Anfragebeantwortung zu Afghanistan: Provinz Kundus: Kampfhandlungen, Plünderungen, Entführungen in der Provinz, unter anderem auch im Distrikt Charamgari, durch die Taliban im Jahr 2015 (insbesondere im Zeitraum Juli bis September 2015) [a-10242-1 ]

25. Juli 2017

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Laut der US-Entwicklungszusammenarbeitsbehörde (United States Agency for International Development, USAID) handelt es sich bei Charamgari (auch Charam Gari, Charm Gari) um ein Dorf im Distrikt „Kundus-Zentrum“ (engl.: „Kunduz Center“) der Provinz Kundus (USAID, Mai 2013). Auf einer Karte der Provinz Kundus findet sich Charamgari (in der Schreibweise „Charm Gari“) rund zwei Kilometer nördlich des Zentrums der Stadt Kundus eingezeichnet (UN OCHA, 19. Februar 2014). Folgende Berichte thematisieren sicherheitsrelevante Entwicklungen in der Provinz Kundus, darunter insbesondere in der (im Distrikt Kundus-Zentrum liegenden) Stadt Kundus, im Jahr 2015:

 

Das norwegische Herkunftsländerinformationszentrum Landinfo schreibt in einem Bericht vom April 2015, dass sich die Aufständischen seit Mitte 2013 in der Provinz Kundus immer mehr Geltung verschafft hätten. Aufständische Gruppen hätten in den Distrikten Dasht-e-Archi, Chahar Dara und Aliabad sicher Fuß gefasst, und neue Gruppen würden sich in Khanabad bilden. Die Aufständischen würden starken Druck auf die Provinzhauptstadt Kundus-Stadt ausüben und hätten Angriffe auf die Stadt ausgeführt. Nach Angaben einer UN-Organisation würden die Aufständischen praktisch an der Stadtgrenze stehen:

„I nord har opprørerne fra medio 2013 gjort seg stadig mer gjeldende i Kunduzprovinsen. Opprørsgrupper har godt fotfeste i distriktene Dashte Archi, Chahar Dara og Aliabad, og nye grupper etablerer seg i Khanabad. Opprørerne utøver et sterkt press mot provinshovedstaden Kunduz by. De har gjennomført angrep i byen, blant annet en selvmordsaksjon mot byens rettslokaler i oktober, der åtte personer ble drept og ni skadd (Reuters 2014). En kilde mente det er bekymringsfullt at opprørerne i praksis står ved bygrensen (samtale FN-organisasjon A Kabul, november 2014).” (Landinfo, 8. April 2015, S. 21)

Die Unterstützungsmission der Vereinten Nationen in Afghanistan (UN Assistance Mission in Afghanistan, UNAMA) bemerkt in einem Bericht vom Dezember 2015, dass die Taliban im Zuge zweier Offensiven (vom 24. April bis 13. Mai sowie vom 20. bis 30. Juni 2015) zunehmende Gebietskontrolle über das Umland der Stadt Kundus sowie über andere Teile der Provinz Kundus erlangt hätten. Zum Zeitpunkt ihres Angriffs auf die Stadt Kundus (Details hierzu siehe weiter unten) hätten die Taliban das Distriktzentrum von Dasht-e-Archi sowie große Teile der Distrikte Chahar Dara, Qala-e-Zal und Imam Saheb und in regelmäßigen Abständen auch das Distriktzentrum von Chahar Dara kontrolliert:

During Taliban offensives in Kunduz province between 24 April and 13 May 2015, and again between 20 and 30 June 2015, the Taliban gained increasing control of territory surrounding Kunduz city and other parts of the province. At the time of the attack on Kunduz city on 28 September, the Taliban controlled the Dasht-e-Archi district administrative centre, large parts of Chahar Darah, Qala-e-Zal and Imam Saheb districts, and periodically controlled the Chahar Darah district centre.” (UNAMA, December 2015, S. 1)

Das deutsche Nachrichtenmagazin Der Spiegel schreibt im April 2015:

„In Afghanistan haben sich Sicherheitskräfte in mehreren Orten heftige Gefechte mit Taliban-Kämpfern geliefert. Nach Informationen von SPIEGEL ONLINE sind dabei rund 75 Taliban getötet und mehr als 90 verletzt worden. Die Extremisten rücken trotz der Zusammenstöße auf die Stadt Kundus im Norden des Landes vor.

‚Bei den Gefechten im Bezirk Imam Sahib wurden 27 Taliban von den afghanischen Sicherheitskräften getötet‘, sagte der Polizeisprecher in Kundus, Sarwar Hussaini, SPIEGEL ONLINE. Unter ihnen sei angeblich ein wichtiger Taliban-Führer gewesen. Auch zehn afghanische Soldaten seien getötet worden, 16 weitere wurden verwundet. […]

Die Ausschreitungen begannen, nachdem die Taliban am Freitag ihre jährliche Frühjahrsoffensive gestartet und außerhalb von Kundus mehrere Kontrollpunkte von Polizei und Armee angegriffen hatten. Das afghanische Militär startete daraufhin seinerseits eine Offensive in der Region.“ (Der Spiegel, 28. April 2015)

Die US-Tageszeitung New York Times (NYT) schreibt im Juni 2015, dass seit Monaten unter anderem in der nordafghanischen Provinz Kundus mehrere Distrikte abwechselnd von den Taliban und der Regierung kontrolliert würden, nachdem die Aufständischen ihre Kampfaktivitäten in Nordafghanistan verstärkt hätten. Da diese Kämpfe oftmals in entlegenen, schwer zugänglichen Gebieten stattfinden würden und sowohl die Regierung als auch die Aufständischen überzogene Behauptungen und Dementis abgäben, sei es schwierig, verlässliche Informationen zu den Konflikten in dem Gebiet zu erhalten:

For months now, several districts in both Kunduz and Badakhshan Provinces in the north have gone back and forth between government and Taliban control, as the insurgents have intensified their fighting in parts of northern Afghanistan where they traditionally had been weak. With the fighting often in remote, hard-to-reach areas, and both the Afghan government and the insurgents given to inflated claims and denials, it has been hard to get accurate information on the conflict in the area.” (NYT, 21. Juni 2015)

Das Long War Journal (LWJ), eine US-Nachrichtenwebsite, die nach eigenen Angaben über den „globalen Krieg gegen den Terrorismus“ berichtet, schreibt in einem Artikel vom Juni 2015, dass die Taliban die Kontrolle über die Distrikte Chardara und Dasht-e-Archi in der Provinz Kundus erlangt hätten, nachdem sie Ende April 2015 eine Offensive zur Eroberung der Provinz Kundus begonnen hätten und kurz darauf die Distrikte Sahib, Aliabad und Qala-e-Zal unter ihre Kontrolle gebracht hätten. Nach Angaben eines afghanischen Regierungsbeamten würden sich nun 65 Prozent der Provinz unter Taliban-Kontrolle befinden. Mit der Eroberung von Chardara und Dasht-e-Archi würden vier der sieben Distrikte der Provinz von den Taliban beherrscht:

„In addition to assaulting the parliament building in Kabul, the Taliban seized control of the districts of Chardara and Dasht-i-Archi in the northern province of Kunduz over the past three days.

Taliban fighters overran the Chardara district center on June 20, and the Dasht-i-Archi district center earlier today, Afghan officials said. […]

The Taliban launched an offensive to seize control of Kunduz province at the end of April. The districts of Imam Sahib, Aliabad, and Qala-i-Zal were overrun in the initial assault. The status of those districts is unclear, but the Taliban are thought to be in control of Imam Sahib and Aliabad. [See LWJ report, Taliban launch offensive in northern Afghan province.]

Just after the offensive began, an Afghan official claimed that 65 percent of the province is under Taliban control. The loss of Chardara and Dasht-i-Archi means that four of the seven districts of Kunduz are likely under Taliban control.” (LWJ, 22. Juni 2015)

Die Schweizerische Flüchtlingshilfe schreibt in einer Schnellrecherche vom November 2015 unter Berufung auf verschiedene Quellen:

„Laut BBC News (21. Juni 2015), New York Times (21. Juni 2015) und Sydney Morning Herald (21. Juni 2015) nahmen die Taliban am 21. Juni 2015 den Distrikt Chahar Dara (auch geschrieben als Chardara oder Char Dara) ein. Gemäss Auskunft eines Sicherheitsberaters einer internationalen Organisation in Kunduz vom 11. November 2015 eroberten die Taliban bereits vor dem 21. Juni 2015 zahlreiche Dörfer einschliesslich des Dorfes Qarya Qasab im Distrikt Chahar Dara. Am 21. Juni brachten sie das Distriktzentrum unter ihre Kontrolle. Aktuell (11. November 2015) kontrollieren die Taliban laut Auskunft des Sicherheitsberaters mit Ausnahme des Distriktzentrums und der Strasse, die nach Kunduz-Stadt führt, den gesamten Distrikt Chahar Dara. Gemäss dem Afghanistan Analysts Network (30. September 2015) soll ein Talibankommandeur am 27. September 2015 vom Dorf Qarya Qasab im Distrikt Chahar Dara aus eine Drohbotschaft verbreitet haben.“ (SFH, 17. November 2015)

Bei den Kämpfen um Chardara seien laut dem in Doha (Katar) ansässigen Nachrichtensender Al Jazeera mindestens 12 afghanische Soldaten getötet und 17 weitere verletzt worden (Al Jazeera, 21. Juni 2015).

 

Der afghanische Nachrichtensender Tolo News berichtet im Juli 2015, dass die Taliban nach Angaben des Vorsitzenden des Provinzrates von Kundus in der Nacht zuvor bis zu 80 Dörfer in der Provinz Kundus unter ihre Kontrolle gebracht hätten, nachdem sie wenige Tage vorher begonnen hätten, den Distrikt Khan Abad anzugreifen. Die örtlichen Bewohner würden gegen die Taliban kämpfen, und rund 14 Ortsansässige seien bislang bei Kämpfen getötet oder verletzt worden. Wie Tolo News bemerkt, seien in den vergangenen Monaten einige wichtige Distrikte in die Hände der Taliban gefallen, in der Folge jedoch von den Sicherheitskräften wiedererobert worden:

„Taliban insurgents reportedly seized control of as many as 80 villages on Monday night in northern Kunduz province, local officials said on Tuesday.

The incident took place after Taliban insurgents attacked Khan Abad district of the province two days ago and started clashes with residents in the district. The residents are fighting the insurgents, head of provincial council of Kunduz, Mohammad Yousuf Ayoubi said.

‘The Taliban last night took control of as many as 80 villages and about 14 residents who are fighting the insurgents have been killed or injured so far,’ he said.

The attack has resulted in hundreds of families fleeing their homes, he added.

However, security officials have not yet commented over the incident.

A number of key districts fell into Taliban hands over the past few months, but have been retaken by security forces." (Tolo News, 28. Juli 2015)

Die afghanische Nachrichtenagentur Pajhwok Afghan News (PAN) schreibt im August 2015, dass örtliche Bewohner des Distrikts Dasht-e-Archi berichtet hätten, dass die Taliban Ortsansässige dazu zwingen würden, sich ihnen anzuschließen und Gelder erpressen würden:

„The residents of Dasht-i-Archi district in northern Kunduz province said Taliban were forcing residents to join their ranks and extorting money from the inhabitants of the district.

The residents are fed-up of fighting and the atrocities being committed by the Taliban, Rahmatullah, a resident of Qarlaq village, said, adding that Taliban entered a mosque and asked people to give them money.

He said the residents were poor and did not have the resources to pay Taliban. Dasht-i-Archi district had fallen to Taliban one and a half month.

Another resident of the area wishing anonymity said that Taliban forced him to send his son for fighting among their ranks against government forces and warned of grave consequences.

Nasruddin Saadi, the district administrative chief, confirmed Taliban harassing people and recruiting them to fight the government.(PAN, 10. August 2015)

Die UNAMA schreibt in ihrem Jahresbericht vom Februar 2016, dass der Anstieg der zivilen Opferzahlen in Afghanistan während des Jahres 2015 unter anderem durch eine zunehmende Zahl von Zivilpersonen bedingt gewesen sei, die bei Kampfhandlungen zwischen die Fronten geraten seien, insbesondere in der Provinz Kundus. Aufständischen Gruppen sei es im Jahr 2015 gelungen, mehr Distrikt-Verwaltungszentren im Land zu erobern und länger zu halten als in den vergangenen Jahren. Sie hätten zudem kurzzeitig die Stadt Kundus erobert. Zu den von den Taliban im Jahr eroberten Distrikten hätten folgende (zur Provinz Kundus gehörende) Distrikte gehört: Chahar Dara, Dasht-e-Archi, Imam Saheb, Qala-e-Zal und der Distrikt Kundus (Kundus Zentrum). In Nordostafghanistan habe sich die Zahl der zivilen Opfer im Jahr 2015 aufgrund der wiederholten Kämpfe in bzw. im Umland der Stadt Kundus im Vergleich zu 2014 verdoppelt. Nach Vorstößen im April und Juni 2015 hätten die Taliban die Stadt am 28. September 2015 angegriffen und erobert, was zu Kämpfen innerhalb der Stadt geführt habe, die zwei Wochen lang angehalten hätten, bis die Aufständischen am 13. Oktober 2015 offiziell ihren Rückzug aus der Stadt bekanntgegeben und die afghanischen Sicherheitskräfte die Kontrolle zurückerlangt hätten. Der Großteil der zivilen Opfer in Nordostafghanistan sei auf Bodengefechte zwischen Taliban und Sicherheitskräften zurückzuführen, wenngleich UNAMA auch zivile Opfer von gezielten Tötungen, Paralleljustiz-Strafen sowie Luftangriffe dokumentiert habe:

The rise in overall civilian casualties in 2015 mainly stemmed from increases in complex and suicide attacks and targeted and deliberate killings by Anti-Government Elements, increasing civilian casualties caused by Pro-Government Forces during ground engagements and aerial operations, and rising numbers of civilians caught in crossfire between the parties to the conflict, most notably in Kunduz province.” (UNAMA, Februar 2016, S. 2)

In 2015, Anti-Government Elements (Taliban and other armed opposition groups) focused on challenging Government control of territory, seizing more district administrative centres and holding them for longer than in previous years. They briefly captured Kunduz city, the first provincial capital since the fall of the Taliban regime in 2001.” (UNAMA, Februar 2016, S. 6)

„District centres captured by Taliban in 2015 included: Jawand, Yamgan, Chahar Dara, Dasti Archi, Waygal, Kohistanat, Naw Zad, Musa Qala, Raghistan, Warduj, Baharak, Khak-e-Safed, Khwaja Ghar, Imam Sahib, Qala-i-Zal, Kunduz district, Tala Wa Barfak, Kham Ab, Gurziwan, Ghorak, Bala Baluk, Ghormach, Darqad and Reg districts. In 2014, Taliban captured Yamgan, Du Ab, Charsada, and Kuran Wa Munjan districts.” (UNAMA, Februar 2016, S. 7, Fußnote 17)

In the northeast, civilian casualties doubled in 2015 compared with 2014, due to repeated fighting in and around Kunduz city. Following advances in April and June 2015, on 28 September, Taliban launched an attack on and captured Kunduz city, sparking more than two weeks of urban fighting that continued until 13 October, when they formally announced their withdrawal from the city and Afghan security forces regained control. The vast majority of civilian casualties resulted from ground fighting between Taliban fighters and Afghan security forces, although UNAMA documented civilian casualties from targeted or deliberate killings, parallel justice punishments and aerial operations, including the United States airstrike on the Médecins Sans Frontières (MSF) hospital on 3 October.” (UNAMA, Februar 2016, S. 8)

UNAMA documented 896 civilian casualties (318 deaths and 578 injured) from incidents in Kunduz city and surrounding districts. The vast majority of civilian casualties resulted from ground fighting between Taliban fighters and Afghan security forces, although UNAMA documented civilian casualties from targeted or deliberate killings, parallel justice punishment, and aerial operations, including 85 civilian casualties (42 deaths and 43 injured) resulting from the airstrike on the MSF hospital on 3 October.” (UNAMA, Februar 2016, S. 27)

UNAMA schreibt weiters in demselben Bericht, dass die Taliban während ihrer Besetzung der Stadt Kundus systematisch nach Menschenrechtsaktivisten (insbesondere Frauen), Staatsbediensteten, NGO-Mitarbeitern, Journalisten sowie Mitarbeitern von UNAMA gesucht hätten. Dies habe dazu geführt, dass Menschenrechtsaktivisten die Stadt sofort verlassen hätten. Die Taliban hätten mehr als 600 Gefangene aus dem Provinzgefängnis freigelassen. Das vorherrschende Chaos habe zu einem Klima geführt, in dem willkürliche Tötungen, opportunistisch motivierte Verbrechen sowie Zerstörungen völlig straflos stattfinden konnten. Nach dem Abzug der Taliban sei in der Stadt Kundus rasch wieder Normalität eingekehrt:

The occupation of Kunduz was marked by Taliban carrying out systematic searches for human rights defenders – particularly women – as well as Government employees, NGO workers, journalists and UNAMA staff members, creating a climate of fear and resulting in the immediate displacement of human rights defenders from the city. UNAMA also documented the destruction and looting of offices and property belonging to Government, NGOs, United Nations and other civilian organizations.

The absence of governance during this period and the complete breakdown of rule of law in Kunduz, combined with the release of over 600 prisoners from the provincial prison by Taliban, resulted in the loss of protection of the most basic human rights. Residents complained of water and electricity outages and food scarcity, exacerbated by significant restraints on humanitarian access due to the fighting. This chaos enabled an environment in which arbitrary killings, opportunistic criminality and destruction took place with complete impunity. […]

Following the Taliban withdrawal, the overall situation quickly returned to normal in Kunduz city, although human rights defenders – particularly women – remained reluctant to return.” (UNAMA, Februar 2016, S. 27)

Das Europäische Unterstützungsbüro für Asylfragen (European Asylum Support Office, EASO), eine Agentur der Europäischen Union, deren Ziel es ist, die praktische Zusammenarbeit der Mitgliedsstaaten im Asylbereich zu fördern, schreibt in einem Bericht vom Jänner 2016, dass die Sicherheitslage in der Provinz Kundus weiterhin sehr instabil sei. Während die afghanischen Sicherheitskräfte versucht hätten, Milizen für den Kampf gegen die Taliban aufzustellen, sei es letzteren gelungen, groß angelegte, zeitgleiche Operationen in mehreren Gebieten durchzuführen. Nach dem Überraschungsmoment der ersten Taliban-„Frühlingsoffensive“ des Jahres 2015 in Kundus sei es den Sicherheitskräften gelungen, Gebiete zu halten und die Aufständischen in manchen Gebieten zurückzudrängen. Am 28. September 2015 hätten die Taliban jedoch die Stadt Kundus „überrannt“. Am 1. Oktober sei die Stadt laut Angaben der Regierung wieder erobert worden, allerdings seien Augenzeugenberichten zufolge auch noch Tage später Kampfhandlungen im Stadtzentrum im Gange gewesen. Die Nachrichtenagentur Reuters habe von überfallartigen Angriffen der Taliban berichtet.

Wie das EASO festhält, hätten zu den Aktivitäten der aufständischen Gruppen in der Provinz Kundus Bombenanschläge, Hinterhalte, Selbstmordanschläge sowie Angriffe gezählt. Auch die Zahl der Entführungen nehme zu. Wie im Jahr 2014 seien auch im Jahr 2015 Fälle von Rekrutierung und Einsatz von Minderjährigen als Kämpfer in der Provinz Kundus berichtet worden. Das jüngste rekrutierte Kind sei zehn Jahre alt gewesen. Seit der Taliban-Offensive gegen die Stadt Kundus im September 2015 seien mindestens zehn Minderjährige getötet und 53 weitere verletzt worden. Eine unbekannte Zahl von Minderjährigen, die von Aufständischen rekrutiert worden seien, sei Berichten zufolge bei Kampfhandlungen getötet worden.

„The situation continues to be very instable in Kunduz. The ANSF tried to recruit militias to fight against the Taliban while the latter, able to mount large and simultaneous operations in various areas, was about to seize important localities such as Gor Tepa. […]

Taken by surprise by the Taliban’s first 2015 ‘spring offensive’ in Kunduz, ANSF were, however, able to react and push the insurgents back in some areas while they held their ground in others. Many insurgents surrendered and agreed to join the peace process. According to ISW, as of September 2015, militants remain entrenched outside the provincial capital.

On 28 September 2015, the Taliban overran the city of Kunduz, taking control of most areas and freeing hundreds of prisoners from its jail. Hundreds of militants stormed the city before dawn, quickly seizing key buildings and advancing on the airport. This was the group’s first attempt on this scale to capture a provincial capital in 12 years of insurgency. The fighters entered the city and overran government buildings with little resistance.

According to the government, the city was retaken after a counter-offensive on 1 October 2015, however the Taliban contested this claim. According to several sources, fighting was still ongoing in the city centre for days after 1 October. Reuters reported ongoing hit-and-run attacks by Taliban fighters. […]

The operations led by the rebel groups are diverse: bomb blasts, ambushes, suicide bombings and attacks as previously mentioned, but also kidnappings which are increasing in the province. […]

Regarding child recruitment in 2014, 55 cases of recruitment by armed opposition groups, five cases by the ANSF and two cases by a pro-Government militia have been recorded in Kunduz province. Most of the residences in Khanabad have to ‘voluntarily’ offer a young member of their families to a local armed group in order to secure their own protection. Otherwise, they have to arm themselves and protect their house, night and day. The recruitment and use of children as fighters in Kunduz was also reported in 2015, the youngest being only 10 years old. Since the launch of the Taliban offensive on Kunduz on 28 September 2015, at least 10 children have been killed and 53 injured. The Special Representative of the Secretary-General for Children and Armed Conflict, Leila Zerrougui, expressed ‘alarm at reports of the use of children – some allegedly as young as 10 years old – by the Taliban in fighting in and around Kunduz. An unconfirmed number of these children were reportedly killed during combat.” (EASO, Jänner 2016, S. 122-124)

Zahlreiche Berichte gehen auf Gewaltakte im Zuge der Eroberung und Besetzung der Stadt Kundus durch die Taliban im September bzw. Oktober 2015 ein, darunter folgende:

 

·      AI - Amnesty International: Amnesty International Report 2015/16 - The State of the World's Human Rights - Afghanistan, 24. Februar 2016 (verfügbar auf ecoi.net)  https://www.ecoi.net/local_link/319670/458865_de.html

·      Der Spiegel: "Die Taliban zeigen ihr wahres Gesicht", 3. Oktober 2015
http://www.spiegel.de/politik/ausland/kunduz-der-terror-der-taliban-a-1055967.html

·      PAN – Pajhwok Afghan News: 40 dead, 340 injured as Kunduz violence continues, 1. Oktober 2015
http://www.pajhwok.com/en/2015/10/01/40-dead-340-injured-kunduz-violence-continues

·      SFH – Schweizerische Flüchtlingshilfe: Schnellrecherche der SFH-Länderanalyse vom 17. November 2015 zu Afghanistan: Einnahme des Distrikts Chahar Dara (Provinz Kunduz) und der Stadt Kunduz durch die Taliban, Kinderarbeit in der Stadt Kunduz, 17. November 2015
https://www.fluechtlingshilfe.ch/assets/herkunftslaender/mittlerer-osten-zentralasien/afghanistan/151117-afg-kunduz.pdf

·      UNAMA - United Nations Assistance Mission in Afghanistan: Afghanistan: Human Rights and Protection of Civilians in Armed Conflict Special Report on Kunduz Province, December 2015 (verfügbar auf Refworld)
http://www.refworld.org/docid/566fd0e64.html

 

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Quellen: (Zugriff auf alle Quellen am 25. Juli 2017)

·      AI - Amnesty International: Amnesty International Report 2015/16 - The State of the World's Human Rights - Afghanistan, 24. Februar 2016 (verfügbar auf ecoi.net)  https://www.ecoi.net/local_link/319670/458865_de.html

·      Al Jazeera: Afghan army moves to retake key district, 21. Juni 2015
http://www.aljazeera.com/news/2015/06/afghan-army-kunduz-chardara-taliban-150621182030665.html

·      Der Spiegel: Taliban greifen Städte um Kundus an, 28. April 2015
http://www.spiegel.de/politik/ausland/afghanistan-taliban-greifen-staedte-um-kundus-an-a-1031102.html

·      Der Spiegel: "Die Taliban zeigen ihr wahres Gesicht", 3. Oktober 2015
http://www.spiegel.de/politik/ausland/kunduz-der-terror-der-taliban-a-1055967.html

·      EASO - European Asylum Support Office: Afghanistan Security Situation, Jänner 2016 (verfügbar auf ecoi.net)
http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1454492894_easo-coi-afghanistan-security-situation-bz0416001enn-fv1.pdf

·      Landinfo - Norwegian Country of Origin Information Centre: Afghanistan: Sikkerhetsrelaterte forhold, 8. April 2015 (verfügbar auf ecoi.net)
http://www.ecoi.net/file_upload/1788_1430308944_3118-1.pdf

·      LWJ - Long War Journal: Taliban assault Afghan parliament, take two districts in Kunduz, 22. Juni 2015
http://www.longwarjournal.org/archives/2015/06/taliban-assault-afghan-parliament-take-two-districts-in-kunduz.php

·      NYT - New York Times: Taliban and Afghan Government Dispute Status of Kunduz, 21. Juni 2015
https://www.nytimes.com/2015/06/22/world/asia/taliban-and-afghan-government-dispute-status-of-kunduz.html

·      PAN - Pajhwok Afghan News: Taliban extort money, recruit residents in Kunduz, 10. August 2015
http://www.pajhwok.com/en/2015/08/10/taliban-extort-money-recruit-residents-kunduz

·      PAN – Pajhwok Afghan News: 40 dead, 340 injured as Kunduz violence continues, 1. Oktober 2015
http://www.pajhwok.com/en/2015/10/01/40-dead-340-injured-kunduz-violence-continues

·      SFH – Schweizerische Flüchtlingshilfe: Schnellrecherche der SFH-Länderanalyse vom 17. November 2015 zu Afghanistan: Einnahme des Distrikts Chahar Dara (Provinz Kunduz) und der Stadt Kunduz durch die Taliban, Kinderarbeit in der Stadt Kunduz, 17. November 2015
https://www.fluechtlingshilfe.ch/assets/herkunftslaender/mittlerer-osten-zentralasien/afghanistan/151117-afg-kunduz.pdf

·      Tolo News: Taliban Seize Control of Several Villages in Kunduz: Officials, 28. Juli 2015
http://www.tolonews.com/node/10815

·      UNAMA - United Nations Assistance Mission in Afghanistan: Afghanistan: Human Rights and Protection of Civilians in Armed Conflict Special Report on Kunduz Province, December 2015 (verfügbar auf Refworld)
http://www.refworld.org/docid/566fd0e64.html

·      UNAMA - UN Assistance Mission in Afghanistan: Afghanistan Annual Report 2015; Protection of Civilians in Armed Conflict, Februar 2016 (verfügbar auf ecoi.net) http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1455518569_unama-protection-of-civilians-annual-report-2015-final-0.pdf

·      UN OCHA: Kunduz Province - Reference Map, 19. Februar 2014
https://www.humanitarianresponse.info/sites/www.humanitarianresponse.info/files/Kunduz_Province_Reference_Map_DD_20140209FEB09_A0.pdf

·      USAID: Monthly Report – April 2013; Incentives driving economic alternatives for the North, East and West (Idea-New), Mai 2013
http://pdf.usaid.gov/pdf_docs/PA00K2T8.pdf