Anfragebeantwortung zu Äthiopien: Informationen zur Volksgruppe der Kemant (Qemant, Qimant, Kimant) (Bedeutung der Volksgruppe, Behandlung durch die Behörden, Unruhen) [a-11186]

 

3. Februar 2020

Das vorliegende Dokument beruht auf einer zeitlich begrenzten Recherche in öffentlich zugänglichen Dokumenten, die ACCORD derzeit zur Verfügung stehen sowie gegebenenfalls auf Expertenauskünften, und wurde in Übereinstimmung mit den Standards von ACCORD und den Common EU Guidelines for processing Country of Origin Information (COI) erstellt.

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Überblick (Selbstverwaltungsbestrebungen, Reaktionen der Behörden)

Ein Bericht des Schweizerischen Staatssekretariats für Migration (SEM) vom Jänner 2019 enthält einen Überblick zu den Kemant:

„Die ethnische Minderheit der Kemant lebt in der Zone Nord-Gondar, hauptsächlich in den Woredas [Verwaltungsbezirke, Anm. ACCORD] Chilga, Lay Armachiho, Gondar Zuria und Wogera. Die meisten Kemant sind, wie die benachbarten Amharen, äthiopisch-orthodox. Obwohl nur noch wenige von ihnen neben dem Amharischen auch noch die kuschitische Kemant-Sprache sprechen, ist die ethnische Identität ausgeprägt. Seit ungefähr 2015 kommt es immer wieder zu Todesopfern bei Zusammenstössen zwischen Amharen und Kemant. Anfang November 2018 flohen rund 300 Personen, Kemant und Tigray, vor ethnisch motivierten Angriffen aus der Zone Nord-Gondar in den benachbarten Sudan. Am 10. Dezember 2018 schrieb das Kommunikationsbüro des Regionalstaats Amhara, dass bei ethnisch motivierte Zusammenstösse[n] mit den Kemant in der Woreda Chilga 700 Häuser niedergebrannt sind. Über 50 Personen seien ums Leben gekommen.” (SEM, 16. Jänner 2019, S. 31)

Ein Update des Amtes der Vereinten Nationen für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (United Nations Office for the Coordination of Humanitarian Affairs, UNOCHA) zur Region Amhara vom März 2019 enthält einen kurzen Überblick zu den Kemant. Dem Bericht zufolge sei Qemant ein Teil der Region Amhara mit einer Bevölkerung von 172.000 laut der Volkszählung von 1994. Die Gemeinschaft der Kemant lebe entlang einer Achse zwischen Ayikel in der Woreda Chilga und den Woredas Lay Armacho, Qara, Dembia, Metema und Wogera. Nach jahrelangen Forderungen hinsichtlich Selbstverwaltung durch die Kemant-Gemeinschaft habe die Regierung des Regionalstaates Amhara in 42 Kebeles (kleinste Verwaltungseinheiten in Äthiopien, Anm. ACCORD) von Gondar und Umgebung eine Selbstverwaltung gewährt. Weitere Forderungen nach Selbstverwaltung hätten zu einem Referendum geführt, das am 17. September 2017 abgehalten worden sei. Sieben der acht Kebeles hätten für die bestehende Amhara-Verwaltung gestimmt, während die Kebele Quaber Lomye dafür gestimmt habe, sich der Kemant-Selbstverwaltungszone anzuschließen:

„Qemant is part of Amhara region with a population of 172,000 (1994 Census). The Qemant community lives along an axis stretching from Ayikel in Chilga woreda to Kirakir north to Lake Tana in Lay Armacho, Qara, Dembia, Metema and Wogera woredas. Following years of self-administration claim by the Qemant community, the Amhara regional Government granted self-administration status for 42 kebeles/sub-districts in Gondar and surrounding. However, self-administration claims by additional Qemant-community inhabited kebeles led to a referendum, held on 17 September 2017. The result of the referendum indicated that seven of the eight kebeles voted in favor of the existing Amhara administration, while one kebele - Quaber Lomye – voted to join the Qemant self-administrative zone.“ (UNOCHA, 1. März 2019, S. 1)

Auf einer von UNOCHA im August 2017 veröffentlichten Landkarte zur Region Amhara finden sich die genannten Woredas als Teil der Zone North Gonder:

·      UNOCHA - UN Office for the Coordination of Humanitarian Affairs: Ethiopia: Amhara region administrative map (as of 15 Aug 2017), 15. August 2017
https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/21_adm_amh_081517_a0.pdf

 

Ethiopia Insight, eine Nachrichtenwebsite die von William Davison, dem Äthiopien-Experten der International Crisis Group (ICG) betrieben wird, erwähnt im Dezember 2018, dass die Regionalregierung von Amhara den Kemant im Jahr 2017 in 69 Distrikten Selbstverwaltung zugestanden habe. In drei weiteren Distrikten sei dies, weil es sich um kein zusammenhängendes Gebiet handle, nicht zugestanden worden. Bereits zuvor sei den Kemant Selbstverwaltung in 42 Kebeles gewährt worden:

„the Amhara government granted self-rule to the Qemant in 69 districts last year, but withheld it in three others, saying they were not suitable for Qemant administration as they were not contiguous with the other territories […]

 The recent accounts echo events in December 2015 when the government’s Human Rights Commission held Amhara Special Police and locals responsible for illegal killings in Chilga, Metema, and Lay Armachiho woredas. The deaths of 74 Qemant and 23 Amhara, and burning of properties, occurred after Amhara’s government granted the Qemant an initial 42 kebeles, the Commission said in a November 2016 report. That led to Qemant protests demanding more districts and counter demonstrations.” (Ethiopia Insight, 16. Dezember 2018)

Im Februar 2019 berichtet das englischsprachige äthiopische Online-Magazin Addis Standard, dass im September 2017 in acht Kebeles ein Referendum zur Bestimmung der Verwaltungsgerichtsbarkeit der Kemant abgehalten worden sei. Sieben der acht Kebeles hätten dafür gestimmt, in der Verwaltungsgerichtsbarkeit des Regionalstaates Amhara zu bleiben, während die Kebele Quaber Lomye dafür gestimmt habe, sich der Kemant-Selbstverwaltungszone anzuschließen, die zwei Jahre vor dem Referendum eingerichtet worden sei. Im Oktober 2017 habe das House of Federation (Oberhaus des äthiopischen Parlaments, Anm. ACCORD) das Ergebnis des Referendums bestätigt. Seither sei es aber zwischen den Gemeinschaften oft zu Zusammenstößen gekommen. AktivistInnen würden der Kemant-Identitäts-Gruppe („Kimant identity group“) die Schuld an den Zusammenstößen geben, die sich geweigert habe, das Ergebnis des Referendums anzuerkennen:

„Seven of the eight Kebeles have voted to remain in the administrative jurisdiction of the Amhara Regional State, whereas Quaber Lomye Kebele voted to join the Kemant self-administrative zone, which was established two year prior to the referendum. The result of the September referendum was approved by the House of Federation in October 2017. Since then however, clashes have frequently visited the two communities. Activists blame ‘Kimant identity group’, which refused to accept the results of the referendum, for the clashes.” (Addis Standard, 7. Februar 2019)

Im März 2019 berichtet der Protection Cluster Ethiopia, dass die Gemeinschaft der Kemant im Jahr 2018 gefordert habe, die drei Kebeles Meqa, Lynecha und Gubayetro, in der Woreda Metema in West Gondar in die existierenden 69 Kemant-Kebeles einzugliedern. Die drei Kebeles würden jedoch mutmaßlich sowohl von der Gemeinschaft der Kemant als auch der Gemeinschaft der Amhara bewohnt. Die Regierung habe noch keine Entscheidung zur Verwaltung in den drei Kebeles getroffen:

„Conflict followed by displacement started in Western and Central parts of Gondar around end of 2018 and the situation escalated in 2019. The root cause of the conflict in 2018 was reported to be the Qemant community’s claim to include three kebeles in Metema woreda of West Gondar under the existing 69 Quemant kebeles. According to the various local authorities, claims of self-determination began a few years back which eventually led to placing 69 kebeles under Quemant administration. The Quemant community again appealed to the local government to be entitled to additional three kebeles namely Meqa, Lynecha and Gubayetro. The three claimed kebeles are however allegedly inhabited by both Amharas and Quemant community. The government has not yet ruled in favour of this request which led to conflict that caused the current displacement.” (Protection Cluster Ethiopia, 14. März 2019, S. 1-2)

Auf Anfrage der amharischen Regionalregierung seien die äthiopischen Verteidigungskräfte (Ethiopian Defense Force, EDF) eingesetzt worden, so der Bericht des Protection Cluster weiter. Die Kemant hätten Misstrauen gegenüber den Amharischen Spezialkräften (Liyu-Polizei) geäußert, denen sie vorwerfen würden, die Gemeinschaft der Amhara zu bevorzugen. Die Gemeinschaft der Amhara wiederum beschuldige die EDF, die Gemeinschaft der Kemant zu bevorzugen:

„Ethiopian Defense Force (EDF) was deployed at the request of the regional government. The Quemant have expressed distrust of the Amhara Regional Special Force (Liyu Police) for favouring the Amhara community. Similarly, the Amhara community accuse the EDF for favouring the Quemant community. The 33rd EDF division replaced the 24 EDF division after the Amharas made claims accusing the EDF of allegedly committing crimes against the Amharas.” (Protection Cluster Ethiopia, 14. März 2019, S. 2)

Im Oktober 2019 erwähnt Addis Standard ebenfalls die Abhaltung und die Ergebnisse des Referendums vom September 2017. Der Sicherheitsrat des Regionalstaates Amhara habe im Oktober 2019 nach erneuten Unruhen gefordert, dass die Umsetzung der administrativen Entscheidungen auf Grundlage des Referendums von 2017 sofort wiederaufzunehmen sei. Es werde nicht hingenommen, dass Kräfte dies behindern würden:

„With regard to the Qimant administration, the statement from the Council [Amhara Regional State Security Council, released on the 16 October 2019] said that all services should resume immediately to implement administrative decisions based on previous referendum and that forces which will hamper this will not be accepted. It is to be remembered that a referendum to determine the administrative jurisdiction of the Qimant people was held in eight Kebeles in September 2017. Seven of the eight Kebeles have voted to remain in the administrative jurisdiction of the Amhara Regional State, whereas Quaber Lomye Kebele voted to join the Qimant self-administrative zone, which was established two years prior to the referendum. The result of the September referendum was approved by the House of Federation in October 2017. Since then however, clashes have frequently visited the two communities. Activists blame ‘Qimant Self-Determination and Identity Committee’, which refused to accept the results of the referendum, for the clashes.“ (Addis Standard, 17. Oktober 2019)

Im Jänner 2020 erwähnt UNOCHA, dass es im November 2019 aufgrund von Versöhnungsbemühungen mit AnführerInnen der Kemant zu einer Verbesserung der Lage in der Region gekommen sei:

„In November, reportedly reconciliation efforts with Qemant leaders prompted an improvement of the situation. Security-related restrictions for UN Agencies remain in the ‘Gondar to Metema’ road.“ (UNOCHA, 8. Jänner 2020, S. 1-2)

Ein Überblick zur Geschichte der Kemant findet sich unter folgendem Link:

·      Ethiopia Insight: The Ethiopian Qemant of the Agaw in perspective, 6. März 2019
https://www.ethiopia-insight.com/2019/03/06/the-ethiopian-qemant-of-the-agaw-in-perspective/

 

Eine an der Universität Addis Abeba verfasste Masterarbeit vom August 2018 beschäftigt sich ebenso mit den Selbstverwaltungsbestrebungen der Kemant und enthält zudem auch Informationen zur rechtlichen Lage:

·      Bedelu, Wasihun: The Legality of Self Determination Right: The Case of Kemant People in Amhara National Regional State, August 2018
http://etd.aau.edu.et/bitstream/handle/123456789/17426/Wasihun%20Bedelu.pdf?sequence=1&isAllowed=y

Unruhen und Vorgehen der Behörden

Das Zentrum für die Koordination von Notfallmaßnahmen der EU (Emergency Response Coordination Centre, ERCC) berichtet im Februar 2019, dass die Spannungen zwischen ethnischen Kemant und Amhara in der Zone North Gondar seit Mitte 2018 in Verbindung mit der Forderung nach Selbstverwaltung durch ethnische Kemant gestiegen seien. Insbesondere seit November 2018 sei es zu Gewalt und Vertreibungen gekommen:

„Clashes over the last two weeks in North Gondar have raised the number of internally displaced persons (IDPs) in Amhara region to an estimated 90 000. Of these, 40 000 are related to the conflict between ethnic Kemants and Amharas in North Gondar zone. Dozens of deaths and extended burning of houses and villages have been reported. Tensions had been growing since mid-2018 related to claims for self-administration by ethnic Kemants. Violence and displacement have been occurring particularly since November 2018. Over a thousand ethnic Kemants have crossed the border into Sudan and several hundred have requested asylum.“ (ERCC, 25. Februar 2019)

Im Dezember 2018 berichtet die staatliche chinesische Nachrichtenagentur Xinhua, dass es laut Angaben eines Beamten der Zone Central Gonder im Regionalstaat Amhara zwischen 5. und 8. Dezember 2018 zu Zusammenstößen zwischen ethnischen Amhara und ethnischen Kemant in der Zone gekommen sei. Sieben Personen seien getötet worden. Die Zusammenstöße hätten zur Vertreibung vieler Menschen und dem Niederbrennen von 480 Häusern geführt. In den vergangenen Monaten sei es in verschiedenen Teilen des Regionalstaates Amhara zu Zusammenstößen zwischen ethnischen Amhara und Kemant-AktivistInnen mit mehreren Toten gekommen:

„Ethnic clashes in Ethiopia's northern Amhara regional state have left seven people dead, an Ethiopian official said on Thursday. In a press statement, Bantihun Mekonen, Deputy Chief Administrator of Central Gonder zone of Amhara regional state, said the ethnic clashes were between ethnic Amhara and minority ethnic Qimant communities. Mekonen said the clashes, which occurred between Dec. 5 to Dec. 8, also resulted in the burning of 480 houses and displacement of scores of people. He further said the ethnic clashes were stopped by the intervention of local and federal security forces. In recent months, parts of Amhara regional state have been scenes of deadly clashes between the majority Amhara ethnic group and Qimant activists that have left several people dead and thousands of people displaced. Qimants are an ethnic monitory group living in the northwestern corner of Amhara regional state. In recent years Qimant activists have been campaigning to have their own autonomous region within Amhara regional state.“ (Xinhua, 20. Dezember 2018)

Ethiopia Insight, eine Nachrichtenwebsite, die von William Davison, dem Äthiopien-Experten der International Crisis Group (ICG) betrieben wird, erwähnt im Dezember 2018, dass in der Woreda Chilga und in Genda Wuha und Shinfa Berichten zufolge die Häuser ethnischer Kemant in Brand gesetzt worden seien. Laut Yirga Teshager, einem Mitglied eines Komitees, das sich für die Selbstverwaltung durch die Kemant einsetze, hätten regionale Sicherheitskräfte und Mobs innerhalb einer Woche mindestens 42 Kemant in den Woredas Metema und Chilga, in der Zone West Gondar getötet, bevor das Militär die Lage unter Kontrolle hätte bringen können. Laut dem Sicherheitschef der Region Amhara, Asaminew Tsige, seien die Kemant die Aggressoren bei den Kämpfen gewesen, die bei zwei kürzlich erfolgten Gewaltausbrüchen mindestens 69 Menschen getötet hätten. Zudem habe er angegeben, dass fast neun Getreidemühlen und 67 Häuser niedergebannt und einige Personen „massakriert“ worden seien:

„Locals also worried that Amhara officials would gradually seek to control surrounding Qemant kebeles, Yirga [Yirga Teshager, a priest, former civil servant, and member of a committee campaigning for self-determination for the Qemant people] explained. Those concerns come after the Amhara government granted self-rule to the Qemant in 69 districts last year, but withheld it in three others, saying they were not suitable for Qemant administration as they were not contiguous with the other territories. Instead of preventing trouble last month as intended, the Qemant firearms checkpoint at Meqa led to a clash. Two days later conflict had again expanded to surrounding areas in Chilga Woreda, Genda Wuha, and Shinfa, where Qemant houses were reportedly torched. Regional security forces and mobs killed at least 42 Qemant in a week in Metema and Chilga woredas of West Gondar Zone before the military controlled the situation, said Yirga. Amhara’s security head Asaminew Tsige said that the Qemant were the aggressors in fighting thats killed at least 69 people in two recent flare-ups: The conflict was provoked by Qemant, not by Amhara. Almost nine grain mills were burned, 67 houses were burned, and some people were massacred.’“ (Ethiopia Insight, 16. Dezember 2018)

Der Artikel zitiert zudem ein Opfer der Vorfälle, das angegeben habe, dass Kemant geschlagen und getötet worden seien. Das Opfer habe zudem über Zwangsräumungen und Entlassungen aus staatlichen Arbeitsplätzen berichtet, von denen Kemant betroffen seien. Kemant würden in Metemma nicht leben können. In den vergangenen zwei Wochen hätten die regionalen Sicherheitskräfte laut dem Opfer Mobs bewaffnet, und diese Mobs hätten mit einer „Jagd“ begonnen. Alle Kemant würden von ihren Farmen entfernt, ihres Eigentums beraubt und in Warenhäuser gebracht. Ihre Häuser würden in Brand gesetzt:

„One of the recent victims, Beletu, who was contacted via a political activist, described a campaign that sounded like ethnic cleansing, saying Qemant were beaten, killed, evicted, fired from government jobs, and told they can’t live in Metemma. ‘In the last two weeks the regional security armed mobs and the mob started hunting. Every Qemant is taken away from their farm, their property robbed and put in warehouses, and their houses are set on fire.” (Ethiopia Insight, 16. Dezember 2018)

Im Februar 2019 sei es laut einem Artikel von Addis Standard - der sich auf einen Bericht des amharischsprachigen Diensts von Deutsche Welle beziehe - in der Woreda Chilga in Gonder zu Zusammenstößen zwischen Gruppen von Angehörigen der Amhara und der Kemant gekommen. Diese hätten zur Schließung der Straßenverbindung zwischen Gonder und Metema geführt. Laut dem Polizeichef der Zone Central Gonder seien bei den Zusammenstößen Menschen getötet und Eigentum sei zerstört worden:

„According to an earlier report by DWAmharic [Deutsche Welle], clashes between groups from the Amhara and the Kimant people in Chilga Wereda in central Gonder have led to a closure of the road connecting Gonder to Metema as of February 01. The portal also quoted commander Enyew Zewdie, police chief of the zone, as saying lives were lost and properties were damaged in the clashes. The commander did not mention the number of people killed.” (Addis Standard, 7. Februar 2019).

Dem äthiopischen Online-Nachrichtenportal Ezega zufolge habe ein Beamter des Regionalstaates Amhara angegeben, dass Ende September 2019 in der Stadt Chilga dutzende Menschen, darunter Polizisten, getötet und mehrere weitere verwundet worden seien (Ezega, 30. September 2019). Ein Artikel der Nachrichtenwebsite Borkena erwähnt ebenfalls, dass es in Central Gonder zu erneuter Gewalt gekommen sei, die ethnische Amhara und Kemant betroffen habe (Borkena, 30. September 2019). Behörden des Regionalstaates Amhara würden das “Qimant Identity Regaining Committee” für den Angriff verantwortlich machen (Ezega, 30. September 2019). Im November 2019 berichtet UNOCHA, dass es Ende September 2019 im Rahmen der verfahrenen politischen Situation zu bewaffneten Konfrontationen in Chilga gekommen sei. Es habe Opfer gegeben und etwa 15.000 Menschen seien vertrieben worden. Zudem seien Straßenblockaden zwischen der Stadt Gonder und Metema errichtet worden. (UNOCHA, 6. November 2019, S. 2)

 

Reuters zitiert in einem Artikel vom Oktober 2019 den Präsidenten der politischen Partei National Movement of Amhara (NAMA), Desalegn Chane. Dieser habe angegeben, dass bewaffnete Männer bei einem Angriff am 30. September 2019 auf einen Minibus, der sich auf dem Weg nach Gondar befunden habe, zehn Personen getötet hätten. Am folgenden Tag seien zwei Konvois mit Spezialkräften des Regionalstaates Amhara angegriffen und zwölf SoldatInnen getötet worden. Desalegn Chane habe das “Kimant Committee”, eine Gruppe örtlich gewählter AnführerInnen, die sich für Selbstverwaltung der Kemant einsetzen würde, für die Gewalt verantwortlich gemacht. Der Vorsitzende des “Kimant Committee”, Fekadu Mamo, habe die Anschuldigungen zurückgewiesen und angegeben, dass einzelne Angehörige der Gemeinschaft sich aus Gründen der Selbstverteidigung gewehrt hätten, nachdem sie von Milizen angegriffen worden seien. Ein Bewohner von Gonder habe angegeben, er habe die Leichen von 17 Milizangehörigen gesehen:

„Clashes between regional special forces and a minority ethnic group have killed at least 20 people in the past five days in Ethiopia’s northern state of Amhara, a local political official said on Thursday. […] The latest clashes erupted last Friday, when armed men killed 10 people when they ambushed a minibus travelling to the city of Gondar in northern Amhara, Desalegn Chane, president of the new National Movement of Amhara (NAMA) party, told Reuters by phone. The next day, 12 soldiers were killed when two convoys transporting Amhara special forces were also attacked, he said. Chane linked the violence to the Kimant Committee, a group of locally elected leaders campaigning for self-determination for the Kimant people, an ethnic sub-group in Amhara region. ‘On Friday a minibus travelling from Metema to Gondar was ambushed by the Kimant Committee. Everyone was killed, we are talking about 10 civilian casualties,’ he said. He did not provide any evidence linking the committee to the attacks. Fekadu Mamo, the chairman of the committee, disputed the accusations, saying individual members of the community were fighting back in self-defence after being targeted by the militias. A resident of Gondar, who asked not to be identified to prevent reprisals, said he had seen the bodies of 17 militia members and that hotels believed to belong to the Kimant Committee had been destroyed.” (Reuters, 4. Oktober 2019)

Addis Standard berichtet im Oktober 2019 ebenfalls über die Kämpfe in der Woreda Chilga in der Zone Central Gonder, zu denen es seit Mitte September 2019 gekommen sei. Mitte September 2019 sei es laut Addis Standard in der Zone Central Gonder zu Kämpfen mit zwischen den Spezialpolizeikräften der Region Amhara und bewaffneten Bauern gekommen. Einige, Großteils Bauern, seien getötet worden. Zudem habe ein Mitglied der Kemant-Gemeinschaft angegeben, dass Jugendliche, die eine Uniform mit der Aufschrift Fanno (amharische Jugendgruppe, Anm. ACCORD) getragen hätten, darauf bestanden hätten, dass sie Mitglieder des „Qimant Identity Committee“ verhaften dürften. Diese Entwicklung sei als unmittelbarer Anlass für den Ausbruch der tödlichen Gewalt in den vergangenen Wochen beschrieben worden:

„The areas at the center of this latest round of unrest are Chilga woreda in Central Gonder zone where questions of identity by the Qimant people led by the Qimant Identity Committees have been at the center of its relationship with the regional government and starting from just a few days ago the city of Gonder and its environs. Reports of fighting between the Amhara region’s special police force and armed farmers in Central Gonder zone started surfacing in mid-September with news of heavy gun fights that, reportedly, claimed the lives of several people, mostly farmers. In addition, an Associated Press reporter quoted a member of the Qimant community who said that there were youth wearing a uniform bearing the title ‘Fanno’ and insisting they should be able to arrest members of the Qimant Identity Committee. This development has been described as the immediate factor in starting the deadly bouts of violence in the last few weeks.” (Addis Standard, 3. Oktober 2019)

Einem im Oktober 2019 veröffentlichten Artikel von Borkena zufolge komme es seit fast einem Jahr in Central Gonder zu sporadischer Gewalt. Fast 100.000 Menschen seien bislang vertrieben worden. Die Tigray People’s Liberation Front (TPLF) (Partei innerhalb der regierenden Parteienkoalition Ethiopian Peoples Revolutionary Democratic Front [EPRDF] und regierende Partei im Regionalstaat Tigray, Anm. ACCORD) werde beschuldigt, zu versuchen, die Region in ein Kriegsgebiet zu verwandeln. Zudem werde der TPLF vorgeworfen, hinter dem „Kemant Identity Committee“ zu stehen:

„There has been a sporadic violence in central Gonder for nearly a year now – a situation has caused internal displacement for nearly 100,000 people. It is alleged that Tigray People’s Liberation Front (TPLF) is pursuing a strategy of making the region a war zone, and is behind those who are claiming to be Kemant Identity Committee. Recent remarks by ethnic Tigray politicians suggest that TPLF is likely to open war on its own although it remains unclear war against who.” (Borkena, 17. Oktober 2019)

Addis Standard erwähnt im Oktober 2019, der Sicherheitsrat des Regionalstaates Amhara habe in einer Stellungnahme angegeben, dass es in Zusammenhang mit Identitäts-Fragen während der vergangenen fünf Jahre zum Verlust von Leben und Zerstörung von Eigentum gekommen sei. Die Stellungnahme sei am 16. Oktober 2019 nach einem Wiederaufflammen der Gewalt in Central Gonder und Western Gonder, der Stadt Gonder und der Kemant-Verwaltungszone in den vergangenen Wochen veröffentlicht worden. Obwohl sich die Lage in der vergangenen Woche beruhigt habe, sei es in der aktuellen Woche im Gebiet erneut zu Unruhen gekommen. Die Vorfälle stünden jedoch nicht in Zusammenhang mit früheren Unruhen, sondern mit privaten Raufereien, so der Sicherheitsrat in seiner Stellungnahme. Diese Behauptung werde jedoch von einer Gruppe, die sich als “Qimant Central Committee” bezeichne, bestritten. Die Gruppe beschuldige die Sicherheitskräfte des Regionalstaates für groß angelegte und willkürliche Angriffe, darunter die Tötung und Vertreibung der Minderheitsgemeinschaft der Kemant in der Region, verantwortlich zu sein:

„Bouts of unrest cloaked in identity questions have resulted in the loss of life and damage to property over the last five years, says a statement released by the Amhara Regional State Security Council on the 16th of October, 2019. The statement was issued following the violence that reignited in Central and Western Gonder, the city of Gonder as well as the Qimant administration zone in recent weeks. Although the situation has subsided last week, this week saw yet another unrest in the area in what the regional state said on Monday October 14 was not related to previous unrest but related to private scuffles, But this claim is contested by a group calling itself ‘Qimant Central Committee’, which accused the regional government security forces of ‘large scale’ and ‘indiscriminate’ attacks, including killings and displacements of the minority Qimant community in the region.” (Addis Standard, 17. Oktober 2019)

Die International Crisis Group (ICG) berichtet im Dezember 2019 ebenfalls über erneute Gewalt zwischen Sicherheitskräften des Regionalstaates Amhara und einer Miliz, die aus Angehörigen der Kemant bestehe. Dutzende („tens“) Personen seien in den vergangenen Wochen getötet worden. Die Kemant seien eine Minderheit im Regionalstaat Amhara, die sich für größere Autonomie einsetzen würde. Gegnerische Amhara würden ihnen vorwerfen, von der TPLF unterstützt zu werden, eine Behauptung für die es laut einem Militäroffizier, der an der Befriedung des Gebiets beteiligt sei, keine Beweise gebe:

„Renewed violence between Amhara security forces and militia comprising Qemant people left tens dead; the Qemant are a minority in Amhara pursuing greater autonomy but their Amhara opponents say they are TPLF-backed, a claim a military officer involved in pacifying the area said there was no evidence to support.” (ICG, 16. Dezember 2019, S. 8)

„Crisis Group interviews, two senior Amhara regional officials and military officer, November 2019. The Qemant in Amhara demand more autonomous territory after regional authorities granted them a degree of self-rule.” (ICG, 16. Dezember 2019, S. 8, FN 44)

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Quellen: (Zugriff auf alle Quellen am 3. Februar 2020)

·      Addis Standard: News: Clashes in central Gonder zone claim lives, damage to properties, 7. Februar 2019
https://addisstandard.com/news-clashes-in-central-gonder-zone-claim-lives-damage-to-properties/

·      Addis Standard: NEWS: Fresh Violence In Central Gonder Raises Questions About Further Escalation In The Area, 3. Oktober 2019
http://addisstandard.com/fresh-violence-in-central-gonder-raises-questions-about-further-escalation-in-the-area/

·      Addis Standard: News: Unable to stop bouts of violence in its midst, Amhara region’s Peace and Security Council calls for federal army intervention, 17. Oktober 2019
https://addisstandard.com/news-unable-to-stop-bouts-of-violence-in-its-midst-amhara-regions-peace-and-security-council-calls-for-federal-army-intervention/

·      Bedelu, Wasihun: The Legality of Self Determination Right: The Case of Kemant People in Amhara National Regional State, August 2018
http://etd.aau.edu.et/bitstream/handle/123456789/17426/Wasihun%20Bedelu.pdf?sequence=1&isAllowed=y

·      Borkena: Renewed violence involving Kemant Amhara communities reported in Central Gonder region, 30. September 2019
https://borkena.com/2019/09/30/ethiopia-kemant-amhara-violence-reported-in-central-gonder-region/

·      Borkena: Amhara region calls for Federal gov’t intervention in a bid to restore security in Gonder, 17. Oktober 2019
https://borkena.com/2019/10/17/amhara-region-calls-for-federal-govt-intervention/

·      ERCC - Emergency Response Coordination Centre: ECHO Daily Flash, 25. Februar 2019
https://erccportal.jrc.ec.europa.eu/ECHO-Flash/ECHO-Flash-List/yy/2019/mm/2

·      Ethiopia Insight: Violent Qemant dispute fueling explosive Amhara-Tigray divide, 16. Dezember 2018
https://www.ethiopia-insight.com/2018/12/16/violent-qemant-dispute-fueling-explosive-amhara-tigray-divide/

·      Ethiopia Insight: The Ethiopian Qemant of the Agaw in perspective, 6. März 2019
https://www.ethiopia-insight.com/2019/03/06/the-ethiopian-qemant-of-the-agaw-in-perspective/

·      Ezega: Dozens of People, Policemen Killed in Ambush in Northern Ethiopia – Official, 30. September 2019
https://www.ezega.com/News/NewsDetails/7275/Dozens-of-People-Policemen-Killed-in-Ambush-in-Northern-Ethiopia-Official

·      ICG – International Crisis Group: Keeping Ethiopia’s Transition on the Rails, 16. Dezember 2019
https://www.ecoi.net/en/file/local/2021345/283-keeping-ethiopias-transition.pdf

·      Protection Cluster Ethiopia: Interagency Rapid Protection Assessment - Gondar, Amhara Region; 11-14 March 2019, 14. März 2019
https://www.globalprotectioncluster.org/wp-content/uploads/Interagency-Rapid-Protection-Assessment_Gondar-Amhara-Region_11-14-March-2019.pdf

·      Reuters: Attacks kill 22 in Ethiopia's Amhara region - party official, 4. Oktober 2019
https://af.reuters.com/article/idAFKBN1WJ0Q0-OZATP

·      SEM – Staatssekretariat für Migration (Schweiz) (ehemals: Bundesamt für Migration): Focus Äthiopien. Der politische Umbruch 2018, 16. Jänner 2019
https://www.sem.admin.ch/dam/data/sem/internationales/herkunftslaender/afrika/eth/ETH-politscher-umbruch-d.pdf

·      UNOCHA - UN Office for the Coordination of Humanitarian Affairs: Ethiopia: Amhara region administrative map (as of 15 Aug 2017), 15. August 2017
https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/21_adm_amh_081517_a0.pdf

·      UNOCHA - UN Office for the Coordination of Humanitarian Affairs: Amhara Flash Update, 1. März 2019
https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/Amhara-Flash-update_March-1-2019_FINAL_0.pdf

·      UNOCHA - UN Office for the Coordination of Humanitarian Affairs: Ethiopia: Humanitarian Access Situation Report, August – September 2019, 6. November 2019
https://www.humanitarianresponse.info/sites/www.humanitarianresponse.info/files/documents/files/ocha_access_191106_situation_report_aug-sept_2019.pdf

·      UNOCHA - UN Office for the Coordination of Humanitarian Affairs: Ethiopia: Humanitarian Access Situation Report, October – December 2019, 8. Jänner 2020
https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/ocha_access_200108_situation_report_oct-dec_2019.pdf

·      Xinhua: Ethnic clashes in northern Ethiopia leaves 7 dead, 20. Dezember 2018
http://www.xinhuanet.com/english/2018-12/20/c_137687869.htm