Document #1175877
Amnesty International (Author)
Hunderte von Personen in Innenstadtvierteln fielen Mörderbanden zum Opfer oder wurden von Polizisten getötet. Sexuelle Gewaltanwendung gegen Frauen und Mädchen war weit verbreitet. Es gab Berichte über Diskriminierung von Lesben und Schwulen. Mindestens zwei Personen wurden 2009 zum Tode verurteilt, Hinrichtungen fanden jedoch nicht statt.
Die Sicherheitssituation blieb kritisch. Gewaltanwendung durch Banden in marginalisierten innerstädtischen Vierteln führte Berichten zufolge zwischen Januar und September 2009 zum Tod von 1198 Menschen. Der Minister für Nationale Sicherheit und der Polizeichef quittierten im April bzw. November ihre Ämter, nachdem der Premierminister Kritik daran geäußert hatte, dass es nicht gelungen sei, die Mordrate zu senken.
Eine neue Charta über grundlegende Rechte und Freiheiten wurde im April dem Parlament vorgelegt und befand sich Ende 2009 noch im Stadium der Beratung. Die Charta, die Absatz III der Verfassung ersetzen soll, wurde von jamaikanischen Menschenrechtsorganisationen kritisiert, weil ihr Anwendungsbereich nicht umfassend genug und die Öffentlichkeit nicht ausreichend konsultiert worden sei.
Die Zahl der Personen, die Berichten zufolge durch Polizisten getötet wurden, stieg 2009 auf 253 an, verglichen mit 224 im Jahr 2008. Die hohe Zahl der von der Polizei verübten Tötungen lässt angesichts von Aussagen von Augenzeugen und anderen Indizien den Schluss zu, dass viele dieser Tötungen rechtswidrig waren.
Die Polizeikräfte (Jamaica Constabulary Force - JFC) begannen damit, die Empfehlungen einer strategischen Überprüfung der JCF umzusetzen. Jamaikanischen Menschenrechtsorganisationen zufolge waren die den Abteilungen für Ballistik, Forensik und Pathologie zur Verfügung gestellten Ressourcen weiterhin unzureichend, obwohl die Anzahl der in Tatortuntersuchung ausgebildeten Polizeibeamten erhöht worden war. Die Unabhängigkeit dieser Abteilungen, die weiterhin der Polizeidirektion unterstehen, wurde gleichfalls in Frage gestellt.
Das Parlament beriet über einen Gesetzentwurf, der die Schaffung einer unabhängigen Kommission zur Untersuchung der von Sicherheitskräften begangenen Übergriffe vorsah. Zum Jahresende waren die Beratungen jedoch noch nicht abgeschlossen.
Angaben des Justizministers zufolge war Anfang November 2009 mit der Umsetzung von 70 der insgesamt 200 Empfehlungen begonnen worden, die eine Arbeitsgruppe für die Reform des Justizsystems (Justice System Reform Task Force) vorgelegt hatte. Das Parlament verabschiedete ein Gesetz, mit dem das spezielle Amt eines Coroners (Beamter, der die Todesursache in Fällen gewaltsamen oder unnatürlichen Todes untersucht) geschaffen wurde, um die Untersuchung neuer Fälle von Schusswaffengebrauch mit Todesfolge durch die Polizei zu beschleunigen. Bis zum Jahresende 2009 kam es jedoch nicht zur Einrichtung der Behörde. Mehr als eineinhalb Jahre nach der Vorlage eines Gesetzesvorhabens zur Schaffung des Amtes eines Sonderstaatsanwalts für die Untersuchung von Korruption durch Staatsbedienstete hatte das Parlament das Gesetz noch nicht verabschiedet.
Eine Studie von Gesundheitswissenschaftlern über den Zusammenhang zwischen der Schwangerschaft von Heranwachsenden und sexueller Gewalt zeigte, dass 49% der 750 erfassten Mädchen im Alter zwischen 15 und 17 Jahren sexuellem Zwang oder sexueller Gewalt ausgesetzt gewesen waren. Die Studie hob die Notwendigkeit hervor, die geschlechtsbasierte Gewalt auf Ebene der Gemeinde anzugehen.
Im Juli wurde das Gesetz über sexuelle Delikte (Sexual Offences Act), mit dem mehrere Gesetze, die sich auf Vergewaltigung, Inzest und andere sexuelle Straftaten beziehen, reformiert und zusammengefasst wurden, vom Parlament verabschiedet. Obwohl Frauenorganisationen das Gesetz grundsätzlich begrüßten, äußerten sie auch Bedenken wegen der restriktiven Definition von Vergewaltigung. So kriminalisiert das Gesetz zwar Vergewaltigung in der Ehe, aber nur unter gewissen Umständen.
Während einer Parlamentsdebatte stellte ein Mitglied des Parlaments das Recht von Schwulen und Lesben in Frage, Organisationen zu bilden, und forderte lebenslange Haft für homosexuelle Handlungen. Obwohl sich der Premierminister von diesen Äußerungen distanzierte, stellte er klar, dass seine Regierung Analverkehr nach wie vor als Verbrechen ansehe (crime of buggery), für das gegenwärtig eine Strafdrohung von bis zu zehn Jahren Haft gilt.
Mindestens zwei neue Todesurteile wurden 2009 gefällt, doch fanden keine Hinrichtungen statt. Drei Menschen befanden sich am Jahresende im Todestrakt. Im Juli hatte der Premierminister erklärt, dass die Regierung der 2008 von der Abgeordnetenkammer getroffenen Entscheidung für die Beibehaltung der Todesstrafe mit der Wiederaufnahme von Exekutionen entsprechen werde, sobald die Rechtsmittel, die den zum Tode verurteilten Gefangenen zur Verfügung stehen, ausgeschöpft seien.
Delegierte von Amnesty International besuchten Jamaika im Februar.
Public security reforms and human rights in Jamaica (AMR 38/001/2009)
© Amnesty International
© Amnesty International
Amnesty International Report 2010 - The State of the World's Human Rights (Periodical Report, English)