Document #1346615
Amnesty International (Author)
Amtliche Bezeichnung: Republik Indonesien
Regierungschef: Susilo Bambang Yudhoyono
Todesstrafe: nicht abgeschafft
Einwohner: 230 Mio.
Lebenserwartung: 70,5 Jahre
Kindersterblichkeit (m/w): 37/27 pro 1000 Lebendgeburten
Alphabetisierungsrate: 92%
Während des ganzen Jahres kam es in der Provinz Papua zu gewaltsamen Auseinandersetzungen, und die Bevölkerung war weiterhin massiven Einschränkungen ihrer Rechte auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit ausgesetzt. Berichten zufolge wandten Angehörige der Polizei auf dem gesamten Archipel Folter und andere Formen von Misshandlungen an und gingen mit unnötiger oder unverhältnismäßiger Gewalt vor, die in einigen Fällen zu rechtswidrigen Tötungen führte. Das Strafjustizsystem zeigte sich weiterhin außerstande, gegen die anhaltende Straflosigkeit für aktuelle und vergangene Menschenrechtsverletzungen vorzugehen. 2009 wurde niemand hingerichtet, doch sah eine in Aceh erlassene neue Verordnung die Todesstrafe durch Steinigung vor. Die Angriffe auf Menschenrechtsverteidiger setzten sich fort, und es gab mindestens 114 gewaltlose politische Gefangene. Ein neues Gesundheitsgesetz enthielt Bestimmungen, die eine gleichberechtigte Inanspruchnahme der vor- und nachgeburtlichen Gesundheitsversorgung behinderten.
Im April 2009 fanden Parlamentswahlen statt, und im Juli wurden Präsidentschaftswahlen durchgeführt. Präsident Susilo Bambang Yudhoyono wurde im ersten Wahlgang für eine weitere fünfjährige Amtszeit gewählt. Außer in Papua gab es während der Wahlen keine größeren gewalttätigen Zwischenfälle.
Im Juli fanden in Jakarta mindestens neun Menschen bei zwei Bombenanschlägen den Tod.
Mindestens 114 Personen wurden festgenommen, als sie in friedlicher Weise ihre Ansichten äußerten. Die große Mehrheit von ihnen waren friedfertige, politisch engagierte Bürger, die zu Gefängnisstrafen verurteilt wurden, weil sie in den Provinzen Maluku bzw. Papua die verbotenen Unabhängigkeitsflaggen gehisst hatten.
Menschenrechtsverteidiger wurden weiterhin eingeschüchtert und bedroht. Gegen fünf Menschenrechtsverteidiger ergingen Anklagen wegen krimineller Verleumdung, auf die nach dem Strafgesetzbuch eine Höchststrafe von über fünf Jahren steht. Die meisten in der Vergangenheit an Menschenrechtsverteidigern verübten Menschenrechtsverletzungen, darunter Folter, Mord und "Verschwindenlassen", blieben unaufgeklärt, und die Täter wurden nicht zur Rechenschaft gezogen.
Obwohl zwei Personen wegen ihrer Beteiligung an der Ermordung des prominenten Menschenrechtsverteidigers Munir Said Thalib (bekannt als Munir) verurteilt worden waren, liegen glaubhafte Berichte vor, wonach sich die für die Tat Verantwortlichen, die den höchsten militärischen Kreisen angehören, noch immer auf freiem Fuß befinden. Munir Said Thalib war am 7. September 2004 vergiftet worden.
Religiöse Minderheitengruppen waren weiterhin schutzlos gewalttätigen Angriffen nicht staatlicher Akteure ausgeliefert und litten unter Diskriminierung.
Studierende der christlichen Hochschule STT Setia mussten weiterhin in unzulänglich ausgestatteten, provisorischen Unterkünften studieren und leben. Nach einem gewalttätigen Angriff durch Mitglieder der islamistischen Gruppierung Islamic Defenders Front im Juli 2008 waren sie aus ihren Schulgebäuden im Dorf Pulo Pinang Ranti im Unterbezirk von Ost-Jakarta evakuiert worden. Im Oktober begannen mindestens 17 Studenten einen Hungerstreik, weil das Risiko bestand, dass sie in andere Unterkünfte zwangsumgesiedelt würden, die ihrer Meinung nach noch weniger geeignet wären, um dort zu leben und zu studieren. Ende 2009 wohnten und studierten sie immer noch in den Behelfsunterkünften in Jakarta.
Während der Parlaments- und Präsidentschaftswahlen kam es zu verstärkter Gewaltanwendung, wodurch ein Klima der Furcht und Einschüchterung entstand. Berichten zufolge gingen die Sicherheitskräfte bei Demonstrationen mit unnötiger und unverhältnismäßiger Gewalt vor und folterten und misshandelten Gefangene bei der Festnahme, den Verhören und in den Hafteinrichtungen. Die Sicherheitskräfte sollen auch ungesetzliche Tötungen begangen haben. Die Rechte auf friedliche Versammlung und freie Meinungsäußerung unterlagen massiven Einschränkungen.
Folter bei Festnahmen, Verhören und während der Haft war nach wie vor weit verbreitet. Vor allem Personen, die in Armut lebenden und marginalisierten Gemeinschaften angehörten und verdächtigt wurden, kriminelle Handlungen begangen zu haben, sowie friedfertige politisch engagierte Bürger waren polizeilichen Übergriffen ausgesetzt. Zu den Verstößen der Polizei gehörten die Anwendung unnötiger oder unverhältnismäßiger Gewalt, die in einigen Fällen zum Tode führte, Folter und andere Misshandlungen, aber auch der fehlende polizeiliche Schutz für Demonstrierende und religiöse Minderheiten.
Im Januar erließ die Polizei eine neue Dienstvorschrift zum Gebrauch von Gewalt bei Polizeieinsätzen (Nr. 1/2009), die größtenteils den Grundlegenden Prinzipien der UN für die Anwendung von Gewalt und den Gebrauch von Schusswaffen (UN Basic Principles on the Use of Force and Firearms) entsprach. Im Juni erließ die Polizei eine Dienstvorschrift über die Umsetzung von Menschenrechtsprinzipien (Nr. 8/2009). Die internen und externen Mechanismen zur Rechenschaftspflicht bei Übergriffen durch Polizisten blieben jedoch unzureichend.
Schwere Menschenrechtsverletzungen, die in der Vergangenheit in Aceh, Papua, Timor-Leste und andernorts begangen worden waren, blieben weiterhin straffrei.
Die Regierung fuhr damit fort, die Versöhnung mit Timor-Leste auf Kosten der Bestrafung für Verbrechen, die während der indonesischen Besatzung von Timor-Leste (1975-99) begangen worden waren, voranzutreiben.
Über 300 Personen, die von dem von der UN gegründeten Sondergericht Special Panels for Serious Crimes in the District Court of Dili wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit und anderer Verbrechen angeklagt worden waren, blieben auf freiem Fuß und befanden sich außerhalb der Gebietshoheit von Timor-Leste. Es wird angenommen, dass die meisten von ihnen in Indonesien leben. Die Regierung verweigerte die Auslieferung der Angeklagten mit der Begründung, dass sie das UN-Mandat zur Verurteilung indonesischer Staatsbürger in Timor-Leste nicht anerkenne.
Im September forderte der Sonderausschuss zur Untersuchung der Fälle des "Verschwindenlassens" in den Jahren 1997/98 (Special Committee on Disappearences 1997-98) des Parlaments (House of People's Representatives) die Regierung auf, ein Ad-hoc-Menschenrechtsgericht einzusetzen, um diejenigen, die für das "Verschwindenlassen" von Personen verantwortlich waren, zu belangen. Der Ausschuss forderte die Regierung auch dazu auf, das Internationale Übereinkommen zum Schutz aller Personen vor dem Verschwindenlassen (International Convention for the Protection of all Persons from Enforced Disappearance) zu ratifizieren. Bis Ende 2009 hatte die Regierung jedoch nichts unternommen, um die Empfehlungen umzusetzen.
Hinrichtungen fanden nicht statt. Gegen mindestens 117 Menschen waren jedoch Todesurteile anhängig.
Im September verabschiedete das Regionale Parlament von Aceh das lokale Islamische Strafgesetzbuch, das Bestimmungen über die Steinigung bis zum Eintritt des Todes für Ehebruch und eine Prügelstrafe von bis zu 100 Peitschenhieben für Homosexualität enthält. Obwohl sich der Gouverneur von Aceh weigerte, das neue Gesetz zu unterzeichnen, trat es im Oktober 2009 automatisch in Kraft.
Die Müttersterblichkeitsrate war nach wie vor hoch, insbesondere bei in Armut lebenden und marginalisierten Bevölkerungsgruppen.
Im September wurde ein neues Gesundheitsgesetz verabschiedet. Im Unterschied zum Strafgesetzbuch erlaubt das Gesetz unter gewissen Umständen einen Schwangerschaftsabbruch. Schwangerschaftsabbrüche wurden unter der Voraussetzung genehmigt, dass die Schwangerschaft das Leben der Mutter und/oder des Kindes gefährdet oder wenn die Schwangerschaft Folge einer Vergewaltigung war, die beim Opfer ein psychisches Trauma verursachte. Lokale NGOs kritisierten das neue Gesetz, weil es Unverheiratete besonders im Hinblick auf den Zugang zu Informationen über Sexualität und Fortpflanzung diskriminiere.
Delegierte von Amnesty International besuchten Indonesien in den Monaten April, Juni und Juli.
Indonesia: Jailed for waving a flag: Prisoners of conscience in Maluku (ASA 21/008/2009)
Unfinished business: Police accountability in Indonesia (ASA 21/013/2009)
© Amnesty International
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Amnesty International Report 2010 - The State of the World's Human Rights (Periodical Report, English)