Anfragebeantwortung zur Russischen Föderation: Situation von alleinstehenden, unverheirateten Tschetscheninnen ohne familiäre Anknüpfungspunkte, Arbeitsmarktsituation; Situation von Tschetscheninnen mit unehelichen Kindern; Gefährdung bei Rückkehr in die russische Föderation (Tschetschenien) für Tschetscheninnen, denen das uneheliche Kind bereits von der Familie des Vaters abgenommen wurde [a-11136]

 

19. Dezember 2019

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In einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts (BVwG) vom Oktober 2019 finden sich folgende allgemeine Informationen aus dem Länderinformationsblatt der BFA Staatendokumentation zur Lage von Frauen im Nordkaukasus, insbesondere in Tschetschenien:

„Die Situation von Frauen im Nordkaukasus unterscheidet sich zum Teil von der in anderen Regionen Russlands. Fälle von Ehrenmorden, häuslicher Gewalt, Entführungen und Zwangsverheiratungen sind laut NGOs nach wie vor ein Problem in Tschetschenien (ÖB Moskau 12.2017, vgl. AA 21.5.2018) aber auch in den Nachbarrepubliken Inguschetien und Dagestan. Verlässliche Statistiken dazu gibt es kaum. Die Gewalt gegen Frauen bleibt in der Region ein Thema, dem von Seiten der Regional- und Zentralbehörden zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt wird. Erschwert wird die Situation durch die Ko-Existenz dreier Rechtssysteme in der Region - dem russischen Recht, Gewohnheitsrecht ("Adat") und der Scharia. Gerichtsentscheidungen werden häufig nicht umgesetzt, lokale Behörden richten sich mehr nach ‚Traditionen‘ als nach den russischen Rechtsvorschriften. Insbesondere der Fokus auf traditionelle Werte und Moralvorstellungen, die in der Republik Tschetschenien unter Ramzan Kadyrow propagiert werden, schränkt die Rolle der Frau in der Gesellschaft ein. Das Komitee zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau sprach im Rahmen seiner Empfehlungen an die Russische Föderation in diesem Zusammenhang von einer ‚Kultur des Schweigens und der Straflosigkeit‘ (ÖB Moskau 12.2017). Die Heirat einer 17-Jährigen Tschetschenin mit einem 47-jährigen örtlichen Polizeichef im Frühjahr 2015 gilt als Beispiel für die verbreitete Praxis von Zwangsehen. Außerdem weist sie auf eine Form der Polygamie hin, die zwar offiziell nicht zulässig, aber durch die Parallelität von staatlich anerkannter und inoffizieller islamischer Ehe faktisch möglich ist (AA 21.5.2018).

Unter sowjetischer Herrschaft waren tschetschenische Frauen durch die russische Gesetzgebung geschützt. Polygamie, Brautentführungen und Ehrenmorde wurden bestraft. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion löste sich der Schutz durch russisches Recht für Frauen allmählich auf, und gleichzeitig kam es zu einem stärkeren Einfluss von Adat und Scharia. Unter Kadyrow ist die tschetschenische Gesellschaft traditioneller geworden. Die Behandlung von Frauen, wie sie heute existiert, soll aber nie eine Tradition in Tschetschenien gewesen sein. Frauen sind sowohl unter islamischem Recht als auch im Adat hoch geschätzt. Allerdings ist die Realität in Tschetschenien, dass Gewalt gegen Frauen weit verbreitet und die Situation im Allgemeinen für Frauen schwierig ist. Auch die Religion ist ein Rückschlag für die Frauen und stellt sie in eine den Männern untergeordnete Position. Diese Entwicklungen erfolgten in den letzten Jahren. Es ist nicht klar, ob Scharia oder Adat wichtiger für die tschetschenische Gesellschaft sind. Jedoch könne nur das Russische Recht Frauen effektiv schützen. Es wird auch berichtet, dass die Scharia immer wichtiger wird, und auch Kadyrow selbst - obwohl er sowohl Adat, als auch Scharia betont - sich in letzter Zeit eher auf die Scharia bezieht. Adat dürfte aber besonders bei Hochzeitstraditionen eine dominante Rolle spielen (EASO 9.2014). Gleichberechtigung ist in den islamisch geprägten Republiken ein kaum diskutiertes Thema. Frauenrechtsorganisationen engagieren sich, um dies zu ändern. Doch es fehlt die Unterstützung durch Behörden. Die traditionellen kaukasischen Werte und Normen würden dennoch dazu führen, dass Frauenrechte im Nordkaukasus öfter verletzt würden als in anderen Regionen Russlands. Für Dagestan, Tschetschenien und Inguschetien sind starke Traditionen durchaus charakteristisch. Weitaus weniger ausgeprägt sind sie in Nordossetien, Kabardino-Balkarien und Karatschai-Tscherkessien. Andererseits übt auch die Religion ihren Einfluss aus, denn die Rechte der Frau im Islam sind anders definiert als die Frauenrechte in der russischen Verfassung. Frauen in Tschetschenien wird beispielsweise vorgeschrieben, wie sie sich zu kleiden haben. Seit 2008 dürfen sie Ämter und Bildungseinrichtungen nur betreten, wenn sie einen langen Rock tragen und Arme und Haar bedeckt sind.“ (BVwG, 30. Oktober 2019)

Die russische staatliche Nachrichtenagentur Ria Nowosti meldet im August 2019, dass jedes fünfte Kind in Russland außerehelich sei. Die schockierenden Daten des russischen Statistischen Bundesamtes Rosstat würden Experten unter anderem mit dem religiösen Faktor erklären. Statt zum Standesamt würden Paare in die Kirche oder Moschee zum Heiraten gehen. Von den 1,6 Millionen Kindern, die 2018 geboren seien, seien beinahe 350.000 außerehelich gewesen. An der Spitze stünden Tuwa mit 60,4 Prozent, Tschetschenien mit 41,8 Prozent und Tschukotka mit 40,5 Prozent. Die Experten von Rosstat würden anmerken, dass die EinwohnerInnen einer Reihe von Regionen einfach nicht zum Standesamt gehen würden, wenn sie bereits religiös eine Ehe geschlossen hätten. Das treffe insbesondere auf die muslimischen Regionen zu:

Каждый пятый ребенок в России - внебрачный. Эти шокирующие данные Росстата специалисты объясняют в том числе и религиозным фактором: вместо загса пары идут в храм или мечеть. […]

Из более 1,6 миллиона детей, родившихся в прошлом году, почти 350 тысяч — внебрачные. В лидерах Тува (60,4%), Чечня (41,8%) и Чукотка (40,5%). Эксперты Росстата отмечают, что в ряде регионов граждане просто не приходят в загс, если уже освятили союз религиозным обрядом. Особенно в мусульманских регионах.“ (Ria Nowosti, 22. August 2019)

Die russischen Menschenrechtsorganisationen Memorial und Komitee Bürgerbeteiligung (Civic Assistance Committee) schreiben in einem 2014 veröffentlichten Bericht zu TschetschenInnen in der Russischen Föderation, dass eine tschetschenische Frau, die ein außereheliches Kind bekomme, eine „Ausgestoßene“ („outcast“) werde. Wenn die Verwandten herausfinden würden, dass eine unverheiratete Frau schwanger sei, würden sie es vorziehen, sie zu töten und zu verheimlichen, was passiert sei. Wenn andere die Situation der Frau herausfinden würden, könne diese nur fliehen und sich vor ihren Verfolgern verstecken. Aber das helfe nicht immer. Man könne sich nur wundern, wie eifrig die Verwandten die „Kriminelle“ verfolgen würden, wobei sie weder Zeit noch Geld scheuen würden.

Da sich die Fragen der Migrationsbehörden und von AnwältInnen tschetschenischer Frauen, die im Westen um Asyl ansuchen würden, wiederholten, würden im Folgenden die Antworten auf die grundlegendsten Fragen gegeben.

Wenn eine alleinstehende Frau mit Kindern nach einem langen Aufenthalt im Ausland nach Tschetschenien zurückkommt und keine Verbindungen dort hat, wie wird ihre Zukunft aussehen?

Für eine alleinstehende Frau mit Kindern sei es praktisch unmöglich, ohne Verwandte in Tschetschenien zu leben, da sich Verwandtschaft bei Tschetschenen auch auf sehr weit entfernte Verwandte beziehe. Dies bedeute allerdings nicht, dass diese Verwandten der Frau helfen würden. Sie würden aber sicher in ihr Leben eingreifen. Niemand werde ihr eine Wohnung geben, wenn unbekannt sei, woher sie komme, vom wem die Kinder seien und wer ihr Vater sei. Wenn die Kinder außerehelich seien, sei das Leben der Frau direkt durch die Männer ihres Clans in Gefahr. Wenn die Frau keine Brüder oder einen Vater habe, gebe es niemanden, der sich für sie einsetzen könne. Und selbst wenn es jemand täte, werde es der Clan nicht dazu kommen lassen. Wenn es eine derartige Frau überhaupt wage, nach Tschetschenien zurückzukehren. Das Mieten einer Unterkunft, das Finden einer Arbeit – buchstäblich alles werde zu einer Reihe der oben angeführten Fragen führen. Das könne zu einem tragischen Ende führen. Wo auch immer sich die Frau niederlasse, seien all diese Fragen und eine gesellschaftliche Ausgrenzung unausweichlich, und das sei noch der beste Fall. Das betreffe auch die Kinder der Frau, die wüssten, dass sie keine „vollwertigen“ TschetschenInnen seien und in Einsamkeit aufwachsen würden. Memorial und Komitee Bürgerbeteiligung hätten regelmäßig mit Fällen zu tun, in denen Frauen mit Kindern von ihren Verwandten verfolgt würden. Eine Frau sei schwanger aus Tschetschenien geflohen, habe in Moskau ihr Baby bekommen und dort mit diesem unehelichen Kind gelebt. Sie habe einen russischen Mann kennengelernt, geheiratet und mit ihm ein zweites Kind bekommen. Die Cousins der Frau hätten sie aber nicht nur in Moskau gefunden, sondern auch in Polen, wohin die Familie vor der Verfolgung geflohen sei. Letzten Endes habe die Familie in den USA Asyl erhalten. Eine andere Tschetschenin sei nach Italien gegangen, um dort ihr Kind zur Welt zu bringen. Sie habe zurückkehren müssen, als ihr Aufenthalt zu Ende gegangen sei. Leider habe sie nichts vom Asylsystem gewusst. Bei der Rückkehr mit ihrer Tochter sei sie in einem Frauenhaus in einer russischen Stadt untergekommen, wo man sie aber nur für drei Monate behalten habe. Dann habe sie bei verschiedenen Freunden gelebt, in ständiger Angst, dass zu Hause jemand etwas über sie herausfinde. Sie sei in Gefahr gewesen und habe keine Arbeit finden können, weil sie dafür eine Registrierung benötigt hätte. Diese beinhalte aber, dass eine Anfrage an den ständigen Wohnsitz gesendet werde, wodurch ihre Verwandten von ihrem Aufenthaltsort erfahren hätten. Man habe ihr ein Schengen-Visum besorgt und sie wieder nach Italien geschickt, wo sie um Asyl angesucht habe, aber die italienischen Einwanderungsbehörden würden den Informationen der Frau nicht trauen und vorschlagen, sie solle zurückkehren und in einer anderen russischen Region leben.

Können ihr die Kinder weggenommen werden?

Wenn herauskomme, dass die Kinder außerehelich geboren seien, würden die Verwandten des Vaters der Kinder sofort auftauchen. Den tschetschenischen Traditionen folgend würden die Kinder zu ihrer Familie gehören. Sie würden die Kinder sicher an sich nehmen. Man brauche nicht viel Phantasie, um zu begreifen, was für ein Schock es für die Kinder wäre, die in einer europäischen Gesellschaft aufgewachsen und ihrer Mutter weggenommen worden seien. Es habe den Fall einer 14-Jährigen gegeben, die ihrer Mutter bei einem Besuch in Tschetschenien weggenommen und verheiratet worden sei. Dies hätten die Verwandten des verstorbenen Vaters des Mädchens getan, die der Mutter bei der Erziehung des Kindes nicht geholfen hätten und die sie zum ersten Mal gesehen habe. Ein derartiges Vorgehen werde von den tschetschenischen Behörden unterstützt und es sei nicht möglich, ohne Unterstützung hochrangiger Beamter dagegen vorzugehen.

Kann die Frau Opfer von Verfolgung werden?

Eine alleinstehende Frau könne zweifelsohne verfolgt werden. Nicht nur könne die Familie des Vaters des Kindes entscheiden, der Mutter das Kind wegzunehmen, die eigene Familie der Frau könne unter dem Druck des Vorurteils entscheiden, dass die Frau eine Schande sei und getötet werden solle. Eine derartige Entscheidung werde im Geheimen umgesetzt, der Körper der getöteten Frau werde verscharrt und es werde erklärt, dass die Frau verschwunden sei.

Welche anderen Risiken erwarten die Frau in Tschetschenien? Welche, wenn sie sich in einer anderen Region ansiedelt?

Keine andere Region akzeptiere TschetschenInnen, die aus Tschetschenien flüchten würden. Es gebe keine Aufnahmemechanismen, diese Personen würden nicht den Status von Binnenvertriebenen erhalten und es sei schwer für sie, eine Registrierung zu erhalten. Drei Tschetscheninnen, die bei Memorial/Komitee Bürgerbeteiligung arbeiten würden, würden ihre Unterkunft mieten, seien aber bei KollegInnen registriert. Nur dadurch könnten sie in Moskau leben und arbeiten. Sie würden ihre ethnische Herkunft vor ihren Vermietern verheimlichen. Die Tschetschenen seien ein kleines Volk mit extrem weitgehenden Verwandtschafts- und Nachbarschaftsbeziehungen. Wenn ein Tschetschene eine Frau treffe, die sich vor der Verfolgung ihrer Verwandten verstecke, würden diese über kurz oder lang herausfinden, wo sie sei und die Jagd beginne. Ein großes Risiko sei auch mit der zunehmenden Ausländerfeindlichkeit in Russland verbunden. Sowohl die Frau als auch ihre Kinder könnten Opfer nationalistischer Angriffe werden. Derartige Zwischenfälle könnten sich auf der Straße, bei der Arbeit und ziemlich häufig in der Schule ereignen.

Die Hilfe von NGOs für vulnerable Personengruppen werde behindert. 2014 sei ein Gesetz verabschiedet worden, das russischen StaatsbürgerInnen verbiete, an einem Wohnort zu leben, an dem sie nicht registriert seien. Jetzt könnten die MitarbeiterInnen von Memorial/Komitee Bürgerbeteiligung zu Gesetzesbrechern werden und gemeinsam mit den registrierten Schützlingen strafrechtlich verfolgt werden. Dies sei einer Kollegin aus Kaluga und 150 anderen russischen StaatsbürgerInnen bereits passiert, die wegen „fiktiver Registrierung“ verurteilt worden seien:

„4. A woman who gives birth to a child out of wedlock becomes an absolute outcast. If relatives find out about an unmarried woman's pregnancy, they will prefer to kill her and conceal what happened. If other people find out about the woman's situation, she can only flee and hide from her pursuers. But it doesn't always help. One can't but wonder how zealously the relatives are ready to pursue the ‘criminal’ sparing neither time nor money.

Since the questions asked by migration bodies and lawyers of Chechen women seeking asylum in Western countries repeat, we'll cite the answers to the basic ones.

If a single woman with children comes back to Chechnya after a long sojourn abroad, and if she has no connections in the republic, what will her future be like?

It is practically impossible for a Chechen single woman with children to reside in Chechnya without any relatives, since the kinship with Chechens extends to very distant relations. However, it doesn't mean that these relatives will help the woman. But they certainly will interfere with her life.

No one will lend her any housing, if it is not known, where she comes from, whose her children are, who their father is.

If the children are born out of wedlock, the woman's life is directly threatened by the men of her clan. Without any brothers or a father there will be no one to stand up for her. And even if somebody does, the clan won't let it happen. If such a woman dares to return to Chechnya at all.

Housing rent, employment – literally everything will arouse numerous questions mentioned above. And the ending might be tragic.

Wherever she settles, she can't avoid all these questions and ostracism at best. It will affect her children as well, who will know that they are not ‘full-fledged’ Chechens, and they will grow in solitude.

I must note that we regularly deal with cases when relatives pursue women with children.

One of our applications ran away from Chechnya pregnant, had a baby, lived in Moscow with her child born out of wedlock, met a wonderful Russian guy, married him and gave birth to a second baby in this marriage.

Her cousins not only found her in Moscow, but gave themselves the trouble to hunt for her in Poland where the family had fled from persecution. Exhausted, the spouses returned to Moscow. Finally, we managed to send them to the USA where they were granted asylum.

Another woman went to give birth to her child in Italy, but had to come back when her term of sojourn came to an end. Unfortunately, she did not know about the asylum system. Upon her return to Russia with a daughter she hid in a shelter in one of Russian towns where she was only kept for three months, then stayed now with one friends, now with other, fearing somebody will find out about her at home all the time. She was in danger and couldn't find a job, because she needed a registration for that, the receipt of which includes sending an enquiry at the address of permanent residence, and in this case her whereabouts would become known to her relatives.

Now we managed to get a Schengen visa for her, and she went to Italy again and asked for asylum. However, Italian migration bodies do not trust the information she gave and suggest she would return and live in a different region. We are supporting her asylum application, the authorities do not deport her, but do not grant her an opportunity to stay in Italy either.

Can her children be taken from her?

If it turns out that the children were born in wedlock, the relatives of the children's father would immediately appear. According to Chechen customs, the children belong to their family. They are sure to take the children. One doesn't need a good imagination to understand what kind of a shock the children who grew in a European society, were taken away from their mother and are not used to a strange family would experience.

I know of cases when a 14-year-old daughter was taken away from a mother who came for a visit to Chechnya and married off. It was done by the relatives of the girl's deceased father, who did not help the mother raise the girl and whom she saw for the first time. Such a stand is supported by the republican authorities, and it is impossible to appeal it against with no support of highranking officials.

Can she be subjected to persecution?

Undoubtedly, a single woman can be persecuted, as has been mentioned above. Not only the family of the child's father might decide to take the child from the mother – her own family under the pressure of prejudice might decide that the woman is disgraced and should be killed. Such a decision is executed secretly, the corpse of the killed woman is dug up and it is announced that she's missing.

What other risks are awaiting her in Chechnya? In case she settles in another region of Russia?

No other Russian region accepts Chechens fleeing the Chechen Republic. There are no acceptance mechanisms, the status of a forced settler is not provided, it’s difficult to draw up a registration. Three Chechen women working in our organization are renting their housing, but are registered at their colleagues'. Only thanks to this they can live and work in Moscow. They are hiding their ethnic origin from their landlords. […]

Chechens are a small people with extremely extended kinship and neighbourhood relations. If a Chechen meets a woman who is hiding from her relatives' persecution, they will sooner or later find out where she is – and a chase will start.

Certainly, huge risks are connected with the growth of xenophobia in Russia. Both the woman and her children might fall victims of a nationalist assault. Nationalistic incidents can happen in the street, at work and quite often at school with regard to children.

Rendering assistance to vulnerable categories of persons by NGOs is hindered. It should be noted that in 2014 a law was passed prohibiting the citizens to live not a place of residence. Now our colleagues and we become lawbreakers and can be subjected to prosecution together with our registered wards. It has already happened to our colleague in the Kaluga region Tatiana Kotliar and 150 other citizens convicted for a ‘fictitious registration’ […](Memorial/Civic Assistance Committee, 2014, S. 31-33)

Die Schweizerische Flüchtlingshilfe (SFH), ein Dachverband der Flüchtlings- und Menschenrechtsorganisationen, die unter anderem Dienste zur Recherche über Herkunftsländerinformationen zur Verfügung stellen, schreibt im März 2019 in einem Themenpapier zu Ehrenmord in Russland/Tschetschenien Folgendes:

„Die Stiftung Stichting Justice Initiative, die Menschenrechtsverletzungen im Nordkaukasus analysiert, hat im Dezember 2018 eine Studie zu Ehrenmorden in den nordkaukasischen Republiken Tschetschenien, Dagestan und Inguschetien publiziert. In der Studie wird aufgrund von Expertenauskünften festgehalten, dass in den nordkaukasischen Republiken die Autonomie der Frauen bedeutend kleiner sei als diejenige der Männer. Die Frau wird als Eigentum des Mannes betrachtet und muss gehorsam und passiv sein. Die gesamte Existenz der Frau wird den Traditionen untergeordnet und durch andere Mitglieder der Gesellschaft kontrolliert. Das Konzept der Ehre der Frau sei tief in der Geisteshaltung der Menschen im Nordkaukasus verankert. Dazu gehöre, dass es eine wichtige Aufgabe von Frauen sei, die Würde und Ehre der Familie zu wahren und diese Werte den Kindern weiterzugeben. An Frauen werden daher hohe Anforderungen bezüglich Verhaltensnormen gestellt. So ist die Ehre einer Frau untrennbar mit der Ehre der Familie und des Klans verknüpft. Die Verantwortung, diese persönliche und kollektive Ehre zu bewahren, obliegt der Frau. Von den Frauen wird erwartet, dass sie nicht für sich selbst antworten oder handeln, sondern im Namen der Ehre ihrer Familie. Der Status der Familie hänge von ihrer Ehre ab. […]

Laut dem gemeinsamen Bericht von zahlreichen namhaften russischen NGOs vom Juni 2018 handelt es sich bei ‚Ehrenmorden‘ im Nordkaukasus um die Tötung von Frauen durch ihre männlichen Verwandten, um die Familienehre wiederherzustellen. Begründet werden diese durch Gerüchte, Verdachtsmomente oder Beweise eines ‚unangebrachten‘ Verhaltens der betroffenen Frau, welches lokalen Bräuchen und Traditionen widerspreche. Als ein solches Verhalten kann zum Beispiel Untreue, eine voreheliche Beziehung, ein Briefwechsel oder eine Verabredung mit einem Mann gelten. Auch die Stichting Justice Initiative kommt im Dezember 2018 aufgrund von Interviews mit 70 Personen im Nordkaukasus zum Schluss, dass ‚Ehrenmorde‘ meist mit einer ‚moralischen Übertretung‘, respektive der Verletzung von Normen und Verhaltensregeln der Familie und Gesellschaft in Verbindung gebracht werden.

‚Unangebrachtes‘ Verhalten als ‚Schande‘ für Familie, Klan, Gemeinde und Gesellschaft. Eine Frau, welche des ‚unangebrachten‘ Verhaltens beschuldigt wird, wird als ‚Schande‘ für die Familie, den Klan, die Gemeinde und sogar die ganze Bevölkerung angesehen. Deswegen sind das Privatleben einer Frau, ihr Verhalten und die Bewahrung der Traditionen so wichtig für die Bewohner_innen der Region. Das ‚Missverhalten‘ von nur einer Frau schafft bereits einen Präzedenzfall für die ‚Zerrüttung der Traditionen, Bräuche und Werte der Gesellschaft‘. Die Tötungen werden laut Interviews der Stichting Justice Initiative als Massnahme für die Erhaltung der kulturellen und ethnischen Reinheit der Familie und der Gesellschaft angesehen. Gleichzeitig beschränkt sich laut derselben Quelle die männliche Kontrolle nicht nur auf den Körper und das sexuelle Verhalten der Frau, sondern ganz allgemein auf ihr Verhalten und ihre Aktivitäten. In all diesen Bereichen wird jeder von Frauen gezeigte Eigensinn (‚obstinacy‘) als eine Untergrabung der männlichen Ehre angesehen. In den Gesellschaften des Nordkaukasus ist die Annahme weit verbreitet, dass eine reale oder imaginäre ‚Schande‘, welche über einer Familie liegt, das Leben aller Verwandten in der Gegenwart und in Zukunft negativ beeinflusst. Auch ist der Glaube weit verbreitet, dass diese ‚Schande‘ dadurch ‚weggewaschen‘ werden kann, indem man die betroffene Frau tötet und dadurch die Verbindung mit ihr und der ‚Schuld‘ abtrennt. […]

Aufgrund der in der Studie untersuchten 33 Einzelfälle aus den Jahren 2008 bis 2017 kommt die Stichting Justice Initiative zum Schluss, dass die Hauptgründe für diese ‚Ehrenmorde‘ Klatsch, Gerüchte oder blosse Verdächtigungen einer möglichen ‚unangebrachten‘ Tat waren, ohne dass Fakten die Vorwürfe belegten. Ein gemeinsamer Bericht der Russian Justice Initiative und des Chechnya Advocacy Network weist ebenfalls darauf hin, dass bereits blosse Gerüchte über eine aussereheliche Beziehung zu einem ‚Ehrenmord‘ führen können. Diese Gerüchte, auch wenn sie völlig unbegründet sind, verbreiteten sich leicht in der lokalen Bevölkerung und werden allgemein als den Tatsachen entsprechend wahrgenommen.“ (SFH, 22. März 2019, S. 5-7)

„Einschätzung von Kontaktpersonen, dass eine Frau aufgrund ausserehelicher Beziehung gefährdet sein kann. Laut Einschätzung der für eine russische, auf den Nordkaukasus fokussierende Menschenrechtsorganisation tätigen Kontaktperson A und der für eine renommierte russische Menschenrechtsorganisation arbeitenden Kontaktperson B ist eine unverheiratete tschetschenische Frau, welche selbst eine aussereheliche Beziehung geführt habe, durch die Familie ihres Vaters gefährdet. Laut Kontaktperson B besteht für die Betroffene die Gefahr, Opfer eines Verbrechens im Namen der Ehre zu werden.

Der Normübertretung beschuldigte Familienmitglieder von Familien mit Verbindungen zu tschetschenischen Sicherheitskräften besonders gefährdet. Gemäss der Kontaktperson D mit anerkanntem Expertenwissen zu Tschetschenien werden vor allem in Familien mit Mitgliedern, die für die tschetschenischen Sicherheitskräfte arbeiten, ‚Ehrenmorde‘ und Gewalt gegen Frauen im Namen der Tradition verübt.“ (SFH, 22. März 2019, S. 9)

In einem Bericht von 2019 schreiben Memorial und das Komitee Bürgerbeteiligung Folgendes zur Lage von Frauen in Tschetschenien:

„Frauen in Tschetschenien

Über die Lage der Frauen in Tschetschenien berichten wir in fast jedem unserer Berichte über Menschenrechtsverletzungen in Russland.

Viele Organisationen beschäftigen sich mit dieser Frage, die Lage der Frauen wird auf internationalen Konferenzen Thema thematisiert, trotzdem sind keine Verbesserung eingetreten.

Erzwungene Eheschließungen, häusliche Gewalt, Kinder, die Müttern bei einer Scheidung oder dem Tod des Vaters weggenommen werden, sind die Norm in Tschetschenien. Weder die Rechtsschutzorgane noch die Kommission für Familienangelegenheiten, noch die Muftis tun irgendetwas, um die zunehmende Willkür und Gewalt gegen Frauen zu beenden. Wir wissen nur von einer Nichtregierungsorganisation in Tschetschenien, die Frauen hilft, die in einer schwierigen Situation sind. Aber die Leiterin dieser Organisation musste Russland verlassen, hat nach einem Vortrag bei einem Seminar in Berlin in Deutschland Asyl beantragt. Alle anderen sogenannten tschetschenischen Menschenrechtler imitieren nur eine Menschenrechtstätigkeit. Die Einmischung in Familienangelegenheiten durch das derzeitige Kadyrov-Regime ist nicht zulässig und widerspricht tschetschenischen Traditionen. Diese sind mit dem was derzeit geschieht, nicht vereinbar. Aber Kadyrov interpretiert die Traditionen so, wie es ihm beliebt und schafft so eine auf den heutigen Tag für ihn angepasste Tradition. […]

Unsere Erfahrung zeigt uns, dass Kinder, die in einer neuen Familie vom Vater angenommen worden sind, nicht immer gut leben. Die neue Frau des Vaters kann von den Kindern des Mannes beleidigt werden, die der Mann mitgebracht haben. Wir haben einer Frau geholfen, deren vierjähriger Sohn von dem Schwiegervater geschlagen worden ist. Der Junge war verängstigt, hatte vor allen Männern Angst und hat sich immer an die Mutter geklammert, als sie mit ihm und seiner Tochter nach Moskau gekommen ist. Diese Familie hat in einem Land der EU Asyl erhalten. Deswegen ist nicht nur die Frau bei einer Rückkehr in Gefahr, auch ihr Kind.

Ein Umzug in eine andere Region Russlands ändert wenig. Eine Frau mit Kindern wird in der Regel von Verwandten nicht aufgenommen, sie kann nicht einfach Wohnung, Arbeit finden. Sie kann auch keine Dokumente für die Kinder erstellen, die diesen einen Schulbesuch oder Kindergartenbesuch ermöglichen würden. Bei jedem Versuch, etwas von dem aufgezählten zu tun, würde sie ja in den Datenbanken des Innenministeriums geführt werden. Und diese Daten werden nach Tschetschenien weitergegeben und sofort würden dann von dort Personen anreisen, von denen die Frauen in dem Versuch, ihre Kinder zu retten, geflohen ist.

Das schlimmste Beispiel der Gefahr einer Rückkehr nach Russland sind Frauen mit Kindern, die direkt ihrem Mann übergeben werden, der schon gemordet hat.“ (Memorial/Civic Assistance Committee, 2019)

Die polnische NGO Association for Legal Intervention (SIP), die gegen soziale Ausgrenzung kämpft und kostenlose rechtliche Beratung zur Verfügung stellt, schreibt in einem im Mai 2019 veröffentlichten Artikel über den Fall einer Tschetschenin, die zum Zwecke einer Heirat in Tschetschenien entführt worden sei. Nach einem Jahr, die Frau sei bereits sehr schwach gewesen, habe ihre Tante sie besucht und alles habe mit einer Scheidung geendet. Eine geschiedene Frau habe keine Chance, in Tschetschenien wieder zu heiraten. Jahre später habe sie aber einen Mann getroffen, vom dem sie geglaubt habe, er sei wunderbar. Sie habe gewusst, dass er eine Familie gehabt habe, aber sie habe gehofft, dass es zumindest eine lokale muslimische Zeremonie geben werde. Als sie schwanger geworden sei, habe der Mann sie zu einer Abtreibung gedrängt. Er habe gedroht, sie zu verletzten, sollte sie nicht abtreiben lassen. Sie habe nicht zur Polizei gehen können, weil die Polizei gegen Frauen wie sie sei. In ihrem Land sei es strikt verboten, ein außereheliches Kind zu haben. Es sei ein größeres Vergehen, ein außereheliches Kind zu haben, als eine Abtreibung. Es sei unmoralisch und derart beschämend für die Familie, dass sie deswegen habe sterben sollen. In ihrem Land würden Frauen dafür getötet und das werde für normal gehalten. So normal, dass niemand überrascht sei, wenn eine derartige Frau verschwinde, und niemand suche sie oder melde es. Offiziell seien diese Personen verschwunden, obwohl alle wüssten, dass sie vom Ehemann, Vater oder einem Bruder wegen der Schande getötet worden seien. Die Tötung sei die einzige Möglichkeit, diese Schande abzuwaschen.
Sie habe weglaufen müssen, bevor ihre Brüder entdeckt hätten, dass sie schwanger gewesen sei. Außerdem habe sie Angst vor dem Vater ihrer ungeborenen Tochter gehabt. Sie sei im vierten Monat schwanger gewesen, als sie nach Polen gekommen sei. Sie wisse nicht, wie es weitergehe. Vermutlich werde sie abgeschoben und mit dem Kind nach Moskau geschickt. Was sie dann machen solle und wo sie hingehen solle, wisse sie nicht. Ohne Registrierung werde niemand sie einstellen, das Kind erhalte keine medizinische Versorgung. Aber sie könne sich nicht registrieren, weil immer eine Nachricht nach Tschetschenien geschickt werde, da dies gesetzlich vorgeschrieben sei. Sie und ihr Kind müssten verschwinden, denn ansonsten würden ihre Familie oder der Vater des Kindes sie finden:

„When I was sixteen, they kidnapped me to force me into marriage. This is how it’s done in Chechnya – they grabbed my hands, carried me into the car, and put me inside. I didn’t know what was happening, it took place so quickly. […] After a year my aunt, my father’s sister, visited me. I was pale and very weak. Auntie went to talk to my husband’s mother. It all turned into a big row and in the end she took me away from there. I got a divorce. […]

A divorced woman doesn’t have a chance to remarry in Chechnya, but I was happy when, years later, I met someone I believed to be a wonderful man. I knew he had a family, but I was hoping that we would at least get a local Muslim ceremony. When I got pregnant, he told me to have an abortion. He threatened to hurt me if I didn’t. I couldn’t go to the police, as the police is against ones like me.

It’s strictly forbidden to have a child born out of wedlock in our country. It’s a greater offence to have a bastard than to have an abortion. It’s immoral and so embarrassing for the family that I should die for it. In our country, women are killed for it, and it’s believed to be normal. So normal that no one is surprised when such a woman disappears, and no one looks for her or reports it.

Officially, these are disappearances, although everyone knows it was a husband, a father or a brother who killed them driven by shame. This is the only way to wash away the dishonour. I had to run away before my brothers discovered that I was pregnant. I was also afraid of the father of my unborn daughter, Sofia.

I was four months pregnant when I came to Europe, to Poland. There were a lot of people on the border in Brest. My fifth attempt at crossing the border proved successful. […]

What’s going to happen? I don’t know. I have been wondering for four years and I still don’t know. They’ll probably deport us, send us to Moscow. I will get off the plane with the child and what then? Where should I go, what should I do? Without registration of residence, nobody will hire me, the child will not receive medical care, and I cannot register. When you register, they always send a note about it to Chechnya, that’s the law. And we have to disappear, otherwise my family or her father will find us.” (SIP, 22. Mai 2019)

Das Institute for War and Peace Reporting (IWPR), ein internationales NGO-Netzwerk, das durch Reportagen und Kapazitätsaufbau Journalismus stärkt, um Menschenrechte zu sichern, berichtet in einem älteren Artikel vom Jänner 2007 über den Verkauf von Kindern in Tschetschenien. In dem Artikel berichtet eine Journalistin, dass sie zehn Jahre zuvor mit diesem Problem konfrontiert gewesen sei, als sie mit dem Taxi in Tschetschenien durch ein Dorf gefahren sei und sechs Kinder gesehen habe, die an einem Zaun gestanden seien. Der Taxifahrer habe ihr erklärt, dass diese Kinder zum Verkauf stünden, weil die Mütter nicht in der Lage seien, für sie zu sorgen. Die Journalistin habe keine Möglichkeit gehabt, diese Angaben zu überprüfen, aber es würden Anzeichen darauf hindeuten, dass die Anzahl der Familien ohne Kinder in Tschetschenien nach zehn Jahren Krieg drastisch angestiegen sei und die Menschen bereit seien, große Summen für die Adoption eines Neugeborenen zu zahlen und häufig auch zu illegalen Methoden greifen würden. Das Problem werde noch durch die Tatsache verschärft, dass die tschetschenische Gesellschaft außereheliche Kinder als beschämend erachte und es nur wenige offizielle Adoptionen gebe. Diese „Geschäfte“ („transactions”) seien sehr geheim und es sei schwierig, an gute Daten zu kommen. Die tschetschenische Staatsanwaltschaft habe jedoch Fälle registriert, in denen Kinder verkauft oder illegal an mutmaßliche Adoptiveltern übergeben worden seien. Die stellvertretende Chefärztin einer tschetschenischen Geburtenklinik habe erklärt, dass es eine Schande für eine alleinstehende Frau sei, ein Kind zu bekommen. In der Regel würden diese Frauen das Kind zu Hause bekommen. Danach würden sie das Kind, um es nicht offiziell ablehnen zu müssen, heimlich an jemanden übergeben oder es „wie Abfall zurücklassen“ („abandon it like rubbish“). Manchmal würden sie das Kind auch verkaufen, was noch schlimmer sei:

„Ten years ago, I glimpsed the problem when I was riding in a taxi through the village of Assinovskaya in Chechnya. I saw six children standing in a line beside a wooden fence. When I wondered why they were standing there, the taxi driver answered, ‘To be sold.’

The driver said that mothers were unable to take care of the children, so they sold them to well-off people. ‘One girl has already been sold,’ he said. ‘She was nice and beautiful with fair hair. They bought her because she was very small. These ones are bigger and no one wants to buy them.’

There was no way of verifying what he had to say, but evidence suggests that after a decade of conflict and turmoil in Chechnya, the number of childless families has risen drastically and people are ready to pay large sums to adopt a newborn baby - and frequently to resort to illegal methods to acquire one.

The problem is compounded by the fact that Chechen society considers illegitimate birth shameful and there is very little formal adoption. The transactions are extremely secret and good data is hard to come by. However, the Chechen prosecutor's office has registered cases of children having been sold or illegally handed over to assumed adoptive parents.

On November 13 last year, prosecutors filed a case against an alleged criminal group charged with trafficking minors. If convicted, the three accused, all women, will face a sentence of between three and ten years in prison. They deny the charges against them and have been released on bail awaiting trial.

The three are suspected of trying to sell a three-month-old girl for three thousand US dollars to an operative from Chechnya’s drugs control department, which was carrying out an investigation.

Other cases of child trafficking were reported on last year, including the detention of two women last May accused of trying to sell a newborn boy for 110,000 roubles (4,200 dollars).

The prosecutor’s office declined to comment on the details of this alleged crime, but prosecution official Adam Khambiev told IWPR about another case. He said three women had been arrested in Grozny in May last year, the first two accused of handing over a one-month-old girl to the latter in the city’s Hospital No. 2. Law enforcement officers found another baby in the apartment of one of the women. The women are to be charged with abducting a minor and could face a jail sentence of up to 15 years. […]

Madina Eldarova, deputy head physician in Chechnya’s maternity clinic, explained how many children end up being abandoned.

‘Because of our traditional mentality, it is shameful for a single woman to give birth to a child,’ she said. ‘As a rule, these women deliver at home. Afterwards, so as not to reject the child officially, they secretly hand it over to someone else or abandon it like rubbish. They sometimes sell them, which is even worse.’“ (IWPR, 15. Jänner 2007)

The Insider, ein russisches Projekt für investigativen Journalismus, schreibt in einem Artikel vom Oktober 2019, dass Menschenhandel in Russland in der offiziellen Statistik nur schlecht widergegeben werde, weil dieses Verbrechen schwer nachzuweisen sei. Nach Paragraph 127.1 des Russischen Strafgesetzbuches (Menschenhandel) habe es in den letzten acht Jahren 30 Schuldsprüche gegeben, elf davon im Nordkaukasus (davon drei in Tschetschenien). Die kaukasischen Traditionen würden Schande nicht verzeihen, weshalb Frauen, die außerhalb einer Ehe schwanger geworden seien, alles tun würden, um das zu verbergen, so der Gründer von Alternative, einem Projekt gegen Sklaverei. Es sei ganz normal, die Mädchen würden zum Studieren woanders hinziehen, schwanger werden und hätten dann Angst vor der Schande zu Hause. In den Akten der Strafverfahren könne man laut The Insider aber auch andere Geschichten lesen. Frauen, die Kinder verkauft hätten, hätten eigene Familien und Kinder gehabt. Die zum Verkauf angebotenen Kinder hätten etwa von einem anderen Mann sein können. Ein Gericht im Rajon Scholkowo in Tschetschenien habe beispielsweise 2015 eine Frau, die versucht habe, ein unerwünschtes Kind zu verkaufen, zu vier Jahren Straflager verurteilt, obwohl sie drei minderjährige Kinder habe. In den Akten des Falls sei zu lesen gewesen, dass die Frau 2014 von einem Mann namens Ruslan schwanger geworden sei, sie habe aber seinen Nachnamen und Wohnort nicht gekannt. Den lokalen Traditionen folgend hätte man ihr unanständiges Verhalten vorwerfen können, was eine Schande für die Familie gewesen wäre. Etwa ab dem siebten Monat habe sie an Gewicht zugenommen, ihre Kinder hätten sie aber nicht danach gefragt und sie habe nichts dazu gesagt, außer, dass sie zugenommen habe:

Торговля детьми в России в официальной статистике отражена плохо. Преступления малодоказуемы, если за схемами купли-продажи в каждом конкретном случае сразу не следит полиция. По ст. 127.1 УК (Торговля людьми) за последние восемь лет было вынесено 30 обвинительных приговоров за торговлю младенцами. Одиннадцать из них приходятся на Кавказ: пять в Дагестане, три в Чечне, по одному в Северной Осетии и Кабардино-Балкарии. Кавказские традиции не прощают позора — забеременевшие вне брака девушки идут на всё, чтобы скрыть это, считает основатель движения по борьбе с рабством ‚Альтернатива‘ Олег Мельников. ‚Как это обычно бывает: поехала учиться куда-то, забеременела, боится дома позора. Таким девушкам тяжело, они запутались, мы стараемся помочь. Кому смогли помочь, те сейчас живут с детьми, в родительский дом не возвращаются‘, — рассказывает Олег.

В материалах уголовных дел можно встретить и другие истории. У женщин, продававших детей, были свои семьи и дети. А дети на продажу могли быть от другого мужчины. Например, в 2015 году Шелковской районный суд Чечни приговорил женщину, пытавшуюся продать нежеланного ребенка, к четырем годам колонии общего режима, несмотря на наличие у нее троих несовершеннолетних детей, которые были переданы представителям опеки. Вот что говорится в материалах дела: В феврале 2014 года она забеременела от парня по имени Руслан, как его фамилия и где он проживает, она не знает. С учетом местных обычаев её могли обвинить в непристойном поведении, это был бы позор для семьи. Примерно к седьмому месяцу беременности она начала поправляться, при этом её дети у неё ничего не спрашивали, а она им ничего не говорила, а говорила, что просто набрала вес.(The Insider, 17. Oktober 2019)

Die in Stawropol herausgegebene Beilage der russischen Wochenzeitung Argumenty i Fakty berichtet im Oktober 2018, dass eine junge Mutter aus Tschetschenien laut Angaben der lokalen Staatsanwaltschaft ihr Kind habe loswerden wollen und es einer Einwohnerin von Kabardino-Balkarien geschenkt habe. Die Frau habe im Juli 2016 das außereheliche Kind vor ihren Verwandten geheim halten wollen, weshalb sie es verschenkt habe. Sie sei zu vier Jahren Haft verurteilt worden:

Молодая мама из Чечни решила избавиться от младенца и подарила его жительнице КБР, сообщили в республиканской прокуратуре.

Женщина хотела скрыть от родственников внебрачного ребёнка в июле 2016 года. Она подарила его жительнице городского поселения Нарткалы Урванского района. Поскольку несовершеннолетними нельзя торговать, в отношении женщины возбудили уголовное дело.

Прокуратура Урванского района поддержала обвинения в суде. Суд назначил матери наказание в виде 4 лет лишения свободы.(AIF-SK, 22. Oktober 2018)

  


Quellen: (Zugriff auf alle Quellen am 19. Dezember 2019)

·      AIF-SK – Argumenty i Fakty – Stawropol: Жительница Чечни подарила ребёнка женщине из КБР [Eine Einwohnerin Tschetscheniens hat eine Frau aus Kabardino-Balkarien ein Kind geschenkt], 22. Oktober 2018
https://stav.aif.ru/auto/details/na_stavropole_poymali_bandu_moshennikov_pohishchavshih_avtomobili

·      BVwG – Bundesverwaltungsgericht: Entscheidungstext W147 1436734-4/19E, 30. Oktober 2019
https://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/Bvwg/BVWGT_20191030_W147_1436734_4_00/BVWGT_20191030_W147_1436734_4_00.html

·      IWPR - Institute for War and Peace Reporting: Chechnya: Children for Sale, 15. Jänner 2007
https://iwpr.net/global-voices/chechnya-children-sale

·      Memorial/Civic Assistance Committee: Chechens in Russia, 2014
https://refugee.ru/wp-content/uploads/2016/08/Chechens-in-Russia_eng.pdf

·      Memorial/Civic Assistance Committee: Warum bitten russische Staatsbürger um Asyl in Europa?, 2019
http://www.clasen.net/sg.html?fbclid=IwAR3omQG7hRJh07HOR7-USSEkpOn-MeEcIyWLH7YrZI6ZwA1bMCuWQ0C

·      Ria Nowosti: Вместо загса - вторая жена. Как оформляют внебрачных детей [Statt des Standesamts eine Zweitfrau. Wie außereheliche Kinder „legalisiert“ werden], 22. August 2019
https://ria.ru/20190822/1557763544.html

·      SFH – Schweizerische Flüchtlingshilfe: Russland/Tschetschenien: «Ehrenmord», 22. März 2019
https://www.ecoi.net/en/file/local/2007782/190322-rus-ehrenmord.pdf

·      SIP - Association for Legal Intervention: Hostages of the System: “If I had given birth to an illegitimate child in Chechnya, they would have killed me”, 22. Mai 2019
https://interwencjaprawna.pl/en/hostages-of-the-system-if-i-had-given-birth-to-an-illegitimate-child-in-chechnya-they-would-have-killed-me/

·      The Insider: Младенцы за 300. Как The Insider покупал детей под видом педофила [Kinder für 300. Wie The Insider unter dem Deckmantel eines Pädophilen Kinder gekauft hat], 17. Oktober 2019
https://theins.ru/korrupciya/181741