HINTERGRUND
Spannungen zwischen den größten politischen Parteien sorgten dafür, dass die politische Hängepartie im Land andauerte. Im Oktober wählte das Parlament jedoch einen neuen Präsidenten. Das Amt war seit Mai 2014 vakant gewesen. Verglichen mit 2015 gab es 2016 weniger öffentliche Proteste gegen die fortdauernde Unfähigkeit der Regierung, die Müllabfuhr und die Abfallentsorgung im Land zu gewährleisten.
Die Sicherheitslage im Libanon verschlechterte sich. In der Hauptstadt Beirut und im Gouvernement Bekaa kam es zu Bombenattentaten. Am 27. Juni 2016 töteten Selbstmordattentäter in dem überwiegend von Christen bewohnten Dorf Qaa im Bekaa-Tal fünf Menschen, 28 weitere wurden verletzt. Die meisten von ihnen waren Zivilpersonen. Nach den Angriffen in Qaa inhaftierte die Armee zahlreiche Flüchtlinge und warf ihnen vor, sich rechtswidrig im Libanon aufzuhalten.
Die libanesischen Grenzgebiete gerieten erneut unter Beschuss aus Syrien, wo die bewaffnete Gruppe Islamischer Staat (IS) noch immer libanesische Soldaten und Angehörige der Sicherheitskräfte festhielt, die sie 2014 aus dem Libanon entführt hatte.
Im September klagten die Justizbehörden zwei Angehörige des syrischen Geheimdienstes an. Ihnen wurde vorgeworfen, im Jahr 2013 gleichzeitig zwei Bombenanschläge auf zwei Moscheen in der im Norden Libanons gelegenen Stadt Tripoli verübt zu haben. 42 Menschen starben, und rund 600 trugen Verletzungen davon. Bei den Opfern handelte es sich überwiegend um Zivilpersonen. Zum Ende des Jahres 2016 befanden sich die beiden Angeklagten noch nicht in Gewahrsam.
FOLTER UND ANDERE MISSHANDLUNGEN
Im Oktober verabschiedete das Parlament ein Gesetz zur Bildung eines nationalen Menschenrechtsinstituts mit einem Ausschuss zur Untersuchung der Anwendung von Folter und anderen Misshandlungen in allen Hafteinrichtungen des Landes. Darunter fallen Gefängnisse, Polizeistationen und Haftzentren der Einwanderungsbehörde.
FLÜCHTLINGE UND ASYLSUCHENDE
2016 lebten im Libanon mehr als 1 Mio. syrische Flüchtlinge und rund 280000 palästinensische Flüchtlinge, von denen sich viele schon seit Jahrzehnten im Land aufhielten, sowie mehr als 20000 Flüchtlinge aus dem Irak, dem Sudan, aus Äthiopien und aus anderen Ländern.
Der Libanon trat auch 2016 nicht der UN-Flüchtlingskonvention von 1951 und dem Zusatzprotokoll aus dem Jahr 1967 bei. Flüchtlinge aus Syrien hatten es sehr schwer, von ihrem Recht auf Asyl Gebrauch zu machen, da die libanesischen Behörden sie nicht offiziell als Flüchtlinge anerkannte. Die Regierung hielt an den im Januar 2015 eingeführten, sehr strengen Einreisebestimmungen fest und verweigerte allen Syrern, die diese Bedingungen nicht erfüllten, die Einreise. Dies führte faktisch zu einer Schließung der Grenze für Menschen, die dem bewaffneten Konflikt und der Verfolgung in Syrien entkommen wollten. Aufgrund einer Entscheidung der Regierung vom Mai 2015 war es dem Amt des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen (UNHCR) weiterhin untersagt, neu ankommende Flüchtlinge zu registrieren. Die syrischen Flüchtlinge im Libanon hatten mit finanziellen Schwierigkeiten und mit verwaltungstechnischen Problemen bei den Behörden zu kämpfen, wenn sie eine Aufenthaltsgenehmigung beantragen oder verlängern lassen wollten, und liefen ständig Gefahr, willkürlich festgenommen, inhaftiert oder nach Syrien abgeschoben zu werden. Sie litten unvermindert unter großen Entbehrungen. Die Vereinten Nationen gaben an, dass 70 % der Haushalte von syrischen Flüchtlingen unter der Armutsgrenze lagen und mehr als die Hälfte der Flüchtlinge unter unzulänglichen Bedingungen in überfüllten Gebäuden und zu dicht besiedelten Stadtvierteln wohnten.
Die internationale Gemeinschaft kam einem Aufruf der Vereinten Nationen zur finanziellen Unterstützung von syrischen Flüchtlingen bis zum Ende des Jahres 2016 nur zu 52 % nach. Resettlement-Plätze in anderen Ländern erwiesen sich als unzureichend. Streichungen von Fördergeldern führten dazu, dass die Vereinten Nationen ihre Hilfe für die syrischen Flüchtlinge im Libanon und die Anzahl der Empfänger von UN-Hilfsleistungen reduzieren mussten.
Am 8. Januar 2016 schoben Sicherheitsbeamte am Flughafen von Beirut mehr als 100 Syrer in ihr Heimatland ab und verletzten damit den Grundsatz des Non-Refoulement (Nicht-Zurückweisung). Die abgeschobenen Flüchtlinge wollten über den Libanon in die Türkei weiterreisen.
Palästinensische Flüchtlinge, darunter zahlreiche, die seit vielen Jahren im Libanon ansässig waren, wurden weiterhin durch Gesetze diskriminiert und ihrer Grundrechte beraubt. So war es ihnen verwehrt, Grundbesitz zu erben sowie die öffentliche Schulbildung und das Gesundheitssystem in Anspruch zu nehmen. Außerdem durften sie in mehr als 35 Berufen nicht arbeiten. Mindestens 3000 Palästinenser besaßen keine amtlichen Ausweisdokumente und sahen sich dadurch weiteren Einschränkungen ihrer Rechte gegenüber. So konnten sie weder Geburten noch Hochzeiten oder Todesfälle registrieren lassen.
RECHTE VON FRAUEN UND MÄDCHEN
Frauen wurden weiterhin durch das Personenstandsgesetz und im täglichen Leben diskriminiert. Dies betraf vor allem Familienangelegenheiten wie Eheschließung, Scheidung, das Sorgerecht für die Kinder und Erbschaftsfragen. Libanesischen Frauen, die mit ausländischen Staatsbürgern verheiratet waren, war es nach wie vor gesetzlich verboten, ihre Staatsangehörigkeit an ihre Kinder weiterzugeben. Libanesischen Männern, die mit ausländischen Staatsbürgerinnen verheiratet waren, war dies hingegen gestattet.
Frauen waren nach wie vor nicht gegen Vergewaltigung in der Ehe geschützt, weil das Gesetz zum Schutz von Frauen und Familienangehörigen vor häuslicher Gewalt aus dem Jahr 2013 diesen Tatbestand nicht unter Strafe stellt. Auf der Grundlage des gleichen Gesetzes wurden 2016 die Ehemänner von Roula Yaacoub und Manal Assi angeklagt, im Jahr 2013 bzw. 2014 ihre Ehefrauen totgeschlagen zu haben. Der Ehemann von Manal Assi wurde zum Tode verurteilt. Im Juli 2016 wurde seine Strafe auf fünf Jahre Gefängnis herabgesetzt.
Aus Syrien geflüchtete Syrerinnen und Palästinenserinnen, die als Flüchtlinge in Syrien gelebt hatten, waren im Libanon schweren Menschenrechtsverstößen ausgesetzt, darunter geschlechtsspezifische Gewalt, Ausbeutung und sexuelle Belästigung, vor allem in der Öffentlichkeit. Weibliche Haushaltsvorstände wurden besonders oft belästigt, wenn sie nicht mit einem männlichen Verwandten unter einem Dach wohnten. Viele Flüchtlingsfrauen aus Syrien besaßen keine gültigen Aufenthaltsgenehmigungen und zeigten aus Furcht nur selten sexuelle Belästigungen oder anderen Missbrauch bei den libanesischen Behörden an.
RECHTE VON ARBEITSMIGRANTEN
Arbeitsmigranten waren weiterhin von den Schutzbestimmungen des Arbeitsgesetzes ausgenommen, was dazu führte, dass sie von ihren Arbeitgebern ausgebeutet wurden und körperlichen, sexuellen und seelischen Misshandlungen ausgesetzt waren. Dies galt insbesondere für die überwiegend weiblichen Hausangestellten, die durch das Sponsorensystem (kafala) vertraglich eng an ihre Arbeitgeber (“Sponsoren”) gebunden sind.
INTERNATIONALE STRAFVERFOLGUNG
Sondergerichtshof für den Libanon
Das in den Niederlanden ansässige Sondertribunal für den Libanon (Special Tribunal for Lebanon - STL) setzte den Prozess gegen vier Männer fort, denen die Ermordung des ehemaligen libanesischen Ministerpräsidenten Rafiq Hariri zur Last gelegt wird. Das Verfahren fand in Abwesenheit der Angeklagten statt. Rafiq Hariri sowie weitere Personen waren im Jahr 2005 in Beirut durch eine Autobombe getötet worden. Die vier Angeklagten waren weiterhin flüchtig. Ein fünfter Angeklagter starb 2016 in Syrien.
Am 8. März 2016 sprach der Sondergerichtshof die libanesische Journalistin Karma Khayat und ihren Arbeitgeber, den Fernsehsender Al-Jadid, vom Vorwurf der Missachtung des Gerichts frei. Am 15. Juli wurde die Zeitung al-Akhbar und deren Chefredakteur Ibrahim al-Amine von dem STL angeklagt. Ihm wurde Missachtung des Gerichts vorgeworfen, da er einen Gerichtsbeschluss missachtet hatte, der die Löschung von vertraulichen Informationen über Zeugen und Strafvereitelung forderte. Am 29. August verurteilte das Gericht Ibrahim al-Amine zu einer Geldstrafe in Höhe von umgerechnet 20000 Euro und die Zeitung al-Akhbar zu einer Geldstrafe von umgerechnet 6000 Euro.
STRAFLOSIGKEIT
Es gab nach wie vor keine unabhängige nationale Stelle, die das Schicksal der Tausenden von Personen untersuchte, die während des Bürgerkrieges von 1975 bis 1990 “verschwanden” oder als vermisst galten und die rechtswidrigen Tötungen zum Opfer gefallen sein könnten. Das Leid der Familien der “Verschwundenen” besteht somit fort, und nach dem Verschwindenlassen ihrer Angehörigen müssen sie weiterhin mit behördlichen, gesetzlichen, sozialen und wirtschaftlichen Hürden kämpfen.
TODESSTRAFE
Gerichte verurteilten 2016 mindestens 107 Menschen wegen terrorismusbezogener Straftaten zum Tode. Seit 2004 wurden jedoch keine Todesurteile mehr vollstreckt.