Document #1354352
Amnesty International (Author)
Es gab nur wenige Fortschritte bei der strafrechtlichen Verfolgung von Kriegsverbrechen. Die Antidiskriminierungsgesetze entsprachen nicht internationalen Standards. Die Pressefreiheit wurde weiter eingeschränkt.
Die Streitigkeiten mit Griechenland über den Namen "Mazedonien" beherrschten nach wie vor die internationalen Beziehungen und die Innenpolitik. Im November 2010 kritisierte die Europäische Kommission Mazedoniens ungleichmäßige Fortschritte im Hinblick auf den EU-Beitritt und äußerte vor allem Bedenken über die Unabhängigkeit der Justiz und die Freiheit der Medien. Dennoch empfahl die Europäische Kommission, die Beitrittsgespräche zu beginnen, sobald die Frage des Landesnamens geklärt sei.
Die Beziehungen zwischen der mazedonischen Mehrheitsregierung und den politischen Parteien der ethnischen albanischen Bevölkerung verschlechterten sich, auch innerhalb der Regierungskoalition. Streitigkeiten entzündeten sich an der strafrechtlichen Verfolgung von Kriegsverbrechen, der für 2011 geplanten Volkszählung, die den ethnischen Albanern zufolge diskriminierend wäre, sowie den Ausgaben der Regierung für Denkmäler zur mazedonischen Geschichte.
Die von der Europäischen Kommission geforderten Reformen bezogen sich teilweise auf Bedenken hinsichtlich der Unabhängigkeit der Justiz. Im November zeigte sich die Kommission weiterhin besorgt über die Einmischung der Exekutive und die vom Justizministerium ausgeübte politische Kontrolle. Dem Büro des Ombudsmanns zufolge bezogen sich 20% der im Jahr 2009 eingegangenen Beschwerden auf die Justizbehörden.
Im Mai 2010 bestätigte die Berufungskammer des Internationalen Strafgerichtshofs für das ehemalige Jugoslawien (International Criminal Tribunal for the former Yugoslavia - ICTY) das 2008 erfolgte Urteil gegen Johan Tarculovski, der wegen seiner Beteiligung an Kriegsverbrechen durch die mazedonische Polizei in Ljuboten während des Konflikts von 2001 zu zwölf Jahren Haft verurteilt worden war. Rechtsmittel gegen den Freispruch des früheren mazedonischen Innenministers Ljube Boskoski wurden abgelehnt.
Im März 2010 berichtete das mazedonische Helsinki-Komitee, dass gravierende Mängel in psychiatrischen Krankenhäusern häufig Verletzungen der Patientenrechte gleichkamen. Der Ombudsmann bezeichnete die Lebensbedingungen im September als "katastrophal". Im September besuchte der Europäische Ausschuss zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe (CPT) Einrichtungen, in denen Menschen in Gewahrsam gehalten werden, darunter Obdachlosenheime und psychiatrische Krankenhäuser.
Berichte über Misshandlungen durch Polizeiangehörige rissen nicht ab.
Investigative Journalisten sprachen von Behinderung ihrer Arbeit durch die Regierung, u.a. durch Morddrohungen, Einschüchterungen und von Regierungsbeamten angestrengte Verleumdungsklagen.
Im April 2010 verabschiedete das Parlament ein Antidiskriminierungsgesetz, das hinter den Standards der EU zurückblieb, u.a. durch das Versäumnis, Homo- und Bisexuelle sowie Transgender-Personen vor Diskriminierung zu schützen.
Im Juni 2010 äußerte sich der UN-Ausschuss für die Rechte des Kindes besorgt darüber, dass Roma- und Flüchtlingskinder nach wie vor ohne Registrierung und Ausweispapiere blieben, und beanstandete die Diskriminierung von Kindern aus Minderheitengruppen, vor allem Roma, darunter auch Straßenkinder und Kinder mit Behinderungen. Im März berichtete das Büro des Ombudsmanns, dass Roma-Kinder in Schulen für Kinder mit geistiger Behinderung überrepräsentiert waren.
Das Versäumnis Mazedoniens, staatliche Aktionspläne für das "Jahrzehnt für die Integration der Roma" zu finanzieren und umzusetzen, darunter auch eine Strategie zur Verbesserung des Status von Roma-Frauen, wurde im Juni von der Europäischen Kommission gegen Rassismus und Intoleranz kritisiert.
Der UN-Entwicklungsfond für Frauen (UNIFEM) veröffentlichte im Januar 2010 von Roma-Frauen gesammelte Daten, in denen die unverhältnismäßig hohen Barrieren dokumentiert sind, denen sie bei der Anzeige von familiärer Gewalt gegenüberstehen. Im Februar enthüllte ein zweiter Bericht, dass 75% aller Roma-Frauen Diskriminierung durch Staatsbeamte erfahren, wenn sie sich an öffentliche Stellen wenden.
Etwa 320000 Personen, darunter auch Roma, lebten 2010 nach wie vor in informellen Siedlungen, viele davon ohne Trinkwasser oder Kanalisation.
Etwa 1542 aus dem Kosovo geflohene Roma und Aschkali blieben in Mazedonien. Nur wenige erhielten Asyl; die Mehrheit wurde in ein lokales Integrationsprogramm unter der Ägide des Ministeriums für Arbeit und Soziales eingegliedert. In den Monaten März, April und Oktober protestierten Roma beim Büro des UN-Hochkommissars für Flüchtlinge (UNHCR) dagegen, dass ihnen das Ministerium ihre monatliche Unterstützung nicht ausgezahlt habe und sie infolgedessen weder Mieten noch Strom- und Gasrechnungen bezahlen konnten, wodurch dem Vernehmen nach mehrere Familien obdachlos geworden waren. Das Büro des UNHCR leistete finanzielle Überbrückungshilfe, um die Lücke zwischen den Auszahlungen zu schließen.
Nach der Liberalisierung der Visa-Bestimmungen in der EU reisten ethnische Albaner und Roma aus dem Norden des Landes in EU-Mitgliedstaaten, offenbar um dort Asyl zu beantragen. Über 400 von ihnen wurden im März gemeinsam als Gruppe von Belgien nach Mazedonien abgeschoben. Im Oktober soll die EU-Innenkommissarin damit gedroht haben, die Visa-Vereinbarung zurückzunehmen.
Nach der Einführung kostenloser Rechtshilfe im Dezember 2009 bemühten sich Frauenorganisationen darum, von familiärer Gewalt betroffenen Frauen rechtliche Unterstützung anzubieten. Der UN-Ausschuss für die Rechte des Kindes registrierte eine hohe Quote von Schwangerschaften und Abtreibungen bei minderjährigen Mädchen aus Roma-Gemeinschaften und anderen Minderheitengruppen sowie einen Mangel an Fürsorge für die reproduktive Gesundheit in ländlichen Gebieten.
Former Yugoslav Republic of Macedonia: Amnesty International's follow-up information to the concluding observations of the Committee against Torture (EUR 65/002/2010)
Europe: Open secret - mounting evidence of Europe's complicity in rendition and secret detention (EUR 01/023/2010)
© Amnesty International
Amnesty International Report 2011 - The State of the World's Human Rights (Periodical Report, English)