Amnesty International Report 2010 - Zur weltweiten Lage der Menschenrechte

Amtliche Bezeichnung: Republik Peru
Regierungschef: Alán García Pérez
Todesstrafe: für gewöhnliche Straftaten abgeschafft
Einwohner: 29,2 Mio.
Lebenserwartung: 73 Jahre
Kindersterblichkeit (m/w): 38/27 pro 1000 Lebendgeburten
Alphabetisierungsrate: 89,6%

Bei der Räumung einer von Mitgliedern indigener Gemeinschaften angeführten Straßenblockade durch die Polizei kamen 33 Menschen ums Leben, unter ihnen 23 Polizeibeamte, während mindestens 200 Demonstrierende Verletzungen erlitten. Sprecher indigener Gemeinschaften waren Einschüchterungen und Drangsalierungen ausgesetzt. Menschenrechtsverteidiger wurden nach wie vor bedroht. Die Verletzung der sexuellen und reproduktiven Rechte von Frauen gab weiterhin Anlass zu Besorgnis.

Hintergrund

Während des gesamten Jahres 2009 löste die Regierungspolitik zunehmend soziale Unruhe und Unzufriedenheit aus, die sich vor allem auf Projekte zum Abbau von Rohstoffen und Gesetze über die Nutzung von Ressourcen und Land bezogen. In der Folge kam es zu landesweiten Mobilisierungen und Streiks, die das Land wochenlang lahmlegten.
Die bewaffnete Oppositionsgruppe Leuchtender Pfad (Sendero Luminoso) blieb in einigen Teilen der Andenregion weiterhin aktiv, und es gab Berichte über bewaffnete Zusammenstöße mit Militär und Polizei.

Rechte indigener Völker

Tausende indigener Demonstrierender organisierten eine über 50 Tage dauernde Straßenblockade in der Amazonasregion, um gegen eine Reihe von Gesetzesverordnungen zu protestieren, die ihrer Ansicht nach ihr Grundrecht auf Land und Ressourcen und damit ihre Lebensgrundlage beeinträchtigten.

Exzessiver Einsatz von Gewalt und Misshandlungen

Am 5. Juni 2009 kamen 33 Personen ums Leben, darunter 23 Polizeibeamte. Mindestens 200 Demonstrierende wurden verletzt, als die Polizei die Straßenblockade auflösen wollte. Die Polizei setzte übermäßige Gewalt ein, um die Menge zu vertreiben, und verletzte und tötete dabei mehrere Unbeteiligte. Elf Polizeibeamte starben bei dem Versuch, die Blockade aufzulösen. Die Demonstrierenden töteten wenige Stunden später zwölf Polizeibeamte, die sie als Geiseln in ihrer Gewalt hatten. Der Verbleib eines Polizeibeamten, der an dem Einsatz teilgenommen hatte, blieb bis Ende 2009 unbekannt. Nach dem Einsatz berichteten zahlreiche Inhaftierte von Misshandlungen durch die Polizei.

Justizsystem

Mindestens 18 Personen mussten sich wegen Ausschreitungen während der Proteste sowie der Tötung und Verletzung von Polizeibeamten vor Gericht verantworten. Bei der strafrechtlichen Verfolgung von Angehörigen der Sicherheitskräfte, die Menschenrechtsverletzungen gegen Protestierende verübt hatten, waren dagegen kaum Fortschritte zu verzeichnen. Überdies wurden fünf Sprecher und eine Sprecherin indigener Gemeinschaften wegen Aufruhrs, Volksverhetzung und Verschwörung gegen den Staat unter Anklage gestellt, wobei diese Vorwürfe offenbar nicht auf glaubwürdigen Beweisen beruhten.

Entwicklungen in Justiz und Behörden

Vier Arbeitsgruppen, zu denen auch Vertreter der indigenen Völker zählten, wurden eingerichtet, um die Gewalttaten vom 5. Juni aufzuklären und die Gesetzesverordnungen zu überarbeiten, welche die Proteste ausgelöst hatten. Darüber hinaus sollten sie Empfehlungen für eine dauerhafte Einbindung der indigenen Gemeinschaften in die Entscheidungsprozesse aussprechen und einen staatlichen Entwicklungsplan für die Amazonasregion aufstellen. Im Dezember legte der Ausschuss, dessen Einsatz die Arbeitsgruppe zur Untersuchung der Zusammenstöße vom 5. Juni empfohlen hatte, dem Landwirtschaftsminister seinen Bericht vor. Zwei Ausschussmitglieder, darunter auch der Vorsitzende, distanzierten sich von dem Bericht mit der Begründung, dass der Ausschuss weder genug Zeit noch Mittel gehabt habe, um eine umfassende Untersuchung durchzuführen. Zudem sei der Bericht nicht unparteiisch.

Verantwortlichkeit von Unternehmen

Im Januar wurden Fotografien im Zusammenhang mit der Misshandlung von 29 Personen und der Tötung eines Mannes veröffentlicht, die 2005 nach Protesten gegen ein britisches Bergbauprojekt in Río Blanco im Nordwesten Perus inhaftiert worden waren. Die Protestierenden gaben an, von der Polizei und den Sicherheitskräften des Bergbaubetriebs gefoltert worden zu sein. Im März 2009 stellte der Generalstaatsanwalt mehrere Polizeibeamte wegen Folter unter Anklage, beschloss jedoch, weder die Bergbaufirma noch deren Sicherheitskräfte strafrechtlich zu verfolgen. Die Opfer erstatteten indes in Großbritannien Anklage gegen die Firma. Daraufhin erließ ein Gericht dort im Oktober eine einstweilige Verfügung gegen Monterrico Metals, mit der es einen Teil des Firmenvermögens einfror. Ende 2009 war das Verfahren noch nicht abgeschlossen.

Im Dezember erschoss die Polizei zwei Männer und verletzte acht weitere Dorfbewohner in Cajas-Canchaque im Bezirk Carmen de la Frontera in der Provinz Huancabamba. Die Polizei soll Berichten zufolge am 1. November während einer Operation gegen die mutmaßlichen Beteiligten an einem Brandanschlag auf das Camp der Kupfermine Río Blanco das Feuer eröffnet haben. Dabei starben drei Minenarbeiter.

Müttersterblichkeit

Einige Maßnahmen wurden ergriffen, um die Müttersterblichkeit zu reduzieren, die in ländlichen Gegenden und unter indigenen Gemeinschaften nach wie vor hoch war. Im März wurde ein staatlicher Plan zur Verringerung der Müttersterblichkeit vorgestellt, zu dem auch Maßnahmen zählten, die den Zugang zu Gesundheitsfürsorge einschließlich Geburtshilfe in Notfällen erleichtern sowie die Beteiligung der Kommunen ausweiten sollen. Es gab jedoch Bedenken, wie dieser Plan mit bereits bestehenden Verfahrensweisen zu vereinbaren ist.

Sexuelle und reproduktive Rechte

Es wurden Schritte unternommen, um Abtreibung unter bestimmten Umständen zu entkriminalisieren, z. B. wenn die Schwangerschaft Folge einer Vergewaltigung ist. Das Verfassungsgericht entschied jedoch im November, dass der Staat die "Pille danach" weder verteilen noch verkaufen darf. Diese Regelung benachteiligt Frauen mit niedrigem Einkommen, die sich diese Art der Verhütung, die nach wie vor in Apotheken verkauft wird, nicht leisten können.

Rechte von Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Transgender-Personen

Lesben, Schwule, Bisexuelle und Transgender-Personen waren nach wie vor Diskriminierung und Misshandlungen ausgesetzt.

  • Im Januar 2009 wurde Techi, eine Transgender-Frau, von Mitgliedern einer lokalen Bürgerwehr in der Stadt Tarapoto in der Provinz San Martín entführt und gefoltert. Ein Urteil in dem Gerichtsverfahren gegen drei mutmaßliche Täter stand Ende des Jahres noch aus.

Menschenrechtsverteidiger

Menschenrechtsverteidiger wurden im Berichtszeitraum bedroht und eingeschüchtert. Die Behörden versäumten es, unmissverständlich klarzumachen, dass solche Taten nicht toleriert werden, oder solchen Drohungen mit nachhaltigen Ermittlungen zu begegnen. Im September drohte ein anonymer Anrufer damit, Salomón Lerner Febres, den Menschenrechtsverteidiger und früheren Vorsitzenden der Wahrheits- und Versöhnungskommission von 2001, zu vergiften. Die beiden Wachhunde von Salomón Lerner Febres waren bereits Anfang September vergiftet worden.

  • Im September 2009 wurde die Menschenrechtsverteidigerin Gisela Ortiz Perea in einer überregionalen Tageszeitung beschuldigt, ein führendes Mitglied der Organisation "Leuchtender Pfad" zu sein. Dies war offenbar ein Versuch, sie wegen ihrer anhaltenden Unterstützung für Opfer der unter der Regierung von Alberto Fujimori (1990-2000) verübten Menschenrechtsverletzungen einzuschüchtern.

Straflosigkeit

Im April 2009 wurde der frühere Staatspräsident Alberto Fujimori wegen schwerer Menschenrechtsverletzungen zu 25 Jahren Haft verurteilt. Dennoch gab Straflosigkeit weiterhin Anlass zur Sorge. Zahlreiche Berichte über Fälle von Tötungen durch Polizeibeamte wurden nicht untersucht. Gleichzeitig herrschte ernste Besorgnis darüber, dass ein Gesetz von 2007 dazu dienen könnte, Ermittlungen zu mutmaßlichen außergerichtlichen Hinrichtungen zu verhindern. Das Gesetz hatte eine Reform des Strafgesetzbuchs zur Folge und nimmt Polizeibeamte, die Verdächtige im Dienst verletzen oder töten, von der Strafverfolgung aus.

Keine Fortschritte waren bei der Umsetzung der Empfehlungen der Wahrheits- und Versöhnungskommission von 2001 zu verzeichnen, die eingerichtet worden war, um die während des internen bewaffneten Konflikts 1980-2000 verübten Menschenrechtsverletzungen zu untersuchen.

Hinsichtlich der seit 2003 bei der Generalstaatsanwaltschaft angezeigten 1000 Fälle früherer Menschenrechtsverletzungen gab es ebenfalls kaum Fortschritte. Das Verteidigungsministerium hielt nach wie vor Informationen über Fälle zurück, an denen Militärangehörige beteiligt waren.

Im November musste der Wiedergutmachungsrat seine Arbeit aufgrund mangelnder Ressourcen einstellen. Das 2006 gegründete Organ sollte eine Liste der Personen aufstellen, die während der zwei Jahrzehnte des internen bewaffneten Konflikts Opfer von Menschenrechtsverletzungen geworden waren.

Amnesty International: Missionen und Berichte

Delegierte von Amnesty International beobachteten im April das Verfahren gegen Alberto Fujimori und besuchten Peru im Juli und August zu Recherchezwecken.

Fatal flaws: Barriers to maternal health in Peru (AMR 46/008/2009)

Peru: Bagua, six months on (AMR 46/017/2009)

© Amnesty International

Associated documents