Anfragebeantwortung zu Afghanistan: Allgemeine Sicherheitslage in der Provinz Jowzjan (auch: Jawzjan) [a-9186-1]

19. Mai 2015

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In einem Bericht vom November 2014 gibt das Amt der Vereinten Nationen für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (UN Office for the Coordination of Humanitarian Affairs, UN OCHA) den relativen Risikoindikator in Bezug auf konfliktbezogene Risiken in der Provinz Jowzjan mit etwas mehr als der Hälfte des Durchschnitts von außerhalb der Provinz an (UN OCHA, November 2014, S. 42). Dabei ist laut UN OCHA das relative Risiko das geschätzte Risiko in der Provinz dividiert durch das geschätzte Risiko außerhalb der Provinz. Das geschätzte Risiko wird von UN OCHA errechnet, indem die in der Provinz beobachteten Vorfälle mit den gemäß Bevölkerungszahl erwarteten Fällen in der Provinz in Beziehung gesetzt werden (UN OCHA, 12. November 2014, S. 3)

 

Im selben Bericht findet sich auf Seite 40 eine Landkarte, auf der basierend auf verschiedenen Quellen die Zahl der mit dem Konflikt in Zusammenhang stehenden Vorfälle im Zeitraum von September 2013 bis August 2014 für jeden Distrikt eingezeichnet ist. Diese Zahl liege für die Distrikte der Provinz Jawzjan zwischen eins und zehn, mit Ausnahme der Distrikte Qush Tepa, Scheberghan und Fayzabad, wo die Zahl zwischen elf und 50 liege (UN OCHA, November 2014, S. 40). Auf Seite vier des Berichts findet sich eine auf Zahlen der Unterstützungsmission der Vereinten Nationen in Afghanistan (UN Assistance Mission in Afghanistan, UNAMA) basierende Landkarte mit Angaben zu zivilen Opfern im Zeitraum von September 2013 bis August 2014. In den Distrikten der Provinz Jawzjan liege die Zahl der zivilen Opfer in diesem Zeitraum jeweils zwischen eins und 25, abgesehen vom Distrikt Qarqin, wo es kein ziviles Opfer bzw. keine dementsprechenden Aufzeichnungen („0 (or no record)“) gegeben habe (UN OCHA, November 2014, S. 4).

 

Im Bericht des Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen (European Asylum Support Office, EASO) zur Sicherheitslage in Afghanistan vom Jänner 2015 wird ein westlicher Sicherheitsbeauftragter („western security official“) anonym zitiert, dem zufolge im Zeitraum von Jänner bis 31. Oktober 2014 in der Provinz Jawzjan 158 sicherheitsrelevante Vorfälle berichtet worden seien. Die unbeständigsten Distrikte seien Qush Tepa und der große Distrikt rund um die Provinzhauptstadt Scheberghan gewesen.

Der Bericht zitiert zudem eine in der Provinz tätige internationale Organisation, die im Rahmen einer im Oktober 2014 durchgeführten Fact-Finding-Mission der Herkunftsländerinformations-Abteilung der Asylverwaltungsbehörde in Belgien befragt worden sei, aber aus Sicherheitsgründen anonym habe bleiben wollen. Der Organisation zufolge sei die Sicherheitslage in Jawzjan, außer in den Distrikten Darzab und Qush Tepa, relativ stabil. Seit 2009 seien Aufständische in diesen zwei im Süden der Provinz gelegenen Distrikten aktiver, was (mehrheitlich durch die Verwendung von unkonventionellen Spreng- und Brandvorrichtungen) zu vielen zivilen Opfern und einem Anstieg der Operationen der afghanischen Sicherheitskräfte und internationalen Truppen geführt habe.

Die Organisation habe weiters angegeben, dass in der Provinz im Durchschnitt ein wenig mehr als drei sicherheitsrelevante Vorfälle pro Woche verzeichnet würden. Von Jänner bis Mitte September 2014 seien insgesamt 118 Vorfälle in Jawzjan verzeichnet worden:

„According to information obtained from a Western security official, between January and 31October2014, the province of Jawzjan counted 158 reported security incidents. The most volatile districts were Qush Tepa, and the large district around the provincial capital Shiberghan (see table).

[…] According to a source in Kabul, the security situation in Jawzjan is relatively stable, with the exception of the southern Darzab and Qush Tepa districts. Since 2009, insurgents have been more active in these two southern, more mountainous districts, creating many civilian casualties (mostly through the use of IEDs [improvised explosive devices] and targeted killing), with a corresponding rise in operations by the ANSF [Afghan National Security Forces] and the International Military.” (EASO, Jänner 2015, S. 132)

„On average, the province records a little more than three security incidents per week. A total of 118 incidents were recorded for the first 37 weeks of 2014 from January to midSeptember.” (EASO, Jänner 2015, S. 133)

Das UNO-Flüchtlingshochkommissariat (UN High Commissioner for Refugees, UNHCR) zählt die Provinz Jawzjan in einem monatlichen Update zu freiwilliger Rückkehr vom Dezember 2014 zu den relativ sicheren Provinzen in Afghanistan:

„Of those who cited the improvement of security situation in some parts of Afghanistan as primary pull factor of their return, some 81% returned to relatively secure provinces such as Kabul, Takhar, Balkh, Nangarhar, Herat, Samangan, Sari Pul, Parwan, Kapisa, Panjshir, Jawzjan, Baghlan and Kunduz (mainly Kunduz city)“ (UNHCR, 31. Dezember 2014, S. 3)

Die afghanische Online-Zeitung Khaama Press (KP) erwähnt in einem Artikel vom September 2014, dass Jawzjan zu den relativ friedlichen Provinzen in Nordafghanistan gehöre. Allerdings hätten die bewaffneten regierungsfeindlichen Kräfte in jüngster Zeit ihre aufständischen Aktivitäten in einer Reihe abgelegener Distrikte verstärkt:

„Jawzjan is among the relatively peaceful provinces in northern Afghanistan but the anti-government armed militants have increased to their insurgency activities in a number of its remote districts recently.” (KP, 29. September 2014)

Das deutsche Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) erwähnt in seinen Briefing Notes vom 23. April 2015 Folgendes:

„Weitere Anschläge und Kämpfe gab es in den Provinzen Helmand, Zabul (Süden), Baghlan, Badakhshan (Nordosten), Kunar, Laghman (Osten), Farah, Ghor, Herat (Westen), Faryab, Balkh, Jawzjan (Norden), Paktia, Paktika, Khost, Ghazni (Südosten), Maidan Wardak und Kapisa (Zentralregion).“ (BAMF, 23. April 2015)

In einem im Jänner 2015 veröffentlichten Artikel in der afghanischen Zeitschrift Afghan Zariza wird erwähnt, dass nicht ganz zwei Wochen zuvor hunderte bewaffnete Aufständische Angriffe auf Regierungs- und Armeeeinrichtungen in den Distrikten Darzab und Qush Tepa der Provinz Jawzjan verübt hätten. Der afghanische Vizepräsident General Abdul Rashid Dostum habe daraufhin angekündigt, militärisch gegen sie vorgehen zu wollen. Bevor er mit der Militäraktion habe beginnen können, hätten Berichten zufolge mindestens 220 Aufständischen ihre Waffen niedergelegt und sich ergeben.

Wie der Artikel anführt, habe die Sicherheitslage in Jawzjan und anderen Provinzen im Norden Afghanistans Anlass zu großer Sorge gegeben. Viele Entwicklungsprojekte seien wegen Taliban-Drohungen gestoppt worden und die lokale Bevölkerung lebe in ständiger Angst:

„Barely two weeks ago, hundreds of armed insurgents were actively involved in anti-government activities in Darzab and Qush Tepa districts of northern Jawzjan province, carrying out dastardly attacks on government and military installations in the twin districts. General Abdul Rashid Dostum, the first vice president, announced that he will spearhead a military crackdown against them. Before he could do that, the insurgents reportedly laid down their arms and surrendered meekly. […] At least 220 armed insurgents laid down their arms and surrendered before General Dostum even before the military crackdown was carried out, which bears an eloquent testimony to the kind of fear Gen. Dostum continues to instill in insurgents. […]

Security situation in Jawzjan and other provinces of northern Afghanistan has been a matter of grave concern for government. Many development projects have been halted because of Taliban threats and local people are also living in constant fear.” (Afghan Zariza, 11. Jänner 2015)

Edinburgh International (EI), ein Unternehmen für globales Risikomanagement mit Sitz in Dubai und London, das laut eigenen Angaben weltweit mehr als 1.500 MitarbeiterInnen beschäftigt, schreibt in einem wöchentlichen Kurzbericht zur Sicherheitslage in Afghanistan vom 26. März 2015, dass sich, während Gebiete in Nordafghanistan über die Straße weiterhin zugänglich seien, bei der Abzweigung des Highways AH76 in Aqcha aufständische Aktivitäten ereignen würden. Dies sei Teil einer breiteren Ausdehnung aufständischer Angriffe von Sozman (Provinz Sar-e Pol) nach Faizabad (im Osten der Provinz Jowzjan gelegen). Der treibende Faktor hinter dieser Gewaltzunahme scheine eine vermehrte Präsenz ausländischer Aufständischer und anderer extremistischer Gruppierungen im Nordwesten Afghanistans zu sein, was die Möglichkeit von Gruppen erhöhe, groß angelegte Angriffe zu verüben, sowie die Möglichkeit, lokale Bewohner gegen eine Einmischung von außen zu mobilisieren. In einem Fall seien zwei aufständische Kämpfer getötet worden, als sich lokale, mit der Anti-Taliban-Bewegung verbundene Milizionäre gegen einen Angriff auf ihr Dorf im Gebiet Qichag im Osten Jowzjans gewehrt hätten. Ein Eindringen von Aufständischen in vormals stabile Gebiete sei auch durch ein gescheitertes Selbstmordattentat in der Stadt Scheberghan am 21. März 2015 belegt worden. Während solche Vorfälle für den Norden nicht untypisch seien, seien Selbstmordanschläge historisch gesehen auf das Kernland der Taliban in den Provinzen Faryab, Kundus und Tachar beschränkt gewesen:

„While road access remains open across north Afghanistan’s, militant activity is known to be occurring close to the Aqcha turning of the AH76 highway, amid a wider expansion of insurgent raids from Sozman (central Sar-e Pol) to Faizabad (eastern Jowzjan). The driving factor behind this increase in violence appears to been an increased number of foreign militant and other extremist groups into north-western areas of Afghanistan, which have fuelled the ability of cells to conduct large scale armed attacks, as well as mobilizing local residents in resistance against external interference. In one instance, two militant fighters were killed this week, when local militiamen allied with the anti-Taleban movement resisted an assault upon their village in the Qichaq area of eastern Jowzjan. Evidence of an INS [insurgents] spread into traditionally stable territory was also witnessed in a failed suicide vest attack in Sheberghan city on 21 March, which is believed to have been targeting a local sports event. While such incidents are not unusual for the north, historically suicide bombings have been confined to the Taleban heartlands of Faryab, Kunduz and the Takhar border. Further attacks are likely to be indicative of a wider strengthening of the insurgency at the local level and would undoubtedly represent an increased threat environment for expatriate operations in the city.” (EI, 26. März 2015)

In einem wöchentlichen Kurzbericht zur Sicherheitslage in Afghanistan vom 5.  Februar 2015 schreibt EI, dass kleine Gebiete mit aufständischen Aktivitäten weiterhin die größte Herausforderung für die regionale Sicherheit in Imam Sahib (Kundus), Chimtal (Balch), Qush Tepa (Jowzjan) und im Nordwesten Baghlans darstellen würden. Bei den genannten Gebieten habe es sich im Jahr 2014 um Brennpunkte gehandelt:

„Elsewhere in the north, small pockets of insurgent activity continued to represent the major challenge to regional security, namely within the 2014 hotspots of Imam Sahib (Kunduz), Chimtal (Balkh), Qush Tepa (Jowzjan) and north-western Baghlan.” (EI, 5. Februar 2015)

Der afghanische Nachrichtensender Tolo News berichtet im Dezember 2014, Parlamentsabgeordnete aus Nordafghanistan hätten angegeben, dass sich die schlechte Sicherheitslage in den nördlichen Provinzen ausgebreitet habe und das Leben der Menschen in fünf Provinzen bedroht sei, in denen relative Unruhe („relatively unrest“) herrsche. Bei den fünf nördlichen Provinzen, die mit den meisten Angriffen Aufständischer konfrontiert seien, solle es sich um Badachschan, Faryab, Kundus, Sar-e-Pul und Jowzjan handeln. Einer Parlamentsabgeordneten aus der Provinz Balch zufolge seien lokale Aufständische für die meisten der Angriffe in den nördlichen Provinzen verantwortlich. Laut Angaben lokaler Beamter in Kundus und Badachschan würden ausländische Kämpfer, die mit der aufständischen Gruppe Islamische Bewegung Usbekistan in Verbindung stünden, die meisten Angriffe in den Provinzen Nordafghanistans verüben:

„Insecurity has widely spread in northern provinces threatening the lives in five provinces which are relatively unrest, said Parliament members from northern areas. Badakhshan, Faryab, Kunduz, Sar-e-Pul and Jowzjan are said to be the five northern provinces witnessing most of insurgent attacks. Most of the insurgent attacks in northern provinces are plotted by the local insurgents, said Brishna Rabi, female lawmaker from northern Balkh. […]

According to local officials in Kunduz and Badakhshan, foreign militants affiliated with Islamic Movement of Uzbekistan (IMU) militant group are conducting most of the attacks in northern provinces.” (Tolo News, 22. Dezember 2014)

Das Long War Journal, eine US-amerikanische Nachrichtenwebsite, die nach eigenen Angaben über den „globalen Krieg gegen den Terrorismus” berichtet, schreibt in einem Artikel vom Dezember 2014, dass die Taliban und die verbündete Islamische Bewegung Usbekistan, die ihre Truppen in die Kommandostruktur der Taliban in Nordafghanistan eingegliedert habe, in den Provinzen Badachschan, Baglan, Balch, Faryab, Jawzjan, Kundus, Samangan, Sar-i-Pul und Tachar stark präsent seien:

„The Taliban and the allied Islamic Movement of Uzbekistan (IMU) which has integrated its forces in the Taliban's command structure in the Afghan north, maintain a strong presence in the provinces of Badakhshan, Baghlan, Balkh, Faryab, Jawzjan, Kunduz, Samangan, Sar-i-Pul, and Takhar, and have established suicide training camps in the north over the past several years. ISAF [International Security Assistance Force] identified the presence of camps in Sar-i-Pul and Samangan province.” (Long War Journal, 21. Dezember 2014)

Tolo News berichtet im April 2015, lokale Beamte hätten sich laut Angaben des Polizeichefs von Jowzjan darüber besorgt gezeigt, dass eine Reihe usbekischer Aufständischer mit ihren Familien nach ihrer Vertreibung aus anderen Provinzen nach Jowzjan gekommen seien. Dem Polizeichef zufolge befänden sich die Familien, die Teil von Bemühungen zur Destabilisierung der Provinz seien, hauptsächlich im Distrikt Qosh Tepa. Obwohl Aufständische versuchen würden, das Gebiet zu destabilisieren, würden sie nicht über die Fähigkeit verfügen, direkt gegen die afghanischen Sicherheitskräfte zu kämpfen, so der Polizeichef weiter.

Unterdessen hätten eine Reihe von BewohnerInnen der Provinzhauptstadt Scheberghan die relative Sicherheit der Stadt gelobt, jedoch hinzugefügt, dass die afghanischen Sicherheitskräfte Anstrengungen unternehmen müssten, um Sicherheit in alle Teile der Provinz zu bringen. Einem Bewohner namens Shabnam zufolge sei die Sicherheitslage in Jowzjan recht gut und man sei mit den Sicherheitskräften zufrieden.

Wie der Artikel weiters anführt, umfasse die Provinz Jowzjan elf Distrikte. Drei der Distrikte, nämlich Darz Aab, Qosh Tepa und Aqcha, würden als gefährdet angesehen:

„Jowzjan police chief said Monday local officials were concerned that a number of Uzbek insurgents, along with their families, have moved into the area after being ousted from other provinces in the country. The police chief Gen. Faqir Muhammad Jowzjani said the group is believed to have been active in Faryab province previously, but now, following security force operations in that area, the insurgents have relocated their families to some districts in Jowzjan province. He said the families are mostly located in Qosh Tepa district and added that they are in the area as part of a move to destabilize the province. […] He said although insurgents are trying to destabilize the area they do not have the capacity to fight Afghan security forces face-to-face.

Meanwhile, a number of residents of Sheberghan city, capital of Jowzjan province, praise the relative security of the city but add that Afghan Security Forces must work to bring security to all parts of the province. […] ‘Security is rather good in Jowzjan province, and we are happy about the security forces,’ says another local, Shabnam.

Jowzjan province borders Faryab, Sar-e Pul and Balkh provinces in northern Afghanistan and has 11 districts. Three northern districts, namely Darz Aab, Qosh Tepa and Aqcha, are considered vulnerable.” (Tolo News, 20. April 2015)

In einem im März 2015 veröffentlichten Eintrag auf Qishloq Ovozi, dem Blog von Bruce Pannier, dem Zentralasien-Spezialisten des vom US-amerikanischen Kongress finanzierten Rundfunkveranstalters Radio Free Europe/Radio Liberty (RFE/RL), wird erwähnt, es scheine, dass aufständische Gruppen in manchen Gegenden an der Grenze zu Turkmenistan genauso viel Territorium kontrollieren würden wie die afghanische Regierung, möglicherweise auch mehr. Außerdem scheine es, dass mindestens drei extremistische Gruppierungen in den Distrikten südlich der turkmenischen Grenze präsent seien.

Laut Angaben eines Kommandanten einer lokalen paramilitärischen Truppe (Arbaki) im Distrikt Qaysar in der Provinz Faryab sei das Dorf Schakh in der Provinz Jowzjan unter die Kontrolle „der Taliban und von Kämpfern von Daesch (Islamischer Staat)“ geraten. Dem Kommandanten namens Bobi zufolge würden die Aufständischen das Dorf in einem solchen Maße kontrollieren, dass sie in der Lage seien, Steuern von Ladenbesitzern einzutreiben. Auf die Frage, woher er wisse, dass Kämpfer des Islamischen Staates (IS) in dem Dorf präsent seien, habe Bobi geantwortet, dass einige von ihnen „die Daesch-Fahne tragen“ und sie „Arabisch sprechen“ würden.

Wie der Artikel anführt, bedeute dies aber nicht notwendigerweise, dass es sich bei den Kämpfern um IS-Kämpfer handle. Araber würden seit der sowjetischen Invasion im Jahr 1979 nach Afghanistan kommen, um an der Seite ihrer muslimischen Brüder zu kämpfen.

Laut Angaben von Bobi seien die Taliban und der IS nicht die einzigen aufständischen Gruppen in Jowzjan. So gebe es dort „rund 70 Familien aus Usbekistan“, die aus Wasiristan (in Pakistan, Anm. ACCORD) gekommen seien und nun in Shakh leben würden. Bei diesen Usbeken handle es sich um Mitglieder der Islamischen Bewegung Usbekistan. Die Aufständischen, deren Zahl sich auf rund 2.000 belaufe, hätten auch andere Dörfer eingenommen, so Bobi weiter.

In den vergangenen Monaten habe es Berichte aus Nordafghanistan gegeben, wonach Kämpfer der Islamischen Bewegung Usbekistan, die einst in Nordwasiristan Schutz hätten suchen können, vom pakistanischen Militär vertrieben worden seien. Wie die pakistanische Armee regelmäßig berichtet habe, hätten sich Usbeken unter den von ihr getöteten Aufständischen befunden.

Bobis Angaben würden zu einem gewissen Grad durch den Distriktchef von Qaysar, Abdujalil Siddiqi, untermauert, der die Präsenz von Aufständischen in Shakh eingeräumt habe. Siddiqi habe auch von den Usbeken gehört, allerdings würden seine Zahlen von denen des Arbaki-Kommandanten Bobi abweichen. So habe Siddiqi angegeben, dass sich rund 25 Familien in Shakh und umliegenden Dörfern niedergelassen hätten.

Wie der Artikel anführt, gebe es keine Möglichkeit, diese Angaben unabhängig zu überprüfen. Allerdings stünden die Aussagen von Bobi und Siddiqi im Einklang mit Nachrichten, die seit mehr als einem Jahr aus den nördlichen Provinzen kommen würden. Nur noch sehr wenige JournalistInnen oder MitarbeiterInnen von Hilfsorganisationen würden sich nach Faryab und Jowzjan begeben, da die Situation dort zu instabil sei:

„In some of the areas adjacent to Turkmenistan it appears militant groups hold as much, and possibly more, territory than the Afghan government can claim to have under its control. And what is worse, there seems to be at least three extremist groups now present in districts just south of the Turkmen border.

Commander Bobi is the chief of an Arbaki, or local paramilitary force in the Qaysar district of Afghanistan's Faryab Province. Bobi and his forces are located near Jowzjan Province, east of Faryab, and the Arbaki commander has been keeping track of events in the neighboring region.

Bobi said the village of Shakh in Jowzjan has fallen to ‘Taliban and Daesh (Islamic State)’ militants. Bobi claimed these militants have such control over the village that they are able to collect taxes from shopkeepers there.

Asked how he knew there were Islamic State (IS) militants in Shakh, Bobi said some of them ‘carry the Daesh flag, they speak Arabic…’

That does not necessarily mean these people are IS militants. Arabs have been coming to Afghanistan to fight alongside fellow Muslims since the Soviet invasion of 1979.

But Bobi said the Taliban and IS are not the only militant groups in Jowzjan. He said there were people ‘from Uzbekistan...nearly 70 families.’

‘We heard they came from Waziristan. They live in Shakh now,’ he added.

Bobi said these Uzbeks were from the Islamic Movement of Uzbekistan (IMU). […]

Bobi said the militants, who he claimed now number some 2,000, have captured other villages and at one place ‘the distance between them and Qaysar is no more than two kilometers’ and that there was a ‘combination of people there – Daesh, Taliban, and IMU.’

There have been reports coming out of northern Afghanistan for the past few months that IMU fighters, who once were able to shelter in North Waziristan were chased out by the Pakistani military's offensive on the tribal area that started last June. Pakistan's military has regularly reported Uzbeks being among the militants killed during that campaign.

Bobi's claims are, to some extent, supported by the Qaysar district head, Abdujalil Siddiqi, who admitted there were militants in Shakh, and militants located ‘40 kilometers from the Qaysar district center.’ Siddiqi also heard about the Uzbeks but again his numbers were different than those given by Bobi. ‘Some 25 families are settled in Shakh and in nearby villages. They belong to the group of Tohir Yuldash and Juma Namangani,’ Siddiqi said. […]

There is no way of independently verifying these claims. What Bobi and Siddiqi said are in keeping with news that has been coming from these northern Afghan provinces for more than a year now. Very few journalists or aid workers go to Faryab and Jowzjan anymore, it is too unstable.” (Qishloq Ovozi, 11. März 2015)

Alexander’s Gas & Oil Connections, das sich selbst als Institut für globale Energieforschung bezeichnet, dessen Ziel es ist, Forschung und Analysen zu Öl-/Gas-/Energie-spezifischen Entwicklungen anzubieten, schreibt in einem Artikel vom April 2015, dass es gegenwärtige „no go“-Zonen in den Provinzen Faryab und Jowzjan gebe, die von den Taliban kontrolliert würden. Dies veranlasse eine steigende Zahl an afghanischen Turkmenen dazu, sich selbst zu bewaffnen. Vor dem Hintergrund des Rückzugs der internationalen Truppen würden afghanische Turkmenen befürchten, dass die Taliban versuchen würden, ihre Kontrolle über Faryab und Jowzjan zu verstärken:

„In April 2013, the fiercest fighting in more than a decade erupted in Faryab province, with local media reporting a nine-day battle between Afghan National Army (ANA) troops and roughly 700 Taliban fighters. While the ANA ultimately prevailed, five months later fighting again flared up and ‘no go’ zones under Taliban control now exist in Faryab and Jowzjan provinces, causing increasing numbers of Afghanistan’s Turkmens to arm themselves. Afghan Turkmen fear that in light of the ISAF drawdown the Taliban will seek to strengthen their control in Faryab and Jowzjan.” (Alexander’s Gas & Oil Connections, 17. April 2015)

Die Jamestown Foundation, eine unabhängige, unparteiische und gemeinnützige Organisation, die Informationen zu Terrorismus, den ehemaligen Sowjetrepubliken, Tschetschenien, China und Nordkorea zur Verfügung stellt, schreibt in einem Artikel vom April 2015, dass ethnische Turkmenen in der Provinz Faryab sieben Prozent und in der Provinz Badghis rund drei Prozent der lokalen Bevölkerung ausmachen würden. Für Jowzjan lägen keine Daten vor, allerdings sei bekannt, dass Turkmenen die Bevölkerungsmehrheit in der Provinz darstellen würden.

Als die Taliban im Jahr 2014 begonnen hätten, Gemeinschaften entlang der turkmenisch-afghanischen Grenze anzugreifen, hätten einige afghanische Turkmenen reagiert. So habe der frühere ethnisch turkmenische Warlord Gurbandurdy aus Karkin in der Provinz Jowzjan seine Anhänger versammelt, Kontrollposten errichtet und den Kampf gegen die Taliban aufgenommen, um das Dorf zu verteidigen. Laut Angaben von Gurbandurdy hätten die Taliban begonnen, in der Umgebung seines Dorfes Menschen zu töten und zu entführen, was ihn dazu veranlasst habe, zu den Waffen zu greifen. Er und seine Kämpfer hätten von Turkmenistan Unterstützung bei der Stärkung der Grenzinfrastruktur erwartet, allerdings seien bislang keine konkreten Schritte eingeleitet worden.

Gurbandurdys Dorf befinde sich gegenwärtig im Visier der afghanischen Polizei, die am 16. März 2015 als Reaktion auf lokale Proteste das Feuer auf DorfbewohnerInnen eröffnet habe. Dabei seien drei Personen getötet und viele weitere schwer verletzt worden. Die DorfbewohnerInnen hätten gegen turkmenische Grenzwächter protestiert, die Maßnahmen unternommen hätten, um die DorfbewohnerInnen von einer Insel im Fluss Amu Darya zu vertreiben. Die Insel sei zuvor ein integraler Bestandteil von Karkin gewesen:

„Within those Afghan provinces that border Turkmenistan, the population of Faryab is composed of as many as 7 percent Turkmens, while this ethnic group makes up around 3 percent in Badghis province. Data on Jowzjan province is unavailable, but it is known that Turkmens represent the majority of the local population (Chrono-tm.org, April 23, 2013; Asgabat.net, April 10, 2015).

When the Taliban began attacking communities along the Turkmenistan-Afghanistan border, in 2014, some Afghan Turkmens responded. Former ethnic-Turkmen warlord Gurbandurdy, from Karkin in Jowzjan province, gathered his followers to defend the village by setting up checkpoints and actively fighting back against the Taliban. According to Gurbandurdy, the Taliban started killing and kidnapping people around his village, prompting him to take up arms again. He and his forces expected Ashgabat to provide some assistance with reinforcing the border infrastructure; however, no concrete steps had been taken so far (12News.uz, March 21, 2014). […]

Gurbandurdy’s Karkin village is now under attack from Afghan police authorities who, on March 16, opened fire on the villagers, in response to local protests. The shooting left three people dead, with many more heavily wounded. Residents were protesting Turkmenistani border guards’ actions to expel the villagers from an island on the Amu Darya river; this land had previously constituted an integral part of Karkin.” (Jamestown Foundation, 10. April 2015)

In einem im August 2014 veröffentlichten Eintrag auf Qishloq Ovozi wird berichtet, dass sich die Situation in der Provinz Jowzjan weiterhin verschlechtere. Laut einem Beamten greife eine zunehmende Zahl ethnischer Turkmenen zu den Waffen und kämpfe entweder mit den oder gegen die Taliban. Das Fehlen staatlicher Sicherheitskräfte, die in der Lage wären, die Ordnung aufrecht zu erhalten, habe dazu geführt, dass es wieder Warlords gebe.

Der Polizeichef der Provinz, Pakyrmuhammet Jowzjany, habe eingeräumt, dass in jüngster Zeit 45 „Spezialoperationen” in den Distrikten Aqcha und Murdiyan gegen Personen durchgeführt worden seien, die Jowzany als Taliban-Kämpfer bezeichnet habe. Trotz dieser Operationen gebe es weiterhin Dörfer, in denen die Taliban offen auf Motorrädern unterwegs seien.

Dem Polizeichef zufolge sei die Zahl der Taliban-Kämpfer in der Provinz angestiegen.

Ein ethnisch-turkmenischer Parlamentsabgeordneter aus Jowzjan habe angegeben, ein Grund für die Zunahme der Zahl der Taliban-Kämpfer in der Provinz sei, dass sich immer mehr ethnische Turkmenen den Aufständischen anschließen würden. In den Distrikten Aqcha, Scheberghan und Ankhoi seien 90 Prozent der Taliban ethnische Turkmenen. Als Folge der zunehmenden Taliban-Präsenz in der Provinz hätten sich in Dörfern und Distrikten lokale Milizen, die so genannten „Arbaki“, formiert, die in manchen Fällen von ehemaligen Warlords geführt würden:

The situation in Afghanistan's northern Jowzjan Province continues to deteriorate, with one official claiming an increasing number of ethnic Turkmen are taking up arms, fighting with and against the Taliban, and that the lack of any government force capable of maintaining order has led to the resurgence of local warlords. […]

Jowzjan provincial police chief Pakyrmuhammet Jowzjany admitted to Azatlyk there had been 45 recent ‘special operations’ in the Akja and Murdiyan districts against people Jowzjany said were Taliban fighters. Despite these operations, Jowzjany said there were still villages where Taliban militants were riding around the streets openly on motorbikes.

Jowzjany said the number of Taliban fighters in his province had been increasing, but he dismissed any suggestion that would have any effect on Turkmenistan, across the border. […]

The lawmaker [Nazary Turkmen, an ethnic Turkmen member of the Afghan parliament from Jowzjan] also claimed part of the reason the Taliban militants are growing in number in Jowzjan is because increasingly more ethnic Turkmen are joining them. ‘In Akja, Sheberghan, and Ankhoi districts 90 percent of the Taliban are ethnic Turkmen,’ he said.

He added that as a result of the growing Taliban presence in the province, villages and districts have responded by forming local militias, the ‘Erbaqi,’ sometimes led by former warlords.” (Qishloq Ovozi, 14. August 2014)

Bitte beachten Sie auch die in der Ihnen ebenfalls übermittelten Anfragebeantwortung zum Einfluss des Islamischen Staates (IS) in Nordafghanistan (a-9186-3 (9188)) enthaltenen Informationen.

 

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Quellen: (Zugriff auf alle Quellen am 19. Mai 2015)

·      Afghan Zariza: General Dostum’s name continues to instill fear in Taliban insurgents, 11. Jänner 2015
http://www.afghanzariza.com/2015/01/11/general-dostums-name-continues-to-instill-fear-in-taliban-insurgents

·      Alexander’s Gas & Oil Connections: Neutral no more? Turkmenistan seeks U.S. arms, 17. April 2015
http://www.gasandoil.com/oilaround/2015/04/neutral-no-more-turkmenistan-seeks-u.s.-arms

·      BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Deutschland): Briefing Notes vom 23.04.2015, 23. April 2015 (verfügbar auf ecoi.net)
http://www.ecoi.net/file_upload/4543_1429789541_deutschland-bundesamt-fuer-migration-und-fluechtlinge-briefing-notes-20-04-2015-deutsch.pdf

·      EASO - European Asylum Support Office: Afghanistan: Security Situation, Jänner 2015
http://easo.europa.eu/wp-content/uploads/Afghanistan-security-situation-EN.pdf

·      EI - Edinburgh International: Afghanistan Weekly Security Report, 5. Februar 2015
http://insidetrack.edinburghint.com/?p=1361&preview=true

·      EI - Edinburgh International: Afghanistan Weekly Security Report – 26 March 2015, 26. März 2015
http://edinburghint.com/insidetrack/afghanistan-weekly-security-report-26-march-2015-2-3-2/

·      Jamestown Foundation: Afghanistan’s Ethnic Turkmens: Enemies or Allies for Ashgabat? Eurasia Daily Monitor Volume: 12 Issue: 67, 10. April 2015 (verfügbar auf ecoi.net)
http://www.ecoi.net/local_link/300515/437184_de.html

·      KP - Khaama Press: 5 policemen martyred in Taliban attack in Jawzjan province, 29. September 2014
http://www.khaama.com/5-policemen-martyred-in-taliban-attack-in-jawzjan-province-6770

·      Long War Journal: Taliban publicize training camp in northern Afghanistan, 21. Dezember 2014
http://www.longwarjournal.org/archives/2014/12/taliban_publicize_tr.php

·      Qishloq Ovozi: More Warnings South Of The Afghan-Turkmen Border, 14. August 2014
http://www.rferl.org/content/quishloq-ovozi-afghanistan-turkmen-turmoil/26530471.html

·      Qishloq Ovozi: Militant Melting Pot: Extremists Flourish South of Turkmenistan, 11. März 2015
http://www.rferl.org/content/afghanistan-islamic-extremists-turkmenistan/26893845.html

·      Tolo News: Northern Provinces Face Serious Security Threats, 22. Dezember 2014
http://www.tolonews.com/en/afghanistan/17563-northern-provinces-face-serious-security-threats

·      Tolo News: Jowzjan Police Concerned Over Uzbek Terrorist Activities, 20. April 2015
http://www.tolonews.com/en/afghanistan/19150-jowzjan-police-concerned-over-uzbek-terrorist-activities

·      UNHCR - UN High Commissioner for Refugees: Afghanistan; Volrep and Border Monitoring Monthly Update; 01 January - 31 December 2014, 31. Dezember 2014 (verfügbar auf ecoi.net)
http://www.ecoi.net/file_upload/1930_1421833227_54b62e964.pdf

·      UN OCHA - UN Office for the Coordination of Humanitarian Affairs: 2015; Humanitarian Needs Overview; Afghanistan, November 2014 (verfügbar auf ecoi.net)
http://www.ecoi.net/file_upload/1930_1424337766_afghanistan-hrp-2015-hno-final-23nov2014-1.pdf

·      UN OCHA - UN Office for the Coordination of Humanitarian Affairs: Risk Analysis Approach: Supplementary Guide for the Afghanistan HRP, 12. November 2014
https://www.humanitarianresponse.info/en/system/files/documents/files/Risk%20Analysis%20Approach%20-%20Supplementary%20Guide%20for%20the%20Afghanistan%20HRP%20-%2012%20November%202014.pdf

 

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