Anfragebeantwortung zu Russischen Föderation: Tschetschenien: Lage von Oppositionellen (Unterstützer von Rebellen und ihre Angehörigen) [a-10624-2 (10625)]

29. Juni 2018

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Informationen zu diesem Thema entnehmen Sie bitte auch folgendem Bericht der international tätigen Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) vom August 2016 zum Vorgehen der Behörden gegen RegierungskritikerInnen in Tschetschenien:

·      HRW – Human Rights Watch: "Like Walking a Minefield"; Vicious Crackdown on Critics in Russia’s Chechen Republic, 30. August 2016
https://www.ecoi.net/en/file/local/1126997/1226_1472803628_chechnya0816-1.pdf

 

Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV), eine international tätige NGO, die sich für Menschenrechte einsetzt, schreibt in einem Bericht vom Juni 2016 Folgendes zu Sippenhaft in Tschetschenien:

„3. Sippenhaftungen

Sippenhaftung bedeutet, dass Angehörige mutmaßlicher Terroristen für Taten ihrer Verwandten zur Verantwortung gezogen werden sollen. Dazu hat sich Ramzan Kadyrow immer wieder bekannt. Nachdem in der Nacht zum 04. Dezember 2014 Angreifer ein Gebäude in Grosny besetzt und 14 Angehörige der Sicherheitskräfte getötet hatten, schrieb Kadyrow: ‚Wenn ein Kämpfer in Tschetschenien einen Polizisten ermordet, wird seine Familie unverzüglich ausgewiesen und ihr Haus dem Erdboden gleich gemacht.‘ Es verging keine Woche, da waren mindestens sechs Häuser von Verwandten der mutmaßlichen Attentäter nachts von maskierten Männern verwüstet und angesteckt worden. Als Vertreter der Menschenrechtsorganisation Memorial in Tschetschenien darüber berichteten, drohte ihnen Kadyrow mit Ausweisung.

Das Niederbrennen von Häusern dauert auch 2016 an. Am 14. April 2016 hatte sich Ramazan Dzhalaldinov aus dem Dorf Khenchi in einer Videobotschaft beim russischen Präsidenten Wladimir Putin über die Lebensbedingungen in Tschetschenien und die Korruption der örtlichen Behörden beschwert. Sofort nach der Veröffentlichung des Videos wurde Dzhalaldinov bedroht und aufgefordert, in die Nachbarrepublik Dagestan zu fliehen. Am 12. Mai drangen maskierte Männer in sein Haus ein, zwangen seine Frau und die Kinder, das Gebäude zu verlassen, und zündeten es an. Die Frau und ihre Kinder wurden zur Grenze zwischen Tschetschenien und Dagestan gebracht, dort wurden ihnen ihre Pässe abgenommen. Sie fanden in Dagestan Unterschlupf, wohin sich auch Dzhalaldinov flüchtete. Augenzeugen berichteten, am 15. Mai hätten Unbekannte versucht Dzhalaldinov zu entführen, als er die Moschee im Zumadinoskom Rajon in Dagestan verließ. Da er jedoch in Begleitung mehrerer Männer in die Moschee gegangen war, die ihn dann schützen, misslang der Entführungsversuch. Er sollte, so ist er selbst überzeugt, zurück nach Tschetschenien gebracht werden. Am 17. Mai wurde dort sein Heimatort von der Polizei abgeriegelt. Die Dorfbewohner wurden einzeln nach dem Aufenthaltsort von Dzhalaldinov befragt.

Am 9. Mai 2016 wurden bei einem Terrorangriff in Grosny sechs Polizisten verletzt. Das tschetschenische Innenministerium gab als Täter den 28-jährigen Schamil Dzhanaraliev und den 25-jährigen Achmed Inalov an. Am 11. Mai 2016 berichteten Verwandte Dzhanaralievs ihr Haus im Grosnyer Bezirk Zavodskij sei niedergebrannt worden. ‚Für uns ist es schrecklich, das Gebäude anzusehen. Zum Glück war niemand von uns im Haus und wurde verletzt‘, sagte eine Verwandte.

Bereits Ende 2015 hatte Kadyrow deutlich gemacht, dass Sippenhaftung nicht nur für Angehörige mutmaßlicher Terroristen gilt, sondern auch für Tschetschenen, deren Angehörige im Ausland gegen seine Politik protestieren. Damals hatten Tschetschenen in Wien und Oslo am 24. Dezember 2015 bzw. am 2. Januar 2016 gegen Kadyrow demonstriert. Nach der ersten Demonstration trat der tschetschenische Regierungschef am 30.12.2015 im regionalen Fernsehen auf und schwor, die Familien der Wiener Demonstranten in Tschetschenien ausfindig zu machen und dafür zu sorgen, dass diese wiederum ihre Angehörigen in der Diaspora zum Schweigen bringen. ‚Unser Brauch ist es, dass der Bruder für seinen Bruder verantwortlich ist. Ich habe den Befehl gegeben herauszufinden, ob sie (die Protestierenden) Brüder und Väter haben, zu welcher Familie sie gehören, wo sie geboren wurden und wer sie sind‘, sagte Kadyrow. Er wolle ‚alle zur Verfügung stehenden Möglichkeiten nutzen, damit die Familien in Tschetschenien ihre Angehörigen im Ausland zur Vernunft bringen. Wenn sie keine Entscheidungen treffen, werden wir ihnen befehlen, das zu tun.‘“ (GfbV, Juni 2016, S. 6-7)

Das Erste, ein Verbund öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten in Deutschland, veröffentlicht im Juni 2016 einen Beitrag der Korrespondentin Golineh Atai zu Tschetschenien mit folgenden Informationen:

„Ein russischer Kollege, der Tschetschenien gut kennt, bat mich, alle Gesichter später unkenntlich zu machen, da die in Europa sehr aktiven tschetschenischen Geheimdienstler sehr genau Medienberichte verfolgen. In Tschetschenien ist man als kritischer Bürger, kritischer Rechtsanwalt oder Menschenrechtler nie allein: Kadyrow macht für ein ‚Vergehen‘ die ganze Familie – oder ein ganzes Dorf – verantwortlich. ‚Verstehen Sie, wenn Kadyrow uns hier sieht, sind wir tot‘, sagte mir eine Tschetschenin.“ (Das Erste, 5. Juni 2016)

Das norwegische Herkunftsländerinformationszentrum Landinfo, ein unabhängiges Organ der norwegischen Migrationsbehörden, das verschiedenen AkteurInnen innerhalb der Migrationsbehörden Herkunftsländerinformationen zur Verfügung stellt, schreibt in der englischen Zusammenfassung eines Bericht vom Oktober 2016 zu Familienmitgliedern von Personen mit Verbindungen zu Aufständischen, dass die tschetschenischen Behörden nach wie vor auf Familienmitglieder und UnterstützerInnen von Aufständischen reagieren würden. Familienmitglieder würden beobachtet, mit unterschiedlichen Strafmaßnahmen belegt („experiencing different types of sanctions.“) und bedroht, damit sie Informationen über ihre Verwandten liefern würden:

„Despite the decrease in insurgents fighting for an Islamic Emirate in Northern Caucasus, family members of insurgents and supporters of insurgents, still experience reactions from the Chechen authorities. Family members are kept under surveillance and are threatened to give information about their relatives in addition to experiencing different types of sanctions. Also family members of foreign fighters may experience sanctions, but at a lower intensity than family members of insurgents who are fighting for an Emirate in Northern Caucasus. There is still a climate of fear in Chechnya.“ (Landinfo, 4. Oktober 2016)

Das österreichische Bundesverwaltungsgericht (BVwG) zitiert in einer Entscheidung vom Mai 2018 folgende Informationen des deutschen Auswärtigen Amtes (AA) vom Jänner 2017:

„Menschenrechtsorganisationen berichten glaubwürdig über Strafprozesse auf der Grundlage fingierten Materials gegen angebliche Terroristen aus dem Nordkaukasus, insbesondere Tschetschenien und Dagestan, die aufgrund von z.T. unter Folter erlangten Geständnissen oder gefälschten Beweisen zu hohen Haftstrafen verurteilt worden seien. Auch unabhängig von politisch oder ökonomisch motivierten Strafprozessen begünstigt ein Wetteifern zwischen Strafverfolgungsbehörden um hohe Verurteilungsquoten die Anwendung illegaler Methoden zum Erhalt von ‚Geständnissen‘ (AA 24.1.2017).“ (BVwG, 28. Mai 2018)

In einer weiteren Entscheidung des BVwG vom Mai 2018 werden folgende Informationen des AA vom Jänner 2017 angeführt:

„Die Menschenrechtsorganisation Memorial beschreibt in ihrem Bericht über den Nordkaukasus vom Sommer 2016 eindrücklich, dass die Sicherheitslage für gewöhnliche Bürger zwar stabil ist, Aufständische einerseits und Kritiker der bestehenden Systeme sowie Meinungs- und Menschenrechtsaktivisten andererseits weiterhin repressiven Maßnahmen und Gewalt bis hin zum Tod ausgesetzt sind (AA 24.1.2017)“ (BVwG, 25. Mai 2018)

Ebenfalls in einer Entscheidung des BVwG vom Mai 2018 wird Folgendes aus dem Bericht des AA vom Jänner 2017 zitiert:

„Personen aus dem Nordkaukasus können grundsätzlich problemlos in andere Teile der Russischen Föderation reisen. Ihr Aufenthalt wird aber durch antikaukasische Stimmungen erschwert. In großen Städten wird der Zuzug von Personen reguliert und ist erkennbar unerwünscht. Die regionalen Strafverfolgungsbehörden können Menschen auf der Grundlage von in ihrer Heimatregion erlassenen Rechtsakten auch in anderen Gebieten der Russischen Föderation in Gewahrsam nehmen und in ihre Heimatregion verbringen. Kritiker, die Tschetschenien aus Sorge um ihre Sicherheit verlassen mussten, fühlen sich häufig auch in russischen Großstädten vor dem ‚langen Arm‘ des Regimes von Ramsan Kadyrow nicht sicher. Bewaffnete Kräfte, die Kadyrow zuzurechnen sind, sind etwa auch in Moskau präsent. Die tschetschenische Diaspora in allen russischen Großstädten ist in den letzten Jahren stark angewachsen (200.000 Tschetschenen sollen allein in Moskau leben) (AA 24.1.2017).“ (BVwG, 30. Mai 2018)

Die in Berlin ansässige Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), die sowohl den deutschen Bundestag als auch die Bundesregierung in Fragen der Außen- und Sicherheitspolitik berät, erwähnt in einem Bericht vom April 2017:

„Kadyrow verfolgt auch seine eigene Islampolitik. Einerseits bekämpft er den islamistischen Untergrund und setzt dabei auf Maßnahmen wie kollektive Bestrafung und Sippenhaft. Damit schwächte er zwar den Untergrund, belebte aber auch riskante Traditionen wie Blutrache neu. Andererseits kultiviert er einen ‚traditionellen, tschetschenischen, sufitischen Islam‘, fügt ihm aber rigide Verhaltensnormen hinzu, die eher dem kulturellen Repertoire des Gegners entstammen.“ (SWP, April 2017, S. 4)

Human Rights Watch (HRW) schreibt in einem Bericht vom Mai 2017, dass Ramsan Kadyrow mit der Zeit in Tschetschenien zum Tyrannen geworden sei, der sogar die leiseste abweichende Meinung ausrotte. In den letzten zehn Jahren habe es andauernde, glaubhafte Anschuldigungen gegeben, dass die Strafverfolgungsbehörden und Sicherheitskräfte in ihrem Kampf gegen den aggressiven islamistischen Aufstand an Entführungen, Fällen von Verschwindenlassen, Folter, außergerichtlichen Hinrichtungen und kollektiven Bestrafungen beteiligt gewesen seien. Insbesondere Aufständische, ihre Verwandten und mutmaßliche UnterstützerInnen seien ins Visier geraten. Kadyrow setze lokale salafistische Muslime und Aufständische oder deren Unterstützerinnen weitgehend gleich:

„For more than a decade, Ramzan Kadyrov has run Chechnya and, with the tacit blessing of the Kremlin, gradually built a tyranny, ruthlessly eradicating even the mildest forms of dissent. […] For the past decade, there have been persistent, credible allegations that while aiming to root out and destroy an aggressive Islamist insurgency in the region, law enforcement and security agencies under Kadyrov’s control have been involved in abductions, enforced disappearances, torture, extrajudicial executions, and collective punishment. The main targets have been alleged insurgents, their relatives, and suspected collaborators. Kadyrov also largely equates local Salafi Muslims with insurgents or their collaborators.“ (HRW, 26. Mai 2017, S. 9-10)

In einem Bericht vom März 2018 erwähnt SWP:

„In Berichten internationaler Organisationen über die Menschenrechtslage in der Russischen Föderation und speziell im Nordkaukasus wird Tschetschenien besonders hervorgehoben. […] Zu den häufigsten Menschenrechtsverletzungen gehören das ‚Verschwindenlassen‘ mutmaßlicher Angehöriger des bewaffneten Untergrunds und deren Verwandter, Folter in Haftanstalten und an geheimen Orten, willkürliche Gewalt gegen Kadyrows Widersacher und deren Verfolgung im Ausland sowie massive Verstöße gegen die Rechte von Frauen.“ (SWP, März 2018, S. 21)

Das US-Außenministerium schreibt in seinem im April 2018 veröffentlichten Jahresbericht zur Menschenrechtslage 2017, dass die Behörden in Tschetschenien Berichten zufolge routinemäßig Familienmitglieder für mutmaßliche Straftaten ihrer Verwandten bestraft hätten. Als Reaktion auf einen Terrorangriff vom Dezember 2016 in Grosny hätten die tschetschenischen Sicherheitskräfte im Dezember 2016 und Jänner 2017 großangelegte Antiterror-Operationen durchgeführt, bei denen ihren Behauptungen zufolge Hunderte mutmaßliche Rebellen verhaftet worden seien. Am 9. Juli 2017 habe die Zeitung Nowaja Gaseta berichtet, dass die Sicherheitskräfte 27 der festgenommenen Personen summarisch hingerichtet hätten. Als die russische Ombudsfrau den Behauptungen nachgegangen sei, hätten die tschetschenischen Behörden behauptet, dass mehrere der behaupteten Opfer entweder am Leben seien, auf natürliche Weise verstorben seien oder nach Syrien zum Kämpfen ausgereist seien. Die Behörden hätten versucht, den Tod von zwei Personen, die hingerichtet worden sein sollen, zu widerlegen, indem sie sie der Ombudsfrau in Person vorgeführt hätten, die Menschenrechtsorganisation Memorial habe jedoch berichtet, dass es sich bei den beiden Männern um die Brüder derer gehandelt habe, die hingerichtet worden sein sollen. Der russische Dienst der BBC habe im Juli berichtet, dass die Behörden die Verwandten der 27 verschwundenen Tschetschenen gezwungen hätten, Dokumente zu unterschreiben, denen zufolge die Vermissten aus Tschetschenien nach Syrien geflohen seien oder einfach ihr Zuhause verlassen hätten. Die Zeitung Nowaja Gaseta habe von großem Druck auf die Familien berichtet, damit sie die Zusammenarbeit mit den Ermittlern, der Ombusfrau und der Presse einstellten:

„There were reports authorities in the Republic of Chechnya routinely punished family members for alleged offenses committed by their relatives.“ (USDOS, 20. April 2018, Section 1f)

„In the wake of a December 2016 terror attack in Groznyy, Chechen security forces conducted broad ‘counterterror’ operations in December 2016 and January in which they claimed to have detained ‘hundreds’ of suspected militants. On July 9, Novaya Gazeta reported that on January 27, Chechen security services summarily executed 27 individuals detained in the raids. When Human Rights Ombudswoman Tatyana Moskalkova investigated the allegations, Chechen authorities claimed that several of the alleged victims were either alive, had died of ‘natural causes,’ or had left to fight in Syria. Authorities sought to disprove the deaths of two individuals allegedly executed by ostensibly presenting them in person to Moskalkova on her visit to Chechnya’s capital. The Memorial Human Rights Center reported, however, that the two young men presented to Moskalkova were in fact the brothers of those allegedly killed. On July 27, the BBC Russian Service reported authorities forced the relatives of the 27 missing Chechens to sign documents saying the missing persons fled Chechnya to Syria or simply had left home. Novaya Gazeta reported intense pressure on the families to cease their cooperation with investigators, the human rights ombudswoman, and the press.” (USDOS, 20. April 2018, Section 1g)

In einem Bericht vom Mai 2018 erwähnt HRW, dass die Behörden in Tschetschenien brutale Vergeltung gegenüber Personen üben würden, die auch nur leise Kritik an Ramsan Kadyrow äußern würden:

„For over a decade, with the Kremlin’s blessing, law enforcement and security officials under the leadership of the head of Chechnya, Ramzan Kadyrov, have engaged in extrajudicial killings, enforced disappearances, and acts of torture. Human rights defenders have been threatened, beaten, and killed and have had their offices repeatedly torched. Local authorities brutally retaliate against people who publicly express even mild criticism of Kadyrov and government policies.“ (HRW, 15. Mai 2018, S. 24)

Die sozialistische deutsche Tageszeitung Neues Deutschland (ND) veröffentlicht im Mai 2018 einen Artikel, in dem Folgendes berichtet wird:

„Unter tschetschenischen Flüchtlingen in Deutschland geht die Angst um. Tschetscheninnen, die vor einem angedrohten Ehrenmord von ihren männlichen Familienangehörigen geflohen sind, weil sie angeblich ‚über die Stränge geschlagen‘ haben sollen, oder einfach nur einen Mann heiraten wollten, der ihren Brüdern nicht gefiel, fühlen sich in Deutschland nicht mehr sicher. Aber auch Tschetschenen, die in Opposition zu Republikchef Ramsan Kadyrow stehen, werden in Deutschland von Tschetschenen bedroht. Diese sind dann entweder Getreue von Republikchef Kadyrow oder Tschetschenen, die selbst mit Erpressungen gezwungen werden, ihren Landsleuten etwas anzutun.“ (ND, 28. Mai 2018)

Das Center for Strategic and International Studies (CSIS), ein in Washington, D.C. ansässiger und nach eigenen Angaben überparteilicher Think Tank mit außenpolitischer Ausrichtung, schreibt in einem Bericht vom Juni 2018, dass in Tschetschenien die Verwandten derer, die des Terrorismus verdächtigt würden, ebenfalls Opfer von Verfolgung werden könnten. Die lokalen Behörden würden eine Politik der kollektiven Bestrafung verfolgen und hätten ganze Familien wegen der Handlungen und Ansichten ihrer Verwandten verfolgt. Dieses Vorgehen habe seinen Höhepunkt 2008 erreicht, als die lokalen Strafverfolgungsbehörden 27 Häuser zerstört hätten, die Verwandten von Aufständischen gehört hätten. Putin habe 2014 in einer Ansprache Bezug darauf genommen und angegeben, es sei die praktische Erfahrung von Einheiten, die gegen Terrorismus ankämpfen würden, dass üblicherweise, wenn auch nicht in allen Fällen, die Verwandten derer, die Terrorakte begehen würden, in der Mehrheit der Fälle Informationen über sie hätten („know about them“):

„The Chechen government has developed a structured hierarchy of ‘enemies of the people.’ One of the enemy categories is ‘easily recognizable enemies of the people,’ which means criminals, including insurgents. This category of criminals could be pardoned, if they were willing to ‘understand’ their wrongdoings and be ready to ‘change.’ Another category, ‘those who are invisible,’ includes dissidents, human rights activists, and independent journalists.

Relatives of those who are suspected of terrorism also become subject to persecution. Local authorities have embraced a policy of collective punishment and have persecuted entire families for the actions and beliefs of relatives. This approach reached its peak in 2008 when local law enforcement agencies destroyed 27 houses that belonged to insurgents’ relatives. These policies were addressed by President Putin during his annual news conference on December 18, 2014: I’m referring to what Kadyrov said about the relatives of terrorists, their homes, expelling them from the republic and so on. Naturally, I can have only one view on this: in Russia everyone must obey the existing laws and nobody is considered guilty until this is proved by court. This is the first point. Second, I’ve already said that life is complicated. I’ll tell you something from the practical experience of counterterrorism units. Generally— I won’t say always— the relatives of people who commit acts of terror know about them in the overwhelming majority of cases, if not more.“ (CSIS, 1. Juni 2018, S. 210-211)

 

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Quellen: (Zugriff auf alle Quellen am 29. Juni 2018)

·      BVwG – Bundesverwaltungsgericht: Entscheidungstext W182 1248893-3/3E, 25. Mai 2018
https://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/Bvwg/BVWGT_20180525_W182_1248893_3_00/BVWGT_20180525_W182_1248893_3_00.html

·      BVwG – Bundesverwaltungsgericht: Entscheidungstext W226 2195052-1/4E, 28. Mai 2018
https://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/Bvwg/BVWGT_20180528_W226_2195048_1_00/BVWGT_20180528_W226_2195048_1_00.html

·      BVwG – Bundesverwaltungsgericht: Entscheidungstext W182 2175162-1/12E, 30. Mai 2018
https://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/Bvwg/BVWGT_20180530_W182_2175159_1_00/BVWGT_20180530_W182_2175159_1_00.html

·      CSIS – Center for Strategic and International Studies: Religion and Violence in Russia; Context, Manifestations, and Policy, 1. Juni 2018
https://csis-prod.s3.amazonaws.com/s3fs-public/publication/180530_Oliker_ReligionandViolenceinRussia_Web.pdf?HLUcSpiycSLjwYXjxwk8nM49DfnpOsvT

·      Das Erste: Golineh Atai über die Lage in Tschetschenien, 5. Juni 2016
http://www.daserste.de/information/politik-weltgeschehen/weltspiegel/sendung/tschetschenien-104.html

·      GfbV – Gesellschaft für Bedrohte Völker: Tschetschenien: Die aktuelle Menschenrechtssituation, Juni 2016
http://www.gfbv.de/fileadmin/redaktion/Reporte_Memoranden/2016/Memorandum_Tschetschenien_fertig.pdf

·      HRW – Human Rights Watch: "Like Walking a Minefield"; Vicious Crackdown on Critics in Russia’s Chechen Republic, 30. August 2016
https://www.ecoi.net/en/file/local/1126997/1226_1472803628_chechnya0816-1.pdf

·      HRW - Human Rights Watch: Russia: Anti-Gay Purge in Chechnya, 26. Mai 2017 (verfügbar auf ecoi.net)
http://www.ecoi.net/file_upload/5228_1496394209_chechnya0517-web.pdf

·      HRW – Human Rights Watch: Russia: FIFA World Cup 2018 – Human Rights Guide for Reporters, 15. Mai 2018
https://www.ecoi.net/en/file/local/1432539/1788_1526389498_1505.pdf

·      Landinfo – Norwegian Country of Origin Information Centre: Tsjetsjenia: Familiemedlemmer til personer med tilknytning til opprørsbevegelsen, 4. Oktober 2016
https://www.ecoi.net/en/file/local/1231165/1788_1478788225_3432-1.pdf

·      ND – Neues Deutschland: Todesangst nach der Flucht, 28. Mai 2018
https://www.neues-deutschland.de/artikel/1089330.tschetschenischen-fluechtlinge-todesangst-nach-der-flucht.html

·      SWP – Stiftung Wissenschaft und Politik: Russland und der Nordkaukasus im Umfeld des globalen Jihadismus, April 2017
https://www.swp-berlin.org/fileadmin/contents/products/aktuell/2017A23_hlb.pdf

·      SWP – Stiftung Wissenschaft und Politik: Tschetscheniens Stellung in der Russischen Föderation, März 2018
https://www.swp-berlin.org/fileadmin/contents/products/studien/2018S01_hlb.pdf

·      USDOS – US Department of State: Country Report on Human Rights Practices 2017 - Russia, 20. April 2018
https://www.ecoi.net/de/dokument/1430116.html