Amnesty International Report 2011 - Zur weltweiten Lage der Menschenrechte

Amtliche Bezeichnung: Republik Tadschikistan
Staatsoberhaupt: Emomalii Rachmon
Regierungschef: Akil Akilow
Todesstrafe: in der Praxis abgeschafft
Einwohner: 7,1 Mio.
Lebenserwartung: 67,3 Jahre
Kindersterblichkeit (m/w): 83/74 pro 1000 Lebendgeburten
Alphabetisierungsrate: 99,7%

Folter und andere Misshandlungen waren weiterhin an der Tagesordnung. Das Recht auf freie Meinungsäußerung blieb eingeschränkt. Die Behörden versäumten es, Gewalt gegen Frauen wirksam zu verhindern, strafrechtlich zu verfolgen und die überlebenden Opfer zu schützen.

Folter und andere Misshandlungen

Immer wieder trafen Berichte über Folter und andere Misshandlungen durch Beamte mit Polizeibefugnissen ein. Die weit verbreitete Polizeipraxis, Festgenommene vor der offiziellen Eröffnung des Strafverfahrens ohne Kontakt zur Außenwelt in Haft zu halten, erhöhte das Risiko für Folter und andere Misshandlungen. Nach wie vor wurden unter Zwang erpresste "Geständnisse" vor Gericht als Beweismittel verwendet. Die Opfer zeigten Misshandlungen durch Polizeibeamte aus Angst vor Repressalien nur in seltenen Fällen an, so dass weitgehende Straflosigkeit herrschte. Tadschikische Menschenrechtsgruppen, Anwälte und Richter forderten die Regierung auf, eine präzise und mit internationalen Standards übereinstimmende Definition von Folter in die allgemeine Gesetzgebung aufzunehmen.

  • Am 26. Februar 2010 wurde der kirgisische Menschenrechtsverteidiger Nematillo Botakozuev in der tadschikischen Hauptstadt Duschanbe von der Polizei festgenommen, nachdem er das Büro des UN-Hochkommissars für Flüchtlinge (UNHCR) aufgesucht hatte, um dort die Anerkennung als Flüchtling zu beantragen. Die kirgisischen Behörden suchten ihn wegen der mutmaßlichen Teilnahme an einer Demonstration in der Stadt Nookat im Jahr 2008. Er wurde fast einen Monat lang auf dem Gelände des Nationalen Sicherheitsausschusses ohne Kontakt zur Außenwelt in Haft gehalten und dem Vernehmen nach gefoltert. Auch soll ihm die erforderliche medizinische Behandlung verweigert worden sein. Am 22. Mai wurde er nach Kirgisistan überstellt und von einem Gericht in der Stadt Osch auf freien Fuß gesetzt.
  • Ilhom Ismonov wurde am 3. November 2010 in Chudschand in der Region Sughd wegen "Bildung einer kriminellen Organisation" festgenommen. Eine richterliche Anhörung erfolgte erst neun Tage später, am 12. November, obwohl die Strafprozessordnung des Landes vorsieht, dass Inhaftierte spätestens 72 Stunden nach ihrer Festnahme einem Richter vorgeführt werden müssen, der über die weitere Haft entscheidet. Außerdem wurde ihm der Zugang zu seiner Anwältin verweigert, bis er vor Gericht stand. Berichten zufolge sagte er dem Richter, man habe ihm Elektroschocks verabreicht und ihm kochend heißes Wasser über den Körper gegossen, während er in der Abteilung für den Kampf gegen das organisierte Verbrechen (6. Abteilung) des Innenministeriums in Chudschand festgehalten wurde. Der Richter ging offenbar nicht auf die Foltervorwürfe ein. Im Dezember teilte die Staatsanwaltschaft der Region Sughd Ilhom Ismonovs Ehefrau und seiner Anwältin mit, eine Überprüfung des Falls habe ergeben, dass die Foltervorwürfe unzutreffend seien. Er sei auch weder rechtswidrig inhaftiert gewesen, noch habe er Probleme gehabt, Kontakt zu einem Rechtsbeistand aufzunehmen. Es wurden keine Einzelheiten darüber bekannt, auf welche Weise die Vorwürfe überprüft worden waren.

Recht auf freie Meinungsäußerung

Tadschikische und internationale Menschenrechtsgruppen berichteten, dass unabhängige Medienunternehmen und Journalisten 2010 nach wie vor Strafrechts- und Zivilverfahren ausgesetzt waren, wenn sie die Regierung kritisierten. Der Druck auf die Medien stieg vor allem im Vorfeld der Parlamentswahlen im Februar sowie nach einem Attentat im September. Bei dem von mutmaßlichen militanten Islamisten und ehemaligen Militärführern der Opposition verübten Anschlag im Bezirk Rasht kamen 28 Soldaten der Regierungstruppen ums Leben. Im September und im Oktober sollen die Webseiten lokaler Nachrichtenagenturen und ein Weblog der Opposition auf Veranlassung der Behörden gesperrt worden sein. Medienunternehmen, die sich in Verbindung mit den Ereignissen von Rasht kritisch über die Regierung geäußert hatten, wurden dem Vernehmen nach mit Steuerprüfungen überzogen.

Gewalt gegen Frauen

Gewalt gegen Frauen blieb auch weiterhin ein gravierendes Problem. Ein Drittel bis die Hälfte aller Frauen in Tadschikistan werden in ihrem Leben Opfer körperlicher, seelischer oder sexueller Gewalt durch Ehemänner oder andere Familienmitglieder. Trotz erster Schritte seitens der Regierung zur Bekämpfung der Gewalt gegen Frauen, wie z.B. der Einrichtung von fünf Polizeiwachen mit speziell ausgebildeten Beamten, blieb Tadschikistan hinter seinen internationalen Verpflichtungen zurück, Frauen vor Gewalt in der Familie zu schützen. Nach wie vor hatten Frauen nur sehr begrenzten Zugang zum Justizsystem. Da Polizei und Justiz entsprechenden Vorwürfen nicht in angemessener Weise nachgingen, kamen zahlreiche Fälle erst gar nicht zur Anzeige. Der Schutz der überlebenden Opfer familiärer Gewalt war ebenfalls mangelhaft. So fehlte es beispielsweise an Frauenhäusern sowie an angemessenem und sicherem Ersatzwohnraum. Auch gab es nach wie vor kein funktionierendes landesweites Netzwerk aus Gesundheitsdiensten, Zentren für Krisenintervention und Rechtshilfe sowie Polizeibehörden und anderen Einrichtungen, um Opfern familiärer Gewalt zu helfen. Ein Gesetzentwurf zum "sozialen und rechtlichen Schutz vor familiärer Gewalt", der bereits seit Jahren in Vorbereitung ist, wurde dem Parlament noch immer nicht vorgelegt.

Amnesty International: Mission

Delegierte von Amnesty International besuchten Tadschikistan im März.

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