Anfragebeantwortung zum Irak: Aktuelle politische Situation in Samarra/Provinz Salah ad-Din und Sicherheitslage im Allgemeinen, insbesondere für SunnitInnen; Gefahr der Rekrutierung durch Milizen für sunnitische Jugendliche [a-10646-1]

12. Juli 2018

Das vorliegende Dokument beruht auf einer zeitlich begrenzten Recherche in öffentlich zugänglichen Dokumenten, die ACCORD derzeit zur Verfügung stehen sowie gegebenenfalls auf Expertenauskünften, und wurde in Übereinstimmung mit den Standards von ACCORD und den Common EU Guidelines for processing Country of Origin Information (COI) erstellt.

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Allgemeine Sicherheitslage in der Provinz Salah ad-Din, insbesondere Samarra

In Zusammenarbeit mit dem Armed Conflict Location & Event Data Project (ACLED) erarbeitet ACCORD Kurzübersichten über Konfliktvorfälle im Irak. Eine Kurzübersicht zu Konfliktvorfällen im ersten Quartal 2018 gibt an, dass in der Provinz Salah ad-Din 73 sicherheitsrelevante Vorfälle verzeichnet wurden, davon 43 mit Todesopfern. Insgesamt seien für den Zeitraum Jänner bis März 2018 auf Basis öffentlich zugänglicher Sekundärquellen 186 Todesopfer in der Provinz gezählt worden. Unter den von den Konfliktvorfällen betroffenen Orten wird auch Samarra erwähnt. (ACCORD, 25. Juni 2018)

 

In einem Bericht des UNO-Generalsekretärs an den UNO-Sicherheitsrat zur Sicherheitslage und zu politischen Entwicklungen im Irak vom April 2018 wird erwähnt, dass im März 2018 ein Kommandant der irakischen Spezialeinheiten an einem Checkpoint in der Nähe von Samarra in der Provinz Salah ad-Din erschossen worden sei. Präsident al-Abadi habe zugleich erklärt, dass der Kommandant von „undisziplinierten Elementen“ erschossen worden sei und er die Einleitung von Ermittlungen angeordnet habe. Bewaffnete oppositionelle Gruppen seien weiterhin in den Hamrin-Bergen an der Grenze zwischen den Provinzen Kirkuk und Salah ad-Din aktiv gewesen. Am 24. März sei in Reaktion auf die verstärkte Aktivität bewaffneter Gruppen eine Befreiungsoffensive in der Provinz Diyala in den Hamrin-Bergen an der Grenze zur Provinz Salah ad-Din durchgeführt worden:

On 13 March, the commander of the 57th Brigade of the Iraqi Special Operations Forces was killed at a checkpoint near Samarra, Salah al-Din Governorate. Mr. Al-Abadi subsequently clarified that the commander had been shot by ‘undisciplined elements’, adding that he had ordered an investigation. Local media reported shortly afterwards that six suspects had been arrested. Armed opposition groups continued to be active in the Hamrin Mountains, on the border between Kirkuk and Salah al-Din governorates and in western Anbar Governorate. […] On 24 March, clearance operations were launched in Diyala Governorate in response to increased activities by armed opposition groups south of the Hamrin Mountains, close to the border with Salah al-Din Governorate. (UN Security Council, 17. April 2018, S. 4)

Das Global Protection Cluster, ein Netzwerk verschiedener Hilfsorganisationen unter Leitung des Flüchtlingshochkommissariat der Vereinten Nationen (UN High Commissioner for Refugees, UNHCR), berichtet im März 2018 über Rückkehrbewegungen in die Provinz Salah ad-Din. Es habe weiterhin Suchoperationen in mehreren Distrikten gegeben, um die verbleibenden extremistischen Zellen in der Gegend zu beseitigen. Diese Operationen hätten die Sicherheit von Zivilisten und deren Rückkehr beeinträchtigt, Rehabilitationsprojekte verzögert und den Zugang humanitärer Akteure eingeschränkt. Erzwungene Rückkehr und Zwangsräumungen seien immer noch eine große Herausforderung und würden in vielen Fällen zu erneuter Vertreibung führen:

„In March, returns to the various areas of Salah al-Din continued with limited returns authorized to Balad and Baiji districts. As per the Displacement Tracking Matrix (DTM) of IOM, approximately 85,231 families (511,386 individuals) had returned to Salah al - Din by the end of March, an increase of 755 families (4,530 individuals) during the month of March. […] Search operations have continued in Al-Jazera areas west of Al-Seniya and the Makhool sub-districts of the Baiji district with the objective of clearing the area of the remaining extremist cells. These operations continued to jeopardize the safety of civilians, hampered returns and delayed rehabilitation projects and access of humanitarian actors. Forced returns and evictions remain a serious challenge, in many cases leading to secondary displacement and unsustainable returns.“ (Global Protection Cluster, März 2018, S. 2)

Auf Musings on Iraq, einem Blog des US-amerikanischen Irakanalysten Joel Wing, finden sich wöchentlich erscheinende Übersichten zu sicherheitsrelevanten Vorfällen im Irak, die zum Großteil auf nationalen und internationalen Medienquellen basieren. Für die Woche vom 1.-7. Juni wurden basierend auf diesen Medienquellen 14 sicherheitsrelevante Vorfälle in der Provinz Salah ad-Din verzeichnet, bei denen es insgesamt 33 Tote und sieben Verletzte gegeben habe. Laut Joel Wing sei Salah ad-Din eine von zwei Provinzen, in denen regierungsfeindliche Aktivitäten erneut auftreten würden. Es habe in der Woche einen Autobombenanschlag in Tikrit gegeben. Außerdem seien zwei bewaffnete Kämpfe unter den registrierten sicherheitsrelevanten Vorfällen, bei den restlichen Vorfällen handle es sich zum Großteil um Vorfälle mit improvisierten Spreng- und Brandvorrichtungen:

„Salahaddin like Diyala is another area where the insurgency is making a comeback. A car bomb went off in Tikrit. The last vehicle bomb occurred during the third week of April. There were two gun battles, while the rest of the incidents were more routine such as IEDs [improvised explosive device].“ (Musings on Iraq, 9. Juni 2018)

Die auf der Seite Musings on Iraq verfügbare Übersicht zur Sicherheitslage im Irak in der Woche vom 8.-14. Juni gibt für die Provinz Salah ad-Din fünf sicherheitsrelevante Vorfälle an, bei denen es insgesamt vier Tote und drei Verletzte gegeben habe. (Musings on Iraq, 16. Juni 2018)

 

In der Woche vom 15.-21. Juni, so Musings on Iraq in einer weiteren Übersicht, habe es elf sicherheitsrelevante Vorfälle in der Provinz Salah ad-Din mit zwölf Toten und vier Verletzten gegeben. Salah ad-Din sei eine von drei Provinzen, in denen der IS wieder aktiv sei. Dort hätten Aufständische 42 Personen, darunter 30 des Schammar-Stammes, entführt und sechs von ihnen getötet. Außerdem hätten sie den Fahrzeugkonvoi eines Polizeihauptmannes angegriffen und hätten gegen die Volksmobilisierungseinheiten gekämpft. In den vergangenen Wochen habe der IS Felder in Brand gesetzt, um Bauern dazu zu zwingen, Steuern zu zahlen. In der Woche vom 15.-21. Juni habe der IS Personen im Zentralirak entführt. Beide Strategien hätten das gleiche Ziel, Kontrolle über ländliche Gebiete in diesen Provinzen zu erlangen:

„The three areas where IS is rebuilding are in Diyala, Kirkuk and Salahaddin. […] Finally, in Salahaddin the militants took another 42 people including 30 from the Shammar tribe and killed 6 of them. They also attacked a motorcade of a police chief and fought the Hashd. The previous two weeks IS was burning fields to intimidate farmers and get them to pay taxes. This week they were kidnapping people across central Iraq. The point of both tactics was the same, to regain control of the rural areas of these provinces.“ (Musings on Iraq, 25. Juni 2018)

Die auf der Seite Musings on Iraq verfügbare Übersicht zur Sicherheitslage im Irak in der Woche vom 22.-28. Juni gibt für die Provinz Salah ad-Din zwölf sicherheitsrelevante Vorfälle an, bei denen es insgesamt 16 Tote und 20 Verletzte gegeben habe. (Musings on Iraq, 30. Juni 2018)

 

Die irakische Nachrichtenwebsite Alghad Press berichtet im Juni 2018, dass ein lokaler Beamter in der Provinz Diyala über wiederauftretende Aktivitäten und Bewegungen von IS-Kämpfern in drei Regionen zwischen den Provinzen Diyala und Salah ad-Din gesprochen habe. Die Sicherheitskräfte müssten nun schnell eingreifen, um diese Gegenden von terroristischen Elementen zu säubern. Bereits zwei Wochen zuvor hätten Sicherheitskräfte und Truppen der Volksmobilisierungseinheiten Militäroperationen in der Gegend durchgeführt, um IS-Terrorzellen aufzuspüren. (Alghad Press, 8. Juni 2018)

 

Der in Dubai ansässige Nachrichtensender Al Arabiya schreibt im März 2018, dass der Vorsitzende des parlamentarischen Sicherheits- und Verteidigungsausschusses davor gewarnt habe, dass der IS nach Samarra eindringen und die schiitischen Heiligtümer dort ins Visier nehmen könnte. Kurz zuvor hätten Volksmobilisierungseinheiten (al-Haschd asch-Schaabi) einen Angriff im Süden der Stadt abgewehrt, bei dem mehrere IS-Kämpfer und drei Mitglieder der Volksmobilisierungseinheiten getötet worden seien. (Al-Arabiya, 11. März 2018)

 

In einer Nachrichtensendung des irakischen Fernsehsenders Al Sumaria vom 18. März 2018 wird berichtet, dass Sicherheitskräfte in Samarra ihre Sicherheitsvorkehrungen in Vorbereitung der Ankunft von Pilgern im Distrikt verschärft hätten. Laut Angaben des lokalen Militärgeheimdienstes sei ein geplanter Anschlag auf Pilger zum Imam Ali al-Hadi-Schrein in Samarra aufgedeckt und vereitelt worden. (Al Sumaria, 18. März 2018)

 

Al-Hurra, ein US-amerikanischer und von US-Behörden finanzierter, arabischsprachiger Fernsehsender, berichtet im Juni 2018, dass die irakischen Militärstreitkräfte eine groß angelegte Kampagne zur Fahndung nach verbliebenen IS-Kämpfern in den Wüstengebieten in der Nähe der Stadt Samarra durchgeführt hätten. Laut Angaben des Militärkommandanten in Samarra habe die Kampagne in Koordination mit Einheiten der Miliz Saraya as-Salam, die unter der Führung von Moqtada al-Sadr [einflussreicher schiitischer Kleriker und Politiker, Anm. ACCORD] stehe, stattgefunden. Die Kampagne habe in der Gegend Dchasirat Samarra stattgefunden, in der es IS-Aktivitäten gebe. Die Kampagne sei einen Tag nach einem Angriff erfolgt, den der IS in der Gegend Al-Farhatia südlich von Samarra durchgeführt habe und bei dem neun IS-Kämpfer und zwei Kämpfer von Saraya as-Salam getötet worden seien. (Al-Hurra, 5. Juni 2018)

Milizenaktivitäten in Samarra, Auswirkungen auf sunnitische Bevölkerung

Die internationale Menschenrechtsorganisation Amnesty International (AI) berichtet im Jänner 2018, dass sie in Samarra festgestellt habe, dass seit Juni 2017 mehr als 170 junge sunnitische Männer entführt worden seien. Dutzende seien später tot aufgefunden worden und der Verbleib der anderen Entführten sei unbekannt. An einem einzigen Tag seien mehr als 30 sunnitische Männer aus ihren Häusern in Samarra entführt, erschossen und deren Körper in der Nähe deponiert worden. Bei den Tötungen handle es sich vermutlich um einen Racheakt für das Eindringen von IS-Kämpfern in die Stadt am Tag davor:

„These Shi’a militias have seen a rapid rise in power since June, after the Iraqi army lost control of much of northern Iraq to the Sunni Islamist armed group ‘Islamic State’ (IS). The militias wear military uniforms but operate outside any legal framework. In Samarra, we found that more than 170 young Sunni men have been abducted since early June. Dozens were later found dead and the rest remain unaccounted for. On one day alone, more than 30 Sunni men were abducted from their homes in Samarra, shot dead and their bodies dumped nearby. The killing spree seems to be in revenge for IS fighters briefly entering the city the previous day.“ (AI, 12. Jänner 2018)

Die US-amerikanische Tageszeitung New York Times (NYT) berichtet im Juni 2018, dass Moqtada al-Sadr, dessen politisches Bündnis bei den Wahlen im Mai gewonnen habe, verkündet habe, dass er seine Miliz teilweise auflösen werde, um die neue Regierung und deren Sicherheitskräfte zu stärken. Die Saraya as-Salam würden in allen Städten außer in Bagdad, Samarra und Kerbela aufgelöst. In Kerbela und Samarra gebe es schiitische Heiligtümer:

„Iraqi cleric Moqtada al-Sadr, whose political bloc came first in a May parliamentary election, said on Thursday he was scaling back his militia to strengthen the incoming government and its security forces. […]

Sadr said in a handwritten order published on his website that his Saraya al-Salam (Peace Companies) militia must disband in all cities except for the capital Baghdad and the cities of Karbala and Samarra, both homes to holy Shi'ite shrines.“ (NYT, 28. Juni 2018)

Das in der Autonomen Region Kurdistan (Irak) ansässige kurdische Mediennetzwerk Rudaw berichtet ebenfalls von der Auflösung der Saraya as-Salam durch eine Verordnung von Moqtada al-Sadr, mit Ausnahme der Miliztruppen in den Städten Kerbela und Samarra. Die Verordnung sei fünf Jahre lang gültig:

Muqtada al-Sadr has expanded his suspension of his militia forces, for the sake of public interest.” He has ordered the dissolution of his Saraya al-Salam (Peace Brigades) in all areas except Samarra and Karbala – both home to important Shiite shrines. He will also maintain forces in Baghdad where he has his stronghold of Sadr city. […]

He also banned the wearing of military uniform by his militiamen, except for those in Samara and Karbala and demanded the establishment of proper storage of weapons. At least 18 people were killed in twin explosions at an arms depot in Sadr City earlier this month. Reports indicate the weapons belonged to Sadr’s militias. Sadr also banned his militias from conducting any military missions outside of Iraq. The orders issued today will expire in five years, the statement added.“ (Rudaw, 28. Juni 2018)

Alghad Press meldet im Juni 2018, dass Saraya as-Salam eigenen Angaben zufolge einen Angriff des IS in der Gegend Dschasira im Westen von Samarra abgewehrt habe. Die Gegend sei jetzt unter Kontrolle der Miliz und von terroristischen Elementen gesäubert. (Alghad Press, 10. Juni 2018)

 

Die US-amerikanische Tageszeitung Washington Post (WP) veröffentlicht im Juli 2018 eine Reportage über die Präsenz der Miliz Saraya as-Salam in Samarra. An den Checkpoints vor der Stadt würden reguläre Armee- und Polizeikräfte zusammen mit Milizen des schiitischen Klerikers Moqtada al-Sadr stehen. Obwohl die Checkpoints der Stadt eigentlich gemeinsam betrieben werden sollten, erkenne man, wer hier die Leitung habe. Die Milizionäre von al-Sadr würden mit den Fahrern sprechen und sie über ihr Reiseziel ausfragen, während die regulären Sicherheitskräfte untätig daneben sitzen würden. Die 12.000 bewaffneten Milizionäre der Saraya as-Salam würden in der Stadt, die mehrheitlich sunnitisch sei aber einige der wichtigsten schiitischen Heiligtümer beherberge, im Straßenbild dominieren und für Sicherheit und Frieden sorgen. Die Rolle der Miliz in der Stadt spiegle die Wandlung ihres Anführers al-Sadr von einem Staatsfeind zu einem Ordnungshüter wider. Sadr habe 2014 seine Kämpfer nach Samarra geschickt, um die IS-Kämpfer abzuwehren, die bereits die umliegenden Städte unter ihre Kontrolle gebracht hätten. Die neuen Kämpfer von Al-Sadr seien mit Vorbehalten von der sunnitischen Bevölkerung und Kommandanten der irakischen Armee akzeptiert worden. In anderen Städten habe es Übergriffe durch schiitische Milizen, die sich zur Bekämpfung des IS gebildet hätten, auf die lokale sunnitische Bevölkerung gegeben. Die Abordnung der Saraya as-Salam nach Samarra habe jedoch zur Sicherheit seiner 300.000 sunnitischen Einwohner beigetragen. Ein 53-jähriger Lehrer aus Samarra habe gesagt, dass man zunächst Angst vor der Miliz gehabt habe, da man von den Massentötungen an SunnitInnen durch die Mahdi-Armee [eine von Sadr 2003-2008 befehligte Vorgängermiliz der Saraya as-Salam, Anm. ACCORD] gehört habe. Die Saraya as-Salam hätten aber diesen Eindruck geändert, da sie die Stadt verteidigt und für Sicherheit gesorgt hätten, so der Lehrer. Laut Mahmoud Salaf, seit 2005 Bürgermeister von Samarra, würden die Saraya as-Salam die Rückkehr von Bewohnern, die vor dem IS geflohen seien erleichtern. In anderen Städten habe man schiitischen Milizen vorgeworfen, SunnitInnen zu vertreiben oder gezielt zu töten. Die Saraya as-Salam hätten jedoch verstanden, dass es nicht hilfreich sei, in Feindschaft mit der lokalen Bevölkerung zu leben. Die Milizen von Muqtada al-Sadr hätten zudem versucht, so WP, Brücken zur lokalen Bevölkerung zu schlagen, indem sie das Strom- und Wasserversorgungsnetz der Stadt wieder in Stand gesetzt hätten. Darüber hinaus seien Delegationen der Miliz zu örtlichen Hochzeitsfeiern und Begräbnissen geschickt worden. Laut Khalaf seien Mitglieder der Miliz, denen man die Plünderung von Geschäften, das Stehlen von Fahrzeugen oder ein befehlshaberisches Auftreten vorgeworfen habe, von der Miliz selbst bestraft worden. Saraya as-Salam habe, im Unterschied zum Vorgehen in anderen Städten, angeordnet, dass Fremde einen lokalen Einwohner als Bürgen benötigen würden, um nach Samarra zu gelangen. Sie müssten bis zu ihrer Abreise ihre Ausweisdokumente an einem Checkpoint hinterlegen. Ein lokaler Beamter, der aus Angst vor Vergeltungsmaßnahmen durch die Saraya as-Salam nur anonym ausgesagt habe, habe erzählt, dass die Miliz in der Stadt eine „erdrückende Präsenz“ (stifling presence) habe, die Bewegungen der einzelnen Bürger kontrolliere und über der Polizei und der Armee stehe. Sie würde sich, so der Beamte, wie ein Polizeistaat verhalten. Seitdem die Miliz nach Samarra gekommen sei, seien laut Angaben eines ranghohen Beamten der Stadt mehr als 1.000 Bürger von „unbekannten“ Gruppen festgenommen worden und man wisse nichts von deren Verbleib. Die Regierung untersuche diese Fälle von Verschwindenlassen und die Saraya as-Salam sei unter den Hauptverdächtigen. Viele Bewohner der Stadt hätten sich laut WP geweigert, über die Miliz zu sprechen, da sie befürchtet hätten, für Kritik an ihr bestraft zu werden. Ein Ladenbesitzer habe angegeben, dass er der Miliz nicht traue. Er wolle, dass sie die Stadt verlasse und von Regierungstruppen ersetzt werde, da derzeit Autorität der Miliz über der des Staates liege:

SAMARRA, Iraq — At the main checkpoint outside this central Iraqi city, where regular army soldiers and police are joined by militiamen commanded by Shiite cleric Moqtada al-Sadr - a onetime battlefield foe of American forces - it is the flags of Sadr’s militia that fly most prominently. While the city’s checkpoints are supposed to be jointly operated, it is clear who is in charge. Sadr’s militiamen do all the talking, quizzing drivers about their destinations, while the regular security forces sit idly on the side. Sadr’s 12,000 armed followers protect - even dominate - this city, ensuring peace in a place that is overwhelmingly Sunni Muslim but is home to one of the world’s holiest Shiite shrines. The militia’s role in Samarra reflects Sadr’s evolution from public enemy to enforcer of order and provides potent clues to how he will play his new part in ruling Iraq. […]

Sadr ordered his fighters to Samarra in 2014, and they deployed quickly, beating back the militants who had surrounded it as nearby cities fell to the Islamic State. The new Sadrist fighters were warily accepted by the Sunni population and by commanders of Iraq’s army, which had crumbled in the face of the Islamic State blitz. […]

In other Iraqi cities, Shiite militias that mustered in response to the Sunni extremists of the Islamic State often abused the local Sunni populations. But in Samarra, the deployment of Sadr’s Peace Brigades helped ensure that the city remained prosperous and secure for its 300,000 Sunni residents. ‘At first, we were afraid because we used to hear that the Mahdi Army were conducting massive killing against the Sunnis,’ said Mahdi al-Bazzi, a 53-year-old teacher in Samarra. ’The Peace Brigades who came in changed this idea because they defended the city and kept it safe.’ Bazzi said the heavily armed presence provides a sense of security that was missing when government forces patrolled the streets. Mahmoud Khalaf, Samarra’s mayor since 2005, credited the brigades with facilitating the return of residents who had fled the Islamic State threat. In other cities, Shiite militias stand accused of expelling or killing Sunnis. ’It doesn’t benefit any side to have a hostile relationship with the city’s people,’ Khalaf said. ’The Peace Brigades understood that.’ Sadr’s militiamen have also sought to build bridges to the community by restoring the city’s electricity lines and water networks; they have sent delegations to celebrate local weddings and to console mourners at funerals. And, Khalaf said, the Peace Brigades have effectively policed themselves, immediately punishing members who were accused of looting shops, stealing civilian vehicles or acting imperiously. […]

The militia’s vehicles bear license plates marked with ’The Peace Brigades’ rather than the province where the vehicles are registered. The militia has ordered, unlike in other cities, that outsiders be sponsored by a local resident to enter Samarra and must leave their government identification at the checkpoint until they depart. ’They are a stifling presence in the city, controlling everyone’s movements, and the police and army are subordinate to them,’ said the provincial official, who spoke on the condition of anonymity out of fear of reprisals by Sadr’s forces. ’They are behaving like a police state, and this shows their true intentions,’ the official said. Since the militia entered Samarra, more than 1,000 residents have been taken into custody by ’unknown’ groups with no word on their fate, a senior city official said. He said that the national government is investigating the disappearances and that Peace Brigade militiamen are the leading suspects. Many city residents refused to talk about the brigades, saying they fear punishment for being critical of the group. ’I don’t trust them. I want them to leave the city and be replaced by government forces, because right now their authority is bigger than the state authority,’ said a 25-year-old shopkeeper who spoke on the condition of anonymity.“ (WP, 4. Juli 2018)

Es konnten keine Informationen zur Rekrutierung von (sunnitischen) Männern durch Milizen in der Provinz Salah ad-Din bzw. in Samarra gefunden werden. Dies lässt nicht notwendigerweise Rückschlüsse auf die Lage von sunnitischen Männern in der Region zu. Gesucht wurde mittels ecoi.net, Refworld, Factiva und Google nach einer Kombination aus folgenden Suchbegriffen: recruitment, forced, sign up, Sunni, pmf, popular mobilisation forces, saraya al-salam, saraya as-salam, تجنيد, قسري, تسجيل , اجباري, الحشد الشعبي, سرايا السلام

 

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Quellen: (Zugriff auf alle Quellen am 12. Juli 2018)

·      ACCORD – Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation: Irak, 1. Quartal 2018: Kurzübersicht über Vorfälle aus dem Armed Conflict Location & Event Data Project (ACLED), 25. Juni 2018
https://www.ecoi.net/en/file/local/1436532/1226_1530103809_2018q1iraq-de.pdf

·      AI – Amnesty International: Iraq: The rise of militia rule, 12. Jänner 2018
https://www.amnesty.org.uk/iraq-rise-militia-rule

·      Al-Arabiya: tahdhir barlamani min ijtiyah dacish samarra [Parlament warnt vor Eindringen des IS nach Samarra], 11. März 2018
https://www.alarabiya.net/ar/arab-and-world/iraq/2018/03/11/%D8%A7%D9%84%D8%B9%D8%B1%D8%A7%D9%82-%D8%AA%D8%AD%D8%B0%D9%8A%D8%B1-%D8%A8%D8%B1%D9%84%D9%85%D8%A7%D9%86%D9%8A-%D9%85%D9%86-%D8%A7%D8%AC%D8%AA%D9%8A%D8%A7%D8%AD-%D8%AF%D8%A7%D8%B9%D8%B4-%D9%84%D8%B3%D8%A7%D9%85%D8%B1%D8%A7%D8%A1.html

·      Al-Hurra: al-ciraq---camaliya caskariya gharb samarra [Irak: Militärkampagne westlich von Samarra], 5. Juni 2018
https://www.alhurra.com/a/iraq-security-operation-samarra-isis/440535.html

·      Alghad Press: mas’ul mahalli yakshif can taharrukat li-dacish fi 3 manatiq bayn diyala wa salah ad-din [Lokaler Beamter enthüllt Bewegungen von IS-Kämpfern in 3 Gegenden zwischen den Provinzen Diyala und Salah ad-Din], 8. Juni 2018
https://www.alghadpress.com/news/%D8%A3%D8%AE%D8%A8%D8%A7%D8%B1-%D8%A7%D9%84%D8%B9%D8%B1%D8%A7%D9%82/161606/%D9%85%D8%B3%D8%A4%D9%88%D9%84-%D9%85%D8%AD%D9%84%D9%8A-%D9%8A%D9%83%D8%B4%D9%81-%D8%B9%D9%86-%D8%AA%D8%AD%D8%B1%D9%83%D8%A7%D8%AA-%D9%84%D8%AF%D8%A7%D8%B9%D8%B4-%D9%81%D9%8A-3-%D9%85%D9%86%D8%A7%D8%B7%D9%82-%D8%A8%D9%8A%D9%86-%D8%AF%D9%8A%D8%A7

·      Alghad Press: saraya as-salaam tatasadda li-hujum dacishi cala jazirat gharb samarra [Saraya as-Salam wehrt einen Angriff des IS in der Gegend Dschasira im Westen von Samarra ab], 10. Juni 2018
https://www.alghadpress.com/news/%D8%A3%D8%AE%D8%A8%D8%A7%D8%B1-%D8%A7%D9%84%D8%B9%D8%B1%D8%A7%D9%82/161840/%D8%B3%D8%B1%D8%A7%D9%8A%D8%A7-%D8%A7%D9%84%D8%B3%D9%84%D8%A7%D9%85-%D8%AA%D8%AA%D8%B5%D8%AF%D9%89-%D9%84%D9%87%D8%AC%D9%88%D9%85-%D8%AF%D8%A7%D8%B9%D8%B4%D9%8A-%D8%B9%D9%84%D9%89-%D8%AC%D8%B2%D9%8A%D8%B1%D8%A9-%D8%BA%D8%B1%D8%A8-%D8%B3%D8%A7%D9%85%D8%B1%D8%A7

·      Al Sumaria: ihbat camaliya irhabiya fi samarra [Vereitelung terroristischer Operationen in Samarra], 18. März 2018 (ab Minute 22:40)
https://www.alsumaria.tv/videos-on-Demand?title=%D8%A7%D8%AD%D8%A8%D8%A7%D8%B7-%D8%B9%D9%85%D9%84%D9%8A%D8%A9-%D8%A7%D8%B1%D9%87%D8%A7%D8%A8%D9%8A%D8%A9-%D9%81%D9%8A-%D8%B3%D8%A7%D9%85%D8%B1%D8%A7%D8%A1-%D9%86%D8%B4%D8%B1%D8%A9-%D8%A7%D8%AE%D8%A8%D8%A7%D8%B1-%D8%A7%D9%84%D8%B3%D9%88%D9%85%D8%B1%D9%8A%D8%A9&ID=13310

·      Global Protection Cluster (Autor), veröffentlicht von UNHCR – UN High Commissioner for Refugees: Iraq Protection Cluster: Salah al-Din Returnees Profile - March 2018, März 2018
https://www.ecoi.net/en/file/local/1434538/1930_1528450758_returnees-profile-salah-al-din-march-2018.pdf

·      Musings on Iraq: Security In Iraq, Jun 1-7, 2018, 9. Juni 2018
http://musingsoniraq.blogspot.com/2018/06/security-in-iraq-jun-1-7-2018.html

·      Musings on Iraq: Security In Iraq, Jun 8-14, 2018, 16. Juni 2018
http://musingsoniraq.blogspot.com/2018/06/security-in-iraq-jun-8-14-2018.html

·      Musings on Iraq: Security In Iraq, Jun 15-21, 2018, 25. Juni 2018
http://musingsoniraq.blogspot.com/2018/06/security-in-iraq-jun-15-21-2018.html

·      Musings in Iraq: Security In Iraq Jun 22-28, 2018, 30. Juni 2018
http://musingsoniraq.blogspot.com/2018/06/security-in-iraq-jun-22-28-2018.html

·      NYT – New York Times: Iraqi Cleric Sadr Scales Back His Militia, 28. Juni 2018
https://www.nytimes.com/reuters/2018/06/28/world/middleeast/28reuters-iraq-election-sadr.html

·      Rudaw: Sadr broadens suspension of his militia to ‘strengthen next gov’t’,28. Juni 2018
http://www.rudaw.net/english/middleeast/iraq/280620185

·      UN Security Council: Report of the Secretary-General pursuant to Security Council resolution 2367 (2017) [S/2018/359], 17. April 2018
https://www.ecoi.net/en/file/local/1431998/1226_1525868293_n1809914.pdf

·      WP – The Washington Post: Public enemy or savior? An Iraqi city could reveal the true Moqtada al-Sadr, 4. Juli 2018
https://www.washingtonpost.com/world/public-enemy-or-savior-an-iraqi-city-could-reveal-the-true-moqtada-al-sadr/2018/06/15/f16d031a-6359-11e8-81ca-bb14593acaa6_story.html?noredirect=on&utm_term=.3ea9476ce130