Amnesty International Report 2020/21; Zur weltweiten Lage der Menschenrechte; Kuba 2020

AMTLICHE BEZEICHNUNG

Republik Kuba

STAATS- UND REGIERUNGSCHEF_IN

Miguel Mario Díaz-Canel Bermúdez

Stand:
 

1/2021

Berichtszeitraum: 1. Januar 2020 bis 31. Dezember 2020

Inmitten von Berichten über Nahrungsmittelknappheit unterdrückten die kubanischen Behörden auch weiterhin alle Formen abweichender politischer Meinungsäußerung, indem sie u.a. unabhängige Künstler_innen, Journalist_innen und Mitglieder der politischen Opposition inhaftierten.

Recht auf Nahrung

Während des gesamten Jahres 2020 gab es Berichte über die Knappheit an Nahrungsmitteln und anderen Gütern des Grundbedarfs. Führende Regierungsbeamt_innen riefen daraufhin die Bevölkerung auf, für eine bessere Selbstversorgung mehr Nahrungsmittel anzubauen und Tiere zu halten. Im September machte der Straßenkünstler "Yulier P" mit einem eindringlichen Graffiti auf einer Hauswand in Havanna auf die Situation aufmerksam. Es zeigte einen Menschen, der seine eigenen Knochen verspeiste.

Mit dem Ziel, Kuba in die Lage zu versetzen, angemessen auf die Corona-Pandemie reagieren zu können, empfahl die UN, die Sanktionen gegen Kuba aufzuheben. Damit sollte der Zugang zu Nahrungsmitteln und lebensnotwendigen medizinischen Hilfsgütern sichergestellt werden. Die USA hielten dennoch an ihrem gegen das Land verhängten Wirtschaftsembargo fest.

Unterdrückung Andersdenkender

Die Behörden gingen auch weiterhin entschieden gegen jegliche von der Regierungslinie abweichende politische Meinungsäußerung vor, indem sie führende Persönlichkeiten der politischen Opposition, unabhängige Journalist_innen und Künstler_innen inhaftierten.

Im April 2020 entließen die Behörden José Daniel Ferrer García, den führenden Kopf der inoffiziellen politischen Oppositionsgruppe Unión Patriótica de Cuba (UNPACU), aus dem Gefängnis in den Hausarrest. Er war im Oktober 2019 nach einem durch Unregelmäßigkeiten gekennzeichneten Verfahren inhaftiert worden. Am 26. Februar 2020 hinderten die kubanischen Behörden die Presse, die Europäische Union und Amnesty International daran, das gegen ihn geführte Verfahren zu beobachten.

Recht auf freie Meinungsäußerung

Berichte über die Verhängung von Geldstrafen gegen unabhängige Journalist_innen wegen ihrer Berichterstattung über Corona und die Auswirkungen der Pandemie auf Kuba veranlassten Amnesty International, das US-amerikanische Komitee zum Schutz von Journalisten und die britische Organisation "Artikel 19", an Präsident Miguel Díaz Canel zu appellieren, unverzüglich Maßnahmen zur Gewährleistung der Pressefreiheit zu ergreifen. Die Zivilgesellschaft und Journalist_innen äußerten im Laufe des Jahres 2020 auch immer wieder ihre Besorgnis darüber, dass mit dem Dekret 370 zur Meinungsäußerung in digitalen Medien die Kontrolle und Zensur im Internet durch die kubanische Regierung noch engmaschiger werden sollte, insbesondere während der Pandemie.

Im März 2020 wurde die für die Nachrichtenwebseite Cubanet arbeitende Journalistin Camila Acosta für mehrere Stunden festgehalten und mit einer Geldstrafe belegt, weil sie auf Facebook Informationen veröffentlicht hatte. Im September wurde sie erneut festgenommen und wegen ihres Protests gegen Dekret 370 mit weiterer strafrechtlicher Verfolgung bedroht.

Am 4. September 2020 ließen die Behörden den 63-jährigen unabhängigen Cubanet-Journalisten Roberto Quiñones Haces frei. Er war im Jahr 2019 vor Gericht gestellt und aufgrund seiner journalistischen Arbeit wegen "Widerstand" und "Ungehorsam" zu einem Jahr Freiheitsentzug verurteilt worden. Amnesty international, die Organisation Artikel 19, das Londoner Institut für Kriegs- und Friedensberichterstattung und das Komitee zum Schutz von Journalisten hatten beharrlich seine Freilassung gefordert, insbesondere da er aufgrund seiner Vorerkrankungen und seines Alters von über 60 Jahren zur Covid-19-Risikogruppe gehörte. Roberto Quiñones hatte während der Zeit im Gefängnis Artikel über seine Haftbedingungen wie Überbelegung, unzureichende Nahrungs- und Wasserqualität sowie den Mangel an angemessener medizinischer Versorgung veröffentlicht.

Im Laufe des Jahres 2020 schikanierten die Behörden Angehörige der San Isidro-Bewegung und schüchterten sie ein. Zu dieser Bewegung zählen Menschen aus den Bereichen Kunst, Lyrik, Wissenschaft sowie LGBTI-Aktivist_innen und unabhängige Journalist_innen. Die Bewegung nahm bei der Kritik des Dekrets 349, einem Gesetz zur Zensur von Künstler_innen, eine prominente Rolle ein. Die Reaktionen der kubanischen Behörden machten die anhaltende Unterdrückung des Rechts auf freie Meinungsäußerung im Land einmal mehr deutlich.

Im März 2020 wurde Luis Manuel Otero Alcántara, ein führender Vertreter dieser Bewegung, für zwei Wochen inhaftiert, weil ihm Berichten zufolge die "Herabwürdigung von Symbolen des Vaterlandes" (insultos a los símbolos de la patria) nach Artikel 203 Strafgesetzbuch zur Last gelegt wurde – eine Anklage, die mit internationalen Menschenrechtsnormen und -standards unvereinbar ist. Zudem wurde er der Sachbeschädigung (Artikel 339 Strafgesetzbuch) beschuldigt.

Im November 2020 erhielt die Bewegung San Isidro internationale Aufmerksamkeit, als mehrere ihrer Mitglieder in den Hungerstreik traten, um die Freilassung des Rappers Denis Solís González zu fordern. Er war wegen "Missachtung" zu acht Monaten Gefängnis verurteilt worden. Auch diese Anschuldigung ist mit internationalen Menschenrechtsstandards unvereinbar.

Nach einer Polizeirazzia im Hauptsitz der Bewegung in der Altstadt von Havanna inhaftierten die Behörden Luis Manuel Otero Alcántara mehrere Tage und nahmen die Akademikerin Anamely Ramos González für etwas zwölf Stunden in Gewahrsam.

Als Reaktion auf die Razzia veranstalteten Hunderte von Künstler_innen und Intellektuellen am 27. November einen ungewöhnlichen Protest vor dem Kulturministerium und erhielten einen ebenso unüblichen Termin beim stellvertretenden Kulturminister.

Für etwa zwei Wochen nach diesem Treffen wurden Angehörige der Bewegung, darunter Luis Manuel Otero Alcántara, Anamely Ramos González und ungefähr zehn weitere Aktivist_innen und unabhängige Journalist_innen, durchgehend überwacht und von der Polizei und Staatssicherheitsangehörigen festgenommen, wenn sie ihre Wohnungen verließen. Dies kam einem Hausarrest gleich und stellte einen Verstoß gegen internationales Recht dar.

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