Amnesty International Report 2017/18 - The State of the World's Human Rights - Democratic Republic of the Congo

Die Menschenrechtslage verschlechterte sich weiter. Die Gewalt in der Region Kasaï hatte Tausende Tote und mindestens eine Million Binnenvertriebene zur Folge und veranlasste mehr als 35000 Personen, in das benachbarte Angola zu fliehen. Im Osten des Landes gingen bewaffnete Gruppen und die Regierungsstreitkräfte gegen Zivilpersonen vor und beteiligten sich an der rechtswidrigen Ausbeutung von Bodenschätzen, ohne strafrechtliche Konsequenzen befürchten zu müssen. Polizei, Geheimdienste und Gerichte unterdrückten nach wie vor die Rechte auf Meinungs-, Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit. Menschenrechtsverteidiger und Journalisten wurden schikaniert, eingeschüchtert, willkürlich festgenommen, des Landes verwiesen oder getötet.

HINTERGRUND

Präsident Joseph Kabila verblieb im Amt, obwohl seine verfassungsgemäße zweite Amtszeit am 19. Dezember 2016 zu Ende gegangen war. Im Dezember 2016 hatten Vertreter der Regierungskoalition, der Opposition und zivilgesellschaftlicher Organisationen eine Vereinbarung unterzeichnet. Diese sah vor, dass Präsident Kabila zunächst an der Macht bleiben könne und eine Regierung der Nationalen Einheit unter der Führung eines vom Oppositionsbündnis Rassemblement designierten Premierministers gebildet werden solle. Die Aufgabe der Regierung der Nationalen Einheit sollte es sein, die Wahlen bis Dezember 2017 zu organisieren. Zur Überwachung der Einhaltung der getroffenen Vereinbarungen sah die Übereinkunft die Bildung eines Nationalen Kontrollrats (Conseil National de Suivi de l’Accord et du processus electoral – CNSA) unter Leitung des Vorsitzenden des Oppositionsbündnisses Rassemblement, Étienne Tshisekedi, vor. Die Vereinbarung enthielt auch eine Verpflichtung Präsident Kabilas, die von der Verfassung vorgeschriebene Begrenzung der Präsidentschaft auf zwei Amtszeiten einzuhalten und keine Revision oder Änderung der Verfassung durchzuführen. Die Umsetzung der Übereinkunft geriet über die Frage der Ernennung und Verteilung politischer Posten für die Übergangsinstitutionen ins Stocken. Im Februar 2017 starb Étienne Tshisekedi. Im April ernannte Präsident Kabila eigenmächtig Bruno Tshibala Nzenze zum Premierminister, doch weigerte sich das Oppositionsbündnis Rassemblement, die Nominierung anzuerkennen. Im Juli wurde Joseph Olenghankoy gleichfalls eigenmächtig von Präsident Kabila zum Vorsitzenden des CNSA bestimmt. Die Vorsitzenden der wichtigsten Oppositionsparteien, die katholische Kirche und die internationale Gemeinschaft verurteilten diese Nominierungen als Verletzung der Übereinkunft.

Bei der Wählerregistrierung im Vorfeld der Wahlen kam es zu beträchtlichen Verzögerungen. Im Juli 2017 kündigte der Präsident der Unabhängigen Nationalen Wahlkommission an, dass die Wahlen nicht wie geplant im Dezember 2017 abgehalten werden könnten. Begründet wurde dies u. a. mit der kritischen Sicherheitslage in der Region Kasaï.

Die im Jahr 2016 nach der Ermordung des traditionellen Anführers Kamuena Nsapu ausgebrochene Gewalt griff auf fünf Provinzen über und löste eine beispiellose humanitäre Krise aus. Im Osten intensivierten mehrere bewaffnete Gruppen ihre Angriffe, um Präsident Kabila aus dem Amt zu jagen. Weder die Sicherheitskräfte der DR Kongo noch die UN-Friedensmission für die Stabilisierung in der DR Kongo (MONUSCO) waren in der Lage, die Auseinandersetzungen zu beenden und die mehr als 40 noch aktiven lokalen oder ausländischen bewaffneten Gruppen in Schach zu halten.

Die jährliche Inflationsrate stieg im Jahr 2017 um ungefähr 50 % und trug zur Vergrößerung der Armut bei. Es kam zu Streiks, bei denen Gehaltserhöhungen für Lehrkräfte, Universitätsprofessoren, Ärzte, Krankenpflegepersonal und öffentliche Angestellte gefordert wurden. Mindestens 24000 Menschen waren von einer Choleraepidemie betroffen; zwischen Januar und September 2017 starben mehr als 500 Personen an dieser Krankheit.

RECHT AUF FREIE MEINUNGSÄUßERUNG

Die Pressefreiheit und das Informationsrecht waren eingeschränkt. Nur sehr wenigen Auslandskorrespondenten wurden Visa und Akkreditierungen erteilt. Mindestens ein Journalist, ein belgischer Staatsangehöriger, wurde im September 2017 des Landes verwiesen. Im Juni 2017 wurde einem französischen, im August einem US-amerikanischen Staatsbürger die Verlängerung der Akkreditierung als Journalist verweigert. Es gab mindestens 15 Vorfälle, bei denen kongolesische und ausländische Journalisten bei der Ausübung ihrer Arbeit eingeschüchtert, schikaniert, willkürlich festgenommen oder inhaftiert wurden. In vielen Fällen wurde ihre Ausrüstung beschlagnahmt, oder man zwang sie, aufgezeichnete Daten zu löschen. Im Juli erließ der Kommunikationsminister ein Dekret, mit dem neue Regeln eingeführt wurden, denen zufolge Auslandskorrespondenten eine ministerielle Genehmigung einholen müssen, wenn sie Gebiete außerhalb der Hauptstadt Kinshasa besuchen wollen.

Im August 2017 erteilte die Aufsichtsbehörde für das Post- und Fernmeldewesen den Telekommunikationsunternehmen Anweisung, die Nutzungsmöglichkeiten der sozialen Medien rigoros einzuschränken. Die Anweisung erfolgte am Vortag eines von der Opposition organisierten zweitägigen Protests, bei dem die Menschen im ganzen Land zu Hause bleiben sollten, um damit die Veröffentlichung eines Zeitplans für Wahlen zu erreichen.

RECHT AUF VERSAMMLUNGSFREIHEIT

Die Behörden verboten und unterdrückten weiterhin die öffentliche Bekundung abweichender Meinungen sowie von zivilgesellschaftlichen Organisationen und der Opposition organisierte friedliche Versammlungen, insbesondere Protestkundgebungen, die die politische Krise und die Wahlen betrafen. Friedlich Protestierende, die die Opposition unterstützten, wurden von den Sicherheitskräften eingeschüchtert, schikaniert und festgenommen. Dagegen konnten Demonstrationen von Anhängern der Regierung ohne Behinderung durch die Behörden stattfinden.

Am 31. Juli 2017 wurden mehr als 100 Personen, unter ihnen elf kongolesische und ausländische Journalisten, bei landesweiten Demonstrationen festgenommen. Die Demonstrationen waren von der Jugendbewegung Lutte pour le Changement (LUCHA) organisiert worden, um die Veröffentlichung des Wahlkalenders zu fordern. Ein Journalist wurde im Zusammenhang mit dem Protest angeklagt und im Gefängnis von Lubumbashi inhaftiert; vier Demonstrierende wurden zu Freiheitsstrafen verurteilt. Die übrigen wurden am selben oder am folgenden Tag ohne Anklageerhebung wieder auf freien Fuß gesetzt.

EXZESSIVE GEWALTANWENDUNG

Gegen Kundgebungen, die nicht von Regierungsanhängern organisiert worden waren, gingen die Sicherheitskräfte häufig mit exzessiver und manchmal tödlicher Gewalt vor.

Am 15. September 2017 schossen Angehörige der Armee und Polizei in Kamanyola auf eine Gruppe von Flüchtlingen aus Burundi, die gegen die Festnahme und Abschiebung von vier Flüchtlingen durch den Geheimdienst der DR Kongo protestierten. 39 Protestierende wurden getötet, darunter mindestens acht Frauen und fünf Kinder. Mehr als 100 Personen wurden verletzt. Bis zum Jahresende lagen keine Informationen darüber vor, ob rechtliche Maßnahmen ergriffen wurden, um die mutmaßlichen Täter zur Rechenschaft zu ziehen.

MENSCHENRECHTSVERTEIDIGER

Menschenrechtsverteidiger und politisch engagierte Jugendliche wurden von den Sicherheitskräften und bewaffneten Gruppen wegen ihrer Tätigkeit angegriffen. Zu ihnen gehörten Alex Tsongo Sikuliwako und Alphonse Kalyamba, die in der Provinz Nordkivu getötet wurden.

Im Mai 2017 verabschiedete der Senat ein Gesetz, das vorgeblich dem Schutz von Menschenrechtsverteidigern dienen sollte. Das Gesetz enthielt jedoch eine eingeschränkte Definition eines Menschenrechtsverteidigers. Es baute die Kontrolle des Staates über Menschenrechtsorganisationen aus und drohte diesen mit der Einschränkung ihrer Aktivitäten. Das Gesetz könnte dazu führen, dass Menschenrechtsorganisationen die legale Grundlage für ihre Tätigkeit entzogen wird.

KONFLIKT IN DER REGION KASAÏ

Die im Jahr 2016 in der Region Kasaï ausgebrochene Gewalt griff auf fünf Provinzen über und hinterließ Tausende Tote. Am 25. September 2017 wurden eine Million Binnenvertriebene gezählt, außerdem kam es zu einer massiven Zerstörung öffentlicher Infrastruktureinrichtungen und zahlreicher Dörfer.

Neue Milizen wurden gegründet, die in zunehmendem Maße Menschen wegen ihrer Zugehörigkeit zu bestimmten ethnischen Bevölkerungsgruppen angriffen, vor allem diejenigen, von denen sie annahmen, dass sie zu den Anhängern von Kamuena Nsapu gehörten, die den Aufstand nach dessen Ermordung organisiert hatten.

Gefolgsleute von Kamuena Nsapu wurden verdächtigt, in der Region Menschenrechtsverstöße begangen zu haben. Dazu gehörten die Rekrutierung von Kindersoldaten, Vergewaltigungen, Tötungen sowie die Zerstörung von über 300 Schulen und Märkten, Kirchen, Polizeistationen und Regierungsgebäuden.

Im Frühjahr 2017 wurde mit Unterstützung lokaler traditioneller Anführer und Sicherheitskräften die Miliz Bana Mura von Angehörigen der ethnischen Gruppen Tshokwe, Pende und Tetela gegründet. Die Miliz führte Angriffe gegen die Gemeinschaften der Luba und Lulua durch, die sie beschuldigte, den Aufstand der Anhänger von Kamuena Nsapu zu unterstützen. Zwischen März und Juni 2017 wurde berichtet, dass im Gebiet von Kamonia ungefähr 251 Personen von der Miliz Bana Mura und der Armee getötet worden waren. Unter den Opfern befanden sich 62 Kinder, von denen 30 das achte Lebensjahr noch nicht erreicht hatten.

MENSCHENRECHTSVERLETZUNGEN DURCH SICHERHEITSKRÄFTE

Die kongolesische Polizei und Armee waren für Hunderte außergerichtliche Hinrichtungen, Vergewaltigungen, willkürliche Festnahmen und Erpressungen verantwortlich. Zwischen Februar und April 2017 zeigten Videos im Internet, wie Soldaten mutmaßliche Anhänger von Kamuena Nsapu töteten. Darunter befanden sich auch Kinder. Die Opfer waren mit Stöcken oder defekten Gewehren bewaffnet oder waren unbewaffnet und trugen als Erkennungszeichen lediglich rote Stirnbänder. Die Regierung wies zunächst Beschuldigungen zurück und bezeichnete diese als "konstruiert", um die Armee zu diskreditieren. Im Februar erkannte sie jedoch an, dass "Exzesse" stattgefunden hatten, und versprach, diejenigen strafrechtlich zu verfolgen, die verdächtigt wurden, schwere Menschenrechtsverletzungen und -verstöße in der Region verübt zu haben. Das gelte auch für die eigenen Sicherheitskräfte.

FEHLENDE RECHENSCHAFTSPFLICHT

Am 6. Juli 2017 erhielten sechs Soldaten im Zusammenhang mit außergerichtlichen Hinrichtungen in Mwanza-Lomba, einem Dorf in der Provinz Kasaï-Oriental, Gefängnisstrafen zwischen einem Jahr und lebenslang. Die Urteile erfolgten am Ende eines Verfahrens, in dem die Opfer nicht genannt wurden und den Familienangehörigen keine Gelegenheit für Zeugenaussagen oder die Beantragung von Entschädigungen eingeräumt wurde.

Am 12. März 2017 wurden die schwedische Staatsangehörige Zaida Catalán und der US-Amerikaner Michael Sharp, beide Mitglieder des für Sanktionen gegen die DR Kongo zuständigen Sanktionsausschusses des UN-Sicherheitsrats, während Ermittlungen in der Provinz Kasaï-Central außergerichtlich hingerichtet. Ihre Leichname wurden 16 Tage später in der Nähe des Dorfes Bunkonde aufgefunden; Zaida Catalán war enthauptet worden. Drei ihrer Fahrer und ein Dolmetscher, die sie begleitet hatten, wurden vermisst. Ihr Verbleib war bis zum Jahresende noch ungeklärt. Im April 2017 führten die Behörden Diplomaten und Journalisten in Kinshasa ein Video vor, das die Hinrichtung der beiden Experten zeigte, doch lagen keine Informationen über die Herkunft des Videos vor. Das Video, in dem es hieß, dass zu den Kamuena-Nsapu-Aufständischen gehörende „Terroristen“ die Täter seien, wurde auch im Internet gezeigt und als Beweismaterial in dem Militärgerichtsverfahren anerkannt, das seit dem 5. Juni 2017 in der Stadt Kananga gegen die mutmaßlichen Täter geführt wurde.

Im Juni 2017 beschloss der UN-Menschenrechtsrat gegen den Einspruch der Regierung der DR Kongo, eine unabhängige internationale Expertengruppe zur Untersuchung der schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen in der Region Kasaï in die DR Kongo zu entsenden. Im Juli kündigte der UN-Hochkommissar für Menschenrechte die Ernennung eines internationalen Expertenteams an, das im September mit der Untersuchung der Vorfälle begann. Es wird erwartet, dass die Untersuchungsergebnisse im Juni 2018 veröffentlicht werden.

KONFLIKT IM OSTEN DER DR KONGO

Die chronische Instabilität und der andauernde Konflikt trugen weiterhin zu schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen und -verstößen bei. In der Region Beni wurden Zivilpersonen gezielt getötet. Am 7. Oktober 2017 wurden 22 Menschen von unbekannten Bewaffneten auf der Straße zwischen Mbau und Kamango getötet.

In der Provinz Nordkivu nahmen die Entführungen zu; mindestens 100 Fälle wurden aus der Stadt Goma gemeldet. In Nordkivu, Südkivu und Ituri verübten zahlreiche bewaffnete Gruppen und die Sicherheitskräfte nach wie vor Tötungen, Vergewaltigungen und Erpressungen. Zudem betrieben sie die rechtswidrige Ausbeutung von Bodenschätzen. Der Konflikt zwischen den Hutu und den Nande in Nordkivu hatte Tote sowie Vertreibung und Zerstörung zur Folge. Vor allem waren die Gebiete Rutshuru und Lubero betroffen.

In den Provinzen Tanganyika und Haut-Katanga setzte sich die ethnisch motivierte Gewalt zwischen den Twa und den Luba fort. In der Provinz Tanganyika stieg die Zahl der Binnenvertriebenen auf 500000 an. Zwischen Januar und September 2017 flohen mehr als 5700 Staatsangehörige der DR Kongo nach Sambia, um dem Konflikt zu entgehen.

Trotz der weiterhin angespannten Sicherheitslage fuhren die Behörden damit fort, die Lager für Binnenvertriebene im Umkreis der Stadt Kalemie zu schließen und zwangen damit die Vertriebenen, in ihre Dörfer zurückzukehren oder ein Leben unter noch schlechteren Bedingungen zu führen.

HAFTBEDINGUNGEN

In allen Teilen des Landes kam es zu einer noch nie dagewesenen Anzahl von Gefängnisausbrüchen. Tausende Gefangene entkamen und zahlreiche weitere starben. Am 17. Mai 2017 fand ein Angriff auf das größte Gefängnis Kinshasas (Makala) statt. Bei dem Angriff, den die Behörden der politischen Gruppe Bundu dia Kongo zuschrieben, konnten mehr als 4000 Gefangene fliehen. Am 11. Juni 2017 entkamen 930 Gefangene aus dem Zentralgefängnis Kangbayi in der Stadt Beni. Unter ihnen befanden sich zahlreiche Häftlinge, die einige Monate zuvor wegen der Tötung von Zivilpersonen im Gebiet von Beni zu Haftstrafen verurteilt worden waren. Hunderte weitere Gefangene entkamen aus Gefängnissen und Hafteinrichtungen der Polizei in Bandundu-Ville, Kasangulu, Kalemie, Matete (Kinshasa), Walikale, Dungu, Bukavu, Kabinda, Uvira, Bunia, Mwenga und Pweto.

Die Gefängnisse waren überbelegt und die Haftbedingungen weiterhin katastrophal. Die Versorgung mit Nahrungsmitteln und Trinkwasser war unzureichend und die Gesundheitsfürsorge mangelhaft. Zahlreiche Gefangene verhungerten oder fielen Krankheiten zum Opfer.

UNTERNEHMENSVERANTWORTUNG

Im August 2017 prüfte das Bergbauministerium die Möglichkeit einer nationalen Strategie zum Kampf gegen Kinderarbeit im Bergbau. Nationalen und internationalen zivilgesellschaftlichen Gruppen wurde Gelegenheit gegeben, Stellung zu nehmen und eigene Vorschläge einzubringen. Die Regierung kündigte an, dass sie viele der Empfehlungen „schrittweise” umsetzen und Kinderarbeit bis zum Jahr 2025 beseitigen werde.

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