Anfragebeantwortung zum Irak: Provinz Diyala: Sicherheitslage in der Stadt Al-Muqdadiyya; Humanitäre Lage in der Stadt Al-Muqdadiyya, insbesondere von Kindern; Sicherheitslage von Sunniten in Bagdad [a-10859]

 

28. Februar 2019

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 Sicherheitslage in der Stadt Al-Muqdadiyya, Präsenz von Milizen

Das norwegische Herkunftsländerinformationszentrum Landinfo, ein unabhängiges Organ der norwegischen Migrationsbehörden, das verschiedenen AkteurInnen innerhalb der Migrationsbehörden Herkunftsländerinformationen zur Verfügung stellt, schreibt in einer Zusammenfassung zur Sicherheitslage in der Provinz Diyala vom Jänner 2019, dass viele der Aktivitäten der Gruppe Islamischer Staat (IS) im Jahr 2018 von den Hamrin-Bergen zwischen den Provinzen Kirkuk, Salahaddin und Diyala aus gesteuert worden seien. In dieser Gegend halte sich der IS versteckt und die irakischen Sicherheitskräfte hätten es bis jetzt nicht geschafft, dessen Präsenz zu beenden:

„Much of ISIS’ operations in Iraq during the past year have been steered from the rural Hamrin mountain areas bordering Kirkuk, Salah al-Din and Diyala and from the delta-areas of the Diyala river in Muqdadiya. These areas serve as hiding places for ISIS, and Iraqi forces have not succeeded in weeding them out.“ (Landinfo, 8. Jänner 2019, S. 4)

Landinfo fährt in einem Unterkapitel zur Lage in Al-Muqdadiya fort, dass laut einer Umfrage der Organisation REACH die Bevölkerung des Distrikts sehr gemischt sei und es in der Stadt Muqdadiya und im ganzen Distrikt starke konfessionelle Spannungen gebe. Laut einem im Februar 2018 erstellten Rückkehrprofil zur Provinz Diyala habe das UNO-Flüchtlingshochkommissariat (UN High Commissioner for Refugees, UNHCR) berichtet, dass es weiterhin zu kollektiver Bestrafung von Familien komme, denen Verbindungen zu extremistischen Gruppen, darunter dem IS, unterstellt würden. Es sei über die Verhinderung der Rückkehr und über die Zerstörung von Eigentum berichtet worden, die eine große Anzahl von Binnenvertriebenen von der Rückkehr nach Al-Muqdadiya abgehalten habe. Auf einer vom Center for Strategic and International Studies erstellten Karte (mit vom IS verübten Anschlägen bis einschließlich Oktober 2018, Anm. ACCORD) könne man erkennen, dass es im Süden des Hamrin-Sees im Distrikt Muqdadiya viele Anschläge des IS gegeben habe:

„Muqdadiya distrikt ligger nordøst for Baquba. Distriktet har en sammensatt befolkning, og det er sterke sekteriske spenninger både i byen og distriktet for øvrig. Dette kommer frem i en rapport fra REACH (2018a) om retursituasjonen i Muqdadiya distrikt, basert på intervjuer med en rekke nøkkelinformanter i området. Ifølge UNHCR pågikk det i februar 2018 kollektiv avstraffelse av familier som man antar har bånd til ekstremistgrupper, som ISIS. Det ble rapportert om bl.a. returnekt og ødeleggelse av eiendom. Dette, hevdes det, hindrer retur for store grupper internt fordrevne, bl.a. til Muqdadiya (UNHCR 2018a). Områder sør for Hamrin-innsjøen ligger i dette distriktet, og mange av ISIS-angrepene forekommer der. Dette kommer frem i et kart publisert i CSIS (Markusen 2018, figur 5).“ (Landinfo, 8. Jänner 2019, S. 17)

REACH, eine Initiative der humanitären NGOs IMPACT und ACTED sowie des operativen UNO-Satellitenanwendungsprogramm UNOSAT, veröffentlicht im Oktober 2018 den Ergebnisbericht einer Umfrage zu Rückkehr im Distrikt Muqdadiya. Hierfür wurden 25 InformantInnen, darunter RückkehrerInnen, Binnenvertriebene, Gemeinschaftsführer und Personen mit Spezialwissen zu einzelnen Bereichen der Grundversorgung befragt. Laut Angaben der Befragten habe die fortwährende Präsenz des IS im Norden der Stadt Muqdadiya manche Personen an der Rückkehr gehindert oder sie davon abgehalten, ihre Felder zu bestellen, da sie Angst vor Angriffen gehabt hätten. Berichten zufolge habe es in den landwirtschaftlich genutzten Gebieten rund um die Dörfer im Norden der Stadt Muqdadiya weiterhin mit explosiven Stoffen kontaminierte Bereiche gegeben. Die irakische Regierung habe nicht über die nötigen Kapazitäten verfügt, diese Bereiche umfassend zu säubern:

„The continued presence of ISIL north of the city was indicated to prevent some people from returning or from adequately working their lands due to fear of attacks. Explosive hazards were reportedly still present in some of the agricultural lands around the villages north of Muqdadiya city. The GoI [Government of Iraq] was said to have undertaken efforts to clear the land of explosive hazards but reportedly did not have enough capacity to comprehensively clear the area.“ (REACH, 31. Oktober 2018, S. 1)

iMMAP, eine internationale NGO, die mit der Erstellung von Karten und Grafiken humanitäre Partner und Entwicklungsorganisationen unterstützt, veröffentlicht im Februar 2019 einen Überblick zu sicherheitsrelevanten Vorfällen im Irak im Jänner 2019. Es wird erwähnt, dass die irakische Luftwaffe am 13. Jänner IS-Positionen nahe des Hamrin-Sees im Norden der Provinz Diyala angegriffen habe. In der Gegend Um Al-Fahm seien drei Operationsstützpunkte zerstört worden. Am 21. Jänner hätten IS-Kämpfer einen Polizisten im Dorf Mayah an der Grenze zum Distrikt Muqdadiya erschossen.

„13 January 2019

Iraqi Air Forces: Engaged airstrikes on ISIS positions in areas near Hamrin lake north of Diyala governorate. The strikes destroyed 3 operating bases in Um Al-Fahm area.” (iMMAP, 5. Februar 2019, S. 3)

„21 January 2019

ISIS: Sniped and killed a policeman and injured another one followed by an attack on a security point in Sheikhy village within Alqwaqif orchards. In another security incident they sniped and killed a SWAT [Special Weapons and Tactics] police member on Imam Ways road in the Mayah village side on Muqdadiya district border in Diyala governorate” (iMMAP, 5. Februar 2019, S. 3)

iMMAP erstellt darüber hinaus Tabellen, in denen die Anzahl der Luftangriffe und der bewaffneten Zusammenstöße in einzelnen Distrikten für die Monate Dezember 2017 bis Jänner 2019 erfasst wird. Was Luftangriffe im Distrikt Muqdadiya betrifft, so wurden im Dezember 2017 ein Luftangriff, im Jänner 2018 zwei, im Februar 2018 einer, im Juli einer, im Dezember 2018 zwei und im Jänner 2019 ein Luftangriff registriert. (iMMAP, 5. Februar 2019, S. 2)

iMMAP registrierte das Vorkommen bewaffneter Zusammenstöße in Muqdadiya folgendermaßen: im Dezember 2017 einen, im März 2018 einen, im Mai 2018 zwei, im Juni 2018 fünf, im Juli einen, im August und September jeweils zwei und im Jänner 2019 drei. (iMMAP, 5. Februar 2019, S. 2)

 

Iraqi News, eine nach eigenen Angaben unabhängige englischsprachige Onlinezeitung für den Irak und den Nahen Osten, berichtet im April 2018, dass ein von der US-Koalition unternommener Luftangriff nahe Muqdadiya ein Versteck des IS zerstört habe. Als sich daraufhin Truppen der irakischen Armee dem Versteck genähert hätten, sei eine Bombe explodiert. Ein Soldat sei getötet und drei weitere verletzt worden:

„Four Iraqi soldiers were killed and injured in a bomb blast in northeast of Diyala, an informed security source from the province said on Friday. 'An Islamic State haven was destroyed by the U.S.-led Coalition jets near Muqdadiya region, northeast of Diyala,‘ the source told Alghad Press. 'Army troops then advanced to check the haven.‘ A bomb, planted near the haven, went off as the troops advanced, leaving a soldier killed and three others, including an officer, wounded, according to the official estimates of the hospital.“ (Iraqi News, 20. April 2018)

Al Araby Al Jadeed, ein 2014 in London gegründetes Medienunternehmen, berichtet in einem Artikel auf seiner Nachrichtenwebseite vom April 2018, dass in Muqdadiya Drogen zunehmend verbreitet seien, da einflussreiche Milizen in der Gegend diese billig aus dem nahen Iran importieren würden und die Polizei nichts gegen die Milizen unternehmen könne. Die in Muqdadiya präsenten Milizen, allen voran die Badr-Miliz und Asa’ib Ahl al-Haqq, würden das alltägliche Leben in der Stadt, die Märkte, die Verwaltung und die Checkpoints am Eingang der Stadt kontrollieren. Laut einem lokalen Amtsträger, der anonym bleiben wolle, seien die Drogen bis zu Schülern von weiterführenden Schulen gelangt und daran seien die „Fremden schuld, die die Stadt belagern würden.“ Man sehe junge Leute auf den Straßen, die Alkohol trinken und Drogen nehmen würden. Die Kriminalitätsrate sei laut dem Amtsträger ebenfalls angestiegen, was man anhand der vielen Anzeigen sehen könne, die in den Polizeistationen aufgenommen würden. (Al Araby Al Jadeed, 25. April 2018)

 

Die ägyptische Onlinezeitung Masrawy berichtet im September 2018, dass laut Angaben des Distriktrates von Muqdadiya fünf Mörsergranaten an unterschiedlichen Orten im Distrikt eingeschlagen seien. Die meisten Städte in der Provinz Diyala seien halbwegs stabil, jedoch komme es von Zeit zu Zeit zu sicherheitsrelevanten Vorfällen und terroristischen Aktivitäten, die Mitglieder der Sicherheitskräfte sowie ZivilistInnen ins Visier nehmen würden. (Masrawy, 18. September 2018)

 

Die sich selbst als unabhängige Nachrichtenagentur beschreibende irakische Website Yaqein berichtet im Dezember 2018, dass Dutzende Einwohner des Distrikts Al-Muqdadiya gegen Verstöße und Einmischungen der Milizen der Volksmobilisierungseinheiten (Popular Mobilisation Forces, PMF) demonstriert hätten. Am Tag zuvor hätten PMF-Kämpfer die Häuser von Mitgliedern des Distriktrates angegriffen. Sie hätten den Distriktrat gestürmt und Mitglieder des Rates verprügelt und beschimpft. Gleichzeitig sei auf die Häuser einiger Abgeordneten gefeuert worden, um deren Familien einzuschüchtern. Die Demonstranten hätten von den PMF verlangt, sich nicht in Regierungsangelegenheiten und politische Belange einzumischen und eine Aufklärung der Vorfälle vom Vortag gefordert. Bei dem Konflikt zwischen lokalen Politikern und den PMF gehe es um die Ernennung für den Posten des Distriktvorstandes. (Yaqein, 15. Dezember 2018)

 

Al-Hurra, ein US-amerikanischer und von US-Behörden finanzierter, arabischsprachiger Fernsehsender, berichtet im Dezember 2018 ebenfalls über den oben beschriebenen Vorfall im Distriktrat und schreibt, dass der Präsident des Distriktrates, Adnan Tamimi, die Sicherheitskräfte dazu aufgefordert habe, die Ratsmitglieder zu schützen, nachdem diese Angriffen und Einschüchterungen vonseiten konkurrierender Kandidaten um das Amt des obersten Verwaltungsbeamten ausgesetzt gewesen seien. Die zwei Kandidaten, einer von der Badr-Miliz, der andere von den PMF, würden sich laut Tamimi der PMF-Kämpfer bedienen, um auf Mitglieder des Distriktrates Druck auszuüben und sie daran zu hindern, der Sitzung zur Nominierung des obersten Verwaltungsbeamten beizuwohnen. Die Polizei sei bei diesem Vorgehen nicht eingeschritten. (Al-Hurra, 15. Dezember 2018)

 

Die International Organisation für Migration (IOM) veröffentlicht im November 2018 einen Bericht zu Vertreibung und Rückkehr im Irak, der auf seit 2014 erhobenen Daten zur Vertreibung basiert. Aus Befragungen habe man entnommen, dass 36 Prozent der befragten aus Al-Muqdadiya stammenden Binnenflüchtlinge befürchtete Diskriminierung als einen Grund genannt hätten, weshalb sie noch nicht zurückgekehrt seien. Der Durchschnitt der gesammelten Angaben aller Binnenflüchtlinge zu dieser Frage liege bei 17 Prozent. Der Distrikt Al-Muqdadiya sei einer der Distrikte, der aufgrund seiner ethno-religiös gemischten Demographie stark polarisiert sei. Obwohl es nicht unbedingt zu offenen Konflikten oder Gewalt komme, seien Feindseligkeiten oder Spannungen zwischen den Gemeinschaften eindeutig erkennbar. Außerdem weist IOM noch darauf hin, dass an Orten mit einer Präsenz vieler verschiedener Sicherheitsakteure Rückkehrbewegungen in geringerem Maße stattfinden würden. Dies treffe auch auf den Distrikt Al-Muqdadiya zu. Die Präsenz vieler verschiedener Akteure bringe oft Unsicherheit mit sich, wer welche Gebiete kontrolliere und wessen Regeln man befolgen müsse. Diese Unsicherheit wirke sich auch auf eine Entscheidung zur Rückkehr aus:

„Examining this indicator in detail reveals that 17% of IDPs list fear of discrimination as one of three reasons why they do not plan to return to their places of origin within the coming year. More telling findings are revealed when highlighting the districts of origin where fear of discrimination rates are significantly higher than the average listed above, particularly because in many districts this is a factor of influence in relation to return. The districts where this rate is particularly high include: Kirkuk Centre (42%), Baquba (37%), Muqdadiya (36%), Balad (33%), Hamdaniya (30%), Musayab (29%), Sinjar (26%) and Baaj (20%). What these districts have in common is that they are highly polarized in terms of ethno-religious diversity within or surrounding them. Thus, while open conflict or violence may not be taking place, hostilities or tensions between communities is considerably noticeable.” (IOM, November 2018, S. 15)

„Results from the Return Index indicate that a location with the presence of a multiplicity of security actors is significantly less likely to have returns than a location with a smaller number of actors – this holds particularly true within the districts of Khanaqin, Telafar, Muqdadiya, Khalis and Tooz Khormatu. Multiplicity oftentimes brings confusion as to who is in control of locations and which protocols residents need to follow, issues ultimately linked to safety perceptions and affecting likelihood to return.” (IOM, November 2018, S. 17)

Ein älterer Vorfall aus dem Jahr 2016 zeigt konfessionelle Spannungen in Al-Muqdadiya auf, die in Gewalt mündeten:

 

Die internationale Menschenrechtsorganisation Amnesty International (AI) schreibt im Februar 2016, dass nach einem Selbstmordattentat auf ein in schiitischem Besitz befindliches Café in Muqdadiya in der Provinz Diyala schiitische Milizen willkürlich sunnitische Männer entführt und getötet hätten. Sunnitische Journalisten, die über die Vorkommnisse in Muqdadiya berichtet hätten, seien ebenfalls ins Visier genommen worden. Ein Reporter und ein Kameramann des Senders Al-Sharqiya seien von Milizen gezwungen worden, an einem Checkpoint im Südwesten von Muqdadiya aus ihrem Auto auszusteigen. Dort seien sie von den Milizkämpfern erschossen worden:

„On 11 January, a suicide bomb attack took place in a café owned by a member of the Shi’a community and known to be popular among young people in the al-‘Asri neighbourhood of Muqdadiya, Diyala province. […]

On the evening of the bomb attacks, and during the following days, armed Shi’a militia members went on the rampage, abducting and killing Sunni men and burning and destroying Sunni mosques , shops and property in various neighbourhoods in Muqdadiya, including al-‘Azzi, al-Hurriya, al-'Asri, al-Filisteen, al-'Askari, al-Souq, al-Mo’alimeen, Dour al-Sifr and al-Ahmar and the nearby village of al-Qubba. […]

Sunni journalists who covered the events in Muqdadiya were also targeted. On 12 January, al-Sharqiya television channel reporter, Saif Talal, and cameraman, Hassan al-‘Ankabi, were forced out of their car by militiamen at a checkpoint in Abu Sayda area, south-west of Muqdadiya, and shot dead, according to a statement by the television channel. They were on their way to Baquba after having accompanied the Tigris Military Operations Commander, Lieutenant General, Mezher al-‘Azzawi in Muqdadiya.“ (AI, 5. Februar 2016, S. 1-3)

Humanitäre Lage in der Stadt Al-Muqdadiyya, insbesondere von Kindern

Der Bericht der Organisation REACH vom Oktober 2018 erwähnt, dass laut Angaben von führenden Mitgliedern der Gemeinschaft zu den wichtigsten derzeitigen Bedürfnissen der Bevölkerung die Konstruktion eines Abwassersystems für die Stadt Muqdadiya zähle. Die Priorität der befragten Personen in den Dörfern des Distrikts sei der Wiederaufbau von Häusern und Infrastruktur, sowie die Wiedernutzbarmachung verbrannter landwirtschaftlicher Flächen. Die befragten rückkehrenden Dorfbewohner im Norden der Stadt Muqdadiya hätten als Grund für ihre Rückkehr angegeben, dass eine internationale NGO ihre Häuser repariert habe und sie als Binnenvertriebene kein Einkommen erwirtschaftet hätten. Diejenigen Befragten, die noch nicht nach Muqdadiya zurückgekehrt seien, hätten als Gründe für ihre noch nicht erfolgte Rückkehr vorgebracht, dass ihre Häuser beschädigt, zerstört oder ausgeraubt worden seien, es in der Gegend kaum Arbeitsmöglichkeiten gebe und die Lage von konfessionellen Spannungen bestimmt sei. Laut den Befragten habe es, insbesondere in den Dörfern nördlich von Al-Muqtadiya, nur wenig Erwerbsmöglichkeiten gegeben. Die Anzahl der Personen, die in der Landwirtschaft arbeiten würden, sei stark zurückgegangen, da die Ackerflächen verbrannt seien und man nicht über die finanziellen Mittel verfüge, wieder neu anzufangen. Was den Zugang zu Basisdienstleistungen betreffe, so hätten die Befragten angegeben, dass Elektrizität in der Stadt (12 bis 20 Stunden pro Tag) und den Dörfern nördlich davon (3-4 bis zu 24 Stunden pro Tag) verfügbar sei. Gesundheitseinrichtungen in der Stadt würden wieder in der gleichen Kapazität wie vor dem Eindringen des IS operieren. In den Dörfern Schaqraq, Sunsil und Al-Ali gebe es kleine Ordinationen, in denen seit der Zeit des IS jedoch kein Arzt sondern nur noch medizinisches Hilfspersonal arbeite. Die meisten Kinder in der Stadt Al-Muqdadiya und den umliegenden Dörfern hätten Zugang zu Schulbildung. Die Befragten hätten jedoch angegeben, dass es insbesondere in den Dörfern eine unzureichende Verfügbarkeit an Schulen, LehrerInnen und Lehrmaterial gebe. Anschluss an das Wassernetzwerk bestehe in Muqdadiya und dem Dorf Schaqraq, jedoch sei das Wasser nicht immer trinkbar. In den Dörfern al-Bayat und al-Ali seien nicht alle Häuser, in Sunsil nur einige wenige ans Wassernetzwerk angeschlossen. In diesen Dörfern werde das Trinkwasser aus Brunnen gefördert. Laut Berichten gebe es in der Stadt Al-Muqdadiya kein Abwassersystem:

„Priority Needs

Community leader KIs [Key Informants] were asked which services needed to be restored most urgently and reported that: • The top priority need in Muqdadiya city was construction of a sewage system ; • The top priority need in assessed villages was reconstruction of houses and infrastructure, including rehabilitation of burned farmlands.

Displacement and Return, Protection Concerns

• Key informants returning to the villages north of the city from displacement (returnee KIs) primarily reported coming back because their houses had been repaired by an INGO and because they lacked income in the area of displacement. Among KIs remaining in displacement (IDP KIs), the main reasons given for not returning were damaged, destroyed or looted property, a lack of livelihood opportunities in the area of origin, and sectarian tensions. […]

Livelihoods

• Livelihood opportunities were limited in the area, especially in the assessed villages north of the city, according to KIs. They emphasized a sharp decline in the number of people working in agriculture due to the burning of their lands and a lack of funds to restart activities.

Access to Basic Services

• KIs noted that electricity from the pubic grid was available in the city and in the assessed villages north of the city. The duration of access was said to be 12-20 hours per day in the city, but varied greatly between villages, from 3-4 hours to 24 hours per day.

Healthcare facilities in Muqdadiya city were said to be operating at the same level as before the arrival of ISIL. Shaqraq, Sunsil, and Al Aali villages were reported to have a small public health clinic, which was no longer staffed by a doctor but only by medical assistants since the arrival of ISIL. • Most children in Muqdadiya city and the surrounding villages were said to be able to access some formal education. However, KIs indicated that the number of schools, teachers, and supplies were insufficient, especially in the villages. • KIs stated that the piped water network in Muqdadiya city and Shaqraq village was functional, but the water from the network was not always suitable for drinking. Residents in Al Bayat and Al Aali villages were reportedly not at all connected to the water network, while in Sunsil only some households had access. In those villages, residents reportedly use wells to access drinking water. • Municipal waste disposal services were indicated to only be available in the city and not in the surrounding villages. There was reportedly no system to dispose of wastewater in the city.“ (REACH, 31. Oktober 2018, S. 1-2)

Es konnten keine Informationen speziell zur humanitären Lage von Kindern im Distrikt gefunden werden.

Sicherheitslage von Sunniten in Bagdad

Auf Musings on Iraq, einem Blog des US-amerikanischen Irakanalysten Joel Wing, finden sich in einwöchigen oder zweiwöchigen Abständen Übersichten zu sicherheitsrelevanten Vorfällen im Irak, deren Daten sich wiederum auf verschiedene regionale und internationale Nachrichtenquellen stützen. Die vom Dezember 2018 bis Februar 2019 erstellten Übersichten wurden jeweils nach Vorfällen in Bagdad durchsucht.

In der Woche vom 1. bis zum 7. Dezember 2018 werden in Bagdad zwölf sicherheitsrelevante Vorfälle registriert, darunter sechs Schießereien und fünf getötete Zivilisten (Musings on Iraq, 10. Dezember 2018). In der folgenden Woche vom 8. bis zum 14. Dezember habe es acht sicherheitsrelevante Vorfälle mit zwei zivilen Opfern gegeben. Ein Selbstmordattentäter sei in Tarmiya nördlich der Stadt Bagdad aufgehalten und getötet worden. In derselben Woche sei ein Stammesführer in Schula im Norden der Stadt entführt worden, wobei es sich um eine vom IS durchgeführte Aktion handeln könne (Musings on Iraq, 17. Dezember 2018). In der Woche vom 15. bis 21. Dezember habe es in Bagdad zwei Schießereien mit zwei zivilen Todesopfern (Musings on Iraq, 24. Dezember 2018) und in der Woche vom 1. bis zum 7. Jänner 2019 drei Schießereien mit drei Todesopfern gegeben (Musings on Iraq, 11. Jänner 2019). Für die Woche vom 22. bis zum 31. Dezember wurde von Musings on Iraq keine Übersicht erstellt. Für die Woche vom 8. bis zum 14. Jänner habe es in Bagdad vier Schießereien mit drei zivilen Todesopfern gegeben. Musings on Iraq berichtet zugleich, dass sich der IS großteils aus der Provinz Bagdad zurückgezogen habe. Die vier Schießereien, die wahrscheinlich den Aufständischen zugeschrieben werden könnten, hätten sich in den Vorstädten im Norden, Süden und Westen von Bagdad ereignet (Musings on Iraq, 16. Jänner 2019). In der Woche vom 15. bis zum 21. Jänner registriert Musings on Iraq zwei Schießereien mit zwei toten Zivilisten in Bagdad (Musings on Iraq, 23. Jänner 2019) und in der Woche vom 22. bis zum 28. Jänner eine Schießerei mit einem Todesopfer (Musings on Iraq, 30. Jänner 2019). Für die darauffolgende Woche werden keine sicherheitsrelevanten Vorkommnisse in Bagdad gemeldet, dafür in der Woche vom 8. bis zum 14. Februar zwei Schießereien und zwei Todesopfer (Musings on Iraq, 19. Februar 2019). In der Woche vom 15. bis zum 21. Februar wurden in den Vorstädten Bagdads drei Schießereien mit zwei getöteten Zivilisten registriert (Musings on Iraq, 25. Februar 2019).

 

Das Europäische Unterstützungsbüro für Asylfragen (European Asylum Support Office, EASO), eine Agentur der Europäischen Union, die die praktische Zusammenarbeit der Mitgliedsstaaten im Asylbereich fördern soll und die Mitgliedsstaaten unter anderem durch Recherche von Herkunftsländerinformation und entsprechende Publikationen unterstützt, schreibt in einem Bericht vom Februar 2019 unter Verweis auf verschiedene Quellen über die Lage in Bagdad. Laut Erklärungen von IOM hätten sich Familien nach der konfessionellen Gewalt von 2006 bis 2008 in Bagdad entlang konfessioneller Grenzen entweder in schiitischen oder in sunnitischen Vierteln angesiedelt. Diese Grenzen würden die Stadt weiterhin bestimmen, wie zum Beispiel im mehrheitlichen sunnitischen Stadtteil Adhamiya, um den eine Mauer gebaut worden sei, um ihn von den angrenzenden schiitischen Vierteln zu isolieren. Es gebe jedoch auch Stadtviertel, in denen Sunniten und Schiiten friedlich zusammenleben würden und es gebe auch vereinzelte Fälle, in denen sunnitische Familien in von Schiiten dominierten Stadtvierteln wie Sadr City unter dem Schutz von Nachbarn und Milizen leben würden. Dr. Geraldine Chatelard, Historikerin und Anthropologin, habe festgehalten, dass Bewohner Bagdads mit der Unsicherheit leben und trotzdem ihrem alltäglichen Leben nachgehen würden. Am Abend und an den Wochenenden seien öffentliche Plätze wie Parks, Einkaufszentren und Restaurants stark frequentiert. Andererseits würden Einwohner auch persönliche Sicherheitsvorkehrungen treffen. Sie würden sich in der Öffentlichkeit zusammen mit Personen ihres Vertrauens bewegen, Frauen würden nur bei ihnen bekannten Taxifahrern ins Taxi einsteigen, Sunniten würden ihre Konfession nicht gegenüber einem Taxifahrer oder einer anderen unbekannten Person publik machen, Sunniten würden nicht in schiitische Wohngebiete gehen und umgekehrt und Personen, die es sich leisten könnten, würden Wächter für ihr Grundstück anstellen. Größere Probleme seien laut Chatelard Entführungen und Erpressungen, die auch Personen treffen könnten, die nicht vermögend seien. Kriminelle Banden würden von dem Familienangehörigen Lösegeld erpressen. Im Jänner 2018 habe der Vorstand des Sicherheitskomitees für die Provinz Bagdad erklärt, dass die westlichen Vorstädte weiterhin unsicher seien, da Al-Qaida dort Bomben baue. Laut einem UNO-Bericht seien zwischen dem 20. Februar und dem 30. März 2018 in Bagdad 52 Anschläge auf Sicherheitskräfte und ZivilistInnen verübt worden, bei denen 17 ZivilistInnen getötet worden seien:

„IOM explains that many families left Baghdad due to previous sectarian violence which peaked in 2006-2008. Families resettled along sectarian lines in Sunni and Shia neighbourhoods , which continue to divide the city, especially after the predominantly Sunni neighbourhoods of Al Adhamia had a wall built around it to ‘isolate it’ from Shia areas. However, in some neighbourhoods Shi’a and Sunni families peacefully coexist, ‘and there are cases of isolated Sunni families in strongly Shi’a neighbourhoods such as Sadr City where they have managed to gain the protection of neighbours and militias’. Dr Chatelard noted: ‘Residents of Baghdad live with insecurity and go about their daily business despite it. Public places, such as parks, shopping malls and restaurants, are crowded on evenings and weekends. However, people have adopted personal security measures: they move accompanied by people they trust; women on their own will only travel with taxi drivers they know; Sunnis will not disclose their sectarian affiliation to a Shiite taxi driver or someone encountered casually; Sunnis will not go to Shiite residential areas and vice versa; people who can afford it have security guards looking after their properties.’ She explained that kidnappings and extortions are more immediate concerns and also affect people without means, whom gangs expect to call on extended families to pay ransoms. In January 2018, the head of the Baghdad Province’s security committee told the New York Times that suburbs areas in the west of the capital, home to bomb factories for Al Qaeda, remained insecure. A 2018 UN report states that, between 20 February and 30 March 2018, 52 attacks against security forces and civilians occurred in Baghdad, killing 20 people, including 17 civilians .“ (EASO, Februar 2019, S. 29-30)

Die britische Tageszeitung The Guardian schreibt in einem Artikel zu Wohnhausprojekten in Bagdad vom Jänner 2019 über eine gewisse Normalisierung der Sicherheitslage in der Stadt:

„The dismantling of Isis’s self-proclaimed caliphate has prompted a renewed intake of breath. Bombs occasionally explode and tensions remain, but Baghdad feels more normal these days, vibrant even – despite the omnipresent 'martyr pictures‘ of police, army and militia members who died fighting the group.“ (The Guardian, 7. Jänner 2019)

 

 

 

 

 


Quellen: (Zugriff auf alle Quellen am 28. Februar 2019)