Amnesty International Report 2011 - Zur weltweiten Lage der Menschenrechte


Amtliche Bezeichnung: Republik Korea
Staatsoberhaupt: Lee Myung-bak
Regierungschef: Kim Hwang-sik (löste im Oktober Yoon Jeung-hyun im Amt ab, der im August Chung Un-chan im Amt gefolgt war)
Todesstrafe: in der Praxis abgeschafft
Einwohner: 48,5 Mio.
Lebenserwartung: 79,8 Jahre
Kindersterblichkeit (m/w): 6/6 pro 1000 Lebendgeburten

Die Regierung benutzte zunehmend vage formulierte Gesetze über nationale Sicherheit, Verleumdung und andere Straftatbestände, um ihre Kritiker zu schikanieren und zu unterdrücken. Im Februar 2010 entschied das Verfassungsgericht, dass die Todesstrafe nicht gegen die Verfassung verstoße. Im Oktober und November führte das Verfassungsgericht Anhörungen zu den Fragen durch, ob Einschränkungen der Arbeitsplatzmobilität von Arbeitsmigranten und die Einberufung zum Militär ohne die Möglichkeit einer Verweigerung aus Gewissensgründen Verletzungen der Grundrechte darstellten.

Hintergrund

Die Spannungen zwischen Süd- und Nordkorea verschärften sich durch mehrere Zwischenfälle im Gelben Meer (siehe Länderbericht Nordkorea). Die Nationale Menschenrechtskommission von Korea wurde beschuldigt, unter ihrer gegenwärtigen Führung Unabhängigkeit und Autorität zu verlieren, nachdem sie in mehreren wichtigen Menschenrechtsangelegenheiten weder Stellung bezogen hatte noch in Aktion getreten war. Mitglieder der Kommission und Experten traten von ihren Ämtern zurück, und die Neuernennungen schienen politisch motiviert zu sein.

Rechte auf freie Meinungsäußerung und Vereinigungsfreiheit

Vage formulierte Bestimmungen des Gesetzes über die Nationale Sicherheit aus dem Jahr 1948 (National Security Law - NSL), das zuletzt 1997 abgeändert worden war, wurden zunehmend dazu benutzt, Dissidenten zum Schweigen zu bringen und willkürlich Personen strafrechtlich zu verfolgen, die friedlich ihre Rechte auf Meinungs- und Vereinigungsfreiheit ausübten. Angaben der Nationalen Polizeibehörde zufolge waren im August auf der Grundlage des NSL 106 Personen angeklagt und 13 inhaftiert. Ende 2010 waren mindestens sieben Personen in Haft, weil sie friedlich ihr Recht auf Meinungsfreiheit ausgeübt hatten. Die Behörden benutzten weiterhin Artikel 7 des NSL ("Loben von oder Sympathisieren mit staatsfeindlichen Gruppen"), um Publikationen oder die Verteilung von Material zu unterbinden, das sie als "Nordkorea begünstigend" beurteilten.

  • Im Juni 2010 nahm die Staatsanwaltschaft Ermittlungen gegen Mitarbeiter der NGO People's Solidarity for Participatory Democracy (PSPD) auf. Sie waren der strafbaren Diffamierung, der "Behinderung der Durchführung hoheitlicher Aufgaben" und des Verstoßes gegen Artikel 7 des NSL angeklagt worden. Die Anklage hing mit einem Brief zusammen, den die PSPD an den UN-Sicherheitsrat geschrieben hatte. In diesem Brief äußerte die NGO Zweifel am Untersuchungsbericht Südkoreas über die im März erfolgte Versenkung des Marineboots Cheonan (siehe Länderbericht Nordkorea).
  • Im September 2010 entschied das Zentrale Bezirksgericht von Seoul zugunsten des Angeklagten Park Won-soon. Der Geheimdienst National Intelligence Service (NIS) hatte den Bürgerrechtler und Direktor des Hope-Instituts im Jahr 2009 auf 176000 US-Dollar Schadenersatz verklagt, da er den "Staat" verleumdet habe, als er in einem Interview erklärte, dass der Geheimdienst auf Wirtschaftsunternehmen Druck ausübe, damit sie zivilgesellschaftliche Gruppen nicht unterstützten.
  • Im Dezember 2010 forderte die Staatsanwaltschaft auf der Grundlage des NSL eine Gefängnisstrafe von sieben Jahren für Professor Oh Se-chul von der Gruppe der Sozialistischen Arbeiterliga (Socialist Workers League of Korea). Im August 2008 waren er und sechs Mitglieder der Gruppe wegen Verstoßes gegen Artikel 7 des NSL angeklagt worden. Versuche, die sieben Personen im Jahr 2008 auf der Grundlage des NSL zu inhaftieren, waren zweimal vom Zentralen Bezirksgericht Seoul verhindert worden.
  • Im Dezember 2010 sprach das Zentrale Bezirksgericht Seoul vier Produzenten und einen Redakteur der Radio- und Fernsehanstalt Munwha Broadcasting Corporation (MBC) frei. Sie waren beschuldigt worden, den früheren Landwirtschaftsminister und Unterhändler bei den Verhandlungen über Rindfleischimporte aus den USA verleumdet zu haben. Im Juni 2009 hatte die Staatsanwaltschaft die MBC-Mitarbeiter beschuldigt, in einem Beitrag der investigativen Dokumentarserie PD Notebook, der im April 2008 gesendet worden war, Fakten verfälscht, Aussagen vorsätzlich falsch übersetzt und die Gefahren durch Rindfleischimporte aus den USA übertrieben zu haben. Die Regierung hatte dem Sender vorgeworfen, damit die Proteste gegen die Rindfleischimporte aus den USA ausgelöst zu haben. Die Staatsanwaltschaft legte gegen das Urteil Rechtsmittel ein, und das Verfahren war vor dem Obersten Gerichtshof anhängig. Bereits im Januar hatte das gleiche Gericht die fünf MBC-Mitarbeiter freigesprochen. Die Staatsanwaltschaft hatte auch damals dagegen Einspruch erhoben.

Recht auf Versammlungsfreiheit

Die Behörden schränkten weiterhin das Recht auf friedliche Demonstrationen ein. Ein am 1. Oktober 2010 im Vorfeld des G-20-Gipfels erlassenes neues Gesetz verbot Demonstrationen in "Sicherheits- und Schutzbereichen". Bereitschaftspolizei, zumeist wehrdienstpflichtige Soldaten, wurden in großer Zahl vor Beginn des Gipfels zum Einsatz gebracht. Um eine gegen den G-20-Gipfel stattfindende Demonstration unter Kontrolle zu halten, wurde am 7. November Pfefferspray eingesetzt, das bei Hautkontakt ein schmerzhaftes Brennen verursacht.

  • Im November 2010 wurden sechs philippinische Aktivisten und eine Aktivistin, die nach Seoul reisen wollten, um an den Vorbereitungen der Nichtregierungsorganisationen für den G-20-Gipfel teilzunehmen, daran gehindert, nach Südkorea einzureisen, und unter Anwendung von Gewalt in ihr Heimatland zurückgeschickt. Während sie auf dem Internationalen Flughafen Incheon festgehalten wurden, erklärten ihnen Einwanderungsbeamte, dass sie auf der Schwarzen Liste der Regierung stünden.
  • Im November 2010 forderte die Staatsanwaltschaft, Park Rae-gun zu fünf Jahren und vier Monaten Gefängnis und Lee Jong-hoe zu vier Jahren Gefängnis wegen "Durchführung eines illegalen Protests" und "Behinderung des Verkehrs" zu verurteilen. Auf den Protestveranstaltungen war Gerechtigkeit für die bei einem Polizeieinsatz im Januar 2009 getöteten Menschen gefordert worden. Bei diesem Einsatz war die Polizei gegen Mieter vorgegangen, die auf einem Hausdach im Stadtteil Yongsan in Seoul gegen die Zwangsräumung ihrer Wohnungen protestiert hatten.
    Das Verfahren, das im Dezember stattfinden sollte, wurde auf Januar 2011 verschoben.

Wehrdienstverweigerer aus Gewissensgründen

Im November 2010 fanden vor dem Verfassungsgericht Anhörungen über die Frage statt, ob es eine Verletzung der Grundrechte darstelle, gegen Personen Strafen zu verhängen, die aus Gewissensgründen den Wehrdienst oder die Reservistenausbildung verweigern. Das Gericht beriet auch darüber, ob die fehlende Option, Ersatzdienst zu leisten, das Recht der Wehrdienstverweigerer auf Gewissensfreiheit verletze. Ende November befanden sich 965 Personen, die aus Gewissensgründen den Militärdienst verweigert hatten, in Haft.

Rechte von Migranten

Im Oktober 2010 beriet das Verfassungsgericht über die Frage, ob es mit der Verfassung vereinbar sei, gemäß den Bestimmungen des Systems der Arbeitsgenehmigungen (Employment Permit System - EPS) eine Frist für den Arbeitsplatzwechsel von Arbeitsmigranten zu setzen. Das EPS bestimmt, dass Migranten nach Beendigung eines Arbeitsverhältnisses innerhalb von drei Monaten einen neuen Arbeitsplatz finden müssen, da sie sonst ihr Aufenthaltsrecht verlieren. Tausende von Arbeitsmigranten wurden des Landes verwiesen.

  • Im November 2010 starb Trinh Cong Quan, ein 35-jähriger Arbeitsmigrant aus Vietnam, der keine Ausweispapiere hatte. Beim Versuch, Beamten der Einwanderungsbehörde zu entkommen, war er vom Gebäude der Fabrik gesprungen, in der er gearbeitet hatte. Die Einwanderungsbehörde hatte ohne Genehmigung des Arbeitgebers eine Razzia in der Fabrik durchgeführt. Die Durchsuchung war Teil einer Aktion der Regierung gegen Arbeiter, die keine gültigen Dokumente besaßen. Trinh Cong Quan hinterließ eine Frau und ein Kind in Südkorea.

Todesstrafe

Im Februar 2010 urteilte das Verfassungsgericht mit fünf zu vier Stimmen, dass die Todesstrafe "die Würde und den Wert des Menschen", die durch die Verfassung geschützt sind, nicht verletzt. Drei Gesetzentwürfe zur Abschaffung der Todesstrafe waren im Parlament anhängig. Einer davon war im Jahr 2010 vorgelegt worden. Todesurteile wurden verhängt, jedoch keine Hinrichtungen vollzogen. In den Gefängnissen saßen 63 zum Tode verurteilte Personen ein; drei von ihnen hatten Rechtsmittel gegen die Urteile eingelegt.

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