Amnesty International Report 2016/17 - The State of the World's Human Rights - Canada

Berichtszeitraum: 1. Januar 2016 bis 31. Dezember 2016

Amtliche Bezeichnung: Kanada
STAATSOBERHAUPT: Königin Elizabeth II., vertreten durch Generalgouverneur David Johnston
STAATS- UND REGIERUNGSCHEF_IN: Justin Trudeau

Kanada nahm rund 38000 syrische Flüchtlinge im Rahmen des UNHCR-Resettlement-Programms auf. Es wurde eine nationale Untersuchung über Gewalt gegen indigene Frauen und Mädchen eingeleitet. Nach wie vor bestand die Sorge, dass die Rechte indigener Bevölkerungsgruppen (First Nations) durch wirtschaftliche Entwicklungsprojekte gefährdet sein könnten.

RECHTE INDIGENER BEVÖLKERUNGSGRUPPEN

Im Januar 2016 befand das Kanadische Gericht für Menschenrechte (Canadian Human Rights Tribunal), dass die systemische Unterfinanzierung der Leistungen zum Schutz der Kinder der indigenen Bevölkerung Diskriminierung gleichkomme. Die Regierung akzeptierte das Urteil, unternahm jedoch nichts, um die Diskriminierung zu beenden.

Im Mai 2016 bekundete die Regierung ihre vorbehaltlose Unterstützung der UN-Erklärung über die Rechte der indigenen Völker, doch bestand zum Jahresende 2016 noch immer keine Klarheit darüber, wie sie mit den indigenen Bevölkerungsgruppen zusammenarbeiten wird, um diese Verpflichtung umzusetzen.

Ebenfalls im Mai bestätigte ein mit finanzieller Unterstützung durch die Provinzen erstellter Untersuchungsbericht, dass die indigene Gemeinschaft der Grassy Narrows First Nation in der Provinz Ontario nach wie vor einer Quecksilberverseuchung ausgesetzt war. Im Juli erteilte die Regierung Genehmigungen zur Fortsetzung des Baus des Wasserkraftwerks Site C in der Provinz British Columbia, obwohl noch Gerichtsverfahren im Zusammenhang mit den in einem historischen Vertrag festgelegten staatlichen Verpflichtungen gegenüber den betroffenen First Nations anhängig waren.

Nach Hungerstreiks und anderen Protestaktionen erteilte die Regierung der Provinz Neufundland und Labrador im Oktober 2016 ihre Zustimmung zu Maßnahmen, mit denen die negativen Auswirkungen der Errichtung des Wasserkraftwerks Muskrat Falls auf die Gesundheit und Kultur der indigenen Gruppe der Inuit reduziert werden sollen.

Im November 2016 erkannte die Regierung von British Columbia die Notwendigkeit an, den schädlichen Auswirkungen des Rohstoffsektors auf die Sicherheit indigener Frauen und Mädchen hat, zu begegnen.

FRAUENRECHTE

Im März 2016 verpflichtete sich die Regierung, im Rahmen ihres internationalen Entwicklungsprogramms die sexuelle und reproduktive Gesundheit und die Rechte von Frauen und Mädchen zu fördern.

Im September 2016 nahm die nationale Untersuchungskommission zu vermissten und ermordeten indigenen Frauen und Mädchen die Arbeit auf. Ihr Mandat schloss jedoch weder explizit die Untersuchung der Polizeiarbeit ein noch Maßnahmen, um Versäumnissen bei Ermittlungen in der Vergangenheit nachzugehen. Im November rief der UN-Ausschuss für die Beseitigung der Diskriminierung der Frau (CEDAW) Kanada auf, sicherzustellen, dass im Rahmen der nationalen Untersuchung auch Ermittlungen zur Rolle der Polizei stattfinden.

Nur zwei von 37 Anzeigen wegen mutmaßlicher Menschenrechtsverletzungen durch die Polizei führten im November 2016 in der Provinz Quebec zu Anklagen durch Staatsanwälte. Die meisten Anzeigen waren von indigenen Frauen erstattet worden. Die Unabhängige Beobachterin, die mit der Überwachung der Ermittlungen beauftragt war, zeigte sich besorgt über den systemischen Rassismus. Im Dezember kündigte die Regierung der Provinz Quebec eine öffentliche Untersuchung zur Behandlung indigener Gemeinschaften durch die Behörden der Provinz an.

ANTITERRORMAßNAHMEN UND SICHERHEIT

Im Februar 2016 wurden Gesetzesänderungen vorgelegt, mit denen Reformen des Staatsbürgerschaftsgesetzes von 2014 zurückgenommen wurden. Diese hatten es ermöglicht, Personen mit doppelter Staatsbürgerschaft, die wegen Terrorismus und anderer Straftaten verurteilt worden waren, die kanadische Staatsbürgerschaft zu entziehen.

Gleichfalls im Februar zog die Regierung ihr Rechtsmittel gegen die im Jahr 2015 erfolgte Gerichtsentscheidung zurück, den kanadischen Staatsangehörigen Omar Khadr gegen Kaution freizulassen. Omar Khadr war ab seinem 15. Lebensjahr zehn Jahre lang im US-amerikanischen Gefangenenlager Guantánamo Bay auf Kuba festgehalten und im Jahr 2012 in ein kanadisches Gefängnis überstellt worden.

Im November 2016 entschied das Bundesgericht (Federal Court of Canada), dass die vom kanadischen Inlandsgeheimdienst (Canadian Security Intelligence Service) geübte Praxis, Metadaten von Telefon- und E-Mail-Protokollen für unbestimmte Zeit zu speichern, verfassungswidrig sei.

Die Mediation in den Fällen von Abdullah Almalki, Ahmad Abou-Elmaati und Muayyed Nureddin wurde abgebrochen. Die drei kanadischen Staatsbürger forderten vom kanadischen Staat Entschädigung auf der Grundlage eines juristischen Untersuchungsberichts aus dem Jahr 2008. Darin war die Rolle kanadischer Sicherheitsbeamter bei der im Ausland erfolgten Festnahme, Inhaftierung und Folterung der drei Männer dokumentiert worden.

JUSTIZSYSTEM

Zunehmende Besorgnis über die extensive Anordnung von Einzelhaft wurde bekundet, nachdem im Oktober 2016 der Fall von Adam Capay bekannt geworden war. Der indigene Mann war über vier Jahre lang in Ontario in Untersuchungshaft gehalten worden und hatte die gesamte Dauer seines Gewahrsams in Einzelhaft verbracht.

Im November 2016 leitete die Regierung der Provinz Quebec eine öffentliche Untersuchung zur Überwachung von Journalisten durch die Polizei ein.

FLÜCHTLINGE UND ASYLSUCHENDE

2016 wurden in Kanada 38700 syrische Flüchtlinge aufgenommen. Die finanziellen Mittel hierfür stellten neben der Regierung zahlreiche Bürger auf privater Basis bereit.

Im April 2016 wurde das Vorläufige Föderale Gesundheitsprogramm für Flüchtlinge und für Antragsteller auf den Flüchtlingsstatus in vollem Umfang wiederhergestellt und die im Jahr 2012 erfolgte Kürzung des Budgets rückgängig gemacht.

Im August 2016 kündigte der Sicherheitsminister eine Erhöhung der für Hafteinrichtungen für Migranten vorgesehenen finanziellen Mittel an.

UNTERNEHMENSVERANTWORTUNG

Im Juni 2016 gab die Regierung von British Columbia grünes Licht für die uneingeschränkte Wiederaufnahme der Arbeit in der Mine Mount Polley, obwohl die strafrechtlichen Ermittlungen im Zusammenhang mit dem im Jahr 2014 erfolgten Dammbruch eines Abwasserstausees noch nicht abgeschlossen waren und die Genehmigung des langfristigen Abwasserbehandlungsplans der Bergbaugesellschaft noch nicht erteilt worden war. Im November wurde Privatklage gegen die Provinzregierung und das Unternehmen Mount Polley Mining Corporation wegen Verletzung des Fischereigesetzes erhoben.

Im Mai 2016 erschien der fünfte Jahresbericht über die Auswirkungen des zwischen Kanada und Kolumbien geschlossenen Freihandelsabkommens auf die Menschenrechte. Darin fehlte erneut eine Evaluierung der Auswirkungen, die Projekte zur Rohstoffgewinnung auf die Menschenrechte indigener und anderer schutzbedürftiger Bevölkerungsgruppen haben.

Die Regierung ergriff keine Maßnahmen, um ihr Wahlversprechen aus dem Jahr 2015 einzulösen, das Amt einer Ombudsperson für Menschenrechte im Bereich der Rohstoffgewinnung einzurichten. Im März 2016 hatte der UN-Ausschuss für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (Committee on Economic, Social and Cultural Rights – CESCR) Kanada nachdrücklich zu diesem Schritt aufgefordert. Im November äußerte sich der CEDAW im gleichen Sinne.

Gegen drei kanadische Unternehmen waren Zivilklagen wegen mutmaßlicher Verletzung der Menschenrechte im Zusammenhang mit Investitionsvorhaben im Ausland anhängig. In der Provinz Ontario fand ein Verfahren gegen den kanadischen Bergbaukonzern HudBay Minerals im Zusammenhang mit seiner Mine in Guatemala statt. Im Oktober entschied ein Gericht in British Columbia, dass ein Verfahren wegen mutmaßlicher Menschenrechtsverletzungen in der vom kanadischen Rohstoffkonzern Nevsun Resources in Eritrea betriebenen Mine zulässig sei. Im November 2016 fand in British Columbia eine Berufungsverhandlung statt, in der über die Frage entschieden werden sollte, ob in Kanada ein Verfahren über eine vom Bergbauunternehmen Tahoe Resources in Guatemala betriebene Mine geführt werden könne.

GESETZLICHE, VERFASSUNGSRECHTLICHE UND INSTITUTIONELLE ENTWICKLUNGEN

Im Februar 2016 wurde ein im Jahr 2007 getroffener Beschluss aufgehoben, wonach sich die Regierung nur eingeschränkt um die Begnadigung von im Ausland zum Tode verurteilten Kanadiern zu bemühen hatte.

Im März forderte der CESCR Kanada zur Anerkennung der uneingeschränkten Einklagbarkeit der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte auf.

Im April 2016 bewilligte die Regierung trotz menschenrechtlicher Bedenken den Verkauf leichter Panzerfahrzeuge an Saudi-Arabien im Wert von 15 Mrd. kanadischen Dollar (knapp 11 Mrd. Euro). Seiner im Jahr 2015 erklärten Verpflichtung, dem internationalen Waffenhandelsvertrag beizutreten, kam Kanada bisher nicht nach.

Im Mai 2016 kündigte die Regierung ihre Absicht an, dem Fakultativprotokoll zum UN-Übereinkommen gegen Folter beizutreten, und nahm Konsultationen mit Provinz- und Territorialregierungen auf.

Gleichfalls im Mai brachte die Regierung eine Gesetzesvorlage ein, mit der die Geschlechtsidentität und der Ausdruck der Geschlechtlichkeit einer Person als verbotene Diskriminierungsgründe in das kanadische Menschenrechtsgesetz und in die strafrechtlichen Bestimmungen zu Hassverbrechen aufgenommen wurden.

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