Amnesty International Report 2012 - The State of the World's Human Rights

Amtliche Bezeichnung: Argentinische Republik
Staats- und Regierungschefin: Cristina Fernández de Kirchner
Todesstrafe: für alle Straftaten abgeschafft
Einwohner: 40,8 Mio.
Lebenserwartung: 75,9 Jahre
Kindersterblichkeit: 14,1 pro 1000 Lebendgeburten
Alphabetisierungsrate: 97,7%

Bei der Untersuchung und Strafverfolgung von Menschenrechtsverletzungen, die in den Jahren der Militärherrschaft (1976-83) begangen wurden, waren erhebliche Fortschritte zu verzeichnen. Indigenen Bevölkerungsgruppen drohte die Vertreibung von ihrem traditionellen Land. Es war nach wie vor schwierig, einen legalen Schwangerschaftsabbruch vornehmen zu lassen.

Hintergrund

Bei den Präsidentschaftswahlen im Oktober 2011 wurde Cristina Fernández de Kirchner wiedergewählt. Gleichzeitig wurde für die beiden Kammern des argentinischen Kongresses ein Teil der Abgeordneten und Senatoren neu gewählt. Die Regierungspartei ging aus den Wahlen als stärkste Kraft hervor und kann in den kommenden beiden Jahren auf eine Mehrheit in beiden Häusern zählen.

Im April wurde das Verschwindenlassen als Straftatbestand in das Strafgesetzbuch aufgenommen. Das Land folgte damit einer Empfehlung der Interamerikanischen Menschenrechtskommission. Sie hatte diese im Zusammenhang mit dem Fall von Iván Eladio Torres Millacura ausgesprochen, der im Jahr 2003 "verschwand".

Im Oktober ratifizierte Argentinien das Fakultativprotokoll zum Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte.

Nach ihrem Besuch in Argentinien im April äußerte sich die UN-Sonderberichterstatterin über angemessenes Wohnen besorgt über die steigende Zahl gewaltsamer Vertreibungen, von denen vor allem Bewohner informeller Siedlungen, Kleinbauern und indigene Bevölkerungsgruppen betroffen waren.

Rechte indigener Völker

Indigene Gemeinschaften waren weiterhin von Räumungen bedroht, obwohl Gesetze derartige Vertreibungen bis November 2013 untersagen. Bis zu diesem Zeitpunkt soll die landesweite Registrierung indigener Territorien abgeschlossen sein. Der UN-Sonderberichterstatter über die Situation der Menschenrechte und Grundfreiheiten der Angehörigen indigener Bevölkerungsgruppen äußerte sich nach seinem Besuch in Argentinien im November 2011 besorgt über die Zahl der rechtswidrigen Zwangsräumungen und den mangelhaften Schutz des Rechts auf Anerkennung von Landtiteln. Er verwies zudem auf die Notwendigkeit, einen Mechanismus zu entwickeln, bei der Planung von Projekten immer mit den davon betroffenen Gemeinschaften in einen Konsultationsprozess zu treten.

  • Nach fünfmonatigen Protesten im Zentrum von Buenos Aires kam es im Mai schließlich zu einem Treffen zwischen der indigenen Gemeinschaft der Toba Qom von La Primavera in der Provinz Formosa und der argentinischen Regierung. Die Regierung erklärte sich bereit, die Sicherheit der Gemeinschaft zu garantieren und Gespräche aufzunehmen, um über die Landrechte und andere Rechte der indigenen Gruppe zu diskutieren. Die Familie von Félix Díaz, dem Repräsentanten der Gemeinschaft, wurde jedoch weiterhin bedroht und drangsaliert. Gegen Félix Díaz wurden Vorwürfe im Zusammenhang mit einer Straßensperre erhoben, die die Toba Qom im November 2010 aus Protest errichtet hatten. Bei der gewaltsamen Beseitigung der Sperre durch die Polizei starben zwei Menschen, einer von ihnen war ein Polizeibeamter.
  • Im November wurde Cristian Ferreyra in San Antonio in der Provinz Santiago del Estero erschossen. Der Sprecher der indigenen Gemeinschaft der Lule Vilela hatte das angestammte Land der Gemeinschaft gegen Bestrebungen verteidigt, es abzuholzen und zur Erweiterung von Sojaplantagen zu nutzen.
  • Ein Gericht in der Provinz Tucumán ordnete im August an, dass Versuche, die indigene Gemeinschaft der Quilmes aus Colalao del Valle zu vertreiben, zu unterbleiben hätten. Dies gelte so lange, bis das Verfahren, das die Eigentümerschaft an dem von den Quilmes besiedelten Land feststellen soll, abgeschlossen sei. Der Gemeinschaft war wiederholt mit Vertreibung gedroht worden.

Justiz und Straflosigkeit

In den Gerichtsverfahren gegen die Verantwortlichen für schwere Menschenrechtsverletzungen während der Militärherrschaft waren erhebliche Fortschritte zu verzeichnen.

  • Im Oktober 2011 wurden der frühere Marinekapitän Alfredo Astiz und 15 weitere Personen zu Freiheitsstrafen zwischen 18 Jahren und lebenslanger Haft verurteilt. Sie wurden wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit in 86 Fällen für schuldig befunden, die im größten Geheimgefängnis von Buenos Aires, dem Marine-Schulungszentrum ESMA (Escuela Superior de Mecánica de la Armada), begangen worden waren. Während der Militärherrschaft wurden Hunderte von Menschen dort gefangen gehalten, nachdem man sie verschleppt hatte. Manche kamen durch Folter zu Tode, andere verloren ihr Leben, als man sie aus Flugzeugen warf.
  • Im April wurden der ehemalige General Reynaldo Bignone sowie der Politiker und frühere Polizeibeamte Luis Abelardo Patti wegen mehrerer Fälle von Mord, Entführung und Folter während der 1970er Jahre in der Stadt Escobar zu lebenslanger Haft verurteilt.
  • Im Mai erhielten acht ehemalige Soldaten im Zusammenhang mit dem Massaker in Margarita Belén in der Provinz Chaco lebenslange Haftstrafen. Bei dem Massaker im Jahr 1976 waren 22 politische Gefangene gefoltert und hingerichtet worden.
  • Im Mai ordnete ein Richter ein neues Verfahren gegen die ehemaligen Generäle Luciano Benjamín Menéndez und Antonio Domingo Bussi an. Er machte sie als Oberbefehlshaber für sexuelle Gewalt verantwortlich, die in den 1970er Jahren gegen Frauen verübt wurde, die im geheimen Haftzentrum Villa Urquiza in der Provinz Tucumán inhaftiert waren. Außerdem wurde ihnen die schwere und wiederholte Vergewaltigung einer 19-jährigen Frau vorgeworfen. Antonio Domingo Bussi starb im November, während er unter Hausarrest stand.

Folter und andere Misshandlungen

Im Februar 2011 gelangten Aufnahmen an die Öffentlichkeit, die zeigten, wie zwei Gefangene im Jahr 2010 von Gefängniswärtern im Gefängnis San Felipe in der Provinz Mendoza gefoltert wurden. Die Bilder waren mit einem Handy aufgenommen worden. Die Häftlinge Matías Tello und Andrés Yacante, die von Gefängnisaufsehern verdächtigt wurden, die Aufnahmen in Umlauf gebracht zu haben, wurden bedroht und ins Gefängnis Almafuerte verbracht. Dort wurden sie ihren Angaben zufolge gefoltert. Bis zum Ende des Berichtsjahres war niemand zur Verantwortung gezogen worden.

Sexuelle und reproduktive Rechte

Es war für Frauen unverändert schwierig, einen legalen Schwangerschaftsabbruch vornehmen zu lassen.

  • Im April verurteilte der UN-Menschenrechtsausschuss Argentinien, weil einer 19-jährigen, geistig behinderten Frau, die 2006 von ihrem Onkel vergewaltigt worden war, der Zugang zu einem legalen Schwangerschaftsabbruch verwehrt worden war. Der Ausschuss befand, die Frau habe körperliche und seelische Schmerzen erlitten, da der Staat ihr nicht das Recht auf einen Schwangerschaftsabbruch garantiert habe. Argentinien müsse daher Schadenersatz zahlen und Maßnahmen ergreifen, um ähnliche Rechtsverletzungen in Zukunft zu verhindern.

Exzessive Gewaltanwendung

Die Polizei setzte im Juli exzessive Gewalt ein, als sie 700 Familien von einem privaten Grundstück in Libertador General San Martín in der Provinz Jujuy vertrieb. Vier Menschen wurden getötet, darunter ein Polizist.

Mindestens 30 Personen erlitten Verletzungen. Der Einsatzleiter wurde von seinem Posten entbunden, und der Minister für Sicherheit und Justiz der Provinzregierung trat zurück.

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