Document #1198693
Amnesty International (Author)
Amtliche Bezeichnung: Königreich Thailand
Staatsoberhaupt: König Bhumibol Adulyadej
Regierungschefin: Yingluck Shinawatra (löste im August Abhisit Vejjajiva im Amt ab)
Todesstrafe: nicht abgeschafft
Einwohner: 69,5 Mio.
Lebenserwartung: 74,1 Jahre
Kindersterblichkeit: 13,5 pro 1000 Lebendgeburten
Alphabetisierungsrate: 93,5%
Der bewaffnete Konflikt im Süden Thailands wurde mit zunehmender Gewalt ausgetragen. Die Aufständischen nahmen verstärkt Zivilpersonen ins Visier und verübten willkürliche Angriffe, bei denen Zivilpersonen ums Leben kamen. Die Sicherheitskräfte folterten und misshandelten weiterhin Gefangene im Süden des Landes. Im achten Jahr in Folge wurde kein einziger Angehöriger der Sicherheitskräfte wegen der im südlichen Landesteil verübten Menschenrechtsverletzungen verurteilt. Es kam auch zu keiner strafrechtlichen Verfolgung wegen der Tötungen bei den gegen die Regierung gerichteten Demonstrationen im Jahr 2010. Die Behörden beantworteten friedlich vorgebrachte Meinungsäußerungen weiterhin mit strafrechtlicher Verfolgung. Das geschah hauptsächlich auf der Grundlage des Gesetzes über Majestätsbeleidigung und des Gesetzes über Computerdelikte. Die Behörden verstärkten besonders während der massiven Überschwemmungen die Auflagen für Asylsuchende und Flüchtlinge aus Myanmar und beuteten Arbeitsmigranten aus den Nachbarländern aus.
Bei den im Juli 2011 durchgeführten nationalen Wahlen wurde Yingluck Shinawatra, die Schwester des abgesetzten Ministerpräsidenten Thaksin Shinawatra, zur Ministerpräsidentin gewählt. Ihre Partei Puea Thai gewann die absolute Mehrheit im Parlament. Die Partei konnte sich jedoch keine Parlamentssitze aus den drei südlichen von Aufständen zerrütteten Provinzen des Landes sichern, wo die Angriffe erheblich zunahmen und die Zahl der während der letzten acht Jahre registrierten Todesopfer auf 5000 anstieg. Die seit sechs Jahren anhaltende politische Krise setzte sich fort. Während des Wahlkampfs kam es zu Gewaltausbrüchen, und später im Jahr traten Spannungen zwischen der neuen Regierung und dem Militär auf. Die Wahrheits- und Versöhnungskommission, die nach den Demonstrationen in den Monaten April und Mai 2010 ins Leben gerufen worden war, veröffentlichte ihre ersten beiden Berichte mit Empfehlungen.
Im August 2011 besuchte der UN-Sonderberichterstatter über Menschenhandel Thailand. Im Oktober wurde die Menschenrechtssituation in Thailand auf der Grundlage der Universellen Regelmäßigen Überprüfung (UPR) durch den UN-Menschenrechtsrat begutachtet.
Wie schon in der Vergangenheit handelte es sich auch im Berichtsjahr bei den meisten im bewaffneten Konflikt in Südthailand Getöteten um Zivilpersonen, mehr als die Hälfte von ihnen waren Muslime. Die Aufständischen setzten bei ihren willkürlichen Angriffen zunehmend Bomben und selbst gebaute Sprengkörper ein, auch gegen Zivilpersonen, wobei es Verletzte gab. Diese Attacken hatten teilweise das Ziel, Panik unter der Zivilbevölkerung zu verbreiten.
Im achten Jahr in Folge wurde in den drei südlichsten Provinzen Thailands kein Beamter oder Angehöriger der thailändischen Sicherheitskräfte wegen Verbrechen im Zusammenhang mit Menschenrechtsverletzungen verurteilt. Ursächlich dafür war zum Teil Artikel 17 der Notstandsverordnung, die dort - mit Ausnahme eines Distrikts - seit Juli 2005 in Kraft ist. Die Verordnung gewährt Beamten, die derartige Taten bei der Durchführung ihrer Aufgaben begingen, Immunität vor strafrechtlicher Verfolgung. Niemand wurde wegen der Tötung von 85 Muslimen durch die Behörden vor Gericht gestellt, die sich im Oktober 2004 im Distrikt Tak Bai in der Provinz Narathiwat verübt worden war. Ebenso wenig kam es im Fall des im März 2008 durch Folter in Gewahrsam zu Tode gekommenen Imam Yapha Kaseng zu einer strafrechtlichen Verfolgung.
Die Abteilung für Sonderermittlungen beim Justizministerium (Department of Special Investigation) kam zu dem Ergebnis, dass die Sicherheitskräfte für mindestens 16 Todesfälle während der gegen die Regierung gerichteten Demonstrationen zwischen April und Mai 2010 verantwortlich waren. Ihre Fälle wurden der Generalstaatsanwaltschaft vorgelegt, um über eine Untersuchung vor Gericht zu entscheiden. Niemand wurde für den Tod dieser 16 Personen oder eine der weiteren 76 Tötungen zur Verantwortung gezogen.
Die Meinungsfreiheit wurde weiterhin unterdrückt, und zwar hauptsächlich auf der Grundlage des Gesetzes über Majestätsbeleidigung (Lèse Majesté Act, Artikel 112 des Strafgesetzbuchs), des Gesetzes über Computerdelikte (Computer-related Crimes Act) und durch Einschüchterung der Medien. Die meisten der auf der Grundlage dieser Gesetze inhaftierten, angeklagten und/oder verurteilten Personen waren gewaltlose politische Gefangene. Am 1. Dezember 2011 weihte die Regierung das Zentrum für Sicherheit im Netz (Cyber Security Operation Centre) ein, um Verbrechen im Internet zu unterbinden, insbesondere Straftaten gegen die Monarchie auf Social-Media- Webseiten.
Nachdem der Generalsekretär des Nationalen Sicherheitsrats und der Gouverneur der Provinz Tak Anfang des Jahres zunächst erklärt hatten, dass die Flüchtlinge aus Myanmar repatriiert würden, gab die Regierung während der Begutachtung der Menschenrechtslage in Thailand im Rahmen der Universellen Regelmäßigen Überprüfung (UPR) durch den UN-Menschenrechtsrat die Zusage, ihrer internationalen Verpflichtung nachzukommen, keine Menschen in Länder zurückzuschicken, in denen diese verfolgt würden.
Die Zahl der Flüchtlinge in Thailand wuchs weiter an, und die Wiederansiedlung in Drittstaaten wurde fortgesetzt. Ende 2011 lebten fast 150000 Flüchtlinge in neun Lagern an der Grenze zu Myanmar. Im fünften Jahr in Folge setzte die Regierung jedoch ihr Verfahren zur Überprüfung der Asylsuchenden aus, so dass fast die Hälfte der in den Lagern untergebrachten Menschen nicht registriert war. Die Behörden behinderten Hilfsorganisationen dabei, diese Menschen mit Nahrungsmitteln zu versorgen und ihnen andere humanitäre Hilfe zukommen zu lassen. Asylsuchende wurden weiterhin festgenommen, auf unbestimmte Zeit inhaftiert und in Länder zurückgeführt, in denen sie dem Risiko der Verfolgung ausgesetzt waren.
Während der ausgedehnten Überschwemmungen, die im August eingesetzt hatten, nahmen die Migrationsbehörden und die Polizei viele Migranten fest, die ihre Personaldokumente während der Überschwemmungen verloren hatten oder deren Papiere von ihren Arbeitgebern einbehalten worden waren. Die Behörden ordneten ihre Rückführung an und erpressten Geld von ihnen. Arbeitsmigranten, die ohne Pass an die Grenze zu ihrem Herkunftsland zurückkehrten, wurden häufig an Einwanderungskontrollstellen aufgehalten und - insbesondere im Fall von Arbeitern aus Myanmar - festgenommen und inhaftiert. Im Allgemeinen folgte darauf die Rückführung, die manchmal in der Nacht durchgeführt wurde. Von einigen der Rückgeführten wurde dabei Geld erpresst, entweder direkt von den thailändischen Behörden oder mit deren Wissen.
Als Reaktion auf Berichte, dass Migranten von Notunterkünften, die für die Allgemeinheit bestimmt waren, abgewiesen würden, errichtete die Regierung im November 2011 mindestens eine Notunterkunft für Migranten.
Es gingen 2011 keine Berichte über Hinrichtungen ein. Die thailändischen Gerichte verhängten im Berichtsjahr 40 Todesurteile. Dies stellt einen leichten Rückgang im Vergleich zu den vergangenen Jahren dar, in denen durchschnittlich etwa ein Todesurteil pro Woche erging. Die im Todestrakt Inhaftierten wurden weiterhin während der gesamten Haft in Fußeisen gelegt, obwohl ein - inzwischen angefochtener - Gerichtsentscheid dies im Jahr 2009 für rechtswidrig erklärt hatte.
Delegierte von Amnesty International besuchten Thailand
im September.
© Amnesty International
Amnesty International Report 2012 - The State of the World's Human Rights (Periodical Report, English)