Amnesty International Report 2012 - The State of the World's Human Rights

Amtliche Bezeichnung: Republik Guinea
Staatsoberhaupt: Alpha Condé
Regierungschef: Mohamed Sad Fofana
Todesstrafe: nicht abgeschafft
Einwohner: 10,2 Mio.
Lebenserwartung: 54,1 Jahre
Kindersterblichkeit: 141,5 pro 1000 Lebendgeburten
Alphabetisierungsrate: 39,5%

Im Juli 2011 wurde Präsident Condés Amtssitz angegriffen. Polizei und Gendarmerie setzten exzessive Gewalt ein, wodurch mindestens drei Menschen getötet wurden. Auch im Jahr 2011 waren die Sicherheitsorgane für willkürliche Festnahmen sowie Folter und andere Misshandlungen verantwortlich, ohne strafrechtliche Konsequenzen befürchten zu müssen. Das Recht auf freie Meinungsäußerung blieb weiterhin eingeschränkt. 16 Menschen wurden zum Tode verurteilt. Es wurde eine nationale Menschenrechtskommission geschaffen.

Hintergrund

Nachdem der Amtssitz von Präsident Alpha Condé in Conakry, der Hauptstadt des Landes, im Juli zweimal mit Gewehrfeuer und Raketen angegriffen worden war, wuchs in Guinea im Vorfeld der für Ende 2011 angesetzten Parlamentswahlen die Furcht vor einer möglichen Destabilisierung des Landes. Sowohl Armeeangehörige als auch Zivilpersonen wurden unter dem Vorwurf festgenommen, die Angriffe organisiert zu haben. In einem Interview mit einem senegalesischen Radiosender erhob Präsident Condé auch Vorwürfe gegen Senegal, Gambia und Oppositionsführer in Guinea. Beide Länder wiesen die Vorwürfe zurück. Politische Gegner im Land kritisierten die Äußerungen des Präsidenten. Nachdem die Unabhängige Wahlkommission an den vorgeschlagenen Wahlterminen ohne vorherige Rücksprache mit der Opposition festhielt, wurden Zweifel an der Unabhängigkeit und Neutralität der Kommission laut. Bis Ende 2011 war kein Wahltermin bestätigt worden.

Im Februar 2011 stellte die UN-Hochkommissarin für Menschenrechte einen Bericht über Guinea vor. Darin äußerte sie sich u.a. besorgt darüber, dass Angehörige der Sicherheitsorgane und der Streitkräfte schon seit Jahrzehnten Menschenrechtsverletzungen begingen, ohne strafrechtliche Konsequenzen befürchten zu müssen. Ein weiterer Grund zur Sorge sei die sexuelle und geschlechtsspezifische Gewalt, die in einigen Fällen im Zusammenhang mit traditionellen Praktiken stehe. Der Bericht empfahl Guinea die Umsetzung der Empfehlungen der Universellen Regelmäßigen Überprüfung (UPR) durch den UN-Menschenrechtsrat von 2010, in denen u.a. der Aufbau einer engen Zusammenarbeit mit den UN-Vertragsorganen und den Sonderverfahren des Rats angeraten worden war. In den Empfehlungen war Guinea ferner nahegelegt worden, Vertretern des UN-Menschenrechtsrats regelmäßige Besuche zu gestatten. In einer darauf folgenden Resolution (A/HRC/RES16/36) unterstützte der UN-Menschenrechtsrat die Schlussfolgerung der UN-Hochkommissarin für Menschenrechte. Der Rat betonte erneut, dass Guinea Maßnahmen ergreifen müsse, um die Empfehlungen der internationalen Untersuchungskommission umzusetzen, vor allem im Hinblick auf die Bekämpfung der Straflosigkeit.

Im März 2011 schuf Präsident Condé per Dekret die Nationale Menschenrechtskommission. Im Juli erließ der Nationale Übergangsrat ein neues Gesetz über die Organisation und die Funktionen des Unabhängigen Nationalen Instituts für Menschenrechte.

Exzessive Gewaltanwendung

Der missbräuchliche Einsatz von Gewalt mit Todesfolge durch die Polizei und andere Ordnungskräfte hielt an. So wurden im September 2011 mindestens drei Menschen getötet, als mit scharfer Munition, Tränengas und Schlagstöcken gegen Demonstrierende vorgegangen wurde. Einer der Getöteten war Amadou Boye Barry. Die Demonstrierenden wollten an einer nicht genehmigten Demonstration teilnehmen, die sich gegen die Organisation der Wahlen richtete. In einer Erklärung des Kommunikationsministers gegenüber Amnesty International hieß es, dass zwei Menschen zu Tode gekommen seien. Der Vorfall werde gerichtlich untersucht.

Mögliche gewaltlose politische Gefangene

Es gingen Berichte ein, wonach Polizei und Armee für willkürliche Festnahmen und Inhaftierungen von Menschen verantwortlich waren. Bei den Inhaftierten könnte es sich um gewaltlose politische Gefangene handeln. Die meisten Festnahmen gingen mit unverhältnismäßiger Gewalt einher.

Im April 2011 wurde eine Gruppe von Anhängern der Union der demokratischen Kräfte in Guinea (Union des Forces Démocratiques de Guinée - UFDG), die sich zur Begrüßung des UFDG-Vorsitzenden Cellou Dalein Diallo am Flughafen von Conakry eingefunden hatte, von Sicherheitskräften unter exzessiver Gewaltanwendung aufgelöst. Mindestens 25 Menschen wurden dabei verletzt. Mehrere Personen wurden festgenommen, darunter auch die beiden Soldaten Alpha Abdoulaye Sow und Abdoulaye Diallo, die für die Sicherheit des UFDG-Vorsitzenden abgestellt worden waren. Die beiden Männer wurden wegen der "Teilnahme an einer verbotenen Demonstration, Vandalismus und Gewalt" zu Freiheitsstrafen verurteilt, im August jedoch begnadigt.

Im September 2011 wurden mehr als 300 Menschen wegen der Teilnahme an einer verbotenen Demonstration festgenommen, die sich gegen die Art und Weise richtete, wie die Wahlen organisiert wurden. Einige ließ man später frei. Mehr als 50 Festgenommene wurden zu Freiheitsstrafen von einem Monat bis zu einem Jahr verurteilt; 95 weitere erhielten Freiheitsstrafen, die zur Bewährung ausgesetzt wurden.

Folter und andere Misshandlungen

Nach wie vor folterten und misshandelten Soldaten und Polizeibeamte Häftlinge und andere Personen, ohne sich dafür strafrechtlich verantworten zu müssen.

  • Im Februar 2011 wurde in der Stadt Mamou ein Mann festgenommen und auf die Polizeiwache gebracht, weil er Straßensperren errichtet hatte. Er wurde mit Handschellen so an ein Fenster gefesselt, dass seine Füße den Boden nur knapp berührten. In dieser Stellung musste er acht Stunden lang ausharren. In dieser Zeit wurde er geschlagen und mit einem Stück Holz zwischen Knien und Ellbogen in einer Hockposition aufgehängt.
  • Im April 2011 wurde ein UFDG-Anhänger auf dem Weg zum Flughafen von Dixinn von Soldaten festgenommen. Auf einer Polizeiwache in Conakry verband man ihm die Augen und bedrohte ihn.

Recht auf freie Meinungsäußerung - Journalisten

  • Die für den Sender Radio Liberté de Nzérékoré tätigen Journalisten Daniel Loua und Théodore Lamah wurden im Januar festgenommen und beschuldigt, "zu Gewalt aufzurufen und den Frieden zu stören", weil sie während einer Radiosendung die mögliche Rückkehr des ehemaligen Präsidenten Camara thematisiert hatten. Sie wurden nach einem Tag freigelassen.
  • Im Mai versuchten Soldaten den Herausgeber der Zeitung L'indépendant-Le Démocrate Mamadou Dian Diallo und andere Journalisten festzunehmen, nachdem in der Zeitung ein Artikel über Gehaltserhöhungen in den Streitkräften erschienen war. Nach Vermittlung durch zwei Menschenrechtsorganisationen verließen die Soldaten die Räume der Zeitung.
  • Im Juli verbot der Nationale Kommunikationsrat sämtlichen guineischen und ausländischen Medien, über den Angriff auf den Amtssitz von Präsident Condé zu berichten. Das Verbot wurde drei Tage später aufgehoben.

Straflosigkeit

Die in den Reihen der Streitkräfte herrschende Straflosigkeit und der Mangel an Disziplin waren nach wie vor besorgniserregend.

  • Noch immer warteten die Angehörigen von mehr als 150 Menschen, die im September 2009 getötet, und mehr als 40 Frauen, die öffentlich vergewaltigt worden waren, auf eine juristische Aufarbeitung dieser Gräueltaten.
    Zu den Tötungen und Vergewaltigungen war es gekommen, als Sicherheitskräfte eine friedliche Protestkundgebung gegen die Militärjunta des damaligen Präsidenten Camara gewaltsam beendeten. Eine UN-Untersuchungskommission kam im Dezember 2009 zu dem Schluss, es sei begründet, das Geschehene als Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu bezeichnen. Obwohl 2010 ein Ermittlungsverfahren eingeleitet worden war, waren die für das Massaker mutmaßlich Verantwortlichen bis Ende 2011 weder vom Dienst suspendiert noch vor Gericht gestellt worden.

Todesstrafe

Ein Gericht in der Stadt Kankan verurteilte im September 16 Menschen zum Tode, davon acht in Abwesenheit. Das Gericht hatte die Verurteilten nach gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen zwei ethnischen Gruppen des "Mordes, besonders gewalttätigen Totschlags und verbrecherischen Komplotts sowie der Zerstörung von Eigentum" für schuldig befunden. Bei den Auseinandersetzungen waren mindestens 25 Menschen getötet worden.

Die Todesurteile standen im Widerspruch zu Aussagen, die Präsident Condé im Juli bei einem Treffen mit ausländischen Diplomaten gemacht hatte. Er hatte erklärt, dass es in Guinea keine Todesstrafe gebe und dass Todesurteile unter keinen Umständen hinnehmbar seien, auch dann nicht, wenn sie gegen Personen verhängt würden, die einen Anschlag auf den Präsidenten der Republik verübt hätten, da auch das ihn nicht wieder lebendig machen würde.

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