Amnesty International Report 2016/17 - The State of the World's Human Rights - Afghanistan

Berichtszeitraum: 1. Januar 2016 bis 31. Dezember 2016

Amtliche Bezeichnung: Islamische Republik Afghanistan
Staats- und Regierungschef: Mohammad Ashraf Ghani Ahmadzai

 

Die Verschärfung des bewaffneten Konflikts führte 2016 zu zahlreichen Menschenrechtsverletzungen und -verstößen. Tausende von Zivilpersonen wurden im Zuge der Auseinandersetzungen getötet, verletzt oder vertrieben. Der Zugang zu Bildung, Gesundheitsfürsorge und anderen grundsätzlichen Versorgungsleistungen war wegen der anhaltenden Unsicherheit im Land eingeschränkt. Bewaffnete Gruppen trugen zwar die Verantwortung für die Mehrzahl der getöteten und verletzten Zivilpersonen, aber regierungstreue Kräfte waren ebenfalls für Tote und Verletzte verantwortlich. Beide Konfliktparteien rekrutierten weiterhin Minderjährige. 1,2 Mio. Menschen waren Binnenvertriebene; ihre Zahl hatte sich damit seit 2013 mehr als verdoppelt.

Etwa 2,6 Mio. Afghanen lebten als Flüchtlinge im Ausland, oft unter erbärmlichen Bedingungen. Die Gewalt gegen Frauen und Mädchen nahm nicht ab. Es gab immer mehr Berichte darüber, dass bewaffnete Gruppen Frauen öffentlich hinrichteten, auspeitschten oder in anderer Form bestraften. Menschenrechtsverteidiger wurden weiterhin von staatlichen wie nichtstaatlichen Akteuren bedroht und in ihrer Arbeit behindert: Journalisten waren Gewalt und Zensurmaßnahmen ausgesetzt. Die Regierung ließ weiterhin Todesurteile vollstrecken, die oft nach unfairen Gerichtsverfahren ergangen waren.

HINTERGRUND

Im Januar 2016 berieten Vertreter Afghanistans, Pakistans, Chinas und der USA über einen Fahrplan für Friedensgespräche mit den Taliban. Bei einer Konferenz von 55 hochrangigen internationalen Vertretern im selben Monat in Doha (Katar), dem Sitz des Verbindungsbüros der Taliban, erklärten diese jedoch, ein formaler Friedensprozess könne erst nach dem Abzug der ausländischen Truppen beginnen. Außerdem stellten sie weitere Vorbedingungen, darunter die Streichung der Namen aller Taliban-Führer von der UN-Sanktionsliste.

Im Februar 2016 ernannte Präsident Ashraf Ghani den bekannten Menschenrechtsanwalt Farid Hamidi zum Generalstaatsanwalt und General Taj Mohammad Jahid zum Innenminister. Zur Unterstützung von Frauen, die Opfer geschlechtsspezifischer Gewalt geworden waren, richtete der Präsident einen Fonds ein, in den alle Kabinettsmitglieder 15% eines Monatsgehalts einzahlten.

Im März 2016 verlängerte der UN-Sicherheitsrat das Mandat der Hilfsmission der Vereinten Nationen in Afghanistan (United Nations Assistance Mission in Afghanistan - UNAMA) um ein weiteres Jahr. Tadamichi Yamamoto wurde zum Sonderbeauftragten des UN-Generalsekretärs für Afghanistan und Leiter von UNAMA ernannt.

Nach jahrelangen Friedensverhandlungen unterzeichneten Präsident Ghani und Gulbuddin Hekmatyar, der Anführer der zweitgrößten afghanischen Rebellengruppe Hezb-i-Islami, am 29. September 2016 eine Friedensvereinbarung. Darin wird Hekmatyar und seinen Kämpfern eine Amnestie für mutmaßliche völkerrechtliche Verbrechen gewährt und die Freilassung einiger Hezb-i-Islami-Gefangener vereinbart.

Die politische Situation war von Unsicherheit geprägt, da sich innerhalb der Einheitsregierung zunehmend Risse zwischen Anhängern von Präsident Ghani und dem Regierungsvorsitzenden Abdullah Abdullah auftaten.

Anfang Oktober 2016 richtete die EU eine internationale Geberkonferenz aus, um Hilfszahlungen für Afghanistan in den kommenden vier Jahren zu vereinbaren. Mehr als 70 Länder versprachen etwa 13,6 Mrd. Euro an Unterstützung in Bereichen wie Sicherheit und nachhaltige Entwicklung. Außerdem unterzeichneten die EU und Afghanistan eine Vereinbarung, die trotz der sich verschlechternden Sicherheitslage die Abschiebung einer unbegrenzten Zahl abgelehnter afghanischer Asylsuchender ermöglicht. Es bestand die ernste Sorge, dass es zu einer Finanzkrise kommen könnte, da die internationale Präsenz im Land zurückging und die Arbeitslosigkeit zunahm.

Die Taliban verstärkten ihre Angriffe im September und Oktober 2016 massiv und versuchten, große Städte und Provinzen zu erobern. Als sie im Oktober Kundus zu Teilen einnahmen, wurde die Wasser- und Stromversorgung der Stadt unterbrochen; den Krankenhäusern gingen die Medikamente aus, und die Zahl der zivilen Opfer stieg an. Nach Angaben des UN-Amts für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (United Nations Office for the Coordinaton of Humanitarian Affairs - UNOCHA) flohen innerhalb von einer Woche etwa 25000 Menschen aus Kundus in die Hauptstadt Kabul und in Nachbarländer.

BEWAFFNETER KONFLIKT

In den ersten neun Monaten des Jahres 2016 meldete UNAMA im Zusammenhang mit dem bewaffneten Konflikt 8379 zivile Opfer (2562 Tote und 5835 Verletzte). Laut UNAMA waren regierungstreue Kräfte, darunter afghanische Sicherheitskräfte, die örtliche afghanische Polizei, aufseiten der Regierung stehende bewaffnete Gruppen und die internationalen Streitkräfte, für fast 23% der Opfer verantwortlich.

UNAMA dokumentierte mindestens 15 Fälle, in denen im ersten Halbjahr 2016 regierungstreue Kräfte die Versorgung mit medizinischen Hilfsgütern verzögerten oder verhinderten, Kliniken und Krankenstationen durchsuchten oder medizinische Einrichtungen für militärische Zwecke nutzten. Die Zahl solcher Vorfälle lag deutlich höher als im Vorjahr.

Am 18. Februar 2016 drangen Männer in Uniformen der afghanischen Nationalarmee in dem von Taliban kontrollierten Dorf Tangi Saidan (Provinz Wardak) in eine Krankenstation ein. Die schwedische Hilfsorganisation, die die Station betreibt, erklärte, die Männer hätten auf Mitarbeiter eingeschlagen und zwei Patienten und einen 15-jährigen Helfer getötet. Die NATO leitete eine Untersuchung zu dem Vorfall ein. Bis Ende 2016 gab es dazu jedoch keine weiteren Informationen.

Die Verantwortlichen für einen Luftangriff der US-Armee auf ein Krankenhaus der Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen in Kundus im Oktober 2015, bei dem mindestens 42 Mitarbeiter und Patienten getötet worden waren, wurden nicht angeklagt. Gegen mehr als zwölf US-Militärangehörige wurden allerdings Disziplinarmaßnahmen ergriffen. Im März 2016 entschuldigte sich der neue Oberbefehlshaber der US- und NATO-Streitkräfte in Afghanistan bei den Angehörigen der Opfer.

VERSTÖSSE BEWAFFNETER GRUPPEN

Die überwiegende Zahl der zivilen Opfer wurde bei Angriffen der Taliban und anderer bewaffneter Gruppen getötet oder verletzt. Nach Angaben von UNAMA waren im ersten Halbjahr 2016 bewaffnete Gruppen für 60% der Toten und Verletzten verantwortlich.

Anfang Februar 2016 erschossen die Taliban in Tirin Kot (Provinz Urusgan) einen zehnjährigen Jungen, der auf dem Weg zur Schule war. Offenbar wurde der Junge getötet, weil er gemeinsam mit seinem Onkel, einem ehemaligen Taliban-Kommandeur, der die Seiten gewechselt hatte und örtlicher Polizeichef geworden war, wiederholt gegen die Taliban gekämpft hatte.

Am 19. April 2016 verübten die Taliban in Kabul einen Anschlag auf Mitarbeiter des afghanischen Sicherheitsdienstes, der für den Schutz hochrangiger Regierungsvertreter verantwortlich ist. Dabei wurden mindestens 64 Personen getötet und 347 verletzt. Es war der folgenschwerste Anschlag der Taliban in einer afghanischen Stadt seit 2001.

Am 31. Mai 2016 entführten Taliban-Kämpfer, die sich als Regierungsbedienstete ausgaben, an einem vorgetäuschten Kontrollpunkt an der Straße von Kundus nach Takhar in der Nähe des Ortes Arzaq Angor Bagh etwa 220 Zivilpersonen. 17 von ihnen wurden getötet, die übrigen wurden freigelassen oder konnten befreit werden. Am 8. Juni wurden in derselben Gegend erneut mindestens 40 Personen entführt und einige weitere getötet.

Am 23. Juli 2016 wurden in Kabul bei einem Selbstmordanschlag auf eine friedliche Demonstration der Hazara-Minderheit mindestens 80 Menschen getötet und mehr als 230 verletzt. Zu dem Anschlag bekannte sich die bewaffnete Gruppe Islamischer Staat (IS).

Im August 2016 drangen drei Bewaffnete in die Amerikanische Universität in Kabul ein und töteten zwölf Menschen. Fast 40 weitere erlitten Verletzungen. Die Mehrzahl der Opfer waren Studierende und Lehrkräfte. Für diesen Anschlag übernahm niemand die Verantwortung.

Am 11. Oktober 2016 verübte der IS am Vorabend des Aschura-Festes in einer schiitischen Moschee in Kabul einen koordinierten Anschlag auf eine große Gruppe von Pilgern. Die Angreifer stürmten die Moschee, setzten Sprengkörper ein und nahmen Berichten zufolge Hunderte von Pilgern als Geiseln. Mindestens 18 Personen wurden erschossen und mehr als 40 verletzt, darunter auch Frauen und Kinder.

GEWALT GEGEN FRAUEN UND MÄDCHEN

Im Rahmen der 16-tägigen internationalen Kampagne gegen geschlechtsspezifische Gewalt gab die afghanische Justiz bekannt, in den ersten acht Monaten des Jahres 2016 über 3700 Fälle von Gewalt gegen Frauen und Mädchen registriert zu haben. Die Unabhängige Menschenrechtskommission Afghanistans (Afghanistan Independent Human Rights Commission) meldete im ersten Halbjahr 2016 ebenfalls Tausende Fälle von Gewalt gegen Frauen und Mädchen, u. a. Prügelattacken, Tötungen und Säureanschläge.

Im Januar 2016 schnitt in der Provinz Faryab ein Mann seiner Frau die Nase ab. Der Vorfall rief im ganzen Land Entsetzen hervor und wurde auch von einem Taliban-Sprecher verurteilt.

Im Juli 2016 wurde eine schwangere 14-Jährige von ihrem Mann und ihren Schwiegereltern angezündet, um ihren Vater zu bestrafen, der mit einer Cousine des Mannes weggelaufen war, um sie zu heiraten. Die 14-Jährige starb wenige Tage später in einem Krankenhaus in Kabul.

Bewaffnete Gruppen griffen gezielt Frauen an, die beruflich in der Öffentlichkeit auftraten, wie z. B. Polizistinnen. In Gebieten, die von bewaffneten Gruppen kontrolliert wurden, waren die Bewegungsfreiheit von Frauen und Mädchen und ihr Zugang zu Bildung und Gesundheitsversorgung stark eingeschränkt.

Nach Angaben von UNAMA gab es immer mehr Fälle von Frauen, die von den Taliban oder anderen bewaffneten Gruppen nach Scharia-Recht öffentlich bestraft wurden. Im ersten Halbjahr 2016 dokumentierte UNAMA sechs Fälle islamischer Paralleljustiz, in denen bewaffnete Gruppen Frauen wegen sogenannter moralischer Verbrechen bestraften; zwei Frauen wurden hingerichtet, vier andere ausgepeitscht.

FLÜCHTLINGE UND BINNENVERTRIEBENE

Flüchtlinge

Nach Angaben des Amts des Hohen Flüchtlingskommissars der UN (UNHCR) lebten 2016 etwa 2,6 Mio. afghanische Flüchtlinge in mehr als 70 Ländern. Die Gruppe der afghanischen Flüchtlinge war weltweit die zweitgrößte nach den syrischen Flüchtlingen. Etwa 95% der afghanischen Flüchtlinge lebten in nur zwei Ländern: im Iran und in Pakistan. Sie litten dort unter Diskriminierung, rassistischen Übergriffen und einem Mangel an Grundversorgungsleistungen. Außerdem drohten ihnen Massenabschiebungen.

Etwa 1,4 Mio. afghanische Flüchtlinge, deren legale Aufenthaltsdauer in Pakistan zunächst bis Ende 2016 begrenzt war, mussten mit ihrer Abschiebung rechnen. Nach Schätzungen des UNHCR gab es in Pakistan zusätzlich eine Million nicht registrierte afghanische Flüchtlinge. Im Laufe des Jahres 2016 wurden nach UNHCR-Angaben mehr als 500000 afghanische Flüchtlinge (registrierte und nichtregistrierte) aus Pakistan in ihr Herkunftsland rückgeführt. Es war die höchste Zahl von Rückführungen seit 2002. Die Behörden meldeten in den ersten vier Oktobertagen bis zu 5000 Rückkehrer pro Tag. Die Anfang Oktober 2016 zwischen der Regierung und der EU getroffene Vereinbarung zur Rücknahme einer unbegrenzten Zahl afghanischer Flüchtlinge aus den EU-Mitgliedstaaten trug zur Verschärfung der Lage bei.

Binnenvertriebene

Bis April 2016 stieg die Zahl der Binnenvertriebenen auf etwa 1,4 Mio. Viele von ihnen lebten unter armseligen Bedingungen, ohne angemessenen Wohnraum und ausreichende Versorgung mit Lebensmitteln und Wasser sowie ohne Zugang zu Gesundheitsversorgung, Bildungseinrichtungen und zum Arbeitsmarkt.

Nach Angaben von UNOCHA wurden 2016 bis zum 11. Dezember 530000 Afghanen aufgrund des bewaffneten Konflikts innerhalb des Landes vertrieben.

Die Lage der afghanischen Binnenflüchtlinge hat sich in den vergangenen Jahren erheblich verschlechtert. Die Umsetzung des von der Regierung im Jahr 2014 veröffentlichten Strategiepapiers zur Lösung der Vertriebenenproblematik wurde durch Korruption, fehlende personelle Kapazitäten und mangelndes Interesse der internationalen Gemeinschaft behindert.

Ähnlich wie andere Bevölkerungsgruppen hatten auch Binnenvertriebene kaum Zugang zu Gesundheitsversorgung. Die staatlichen Einrichtungen waren völlig überlastet, und in den Lagern und Siedlungen für Binnenflüchtlinge gab es oft keine Krankenstationen. Arzneimittel und private Krankenhäuser waren für die meisten von ihnen unerschwinglich. Besonders problematisch war die fehlende medizinische Versorgung von Schwangeren und Müttern.

Binnenvertriebenen drohten außerdem immer wieder rechtswidrige Zwangsräumungen sowohl durch staatliche als auch private Akteure.

MENSCHENRECHTSVERTEIDIGER

Wie in den Vorjahren wurden Menschenrechtsverteidiger auch 2016 von bewaffneten Gruppen bedroht und gezielt angegriffen. Insbesondere Menschenrechtsverteidigerinnen mussten mit Todesdrohungen gegen sich und ihre Familien rechnen.

Anfang 2016 veröffentlichten die Taliban auf Facebook eine Morddrohung gegen einen prominenten Menschenrechtsverteidiger und neun weitere Aktivisten. Als die Bedrohten sich an die Behörden wandten, nahm der Geheimdienst zwei Personen fest, denen Verbindungen zu den Taliban nachgesagt wurden. Die Menschenrechtsverteidiger erhielten jedoch von den Behörden keine weiteren Informationen. Da die Drohungen nicht aufhörten, mussten sie ihre Aktivitäten einschränken, um sich zu schützen.

Im August 2016 wurde in einer Provinz im Süden des Landes der Bruder einer Frauenrechtlerin von Unbekannten entführt, gefoltert und getötet. Die Täter nutzten das Telefon des Getöteten, um die Aktivistin und ihre Familie einzuschüchtern. Sie drohten auch ihr mit dem Tod, falls sie ihre Menschenrechtsarbeit fortsetzen würde. Ende 2016 war noch niemand für die Entführung und Tötung zur Rechenschaft gezogen worden.

RECHTE AUF MEINUNGS- UND VERSAMMLUNGSFREIHEIT

Das Recht auf freie Meinungsäußerung, das nach dem Sturz des Taliban-Regimes 2001 zunächst gewährt worden war, wurde immer weiter eingeschränkt. Besonders deutlich wurde dies angesichts gewaltsamer Angriffe, systematischer Einschüchterungen und Tötungen von Journalisten.

Die afghanische Organisation zur Unterstützung der Medien Nai dokumentierte zwischen Januar und November 2016 insgesamt 114 Attacken auf Journalisten, Medienschaffende und Redaktionen, die von staatlichen und nichtstaatlichen Akteuren begangen wurden. Dazu zählten Drohungen, Prügelattacken, Festnahmen, Tötungen, Brandstiftungen und andere Formen von Gewalt.

Am 20. Januar 2016 wurde ein Selbstmordattentat auf einen Firmenbus von Tolo TV verübt, den zur Moby Group gehörenden größten privaten Fernsehsender des Landes. Dabei wurden sieben Mitarbeiter getötet und 27 weitere verletzt. Die Taliban, die Tolo TV schon zuvor bedroht hatten, bekannten sich zu dem Anschlag.

Am 29. Januar 2016 wurde der bekannte Journalist Zubair Khaksar, der in der Provinz Nangarhar für den staatlichen Sender Afghan National TV arbeitete, auf der Fahrt von Jalalabad in den Bezirk Surkhrood von Unbekannten getötet.

Am 19. April 2016 wurden zwei Mitarbeiter des Senders Ariana TV während der Berichterstattung von der Polizei mit Schlägen misshandelt.

In mehreren Provinzen außerhalb der Hauptstadt Kabul erklärten Aktivisten, aus Furcht vor Repressalien der Behörden würden sie zunehmend weniger Demonstrationen organisieren.

FOLTER UND ANDERE MISSHANDLUNGEN

Auch 2016 verübten die Taliban und andere bewaffnete Gruppen Tötungen, Folterungen und andere Menschenrechtsverstöße, um Menschen für Verhaltensweisen zu bestrafen, die ihrer Ansicht nach Verbrechen oder Delikte darstellten, obwohl diese Form der Paralleljustiz in Afghanistan verboten ist.

Im ersten Halbjahr 2016 dokumentierte UNAMA 26 solcher Fälle, darunter Auspeitschungen, Misshandlungen mit Schlägen, rechtswidrige Inhaftierungen und summarische Tötungen. Die Strafen wurden für mutmaßliche Verstöße gegen Scharia-Vorschriften, wegen Spionage oder wegen Verbindungen zu den Sicherheitskräften verhängt. Die meisten Fälle gab es im Westen des Landes, vor allem in den Provinzen Farah und Badghis.

Am 14. Februar 2016 sollen Angehörige der lokalen Polizei im Bezirk Khak-e-Safid (Provinz Farah) einen Schafhirten inhaftiert, gefoltert und getötet haben, dem vorgeworfen wurde, er habe einen ferngesteuerten improvisierten Sprengsatz gelegt und damit zwei Polizisten getötet. Nach Angaben von UNAMA war die Nationalpolizei über den Vorfall informiert. Sie leitete jedoch weder eine Untersuchung ein, noch nahm sie Verdächtige fest.

TODESSTRAFE

Am 8. Mai 2016 wurden im Pol-e-Charkhi-Gefängnis in Kabul sechs zum Tode verurteilte Gefangene durch den Strang hingerichtet. Die Hinrichtungen erfolgten, nachdem Präsident Ghani in einer Rede am 25. April, wenige Tage nach dem verheerenden Anschlag der Taliban auf Sicherheitspersonal in Kabul, ein härteres Vorgehen gegen Terroristen angekündigt hatte, einschließlich Verhängung der Todesstrafe.

Es wurde befürchtet, dass weitere Hinrichtungen folgen würden. Von den etwa 600 Gefangenen, die weiter im Todestrakt einsaßen, waren viele wegen Straftaten wie Mord schuldig gesprochen worden, oft nach Prozessen, die nicht den Standards für ein faires Gerichtsverfahren genügten. 2016 wurden etwa 100 Personen für Mord, Vergewaltigung und Mord sowie Massentötungen durch einen terroristischen Anschlag sowie andere Verbrechen zum Tode verurteilt.

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