Anfragebeantwortung zu Pakistan: Erlangung der Staatsbürgerschaft; Staatsbürgerschaft durch Geburt; Staatsbürgerschaft für afghanische Flüchtlinge [a-10821]

13. Dezember 2018

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Im Werk von Bergmann/Ferid/Henrich zum Internationalen Ehe- und Kindschaftsrecht mit Staatsangehörigkeitsrecht finden sich folgende Informationen zur Erlangung der pakistanischen Staatsangehörigkeit mit dem Stand vom Jänner 2003:

[Passage entfernt] (Bergmann/Ferid/Heinrich, Stand: 1. Jänner 2003, S. 7-8)

Die Generaldirektion für Einwanderungs- und Passangelegenheiten (Directorate General of Immigration & Passports, DGIP) der pakistanischen Regierung schreibt in einer undatierten Übersicht zu gesetzlichen Bestimmungen und anderen Regelungen zum Thema Einwanderung, dass es gemäß dem pakistanischen Staatsbürgerschaftsgesetz von 1951 (Pakistan Citizenship Act 1951) drei Kategorien pakistanischer Staatsbürgerschaft gebe: Staatsbürgerschaft aufgrund von Geburt, Abstammung sowie Einwanderung. Bezüglich Staatsbürgerschaft durch Geburt schreibt das DGIP, dass Personen, die selbst oder von denen ein Eltern- oder Großelternteil vor Einführung des pakistanischen Staatsbürgerschaftsgesetzes von 1951 in den nun zu Pakistan gehörenden Gebieten geboren worden sei, pakistanischer Staatsbürger sei. Dies gelte auch für jene, die nach Inkrafttreten des Staatsbürgerschaftsgesetzes von 1951 in Pakistan geboren seien. In Pakistan geborene Kinder ausländischer Diplomaten sowie in Pakistan geborene Kinder „feindlicher Ausländer“ seien hiervon ausgenommen. Personen, die nach März 1947 dauerhaft aus pakistanischen Gebieten in andere Gebiete des indisch-pakistanischen Subkontinents ausgewandert seien, würden ebenfalls nicht als pakistanische Staatsbürger gelten. Zur Staatsbürgerschaft durch Abstammung erläutert die DGIP, dass ein im Ausland geborenes Kind pakistanischer Eltern kraft seiner Abstammung pakistanischer Staatsangehöriger sei. Wenn ein (pakistanischer) Elternteil eines solchen Kindes selbst durch Abstammung pakistanischer Staatsangehöriger (d.h. im Ausland geboren) sei, müsse das Kind in der nächstgelegenen diplomatischen Vertretung Pakistans registriert werden. Ein Kind, dessen Mutter Pakistanerin und dessen Vater ausländischer Staatsbürger sei und das nach dem 18. April 2000 geboren sei, werde als pakistanischer Staatsangehöriger anerkannt. In Bezug auf Staatsbürgerschaft durch Einwanderung wird festgehalten, dass jene Personen, die vor Beginn des pakistanischen Staatsbürgerschaftsgesetzes 1951 aus den Gebieten des indisch-pakistanischen Subkontinents nach Pakistan ausgewandert seien, zu Staatsbürgern Pakistans erklärt würden:

„Citizenship of Pakistan

There are three categories of declared citizens of Pakistan including citizens by birth, by descent and by migration, which are briefly mentioned below. (Please see relevant sections of Pakistan citizenship Act, 1951 for details)

(i)      Citizen by Birth: Persons who or any of their parents or grand parents were born in the territories now included in Pakistan before the commencement of citizenship Act, 1951 are citizens of Pakistan. Any person born in Pakistan after the commencement of Pakistan Citizenship Act, 1951 is citizen of Pakistan. Children of foreign diplomats and children of enemy alien born in Pakistan are not included in this category. Persons, who migrated from territories of Pakistan to other areas of Indo-Pakistan sub-continent for permanent stay after March, 1947 shall also be not considered citizens of Pakistan.

(ii)     Citizen by Descent: Children of Pakistanis who are born outside of Pakistan are citizens by descent. If the parent of such child is a citizen by descent himself/herself (as born outside of Pakistan) the child is required to be registered in the nearest consulate or Pakistani mission. Children born to Pakistani mother and foreign national father, after 18.04.2000, are treated as citizens of Pakistan.

(iii)    Citizen by Migration: The persons who migrated to Pakistan from the territories in the indo-Pakistan subcontinent before the commencement of Pakistan Citizenship Act, 1951 are declared citizens of Pakistan.” (DGIP, ohne Datum)

EUDO Citizenship (seit 2017 GLOBALICIT), ein Programm zur faktenbasierten und unparteiischen Analyse von Staatsbürgerschaftsgesetzen und -richtlinien auf der ganzen Welt, veröffentlichte im Dezember 2016 gemeinsam mit dem Robert Schuman Center für weiterführende Studien (Robert Schuman Centre for Advanced Studies, RSCAS), einem interdisziplinären Forschungszentrum des European University Institute (EUI), einen Bericht zum Staatsbürgerschaftsrecht in Pakistan. Darin wird ebenfalls angeführt, dass „Jus soli“ oder Staatsbürgerschaft durch Geburt im Gesetz (Sec 3 und 4) anerkannt sei, mit Ausnahme von Kindern ausländischer Diplomaten sowie Kindern von Feinden oder Fremden. So werde den in Pakistan geborenen Kindern von Ausländern nicht das Privileg der Staatsbürgerschaft gewährt:

„Jus soli or citizenship by birth is recognized in the Act (Section 3 and 4). At the time of commencement of the Act, a person born in Pakistan could claim nationality if he was residing in Pakistan. Every person born in Pakistan after the commencement of this Act is deemed to be citizen of Pakistan by birth. The law denies citizenship to a person born in the country, if his father enjoys diplomatic immunity in Pakistan or if his father was an enemy or alien in Pakistan. Therefore, the children born to aliens in Pakistan are not accorded the privilege of citizenship.” (EUDO Citizenship Observatory/RSCAS, Dezember 2016, S. 4-5)

Dieselbe Quelle geht konkret auf die Staatsbürgerschaftsansprüche afghanischer Flüchtlinge ein und schreibt, dass es keine gesetzliche Bestimmung gebe, die sich ausdrücklich mit dem Status der Staatsbürgerschaft von Flüchtlingen und insbesondere von afghanischen Flüchtlingen in Pakistan befasse. In Bezug auf die Staatsbürgerschaft durch Geburt sei der Fall afghanischer Flüchtlinge von besonderer Bedeutung, da der Status der Staatsbürgerschaft nicht auf sie ausgedehnt werde, auch wenn ein Kind eines Flüchtlings in Pakistan geboren sei. Im Laufe der Zeit hätten sich immer mehr afghanische Flüchtlinge um die Einbürgerung in Pakistan bemüht, doch ihre Anträge seien sowohl auf administrativer als auch auf gerichtlicher Ebene abgelehnt worden. Berichten zufolge hätten einige der afghanischen Flüchtlinge pakistanische Ausweise erhalten, indem sie sich in kleineren Städten niedergelassen und den pakistanischen Beamten falsche Informationen ausgehändigt hätten. Die Flüchtlinge seien seit über drei Jahrzehnten in Pakistan angesiedelt, doch den in Pakistan geborenen Kindern würden keine Staatsbürgerschaftsurkunden ausgestellt, da ihre Eltern nach den Staatsbürgerschaftsgesetzen als Ausländer gelten würden. In einem solchen Fall sei einem Kind eines afghanischen Flüchtlings, das in Pakistan geboren und aufgewachsen sei, die Ausstellung eines Personalausweises verweigert worden, als es das Alter von 18 Jahren erreicht habe. Er habe die Entscheidung der Verwaltungsbehörde vor dem Obersten Gerichtshof angefochten, die Staatsbürgerschaft von Geburt an beansprucht und darum gebeten, dass die Verwaltungsbehörde angewiesen werden solle, ihm einen Personalausweis auszustellen. Das Gericht habe den Antrag zurückgewiesen und erklärt, dass die Kinder afghanischer Flüchtlinge keine Staatsbürgerschaft durch Geburt beanspruchen könnten, da ihre Eltern einen anerkannten Flüchtlingsstatus hätten und nach dem Gesetz als Fremde und Ausländer gelten würden. Den afghanischen Flüchtlingen sei eine vorübergehende Zuflucht im Land gewährt worden, und das für sie geltende Recht sei das Ausländergesetz aus dem Jahr 1946. In der Stellungnahme sei betont worden, dass ein längerer Aufenthalt eines Ausländers in einem anderen Land ihn nicht automatisch zum Bürger dieses Landes machen würde, es sei denn, er erwerbe die Staatsangehörigkeit auf dem Rechtsweg:

„No statutory provision of law expressly deals with status of citizenship of refugees and especially, Afghan refugees in Pakistan. With regards to citizenship by birth the case of Afghan Refugees is of special importance, as the status of citizenship is not extended to them even if a child of a refugee is born in Pakistan. […] Over time, an increasing number of Afghan refugees made efforts to naturalise in Pakistan as citizens, however, their claims have been denied both at administrative and judicial levels. The problem of undocumented refugees exacerbated due to porous and unregulated border between Afghanistan and Pakistan. Most of the Afghan refugees are of Pashtun ethnicity and have familial links with people in the adjoining northern province of Pakistan. Some of the Afghan refugees reportedly have obtained Pakistani Identity Cards by settling in smaller towns and providing incorrect information to Pakistani officials. The refugees have been settled in Pakistan for more than three decades, the children born to such refugees in Pakistan are not issued with the citizenship certificates as their parents are considered aliens under the citizenship laws of the country. In one such case a child of Afghan refugee who was born and raised in Pakistan was denied the issuance of national identity card when he attained the age of 18 years. He challenged the decision of the administrative authority before the High Court, claimed the citizenship by birth and prayed that the administrative authority should be directed to issue him an identity card. The record showed that his father obtained the National Identity Card and passport by providing false information to government officials. While refusing the petition, the court pronounced that the children of Afghan refugees cannot claim citizenship by birth as their parents have a recognized refugee status and they would be deemed foreigners and aliens under the law. The Afghan refugees were provided temporary refuge in the country and the governing law for them is the Foreigners Act, 1946. The opinion stressed that long stay of a foreigner in a foreign country would not automatically convert him to be the citizen of that country unless he acquires the nationality by process of law. (EUDO Citizenship Observatory/RSCAS, Dezember 2016, S. 5-6)

Das Vienna Institute for International Dialogue and Cooperation (VIDC), ein Institut zur Entwicklungszusammenarbeit, deren zentrales politisches Anliegen die Förderung eines internationalen Dialoges und einer kritischen Öffentlichkeit zu Kolonialismus und Rassismus ist, veröffentlicht im Februar 2018 einen Artikel der Politikwissenschaftlerin Sanaa Alimia zur Situation afghanischer Flüchtlinge in Pakistan. Darin wird angeführt, dass das pakistanische Staatsbürgerschaftsgesetz von 1951 (Abschnitt 10) die pakistanische Staatsbürgerschaft nur den ausländischen Ehepartnerinnen von pakistanischen Männern, nicht aber den ausländischen Ehepartnern von pakistanischen Frauen gewähre. Während politische Akteure versucht hätten, in der Nationalversammlung dafür einzutreten, dass auch die ausländischen Ehepartner pakistanischer Frauen die Staatsbürgerschaft erwerben könnten, sei dies bisher erfolglos gewesen. Im Jahr 2016 habe eine Reihe pakistanischer Frauen, die mit afghanischen Männern verheiratet seien, in Peshawar gegen die Verhaftungen und Abschiebungen ihrer Ehemänner und Söhne demonstriert. Bislang habe der Staat jedoch nicht auf diese Forderungen reagiert. Darüber hinaus habe eine Reihe afghanischer Frauen, die mit pakistanischen Männern verheiratet seien, festgestellt, dass ihr pakistanischer Staatsbürgerschaftsstatus und der ihrer Kinder aufgrund der zunehmenden staatlichen Gewalt gefährdet sei:

„However, Pakistan’s 1951 Citizenship Act (Section 10) only allows Pakistani citizenship to be granted to foreign spouses of Pakistani men but not of Pakistani women. Whilst political actors have tried to lobby in the National Assembly for the foreign spouses of Pakistani women to be able to acquire citizenship, so far this has been unsuccessful. In 2016 a number of Pakistani women married to Afghan men staged protests in Peshawar against the arrests and deportations of their husbands and sons (Express Tribune, 2016). However, to date the state has not responded to their demands. In addition, as a result of increased state violence, a number of Afghan women married to Pakistani men are finding that their Pakistani citizenship status and that of their children is under threat.” (Alimia, 27. Februar 2018)

Das US-Außenministerium veröffentlicht im April 2018 seinen Menschenrechtsbericht zu Pakistan (Berichtszeitraum: 2017). Im Bericht heißt es, dass die pakistanische Regierung keine Neuansiedlung von Flüchtlingen akzeptiere und die lokale Integration nicht fördere. Die Regierung gewähre den afghanischen Flüchtlingen nicht die pakistanische Staatsbürgerschaft:

„Durable Solutions: The government did not accept refugees for resettlement from other countries and did not facilitate local integration. The government does not accord Afghan refugees Pakistani citizenship.” (USDOS, 20. April 2018, Section 2d)

Die pakistanische Tageszeitung Dawn berichtet im August 2016, dass der pakistanische Innenminister Chaudhry Nisar Ali Khan vor der Nationalversammlung erklärt habe, dass den Kindern afghanischer Flüchtlinge in Pakistan keine pakistanischen Staatsbürgerschaftsdokumente ausgestellt werden könnten. Er habe angeführt, dass die Kinder afghanischer Flüchtlinge Afghanen seien und keinen Anspruch auf dieses Privileg hätten, auch wenn ihre Mütter pakistanische Staatsbürger seien:

„Interior Minister Chaudhry Nisar Ali Khan on Wednesday told the National Assembly that the children of Afghan refugees in Pakistan cannot be issued Pakistani citizenship documents. Answering queries during Question Hour, he said that the children of Afghan refugees were Afghans and not entitled to the privilege, even if their mothers were Pakistani citizens.” (Dawn, 11. August 2016)

Die österreichische Tageszeitung Der Standard veröffentlicht im September 2018 einen Artikel zur Ankündigung des pakistanischen Ministerpräsidenten, afghanischen Flüchtlingen die Staatsbürgerschaft zu gewähren:

„Pakistans neuer Ministerpräsident Imran Khan hat afghanischen Flüchtlingen überraschend die Staatsbürgerschaft seines Landes angeboten. Wer in Pakistan geboren und aufgewachsen sei, dem solle die Staatsbürgerschaft verliehen werden, sagte Imran Khan am Sonntagabend in der südlichen Stadt Karachi. Es blieb allerdings unklar, ob auch die Eltern von in Pakistan geborenen Afghanen die Staatsbürgerschaft erhalten würden. Sollte Khan das Vorhaben politisch durchbringen, wäre dies eine Kehrtwende in der pakistanischen Flüchtlingspolitik. Vor allem in den vergangenen beiden Jahren hatte Islamabad den Druck auf die afghanischen Flüchtlinge erhöht. Seit Jahresbeginn wurden die Aufenthaltsgenehmigungen für die rund 1,4 Millionen registrierten afghanischen Flüchtlinge jeweils nur für zwei oder drei Monate verlängert.“ (Der Standard, 17. September 2018)

Die US-Behörde für Entwicklungszusammenarbeit (United States Agency for International Development, USAID) schreibt in einem Informationsblatt zu Pakistan vom September 2018, dass Pakistans Premierminister Imran Khan sich Mitte September versprochen habe, Kindern von in Pakistan geborenen afghanischen und bangladeschischen Flüchtlingen die Staatsbürgerschaft zu verleihen, was eine Abkehr von der bisherigen Politik darstelle. Wie internationale Medien berichten würden, seien die Umsetzungspläne jedoch weiterhin ungenau:

In mid - September, Pakistan’s Prime Minister Imran Khan pledged to grant citizenship to children of Afghan and Bangladeshi refugees born in Pakistan, representing a departure from previous policy; however, implementation plans remain unclear , international media report.” (USAID, 30. September 2018)

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Quellen: (Zugriff auf alle Quellen am 13. Dezember 2018)