Anfragebeantwortung zu Belarus: Gesetzliche Bestimmungen im Strafgesetz zu Konsum von Marihuana [a-10025]

28. Februar 2017

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Im staatlichen Rechtsinformationsportal (Etalon Online), das vom Nationalen Zentrum für Rechtsinformation der Republik Belarus betrieben wird, findet sich das Gesetzbuch über Ordnungswidrigkeiten der Republik Belarus vom 21. April 2003 mit Änderungen bis inklusive 19. Juli 2016. Paragraph 17.3 behandelt das Trinken von alkoholischen Getränken, leicht alkoholischen Getränken oder Bier, den Konsum von Drogen, psychotroper Substanzen oder ihrer Analoga an einem öffentlichen Ort oder das Erscheinen an einem öffentlichem Ort oder in der Arbeit im Zustand der Trunkenheit.

Gemäß Artikel 4 des Paragraphen zieht das Erscheinen an einem öffentlichen Ort in einem Zustand, der durch den Konsum von Drogen, psychotroper Substanzen oder durch den Konsum ihrer Analoga, toxischer oder anderer betäubender Substanzen ohne Anordnung eines Facharztes hervorgerufen wurde und die menschliche Würde und gesellschaftliche Moral beleidigt eine Strafe in Höhe von fünf bis zehn Basiswerten nach sich (gemäß Informationen des deutschen Auswärtigen Amtes (AA, 27. Februar 2017) entsprechen zwei Basiswerte derzeit ungefähr 23 Euro, Anm. ACCORD).

Gemäß Artikel 5 zieht die Anwesenheit am Arbeitsplatz während der Arbeitszeit in einem Zustand, der durch den Konsum von Drogen oder psychotroper Substanzen oder den Konsum ihrer Analoga, toxischer oder anderer betäubender Substanzen ohne Anordnung eines Facharztes hervorgerufen wurde, eine Strafe in Höhe von acht bis zwölf Basiswerten nach sich.

Gemäß Artikel 6 ziehen der Konsum von Drogen oder psychotropen Substanzen an einem öffentlichen Ort oder der Konsum ihrer Analoga an einem öffentlichen Ort eine Strafe in Höhe von zehn bis 15 Basiswerten nach sich:

Статья 17.3. Распитие алкогольных, слабоалкогольных напитков или пива, потребление наркотических средств, психотропных веществ или их аналогов в общественном месте либо появление в общественном месте или на работе в состоянии опьянения […]

4. Появление в общественном месте в состоянии, вызванном потреблением без назначения врача-специалиста наркотических средств или психотропных веществ либо потреблением их аналогов, токсических или других одурманивающих веществ, оскорбляющем человеческое достоинство и общественную нравственность, –

влечет наложение штрафа в размере от пяти до десяти базовых величин.

5. Нахождение на рабочем месте в рабочее время в состоянии, вызванном потреблением без назначения врача-специалиста наркотических средств или психотропных веществ либо потреблением их аналогов, токсических или других одурманивающих веществ, –

влечет наложение штрафа в размере от восьми до двенадцати базовых величин.

6. Потребление без назначения врача-специалиста наркотических средств или психотропных веществ в общественном месте либо потребление их аналогов в общественном месте –

влекут наложение штрафа в размере от десяти до пятнадцати базовых величин.“ (Gesetzbuch über Ordnungswidrigkeiten, 21. April 2003, Paragraph 17.3)

Ebenfalls auf Etalon Online findet sich auch das Strafgesetzbuch der Republik Belarus vom 9. Juli 1999 mit Änderungen bis inklusive 19. Juli 2016. Paragraph 3282 behandelt den Konsum von Drogen, psychotroper Substanzen und ihrer Analoga an einem öffentlichen Ort oder das Erscheinen an einem öffentlichen Ort oder die Anwesenheit am Arbeitsplatz in einem Zustand, der durch den Konsum von Drogen, psychotroper Substanzen, ihrer Analoga, toxischer oder anderer betäubender Substanzen hervorgerufen wurde.

Der Konsum von Drogen oder psychotroper Substanzen an einem öffentlichen Ort ohne Anordnung eines Facharztes, oder der Konsum ihrer Analoga an einem öffentlichen Ort, genauso wie das Erscheinen an einem öffentlichem Ort in einem Zustand, der durch den Konsum von Drogen oder psychotroper Substanzen oder den Konsum ihrer Analoga, toxischer oder anderer betäubender Substanzen ohne Anordnung eines Facharztes hervorgerufen wurde und die menschliche Würde und gesellschaftliche Moral beleidigt, wie auch die Anwesenheit am Arbeitsplatz während der Arbeitszeit in einem Zustand, der durch den Konsum von Drogen oder psychotroper Substanzen oder den Konsum ihrer Analoga, toxischer oder anderer betäubender Substanzen ohne Anordnung eines Facharztes hervorgerufen wurde, werden, wenn sie innerhalb eines Jahres nach Auferlegen einer administrativen Strafe wegen eben dieser Vergehen begangen werden, mit einer Strafe, Arrest oder einer Freiheitsbeschränkung von bis zu zwei Jahren bestraft:

Потребление наркотических средств, психотропных веществ или их аналогов в общественном месте либо появление в общественном месте или нахождение на работе в состоянии, вызванном потреблением наркотических средств, психотропных веществ, их аналогов, токсических или других одурманивающих веществ

Потребление без назначения врача-специалиста наркотических средств или психотропных веществ в общественном месте либо потребление их аналогов в общественном месте, а равно появление в общественном месте в состоянии, вызванном потреблением без назначения врача-специалиста наркотических средств или психотропных веществ либо потреблением их аналогов, токсических или других одурманивающих веществ, оскорбляющем человеческое достоинство и общественную нравственность, либо нахождение на рабочем месте в рабочее время в состоянии, вызванном потреблением без назначения врача-специалиста наркотических средств или психотропных веществ либо потреблением их аналогов, токсических или других одурманивающих веществ, совершенные в течение года после наложения административного взыскания за такие же нарушения, –

наказываются штрафом, или арестом, или ограничением свободы на срок до двух лет.“ (Strafgesetzbuch der Republik Belarus, 9. Juli 1999, Paragraph 3282)

Marihuana befindet sich zudem auf der „Liste der gefährlichen Drogen, die nicht zu medizinischen Zwecken eingesetzt werden“. Diese Liste ist Teil des Anhangs zu einer Verordnung des Gesundheitsministeriums vom 11. Februar 2015 über die Erstellung einer republikanischen Liste von Drogen, psychotropen Substanzen und ihrer Ausgangsstoffe, die in der Republik Belarus staatlicher Kontrolle unterliegen. Die Verordnung enthält insgesamt fünf Listen. Neben der bereits erwähnten Liste, die an fünfter Stelle folgt, werden auch die Liste besonders gefährlicher Drogen und psychotroper Substanzen, die nicht zu medizinischen Zwecken eingesetzt werden, die Liste besonders gefährlicher Drogen und psychotroper Substanzen, deren kontrollierte Abgabe gestattet ist, die Liste gefährlicher psychotroper Substanzen, deren kontrollierte Abgabe gestattet ist sowie die Liste der Ausgangsstoffe von Drogen und psychotropen Substanzen angeführt. (Innenministerium der Republik Belarus, 11. Februar 2015)

 

Die Liste ist unter folgendem Link zugänglich:

·      Innenministerium der Republik Belarus: Republikanische Liste der Drogen, psychotropen Substanzen und Ausgangsstoffe, die in der Republik Belarus staatlicher Kontrolle unterliegen, 11. Februar 2015
http://mvd.gov.by/sm.aspx?guid=98203

 

Belarus Digest, laut eigenen Angaben ein Projekt des Ostrogorski Centre, einer Denkfabrik von BelarussInnen in Belarus und der Europäischen Union, schreibt in einem Artikel vom Jänner 2017, dass DrogenkonsumentInnen von Gerichten aktiv bestraft und DrogendealerInnen strafrechtlich verfolgt würden, wobei es keinen fairen Prozess gebe. So sei etwa im Dezember 2016 ein belarussischer Reggae-Musiker zu neun Jahren Haft wegen Drogen-Handels verurteilt worden. Laut Freunden des Musikers stützten sich die Ermittler in ihrer Argumentation auf die Angaben einer einzigen Person. Zum Zeitpunkt seiner Festnahme hätten der Musiker und mehrere Freunde 40 Gramm Haschisch und 17 Gramm Marihuana besessen. Der Musiker habe jedoch behauptet, die Drogen seien nicht für den Verkauf bestimmt gewesen. Im März 2016 habe es einen ähnlichen Fall gegeben. Ein Gericht in Minsk habe einen Schauspieler zu fünf Jahren Haft verurteilt, nachdem 26 Gramm Marihuana in seiner Wohnung gefunden worden seien. Obwohl die Beweise, die den Schauspieler mit Drogenhandel in Zusammenhang gebracht hätten, schwach gewesen seien, sei das Urteil hart gewesen. Im September 2016 habe die Geschichte einer 25-jährigen Frau, die zu zwölf Jahren Haft wegen Drogenhandels verurteilt worden sei, große Medienaufmerksamkeit auf sich gezogen. Das harte Urteil sei für den Besitz von eineinhalb Ecstasy-Tabletten gewesen, die die Frau aus ihrem Urlaub in der Türkei mitgebracht habe. Laut Belarus Digest sei es vielleicht verwunderlich, dass Verbrechen in Zusammenhang mit Drogen zu so harten Strafen führen könnten. Es sei jedoch wichtig, den Kontext des Gesetzes zu verstehen. Im Jahr 2014 habe es viele Todesopfer wegen einer neuen Droge mit dem Namen „Spice“ gegeben. Als Reaktion darauf habe Präsident Lukaschenko ein strenges Dekret gegen Drogenhandel unterzeichnet. Gemäß dem Dekret, das darauf abziele, diese gefährliche Droge zu bekämpfen, können Verbrechen in Zusammenhang mit Drogen bis zu 25 Jahre Haft nach sich ziehen:

„At the same time, the courts actively punish drug users and prosecute drug dealers without due process. For instance, in December Belarusian reggae musician Klim Malažavy received a nine-year sentence for drug-trafficking. According to friends of the musician, however, the investigation based its arguments on the testimony of a single individual. At the time of his detention, Malažavy and several friends possessed 40g of hashish and 17g of marijuana. However, Malažavy claims that the drugs were not for sale.

In March 2016 there was a similar case. A Minsk court sentenced Arciom Barodzič, an actor at the Yanka Kupala theatre, to five years in prison after finding 26g of marijuana in his apartment. Although the evidence linking Barodzič to drug trafficking was weak, the verdict was serious.

Later, in September, the story of a 25 year-old woman who received a 12-year sentence for drug-trafficking attracted a large amount of media attention. The courts doled out this harsh punishment for possession of a tablet and a half of ecstasy which the woman had brought back from her vacation in Turkey.

It might come as a surprise that drug-related crimes can lead to such harsh sentences compared to more serious offences. However, it is important to understand the context of the law. In 2014, victims of a new drug called 'spice' increased significantly and many deaths were reported. As a response, in December 2014 Lukashenka signed a tough decree against drug-trafficking. Following the decree, which aims to combat the dangerous drug, the punishment for drug-related crimes could be as high as 25 years of imprisonment.

According to Aliena Krasoŭskaja, head of the human rights defenders centre Region 119, although sentences for drug dealers have become unprecedentedly strict, courts are not ultimately to blame, as they are simply following the drug decree.“ (Belarus Digest, 25. Jänner 2017)

Auf Naviny.by, einem belarussischen Nachrichtenprojekt der unabhängigen belarussischen Nachrichtenagentur BelaPan, findet sich ein Artikel vom März 2016 über die Verurteilung des bei Belarus Digest erwähnten Schauspielers wegen Besitzes von 26 Gramm Marihuana zu fünf Jahren Haft. In dem Bericht wird ausgeführt, dass die große Menge der Droge und die Tatsache, dass der Schauspieler nicht drogenabhängig sei, Gründe dafür gewesen seien anzunehmen, dass er das Marihuana nicht für sich sondern zur Weiterverbreitung aufbewahrt habe. Zudem wird in dem Artikel eine Aussage des Leiters der Hauptverwaltung im Innenministerium für Drogenkontrolle und Bekämpfung des Menschenhandels angeführt, der zufolge die belarussische Gesetzgebung nicht zwischen „leichten“ und „schweren“ Drogen unterscheide. RichterInnen würden nicht darüber nachdenken, ob eine Person, die Marihuana verbreite, eine geringere Strafe erhalten solle als eine Person, die Spice verkaufe. Naviny.by erläutert zudem, dass die Strafverfolgungsbehörden darauf aufmerksam machen würden, dass es sich sogar dann bereits um Verbreitung der Droge handle, wenn ein Freund einen Bekannten auf Marihuana einlädt. Dieser Person würden bis zu acht Jahre Haft drohen:

Суд по делу актера купаловского театра вызвал большой резонанс в обществе. В начале марта Артем Бородич был приговорен к пяти годам колонии за 26 грамм марихуаны, которые обнаружили у него дома. Большой объем наркотика, а также то, что у актера не было наркотической зависимости, стал поводом считать, что хранил Артем марихуану не для себя, а для распространения. […]

Начальник главного управления по наркоконтролю и противодействию торговле людьми МВД Василий Лосич отмечает, что белорусское законодательство не разделяет наркотики на легкие и тяжелые.

Судьи не думают о том, дать ли распространителю марихуаны срок меньше, чем тому, кто продавал спайсы, — говорит он. […]

Правоохранители обращают внимание, что даже если друг угостил знакомого марихуаной, по нашему законодательству это уже является распространением. Такому человеку может грозить до восьми лет лишения свободы (ч.2 ст.328 УК).“ (Naviny.by, 30. März 2016)

 

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Quellen: (Zugriff auf alle Quellen am 28. Februar 2017)

·      AA – Auswärtiges Amt: Belarus: Reise- und Sicherheitshinweise, Stand: 27. Februar 2017 (unverändert gültig seit 15.02.2017)
https://www.auswaertiges-amt.de/DE/Laenderinformationen/00-SiHi/BelarusSicherheit.html

·      Belarus Digest: Justice Belarusian style: five years for paedophilia, nine for marijuana, 25. Jänner 2017
http://belarusdigest.com/story/justice-belarusian-style-five-years-paedophilia-nine-marijuana-28754

·      Gesetzbuch der Republik Belarus über Ordnungswidrigkeiten, 21. April 2003, Änderungen bis inklusive 19. Juli 2016 (verfügbar auf Etalon Online)
http://etalonline.by/?type=text®num=Hk0300194#load_text_none_1_2

·      Innenministerium der Republik Belarus: Republikanische Liste der Drogen, psychotropen Substanzen und Ausgangsstoffe, die in der Republik Belarus staatlicher Kontrolle unterliegen, 11. Februar 2015
http://mvd.gov.by/sm.aspx?guid=98203

·      Naviny.by: МВД: в белорусском законе нет «легких» и «тяжелых» наркотиков [Innenministerium: Im belarussischen Gesetz gibt es keine „leichten“ und „schweren“ Drogen], 30. März 2016
http://naviny.by/rubrics/disaster/2016/03/30/ic_articles_124_191324

·      Strafgesetzbuch der Republik Belarus, 9. Juli 1999, Änderungen bis inklusive 19. Juli 2016 (verfügbar auf Etalon Online)
http://etalonline.by/?type=text®num=HK9900275#load_text_none_1_

 

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