Amnesty International Report 2016/17 - The State of the World's Human Rights - Guinea

Berichtszeitraum: 1. Januar 2016 bis 31. Dezember 2016

Amtliche Bezeichnung: Republik Guinea
STAATSOBERHAUPT: Alpha Condé
STAATS- UND REGIERUNGSCHEF_IN: Mamady Youla

Die Sicherheitskräfte gingen mit exzessiver Gewalt gegen friedliche Demonstrierende vor und schikanierten Menschen, die abweichende Meinungen äußerten. Es wurden Berichte über Folter und andere Misshandlungen bekannt. Nach wie vor genossen die Sicherheitskräfte bei Menschenrechtsverletzungen Straffreiheit. Die Todesstrafe wurde für gewöhnliche Verbrechen abgeschafft. Früh- und Zwangsverheiratungen wurden unter Strafe gestellt.

HINTERGRUND

Durch die Verschiebung der Kommunalwahlen auf Februar 2017 blieb die politische und soziale Lage in Guinea angespannt. Die letzten Kommunalwahlen hatten im Jahr 2005 stattgefunden.

EXZESSIVE GEWALTANWENDUNG

Am 17. Juni 2016 misshandelten Soldaten in Mali, einer Kleinstadt im Norden des Landes, einen Lkw-Fahrer in der Öffentlichkeit. Daraufhin kam es in der Stadt zu spontanen Protesten. Die Sicherheitskräfte trieben die Protestierenden mit exzessiver Gewalt auseinander und setzten dabei u. a. Schusswaffen und Schlagstöcke ein. Während der zwei Tage dauernden Unruhen wurden mindestens 14 Menschen verletzt, vier von ihnen durch scharfe Munition. Am 16. November 2016 wurden elf Soldaten wegen tätlicher Angriffe, Plünderung und Brandstiftung angeklagt.

In der Hauptstadt Conakry erschossen Polizisten am 16. August 2016 Thierno Hamidou Diallo, als dieser von dem Balkon seiner Wohnung aus eine friedliche Massendemonstration von 500000 bis 700000 Oppositionsanhängern beobachtete. Der Minister für Innere Sicherheit gab bekannt, dass ein Polizist im Zusammenhang mit der Tötung festgenommen worden sei.

RECHT AUF FREIE MEINUNGSÄUßERUNG

Sicherheitskräfte schikanierten Menschen, die abweichende Meinungen äußerten und nahmen sie willkürlich fest.

Der Gewerkschafter Jean Dougou Guilavogui wurde zusammen mit vier weiteren Gewerkschaftern am 24. März 2016 wegen Diffamierung und “Beleidigung des Präsidenten” zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten sowie zur Zahlung von Schmerzensgeld verurteilt. Jean Dougou Guilavogui wurde am 25. März aus der Haft entlassen, weil er die Strafe bereits abgesessen hatte. Seine Kollegen kamen am 8. April frei.

Am 22. Juni 2016 verurteilte das Gericht in Kankan den Journalisten Malick Bouya Kébé wegen “Beteiligung an der Beleidigung des Präsidenten” zur Zahlung von 1 Mio. Guinea-Francs (rund 100 Euro), weil er während einer Anrufsendung einen Zuhörer, der Präsident Condé kritisierte, nicht unterbrochen hatte. Sein Gast, ebenfalls ein Journalist, wurde wegen “Beleidigung des Präsidenten” in Abwesenheit zu einem Jahr Gefängnis und einer Geldstrafe von 1,5 Mio. Guinea-Francs (rund 150 Euro) verurteilt. Beide Journalisten wurden ohne Rechtsbeistand vor Gericht gestellt.

Als der Journalist Malick Diallo am 25. Juni 2016 von einer Versammlung der Regierungspartei in Conakry berichtete, bei der auch Präsident Condé anwesend war, wurde er von einem Angehörigen der Präsidentengarde aufgefordert, seine Kamera auszuhändigen. Als er sich weigerte, wurde er in ein Fahrzeug gezerrt und zum Büro der Präsidentengarde gebracht, wo er geschlagen und bedroht wurde. Die Gardisten nahmen Diallos Kamera und löschten ein paar Bilder, dann ließen sie ihn gehen. Die Polizei lehnte es ab, seine Anzeige aufzunehmen.

Das am 4. Juli 2016 vom Parlament angenommene überarbeitete Strafrecht belegte Beleidigung, Diffamierung und Verunglimpfung auch von Personen des öffentlichen Lebens mit einer Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren und einer Geldstrafe. Vage formulierte Gesetzesbestimmungen könnten dazu führen, dass Personen – u. a. Journalisten und Menschenrechtsverteidiger –, die sich kritisch äußern oder Menschenrechtsverletzungen offenlegen, strafrechtlich verfolgt werden.

Das am 2. Juni 2016 verabschiedete Gesetz über Cyber-Sicherheit und den Schutz persönlicher Daten stellt im Internet geäußerte Beleidigungen, die Verbreitung und Weitergabe von “Falschinformationen” sowie die Produktion, Verteilung und Übertragung von Daten an Dritte, “die geeignet sind, Recht und Ordnung oder die öffentliche Sicherheit zu stören oder die Würde des Menschen verletzen”, unter Strafe. Das Gesetz setzt die Weitergabe von Daten, “die vertraulich bleiben sollten”, aus Gründen der nationalen Sicherheit mit Verbrechen wie Verrat oder Spionage gleich und sieht dafür die lebenslange Freiheitsstrafe vor. Diese Bestimmung könnte gegen Whistleblower verwendet werden, die Missstände aufdecken.

FOLTER UND ANDERE MISSHANDLUNGEN

Im Jahr 2016 wurden Berichte über Folter und andere Misshandlungen bekannt.

Ibrahima Diogo Sow wurde am 4. März 2016 festgenommen und zur Einheit für Verbrechensbekämpfung in Kipé, einem Stadtviertel von Conakry, gebracht. Die Sicherheitskräfte hingen ihn an Händen und Füßen an einer Holzstange auf und schlugen ihn drei Tage lang mit Gewehrkolben und Holzstöcken. Die von Ibrahima Diogo Sow eingereichte Klage blieb ohne Wirkung. Ende 2016 war er weiterhin im Gefängnis.

Am 26. Juni 2016 nahmen drei Gendarmen Oumar Sylla in Conakry fest und brachten ihn in das Gebäude, wo sie ihren Posten hatten. Sie fesselten ihm Hände und Füße auf den Rücken. Einer der Gendarmen stach ihn mit einem Messer in die linke Körperseite und schüttete ihm kochend heißes Wasser auf die Brust. Die Gendarmen forderten Oumar Sylla auf, den Diebstahl eines Motorrades zu gestehen, dieser weigerte sich jedoch. Am nächsten Tag wurde er zum Gendarmeriestützpunkt ECO III gebracht und dort mit Gürteln geschlagen. Da er Angst um sein Leben hatte, “gestand” Oumar Sylla und unterschrieb eine Erklärung, die er nach eigenen Angaben gar nicht verstand.

Im überarbeiteten Strafrecht gilt Folter als strafbare Handlung, die mit bis zu 20 Jahren Haft bestraft werden kann. Einige Handlungen, die völkerrechtlich als Folter definiert werden, wie u. a. Vergewaltigung, Verabreichung von Elektroschocks, Verbrennungen, Fesselung in schmerzhaften Stellungen, sensorische Deprivation, Scheinhinrichtungen und simuliertes Ertrinken wurden als “unmenschliche und grausame” Behandlung klassifiziert, für die kein Strafmaß festgelegt war.

TODESSTRAFE

Mit der Überarbeitung des Strafrechts wurde die Todesstrafe für gewöhnliche Verbrechen abgeschafft. Das Militärstrafrecht sah die Todesstrafe für bestimmte Straftaten, darunter Verrat und Rebellion in Kriegszeiten oder während eines Ausnahmezustandes, weiterhin vor. In der Nationalversammlung stand ein Gesetzentwurf zur Beratung an, mit dem diese Bestimmungen abgeschafft werden sollen.

STRAFLOSIGKEIT

Der Gerichtsprozess im Zusammenhang mit dem Massaker im Stadion von Conakry im Jahr 2009 kam kaum voran. Sicherheitskräfte hatten damals mehr als 100 friedliche Demonstrierende getötet und mindestens 1500 weitere Frauen und Männer verletzt. Zahlreiche Frauen wurden vergewaltigt.

Die Bemühungen, Angehörige der Sicherheitskräfte vor Gericht zu bringen, die im Verdacht standen, von 2011 bis 2016 für die exzessive Gewaltanwendung gegen friedliche Demonstrierende der Opposition verantwortlich zu sein und deren Tod und Verletzungen verursacht zu haben, blieben erfolglos.

Auch 2016 wurden keine Ermittlungen gegen die Angehörigen der Sicherheitskräfte eingeleitet, die im September 2014 in Womey in der Region N‘Zérékoré an Vergewaltigungen und anderen Formen der Folter, systematischen Plünderungen und der Verseuchung von Wasserquellen beteiligt waren.

Im Prozess gegen vier Angehörige der Sicherheitskräfte, die angeklagt waren, während eines Streiks in der Mine von Zogota im Jahr 2012 sechs Menschen getötet zu haben, gab es keine Fortschritte.

Die Neufassung des Strafrechts enthält vage Formulierungen im Hinblick auf Handlungen, die als “Selbstverteidigung” gerechtfertigt werden können, sowie eine neue Bestimmung über eine sogenannte Notsituation, die dazu instrumentalisiert werden könnte, Angehörige der Sicherheitskräfte zu schützen, die durch exzessive Gewaltanwendung Verletzungen oder den Tod von Menschen verursachen.

FRAUENRECHTE

Nach dem neuen Strafrecht sind Früh- und Zwangsverheiratung strafbar. Das gesetzliche Heiratsalter ist auf 18 Jahre hochgesetzt worden. Gleichzeitig blieben Unklarheiten bestehen, weil das Strafrecht sich auch auf “Eheschließungen nach dem Gewohnheitsrecht” für Minderjährige im Alter von 16 Jahren bezieht. Guinea hat eine der höchsten Raten von Kinderehen in der Welt. Nach der jüngsten Studie des UN-Bevölkerungsfonds heiraten 60 % der Mädchen vor Erreichen des 18. Lebensjahres.

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