten erschreckend zugenommen. Und das alles unter dem Radar der Öffentlichkeit, denn die Corona-Pandemie dominiert die Nachrichten. In den letzten Wochen haben sich Betroffene zu einem Marsch in die Hauptstadt Bogotá aufgemacht. […] Zum Marsch der Würde gehören Studenten, Menschenrechtsvertreter, Gewerkschafter und Führer der indigenen Gemeinschaften. Sie eint ein Ziel: dem Morden von Aktivisten ein Ende zu setzen, indigenen und sozial Benachteiligten ein menschenwürdiges Leben zu geben. […]

166 Aktivisten, sieben ihrer Familienangehörigen und 36 ehemalige FARC-Guerilleros wurden nach Angaben von Indepaz, dem Institut für Entwicklung und Frieden, bislang allein in diesem Jahr ermordet: praktisch einer jeden Tag. Wer sich in Kolumbien für Indigenen- und Menschenrechte, für soziale Belange engagiert oder als ehemaliger Guerillero für den Frieden entschieden hat, lebt gefährlich. Besonders betroffen sind die Regionen Cauca, Huila und Antioquia. Zuletzt haben die Morde drastisch zugenommen. Senator Ivan Cepeda vom Polo Democrático:

‚Einer Studie der Stiftung Frieden und Versöhnung zufolge hat die Gewalt gegen Aktivisten in Kolumbien während der Pandemie um 53 Prozent zugenommen. Da die Medien fast ausschließlich über die Pandemie berichten, findet diese makabre Entwicklung praktisch unbemerkt von der Öffentlichkeit statt.‘“ (Deutschlandfunk Kultur, 21. Juli 2020)

Das Leibniz-Institut Hessische Stiftung Friedens- und Konfliktforschung (HSFK) (Englisch: Peace Research Institute Frankfurt, PRIF) veröffentlicht im November 2020 auf seinem Blog einen Beitrag mehrerer Wissenschaftler zur Ermordung sozialer Aktivist·innen in Kolumbien. In dem Beitrag werden folgende Informationen zur Verfügung gestellt:

„Seit dem Abschluss des Friedensabkommens zwischen der kolumbianischen Regierung und der FARC-Guerrilla Ende 2016 sind die Morde an sozialen Aktivist*innen deutlich angestiegen. Daran hat sich auch unter den Bedingungen der COVID-19-Pandemie nichts geändert. Häufig wird diese Gewalt allein auf die Präsenz bewaffneter, nichtstaatlicher Akteure und deren Kampf um die Kontrolle illegaler Ökonomien zurückgeführt. Sie hat aber zugleich eine dezidiert politische Seite und spiegelt konkret die Funktionsweise lokaler autoritärer Ordnungen in Kolumbien. Diese politische Logik anzuerkennen, ist wichtig, um Gegenstrategien zu entwickeln.

Die exakten Zahlen sind umstritten, der Trend ist es nicht: Seit das historische Friedensabkommen zwischen dem kolumbianischen Staat und den Fuerzas Armadas Revolucionarias de Colombia (FARC) Ende 2016 in Kraft getreten ist, ist die Gewalt an sozialen Aktivist*innen angestiegen. Nach Angaben des nichtstaatlichen Instituto de Estudios Para el Desarrollo y la Paz (INDEPAZ) sprang die Zahl der ermordeten Aktivist*innen von 132 (2016) auf 208 (2017). In den Jahren 2018 und 2019 wurden 298 bzw. 279, im laufenden Jahr (bis 21. Oktober) bereits 237 Aktivist*innen ermordet.

Wenn in Kolumbien von líderes y lideresas sociales die Rede ist, ist ein breites Spektrum nicht-staatlicher Akteure gemeint: Repräsentant*innen lokaler Bürgerkomitees (Juntas de Acción Comunal), indigener, afrokolumbianischer und bäuerlicher Verbände sowie sozialer Bewegungen und Organisationen, die sich z.B. für Menschenrechte, Landreform oder die Umwelt engagieren. Die Gewalt trifft also just diejenigen, die insbesondere auf lokaler Ebene für die Belange und Rechte benachteiligter gesellschaftlicher Gruppen eintreten. Damit konterkarieren die Morde – und die Attacken und Drohungen gegen soziale Aktivist*innen im Allgemeinen – nicht nur grundsätzlich die Idee des Friedensprozesses, sie unterminieren auch ganz konkret die Umsetzung des Friedensabkommens von 2016. In Ergänzung zur Demobilisierung und Reintegration der FARC sah dieses insbesondere eine Reihe sozialer und politischer Reformen vor, über die ‚von unten‘, aus den vom Gewaltkonflikt betroffenen Regionen selbst und unter Beteiligung der lokalen Bevölkerung ein dauerhafter Frieden aufgebaut werden sollte. Diejenigen, die sich vor Ort für die Umsetzung dieser Reformen engagieren, werden nun aber zum Ziel der Gewalt. […]

Auf der Suche nach Erklärungen für die Gewaltwelle gegen soziale Aktivist*innen betonen sowohl Regierung als auch zahlreiche Beobachter*innen die Bedeutung illegaler Ökonomien und nichtstaatlicher bewaffneter Gruppen. […] Diese Erklärung erfasst einen wichtigen Teil des Phänomens, und ein besserer staatlicher Schutz bedrohter sozialer Führungspersönlichkeiten ist ohne Zweifel angezeigt. Der alleinige Fokus auf die Bedeutung illegaler Akteure und Strukturen ignoriert allerdings die dezidiert politischen Ursachen hinter der Gewalt gegen Aktivist*innen. Betrachtet man die nichtstaatlichen Gewaltakteure als bloße Unternehmer der Illegalität, die Einnahmen aus kriminellen Geschäften maximieren, gerät aus dem Blick, dass diese Gruppen in vielen Fällen über enge Verbindungen zu lokalen Eliten verfügen und Bestandteil lokaler soziopolitischer Ordnungen sind. In einer aktuellen, spanischsprachigen Studie argumentieren wir, dass sich die Gewalt gegen soziale Aktivist*innen zumindest teilweise auf die Funktionsweise faktisch autoritärer lokaler Ordnungen zurückführen lässt. Die Morde an sozialen Aktivist*innen sind in diesem Sinne als genuin politisches Phänomen zu sehen: Lokale Eliten, die ihre Macht durch den Friedensprozess und die Mobilisierung (neuer) soziopolitischer Kräfte bedroht sehen, reagieren darauf mit gezielter Gewalt.“ (HSFK, 4. November 2020)

In einem 2021 veröffentlichten Jahresbericht (Berichtszeitraum 2020) der Interamerikanischen Kommission für Menschenrechte (Inter-American Commission on Human Rights, IACHR) wird erläutert, dass der Staat über Fortschritte bei der Formulierung der nationalen Politik bezüglich der Achtung der Arbeit von Menschenrechtsverteidiger·innen sowie bezüglich Garantien für diese Arbeit berichtet habe. Der Kommission seien die Bemühungen des Staates bekannt, bei den Ermittlungen zur Ermordung von Menschenrechtsverteidiger·innen voranzukommen. Nach Angaben des Staates habe die Generalstaatsanwaltschaft Fortschritte bei der Untersuchung von Verbrechen gegen Menschenrechtsverteidiger·innen gemacht, insbesondere im Hinblick auf Tötungsdelikte. Laut staatlichen Angaben habe OHCHR 421 Tötungsdelikte an Menschenrechtsverteidigern zwischen dem 1. Jänner 2016 und dem 2. Dezember 2020 gemeldet. In 404 dieser Fälle ermittle die Generalstaatsanwaltschaft, die mit der Klärung von 60,89 Prozent der Fälle vorangekommen sei. In 63 der gemeldeten Fälle sei es zu Verurteilungen gekommen. IACHR habe jedoch die Tatsache, dass Gewalt gegen Menschenrechtsverteidiger·innen und soziale Führer·innen im Jahr 2020 fortgedauert habe, beobachtet und häufig verurteilt. Nach staatlichen Angaben seien 53 Menschenrechtsverteidiger·innen zwischen Jänner und Dezember 2020 ermordet worden. OHCHR habe berichtet, dass es 120 Morde an Menschenrechtsverteidiger·innen bis zum 15. Dezember 2020 gegeben habe, von denen 53 verifiziert seien. Das Programm Somos Defensores habe angegeben, dass 135 Morde an Menschenrechtsverteidiger·innen bis September 2020 gemeldet worden seien. IACHR habe eine territoriale Konzentration der Gewalt gegen Menschenrechtsverteidiger·innen in Gebieten beobachtet, die gekennzeichnet seien durch eine begrenzte Präsenz des Staates und die Handlungen illegaler bewaffneter Gruppen, die um die Vorherrschaft und Kontrolle über die verschiedenen illegalen Wirtschaftszweige (u.a. Drogenhandel und illegaler Bergbau) konkurrieren würden. In diesem Zusammenhang stellt die Kommission fest, dass sich die meisten der im Laufe des Jahres 2020 registrierten Morde auf die Provinzen Antioquia, Cauca, Chocó, Huila, Norte de Santander, Córdoba, Nariño und Putumayo konzentriert hätten, wobei zumeist soziale und indigene Führer·innen betroffen gewesen seien. Darüber hinaus habe IACHR das Fortbestehen von Drohungen gegen Menschenrechtsverteidiger·innen und soziale Führer·innen beobachtet, die sich nach Angaben der Mission der Organisation Amerikanischer Staaten zur Unterstützung des Friedensprozesses in Kolumbien (MAPP/OAS) vor allem auf die Provinzen Bolívar, Cauca, Cesar, Norte de Santander, Putumayo und Valle del Cauca konzentriert hätten. (IACHR, 2021, S. 363-364)

Die Schweizerische Flüchtlingshilfe (SFH), ein Dachverband der Flüchtlings- und Menschenrechtsorganisationen die unter anderem Dienste zur Recherche über Herkunftsländerinformationen zur Verfügung stellen, schreibt in einer Schnellrecherche vom März 2021 zu kriminellen Gruppen, Drogenhändlern und staatlichem Schutz in der Provinz Valle del Cauca unter Bezugnahme auf verschiedene Quellen Folgendes:

„Für Amnesty International (AI) ist Kolumbien weltweit eines der gefährlichsten Länder für soziale Anführer_innen und Menschenrechtsverteidiger_innen (AI, 26. März 2020). Das OHCHR gibt an, im Jahr 2020 133 Morde an diesen Personengruppen registriert zu haben. Diese Morde würden hauptsächlich in Regionen geschehen, in denen der Staat wenig präsent sei. 72 Prozent der Vorfälle fanden in den Regionen Cauca, Choco, Norte de Santander, Putumayo und Valle del Cauca statt. Die meisten dieser Morde seien in ländlichen Gebieten geschehen, in denen die illegale Wirtschaft, insbesondere die Kokain-Produktion, floriert und in denen es weit verbreitete multidimensionale Armut gibt. In den bestätigten Fällen seien die Morde hauptsächlich kriminellen Gruppen (25 Prozent), FARC-Dissidentengruppen (15 Prozent), der Nationalen Befreiungsarmee ELN (13 Prozent) und der Armee oder der Polizei (4 Prozent) zuzuschreiben (OHCHR, 10. Februar 2021). Im Mai 2020 berichtete City Papers Bogota, dass Jorge Enrique Oramas, ein Soziologieprofessor der Universität von Valle del Cauca und Umweltschützer, in Cali getötet wurde, weil er sich gegen die illegalen Minentätigkeiten im Nationalpark eingesetzt hatte (City Papers Bogota, 21. Mai 2020). Im Februar 2021 berichtete das Washington Office on Latin America (WOLA), eine amerikanische NGO, dass der Beginn des Jahres 2021 das gewalttätigste Jahr seit der Unterzeichnung des Friedensabkommens im Jahr 2016 gewesen sei. Gestützt auf Informationen der Jurisdicción Especial para la Paz (JEP), eine Organisation, die im Rahmen des Friedensabkommens gegründet wurde, berichtet WOLA, dass zwischen 1. und 26. Januar 2021 14 soziale Führer getötet wurden. Das bedeute, ein Führer alle 41 Stunden (WOLA, Februar 2021).“ (SFH, 12. März 2021, S. 5-6)

In einem Bericht des UNO-Generalsekretärs an den UNO-Sicherheitsrat vom März 2021, der den Berichtszeitraum 29. Dezember 2020 bis 26. März 2021 behandelt, wird erwähnt, dass OHCHR Informationen über die Tötung von 24 Menschenrechtsaktivist·innen und sozialen Aktivist·innen erhalten habe, von denen 23 noch verifiziert würden. Die meisten Fälle seien in den Provinzen Cesar, Nariño and Valle del Cauca gewesen. Es habe zehn groß angelegte Tötungen („large-scale killings“) gegeben, zwölf weitere würden noch verifiziert. (UN Security Council, 26. März 2021, S. 4)

Ein in Kolumbien ansässiger Experte, der sich mit Binnenvertreibung und deren Ursachen befasst, schrieb in einer E-Mail Auskunft vom 21. Juni 2021, dass die Situation für Personen, die ins Visier krimineller Banden oder paramilitärischer Gruppen geraten seien, insgesamt sehr gefährlich sei. Vor allem soziale Aktivist·innen und Ex-FARC-Kämpfer·innen seien immer wieder Ziel von Anschlägen. Dabei sei es unerheblich, ob sie sich für indigene Rechte, Umweltschutz, LGBTI-Rechte, die Durchsetzung des Friedensabkommens, gerechtere Landverteilung etc. einsetzen. Da der kolumbianische Staat sich weiterhin weigere, die Systematik hinter den Anschlägen zu erkennen, würden diese Personen gar nicht oder nur unzureichend geschützt. Seit Dezember 2016 (dem Jahr des Friedensabkommens) seien über 900 soziale Aktivist·innen und 276 Ex-FARC-Kämpfer·innen getötet worden, so das Instituto de Estudios para el Desarrollo y la Paz, INDEPAZ. Diese Zahlen würden auch von der staatlichen Justicia Especial para la Paz (Spezielle Justiz für den Frieden) bestätigt. Allein 2020 seien es über 100 gewesen, die meisten aus den Provinzen Cauca (30), Antioquia (17) und Putumayo (10). 2021 seien bislang 75 soziale Aktivist·innen und 26 Ex-FARC-Kämpfer·innen getötet worden oder seien verschwunden (Zahlen bis 19.6.2021, INDEPAZ). Das kolumbianische Rote Kreuz habe seit 2016 zusätzlich 571 verschwundene Personen erfasst. Die Sorge um die Sicherheit dieser Personen werde auch von Repräsentant·innen einiger Institutionen der Übergangsjustiz geteilt, wie etwa dem Präsidenten der Comisión de la Verdad (Wahrheitskommission) Padre Francisco de Roux oder Eduardo Cifuentes, Präsident der Justicia Especial para la Paz (JEP). (Experte für Binnenvertreibung, 21. Juni 2021)

Das USDOS schreibt in seinem im März 2021 veröffentlichten Jahresbericht zur Menschenrechtslage 2020, dass eine 2018 gegründete Kommission des zeitnahen Aktionsplans zur Prävention und zum Schutz von Menschenrechtsverteidiger·innen, sozialen und kommunalen Aktivist·innen und Journalist·innen die Bemühungen zur Untersuchung und Verhinderung von Angriffen auf soziale Aktivist·innen und Menschenrechtsverteidiger·innen verstärkt habe. Das Büro des Generalinspekteurs und der Ombudsmann für Menschenrechte hätten die Sensibilisierung für die Situation von Menschenrechtsverteidiger·innen durch die öffentliche Kampagne „Lead Life“ in Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft, den Medien und internationalen Organisationen fortgesetzt. Darüber hinaus gebe es ein Elitekorps der Nationalen Polizei, eine spezialisierte Unterdirektion der Nationalen Schutzeinheit (NPU), eine Sonderermittlungseinheit der Generalstaatsanwaltschaft, die für die Zerschlagung krimineller Organisationen und Unternehmen zuständig ist, sowie eine einheitliche Kommandostelle, die gemeinsam für den Schutz von Menschenrechtsverteidiger·innen vor Angriffen und die Untersuchung und Verfolgung dieser Fälle verantwortlich sei. (USDOS, 30. März 2021, Section 1a)

Die International Crisis Group (ICG) veröffentlicht im Oktober 2020 einen Bericht zu sozialen Aktivist·innen (auf Englisch als social leaders bezeichnet), die zunehmend Opfer von Tötungen durch Kämpfer von Rebellengruppen oder Mitglieder krimineller Gruppen würden. Was Schutzmechanismen für soziale Aktivist·innen angeht, berichtet ICG, dass Schutzmaßnahmen von kugelsicheren Westen über gepanzerte Autos bis hin zu Bodyguards ursprünglich als letzter Ausweg für die am stärksten gefährdeten Aktivist·innen gedacht gewesen seien. Aber da die Zahl der bedrohten Personen weiter gestiegen sei und die Behörden nicht in der Lage seien, Drohungen schnell genug zu untersuchen, um sie zu vereiteln, habe die Regierung Tausende dieser Maßnahmen eingesetzt. Im Mai 2020 hätten 4.966 soziale Aktivist·innen staatlich bereitgestellte Sicherheit genossen, was 69 Prozent aller Personen entspreche, denen in Kolumbien solche Maßnahmen zur Verfügung gestellt worden seien. Dieses Vorgehen funktioniere in vielen Umgebungen, insbesondere in städtischen Gebieten, obwohl es einige neue Risiken schaffen könne und alles andere als absolut sicher sei. Einige Aktivist·innen mit Schutz wüssten diesen zu schätzen, machten sich aber dennoch Sorgen, dass sie damit zur Zielscheibe würden. Ein indigener Anführer habe angegeben, dass jedes Auto der staatlichen Schutzbehörde jetzt ein militärisches Ziel für bewaffnete Gruppen sei.

Die Nationale Schutzeinheit NPU sei für die Zuerkennung und Administration von Schutzmaßnahmen verantwortlich und gebe einen Großteil ihres Budgets von 250 Millionen US-Dollar für den Schutz sozialer Aktivist·innen aus. Die Polizei, lokale Behörden, der staatliche Ombudsmann oder die UNO können der Einheit Fälle empfehlen, die von dieser dann bewertet würden. Risikoanalysen dauerten oft Monate und die Risikoanalysten würden nur selten einstweiligen vorläufigen Schutz empfehlen. Jede abgeschlossene Risikoanalyse werde bei einer einmal wöchentlich stattfindenden Sitzung des Komitees für Risikobewertung und Empfehlungen für kollektive Maßnahmen vorgelegt, das in bis zu 350 Fällen pro Woche entscheide, ob und welcher Schutz gewährt werden solle. Die Schutzmaßnahmen seien sehr unterschiedlich und reichten von einem Mobiltelefon über einen Selbstverteidigungskurs bis hin zu einem Alarmknopf und einer kugelsicheren Weste. Stärker gefährdete Aktivist·innen könnten innerhalb ihrer Region umgesiedelt werden und erhielten einen oder mehrere Bodyguards, während die am meisten gefährdeten in die Stadt umgesiedelt würden und ein gepanzertes Auto, Benzingeld und ein Grundeinkommen erhalten würden. Das Innenministerium habe 2019 außerdem 34 Gruppen kollektiven Schutz zugewiesen, und zwar im Rahmen von Maßnahmen, die größtenteils individuelle Schutzbestimmungen kopiert hätten - zum Beispiel die Bereitstellung eines gepanzerten Fahrzeugs für eine zivilgesellschaftliche Organisation oder ein Selbstverteidigungstraining für deren Mitarbeiter·innen. Gemeinschaften, die nicht als NGOs registriert seien, würden von besonderen Herausforderungen bei der Erfüllung der Kriterien, um sich für den Schutz zu qualifizieren, berichten. Die Schutzeinheit sei in Reformen involviert, die sicherstellen sollten, dass sie mehr kollektive Schutzmaßnahmen zuerkenne.

Zu gerichtlichen Ermittlungen schreibt ICG, dass in der gesamten kolumbianischen Politik Einigkeit darüber herrsche, dass die gerichtlichen Untersuchungen der Gewalt gegen soziale Aktivist·innen unzureichend seien. Trotz Verbesserungen sei Straflosigkeit für diejenigen, die diese Verbrechen veranlassen würden, die Regel. Ende 2019 habe die Generalstaatsanwaltschaft angegeben, dass sie in 55 Prozent der gegen Menschenrechtsverteidiger·innen gerichteten Fälle die Identität des Angreifers festgestellt habe. Verglichen mit der entsprechenden Zahl für alle Tötungsdelikte im Land - etwa 28 Prozent - deute diese Rate auf erhebliche Fortschritte hin. Dennoch hätten nur wenige dieser Fälle zu Verurteilungen geführt, und noch weniger zu Strafen für die Drahtzieher anstatt nur für die Personen, die auf Befehl eines anderen die Tat ausgeführt hätten. Die Generalstaatsanwaltschaft sei sich der Herausforderungen bewusst und arbeite daran, die Personen, die Morde in Auftrag geben würden, besser aufzuspüren. Eine Sonderermittlungseinheit für Menschenrechtsverteidiger·innen, die inzwischen mehr als 100 Mitarbeiter·innen habe, habe sich bemüht, ihre Arbeit mit Unterstützung der EU auf internationalen Standard zu bringen. Sie habe Einsatzmannschaften („rapid response units“) eingerichtet, die von Bogotá aus zu entlegenen Tatorten entsandt werden könnten, und Ermittler·innen würden zunehmend dauerhaft vor Ort eingesetzt. Die Sondereinheit arbeite mit Staatsanwält·innen zusammen, die sich mit organisierter Kriminalität befassen würden, und ermögliche es den Ermittler·innen so, Angriffe auf Menschenrechtsverteidiger·innen oder andere Bürger·innen miteinander in Verbindung zu bringen. Die Einheit habe elf Ermittlungen eingeleitet, die darauf abzielen würden, Fälle mit bestimmten bewaffneten Gruppen in einer einzelnen Gemeinde oder Region in Verbindung zu bringen. In den ersten sechs Monaten des Jahres 2020 seien drei Mehrfachtäter von Gewalt („serial perpetrators of violence“) gegen soziale Aktivist·innen und sechs mutmaßliche Gaitanistas [Mitglieder des Verbrechersyndikats Clan del Golfo, Anm. ACCORD], die an Ermordungen beteiligt gewesen seien, festgenommen worden. Die Koordination zwischen lokalen und nationalen Ermittler·innen laufe jedoch nicht immer flüssig, und Gemeinden und unabhängige Beobachter·innen würden feststellen, dass es bewaffneten Gruppen gelungen sei, einige lokale Staatsanwaltschaften zu infiltrieren. Eine hohe Fallbelastung schränke die Möglichkeiten ein, denn die Kapazität der Staatsanwält·innen könne nicht mit der Geschwindigkeit der Morde mithalten. Fälle, in denen es zu gerichtlichen Anhörungen komme, stünden vor zusätzlichen Herausforderungen. Ermittler·innen würden angeben, dass Zeug·innn, die bereit gewesen seien, mit den Staatsanwält·innen zu sprechen, möglicherweise Angst hätten, dies vor Gericht zu tun, da es oft wenig Schutz vor Repressalien gebe. Richter·innen in stark vom Konflikt betroffenen Regionen seien überlastet und es mangle an Pflichtverteidiger·innen, die die Angeklagten vertreten würden. (ICG, 6. Oktober 2020)

Der gesamte Bericht ist unter folgendem Link verfügbar:

·      ICG – International Crisis Group: Leaders under Fire: Defending Colombia’s Front Line of Peace, 6. Oktober 2020
https://www.crisisgroup.org/latin-america-caribbean/andes/colombia/82-leaders-under-fire-defending-colombias-front-line-peace

Amnesty International (AI) veröffentlicht im Oktober 2020 einen Bericht zu Angriffen auf Menschenrechtsverteidiger·innen in Kolumbien und zu vorhandenen Schutzmechanismen. In seinen Schlussfolgerungen schreibt AI, dass Verteidiger·innen von Land, Territorium und Umwelt in Kolumbien weiterhin in einem feindlichen Umfeld und unter großer Gefahr arbeiten würden. Der kolumbianische Staat habe darauf mit einer breiten Palette an Gesetzen und Einrichtungen reagiert, aber dies sei nicht effektiv. Es gebe keine transparenten Programme bezüglich Rechenschaftspflicht und zivilgesellschaftliche Organisationen, die sich mit dem Thema auskennen würden, verfügten über keine offiziellen Informationen, die es ihnen erlauben würden zu analysieren, was funktioniere und was geändert werden müsse. Das normative Gefüge sei so umfangreich, komplex und überlappend, dass die Mehrheit der befragten Verteidiger·innen von Land, Territorium und Umwelt viele der Dekrete und Programme, die sie angeblich schützen sollten, nicht gekannt hätten, und es sei klar, dass diese Programme sie nicht erreicht hätten, mit Ausnahme des individuellen Schutzes, den die Nationale Schutzeinheit biete. Verlässliches Beweismaterial, das Amnesty International erhalten habe, mache deutlich, dass die Zahl der getöteten und bedrohten Verteidiger·innen in Kolumbien weiterhin in alarmierendem Maße zunehme. Dies trotz der Aussagen der Exekutive über ihre Besorgnis und die Priorisierung des Themas, trotz der Anzahl von Normen, die kollektiven Schutz garantieren sollten, trotz der bestehenden und neuen Institutionen, die zum Schutz geschaffen worden seien, und trotz der Tatsache, dass die Generalstaatsanwaltschaft der Untersuchung dieser Tötungen Priorität eingeräumt habe. Keine dieser Maßnahmen habe nachweislich zu klaren Auswirkungen auf die Lebenswirklichkeit von Menschenrechtsverteidiger·innen im Land geführt.

Der kolumbianische Staat habe trotz der Existenz von Normen, Institutionen, Programmen und Maßnahmen nicht angemessen auf die Risiken reagiert, denen die Verteidiger·innen von Land, Territorium und Umwelt ausgesetzt seien. Das liege zum Teil daran, dass der Staat immer noch ein reaktives, individuelles und rein normatives Verständnis von Schutz habe. Er handle also nicht präventiv und gehe nicht auf die strukturellen Ursachen der Gewalt gegen Verteidiger·innen ein, die kollektiv seien. Die Nationale Schutzeinheit, die wichtigste Institution zum Schutz von Menschenrechtsverteidiger·innen, konzentriere sich nur sehr begrenzt auf Maßnahmen zum individuellen und weniger auf kollektive und strukturelle Probleme in Bezug auf Schutz. Das Ausmaß und die Komplexität der kolumbianischen Krise würden darauf hindeuten, dass es nicht ausreiche, den Schutz von Menschenrechtsverteidiger·innen einer einzigen Institution anzuvertrauen. Die Antwort des kolumbianischen Staates auf die strukturellen Risikoursachen habe sich auf Regeln konzentriert, nicht auf Fakten. Der Staat habe eine Reihe von Dekreten und Verordnungen zu diesem Thema erlassen, aber die Umsetzung und die richtige Vernetzung des Staatsapparates zu ihrer effektiven Implementierung und die gleichzeitige erforderliche Konsultierung der Gemeinden fehle noch oder sei mangelhaft. Das Fehlen einer umfassenden Politik sei jedoch keine Entschuldigung für Untätigkeit. Eines der Hauptprobleme in Kolumbien in diesem Bereich sei die mangelnde Umsetzung der bestehenden Mechanismen, um die strukturellen Ursachen des Risikos, dem Menschenrechtsverteidiger ausgesetzt seien, anzugehen. (AI, Oktober 2020, S. 49-50)

Der gesamte Bericht ist unter folgendem Link verfügbar:

·      AI – Amnesty International: Colombia: Why do they want to kill us?: Lack of safe space to defend human rights in Colombia [AMR 23/3009/2020], Oktober 2020
https://www.ecoi.net/en/file/local/2038799/AMR2330092020ENGLISH.PDF

Die SFH schreibt in der oben bereits zitierten Schnellrecherche vom März 2021 Folgendes zur Nationalen Schutzeinheit und deren Kapazitäten:

„Das Business & Human Rights Resource Center gibt an, dass in den letzten Jahren die nationale Schutzeinheit (UNP) die vielen Schutzanfragen nicht beantworten konnte, nachdem die Angriffe auf Menschenrechtsverteidiger_innen zugenommen hatten. Der Direktor der UNP, Pablo Elias Gonzales, der von dieser Quelle zitiert wurde, gibt insbesondere zu, dass die Kapazität der UNP für kollektiven Schutz aufgrund zu vieler Anfragen aus der indigenen, schwarzen und ländlichen Bevölkerung ausgeschöpft sei (Business & Human Rights Resource Center, März 2020) Laut OHCHR erhielt die UNP im Jahr 2020 weiterhin eine sehr hohe Anzahl von Schutzanfragen. In diesem Jahr wurden 3749 Menschenrechtsverteidiger_innen und sozialen Führern Schutzmassnahmen gewährt (OHCHR, 10. Februar 2021). Nach Angaben von Human Rights Watch (HRW) erhielt die UNP im Jahr 2020 über 31‘000 Anträge auf Schutzmassnahmen, von denen mehr als ein Drittel von Menschenrechtsverteidiger_innen stammte. Im Laufe des Jahres wurden ca. 1600 Schutzprogramme für diese Personen bereitgestellt und umgesetzt. Im Jahr 2019 wurden von den 13‘000 Anträgen auf Schutz von Menschenrechtsverteidiger_innen nur 1900 angenommen und umgesetzt. Laut HRW waren die meisten der seit 2016 getöteten Menschenrechts-verteidiger_innen und sozialen Führern in keinem Schutzprogrammen. Im Jahr 2019 haben von den 108 in dem Jahr getöteten Menschenrechtsverteidiger_innen nur sechs Schutzmassnahmen erhalten, aber nur drei von ihnen haben die Massnahmen zum Zeitpunkt ihrer Ermordung in Anspruch genommen. Laut OHCHR, das von HRW zitiert wird, wurden nur vier der 53 zwischen Januar und Dezember 2020 getöteten Menschenrechtsaktivist_innen Schutzprogramme gewährt. Drei von ihnen nahmen das Schutzprogramm nicht vollständig in Anspruch, als sie getötet wurden (HRW, Februar 2021). […]

Laut OHCHR hat sich durch Verzögerungen bei der Bekanntgabe von Entscheiden und der Umsetzung von Schutzmassnahmen sowie Fragen zur Angemessenheit, insbesondere in ländlichen Gebieten, die Risiken für Menschenrechtsverteidiger_innen erhöht (OHCHR, 10. Februar 2021). Laut HRW hat die UNP gemäss kolumbianischem Recht 30 Tage Zeit, um das Risiko einer schutzbedürftigen Person zu bewerten. Im Dezember 2020 gab die UNP gegenüber HRW jedoch zu, dass diese Risikoanalysen im Mai 2020 ‚im Durchschnitt 160 Tage nach der gesetzlichen Frist‘ durchgeführt worden seien und im Dezember durchschnittlich 101 Tage nach der gesetzlichen Frist. In einigen Fällen seien die Menschenrechtsverteidiger_innen getötet worden, während sie darauf gewartet haben, dass die Einheit die Schutzprogramm gewährt oder umsetzt (HRW, Februar 2021). Laut ICG dauern Risikobewertungen oft Monate und die UNP gewährt selten dringende Schutzmassnahmen. Jede Woche werden fast 350 Fälle überprüft (ICG, 6. Oktober 2020).“ (SFH, 12. März 2021, S. 8-9)

Quellen: (Zugriff auf alle Quellen am 25. Juni 2021)

·      AI – Amnesty International: Colombia: Why do they want to kill us?: Lack of safe space to defend human rights in Colombia [AMR 23/3009/2020], Oktober 2020
https://www.ecoi.net/en/file/local/2038799/AMR2330092020ENGLISH.PDF

·      Deutschlandfunk Kultur: Im Schatten der Coronakrise explodiert die Gewalt, 21. Juli 2020
https://www.deutschlandfunkkultur.de/kolumbien-im-schatten-der-coronakrise-explodiert-die-gewalt.979.de.html?dram:article_id=480918

·      Experte für Binnenvertreibung: E-Mail-Auskunft, 21. Juni 2021

·      Freedom House: Freedom in the World 2021 - Colombia, 3. März 2021
https://www.ecoi.net/de/dokument/2046504.html

·      GEW – Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft: „Wir wollen frei leben“, 23. Februar 2021
https://www.gew.de/aktuelles/detailseite/neuigkeiten/gewerkschaften-in-kolumbien-wirwollen-frei-leben/

·      HRW – Human Rights Watch: Colombia: Protection Gaps Endanger Rights Defenders, Februar 2021
https://www.ecoi.net/en/file/local/2045295/colombia0221_web_0.pdf

·      HSFK - Leibniz-Institut Hessische Stiftung Friedens- und Konfliktforschung: Die politische Logik der Gewalt. Zur Ermordung sozialer Aktivist*innen im Kontext autoritärer lokaler Ordnungen in Kolumbien, 4. November 2020
https://blog.prif.org/2020/11/04/die-politische-logik-der-gewalt/

·      IACHR – Inter-American Commission on Human Rights: Annual Report 2020 - Chapter IV.A: Human Rights Development in the Region, 2021
https://www.oas.org/en/iachr/docs/annual/2020/Chapters/IA2020cap.4A-en.pdf

·      ICG – International Crisis Group: Leaders under Fire: Defending Colombia’s Front Line of Peace, 6. Oktober 2020
https://www.crisisgroup.org/latin-america-caribbean/andes/colombia/82-leaders-under-fire-defending-colombias-front-line-peace

·      IGB - Internationaler Gewerkschaftsbund: Kolumbien - Praxis, ohne Datum
https://survey.ituc-csi.org/Colombia.html?lang=de#tabs-3

·      SFH – Schweizerische Flüchtlingshilfe: Kolumbien: Kriminelle Gruppen, Drogenhändler und staatlicher Schutz in der Provinz Valle del Cauca, 12. März 2021
https://www.ecoi.net/en/file/local/2051069/210312_KOM_Groupes_armes_Protection_de.pdf

·      UN Security Council: United Nations Verification Mission in Colombia; Report of the Secretary-General [S/2021/298], 26. März 2021
https://www.ecoi.net/en/file/local/2048834/S_2021_298_E.pdf

·      USDOS – US Department of State: 2020 Country Report on Human Rights Practices: Colombia, 30. März 2021
https://www.ecoi.net/de/dokument/2048118.html


 

Anhang: Quellenbeschreibungen und Informationen aus ausgewählten Quellen

Amnesty International (AI) ist eine internationale regierungsunabhängige Menschenrechtsorganisation mit Hauptsitz in London.

·      AI – Amnesty International: Colombia: Why do they want to kill us?: Lack of safe space to defend human rights in Colombia [AMR 23/3009/2020], Oktober 2020
https://www.ecoi.net/en/file/local/2038799/AMR2330092020ENGLISH.PDF

„Defenders of the land, territory and environment continue to carry out their vital work in Colombia in hostile contexts and at great risk. In the most lethal country in the world to carry out this work, the Colombian state has responded with a wide range of laws and institutions, but this has not been effective. Despite its requests, Amnesty International has not received official information on the effectiveness of the various measures taken by the state. There are no transparent accountability programmes and civil society organizations with expertise on the issue do not have official information that allows them to analyse what works and what needs to be changed. The normative fabric is so extensive, complex and overlapping that the majority of the defenders of the land, territory and environment interviewed were not aware of many of the decrees and programmes supposedly designed to protect them and it is clear that those programmes had not reached them, with the exception of the individual protection provided the UNP. Reliable evidence obtained by Amnesty International makes it clear that the number of defenders killed and threatened continues to grow at an alarming rate in Colombia. This is despite the Executive Branch’s rhetoric about its concern and prioritization of the issue; despite the number of norms that guarantee collective protection; despite the historical and new institutions created for protection; and despite the fact that the Attorney General’s Office has prioritized the investigation of these killing. None of these measures have been shown to have had clear results as regards the reality of the lives of human rights defenders in the country. […]

At a more structural level, despite the existence of norms, institutions, programmes and measures, as this report shows, the Colombian state has not responded adequately to the risks faced by defenders of land, territory and the environment. Part of the reason for this is that the state still has a reactive, individual and purely normative perception of protection. In other words, it does not act preventively and does not address the structural causes of violence against defenders, which are collective.

The National Protection Unit (La Unidad Nacional de Protección, UNP), the main institution in charge protecting human rights defenders, has a very limited focus on action on individual, rather than collective and structural, protection issues. The extent and complexity of the Colombian crisis suggest that entrusting the protection of human rights defenders to a single institution is insufficient.

The response to the structural causes of risk provided by the Colombian state has focused on rules, not facts. The state has issued a series of decrees and regulations on the issue, but the implementation and proper linking up of the state apparatus for their effective implementation, with the required consultation with the communities, is still lacking or flawed. […]

However, the lack of a comprehensive policy is no excuse for inaction. One of the main problems in Colombia in this area is the lack of implementation of the existing mechanisms to address the structural causes of the risk that human rights defenders face. “ (AI, Oktober 2020, S. 49-50)

Freedom House ist eine in den USA ansässige Nichtregierungsorganisation, die sich mit Recherchen und Advocacy-Arbeit zu Demokratie, politischen Freiheiten und Menschenrechten befasst.

·      Freedom House: Freedom in the World 2021 - Colombia, 3. März 2021
https://www.ecoi.net/de/dokument/2046504.html

„Workers may form and join trade unions, bargain collectively, and strike, and antiunion discrimination is prohibited. Over the past two decades, Colombia’s illegal armed groups have killed more than 2,600 labor union activists and leaders. Killings have declined substantially from their peak in the early 2000s, though 14 trade unionists were murdered between January 2019 and March 2020, according to the International Trade Union Confederation. A special prosecutorial unit has substantially increased prosecutions for such assassinations since 2007, but few investigations have targeted those who ordered the killings.“ (Freedom House, 3. März 2021, E3)

Human Rights Watch (HRW) ist eine internationale Nichtregierungsorganisation mit Sitz in New York City, die sich für den weltweiten Schutz der Menschenrechte einsetzt.

·      HRW – Human Rights Watch: Colombia: Protection Gaps Endanger Rights Defenders, Februar 2021
https://www.ecoi.net/en/file/local/2045295/colombia0221_web_0.pdf

„As of December 2020, OHCHR has documented 421 killings of human rights defenders in Colombia since 2016. The main categories of human rights defenders killed in that period, as identified by OHCHR, include the following […]: […]

Trade unionists: 12 cases“ (HRW, Februar 2021, S. 24)

Die Interamerikanische Kommission für Menschenrechte (IACHR) ist ein in Washington, D.C. angesiedeltes Organ der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS), dessen Mandat die Förderung und der Schutz von Menschenrechten auf dem amerikanischen Doppelkontinent ist.

·      IACHR – Inter-American Commission on Human Rights: Annual Report 2020 - Chapter IV.A: Human Rights Development in the Region, 2021
https://www.oas.org/en/iachr/docs/annual/2020/Chapters/IA2020cap.4A-en.pdf

„With respect to human rights defenders, the State reported on progress with formulating the National Policy on respect and guarantees for the work of human rights defenders. In this regard, the State mentioned the holding of workshops with civil society and territorial authorities during 2020, with the aim of receiving input for the development of public policy, although it also noted that this process had been hampered by current limitations caused by the pandemic.

On the other hand, the Commission is aware of the efforts made by the Colombian State to advance in the investigations into the murder of human rights defenders. According to information from the State, the Office of the Attorney General of the Nation (FGN) has made progress in the investigation of crimes against human rights defenders, especially with regard to homicides. It reported that between January 1, 2016 and December 2, 2020, the OHCHR reported 421 cases of homicides of human rights defenders. Of those, 404 are being investigated by the FGN, which has made headway with clarification of 60.89% of the cases. Convictions have been achieved in 63 of the cases reported.

However, the Commission observed and frequently condemned the fact that acts of violence against human rights defenders and social leaders continued during 2020. According to State figures, between January and December 2020, 53 human rights defenders were murdered. For its part, the Office of the OHCHR reported that as of December 15, 2020, there had been 120 murders of human rights defenders, of which 53 are verified. Likewise, the Somos Defensores Program stated that through September 2020, 135 murders of human rights defenders had been reported.

The IACHR has observed a territorial concentration of violence against human rights defenders in areas characterized by a limited presence of the State and the actions of illegal armed groups competing for dominance and control of the various illegal economies (drug trafficking, illegal mining, among others). In this regard, the Commission notes that most of the murders recorded during the year were concentrated in the departments of Antioquia, Cauca, Chocó, Huila, Norte de Santander, Córdoba, Nariño and Putumayo, mostly affecting social and indigenous leaders. In addition, the IACHR observed the persistence of threats against human rights defenders and social leaders, which, according to the MAPP/OAS [Mission to Support the Peace Process in Colombia (MAPP/OAS)], have been concentrated mainly in the departments of Bolívar, Cauca, Cesar, Norte de Santander, Putumayo, and Valle del Cauca.“ (IACHR, 2021, S. 363-364)

Die International Crisis Group (ICG) ist eine transnationale, unabhängige Nonprofit- Organisation, die daran arbeitet, tödliche Konflikte zu vermeiden, zu mildern oder zu lösen.

·      ICG – International Crisis Group: Leaders under Fire: Defending Colombia’s Front Line of Peace, 6. Oktober 2020
https://www.crisisgroup.org/latin-america-caribbean/andes/colombia/82-leaders-under-fire-defending-colombias-front-line-peace

„Protection Schemes for Social Leaders

Protection schemes – including everything from bulletproof jackets to armoured cars and bodyguards – were initially intended as the last resort for the most endangered leaders. But as the number of threatened figures has continued to rise, and authorities have been unable to investigate threats quickly enough to thwart them, the government has deployed thousands of these measures. As of May 2020, 4,966 social leaders had state-provided security, representing 69 per cent of all people provided with such schemes in Colombia. This infrastructure works in many settings, particularly urban areas, though it may create some new risks and is far from foolproof. Some leaders with protection appreciate the buffer against attacks but still worry that it places a target on their backs. As one indigenous leader suggested: ‘Any car from the [government protection agency] is now a military objective [for armed groups]’.

The National Protection Unit is responsible for assigning and managing protection schemes, spending much of its $250 million budget protecting social leaders. Police, local authorities, the state Ombudsman or the UN can recommend cases to the unit, which evaluates their merit. Risk studies often take months and risk analysts rarely recommend urgent interim protection. Each completed risk analysis is brought before a weekly meeting of the Committee for Evaluation of Risk and Recommendations for Collective Measures which determines if and what protection should be provided in as many as 350 cases per week. Security schemes vary enormously, from a mobile phone or self-protection course to a panic button and a bulletproof jacket. More at-risk leaders might be relocated within their region and given one or more bodyguards, while the most imperilled are moved into town with armoured cars, a fuel allowance and a basic income.

The interior ministry also assigned collective protection to 34 groups in 2019, through schemes that largely mirrored individual protection provisions – for example, giving a civil society organisation an armoured car or self-protection training for its staff. Communities that are not registered as NGOs report particular challenges in meeting the conditions to qualify for protection, such as providing original copies of police reports documenting past threats to the group. The protection unit is involved in reforms aimed at ensuring that it allocates more collective protection schemes.

D. Judicial Investigations

There is agreement across Colombia’s political spectrum that judicial probes into violence against social leaders are falling short. Despite improvements, impunity is the rule for those who orchestrate these crimes. By late 2019, the Attorney General’s Office said it had established the assailant’s identity in 55 per cent of cases against human rights defenders. Compared to the equivalent statistic for all national homicides – roughly 28 per cent – this identification rate points to substantial progress. Even so, few of those cases have led to convictions, and even fewer to sentences for the masterminds rather than just the individuals who pulled the trigger on another’s orders.

The Attorney General’s Office acknowledges the challenges it faces and is working to improve its ability to pin down the individuals who order the killings. A special investigative unit for human rights defenders, now staffed with more than 100 people, has sought to bring its work up to international standards with EU support. It has created rapid response units that can deploy to remote crime scenes from Bogotá, and investigators are increasingly deployed to the field permanently. The special unit coordinates with prosecutors working on organised crime, enabling investigators to connect attacks upon human rights defenders or other citizens. The unit has launched eleven investigations aimed at linking cases to particular armed groups in a single municipality or region. Three serial perpetrators of violence against social leaders and six alleged Gaitanistas involved in assassinations were arrested in the first six months of 2020.

Coordination between local and national investigators is not always fluid, however, and communities and independent observers note that armed groups have been able to infiltrate some local prosecutors’ offices. A high caseload limits what is possible: “The capacity of prosecutors cannot match the speed of homicides in this country”.

Cases that advance to judicial hearings face additional challenges. Investigators say witnesses who were willing to speak with prosecutors may be scared to do so in court as there is often little protection from reprisal. Judges in high-conflict regions are overburdened and public defenders are in short supply to represent the accused.“ (ICG, 6. Oktober 2020)

·      UN Security Council: United Nations Verification Mission in Colombia; Report of the Secretary-General [S/2021/298], 26. März 2021
https://www.ecoi.net/en/file/local/2048834/S_2021_298_E.pdf

„21. The Office of the United Nations High Commissioner for Human Rights (OHCHR) received information about 24 killings of human rights defenders and social leaders (one documented and 23 under verification), including four women. Seven were indigenous leaders. The Departments with the highest numbers of cases are Cesar, Nariño and Valle del Cauca. Ten large-scale killings were documented, and 12 are in the process of being verified.“ (UN Security Council, 26. März 2021, S. 4)

Das US Department of State (USDOS) ist das amerikanische Außenministerium.

·      USDOS – US Department of State: 2020 Country Report on Human Rights Practices: Colombia, 30. März 2021
https://www.ecoi.net/de/dokument/2048118.html

„The Commission of the Timely Action Plan for Prevention and Protection for Human Rights Defenders, Social and Communal Leaders, and Journalists, created in 2018, strengthened efforts to investigate and prevent attacks against social leaders and human rights defenders. The Inspector General’s Office and the human rights ombudsman continued to raise awareness on the situation of human rights defenders through the public “Lead Life” campaign, in partnership with civil society, media, and international organizations. Additionally, there is an elite corps of the National Police, a specialized subdirectorate of the National Protection Unit (NPU), a special investigation unit of the Attorney General’s Office responsible for dismantling criminal organizations and enterprises, and a unified command post, which shared responsibility for protecting human rights defenders from attacks and investigating and prosecuting these cases.“ (USDOS, 30. März 2021, Section 1a)

Government enforcement of applicable laws was inconsistent. Despite steps by the Ministry of Labor to strengthen its labor law inspection system, the government did not establish a consistent national strategy to protect the rights to freedom of association and collective bargaining. The government did not have in place a system to ensure timely and regular collection of fines related to these protections. Structural challenges adversely affected prosecutions, which resulted in a continued high rate of impunity for violators of these rights, including in cases of threats and violence against unionists. […]

The government continued to include in its protection program labor activists engaged in efforts to form a union, as well as former unionists under threat because of their past activities. As of August the NPU [National Protection Unit] was providing protection to 301 trade union leaders or members. Less than 1 percent of the NPU’s budget was dedicated to unionist protection as of August. Between January 1 and July 31, the NPU processed 193 risk assessments of union leaders or members; 150 of those individuals were assessed as facing an ‘extraordinary threat,’ and the NPU provided them protection measures. The NPU reported that the average time needed to implement protection measures upon completion of a risk analysis was 60 days in regular cases or five days for emergency cases. NGOs complained that this length of time left threatened unionists in jeopardy. […]

In cases of unionist killings from previous years, the pace of investigations and convictions remained slow, and high rates of impunity continued, although progress was made in the rate of case resolution. The Attorney General’s Office reported receiving 217 cases of homicides of unionists between January 2011 and July 2020. Whereas between January 2011 and August 2016, there were 20 sentences for homicides issued, between September 2016 and July 2020, an ‘elite group’ working under a national strategy to prioritize cases of homicides against unionists reached 40 sentences. Labor groups stated more needed to be done to address impunity for perpetrators of violence against trade unionists and the large number of threat cases.

The Attorney General’s Office reported the killing of eight trade unionists through July. In 2019 the Attorney General’s Office reported 10 trade unionists killed, down from 24 in 2018. The National Union School (ENS), a labor rights NGO and think tank, reported 14 trade unionists were killed through August. The ENS and other labor groups stated that focusing on killings alone masked the true nature and scope of the violence against labor activists. Labor groups noted that in some regions, nonlethal violations continued to increase. Through August the ENS reported 38 death threats, nine nonlethal attacks, one case of forced disappearance, and seven cases of harassment.

Violence, threats, harassment, and other practices against trade unionists continued to affect the exercise of the right to freedom of association and collective bargaining.“ (USDOS, 30. März 2021, Section 7a)