Document #1166848
AI – Amnesty International (Author)
Amtliche Bezeichnung: Italienische Republik
Staatsoberhaupt: Giorgio Napolitano
Regierungschef: Silvio Berlusconi
Todesstrafe: für alle Straftaten abgeschafft
Einwohner: 59,9 Mio.
Lebenserwartung: 81,1 Jahre
Kindersterblichkeit (m/w): 5/4 pro 1000 Lebendgeburten
Alphabetisierungsrate: 98,9%
Auch 2009 kam es immer wieder zu Zwangsräumungen von Roma-Siedlungen. Behördenmaßnahmen zur Migrationskontrolle gefährdeten die Rechte von Migranten und Asylsuchenden. Das Land schob weiterhin Flüchtlinge in Länder ab, in denen ihnen schwere Menschenrechtsverstöße drohten. Agenten des italienischen Geheimdienstes und der CIA wurden wegen ihrer Rolle im US-amerikanischen Programm rechtswidriger Gefangenenüberstellungen verurteilt. Es gab erneut Berichte über Todesfälle im Gewahrsam der Sicherheitskräfte sowie Vorwürfe über Folterungen und Misshandlungen durch Polizeikräfte.
Roma hatten noch immer keinen gleichberechtigten Zugang zum Arbeits- und Wohnungsmarkt, zum Gesundheitswesen und zum Bildungssystem. Es wurden neue gesetzliche Bestimmungen erlassen, die zu weiterer Diskriminierung führen können.
Zwangsräumungen
Rechtswidrige Zwangsräumungen trieben viele Roma noch tiefer in die Armut. Dies galt für Roma mit italienischer Staatsbürgerschaft ebenso wie für diejenigen, die Staatsangehörige anderer Länder innerhalb oder außerhalb der EU waren.
Rechtliche Entwicklungen
Mit dem neuen Gesetz Nr. 94/2009 (einem Teil des sogenannten Sicherheitspakets) konnten die lokalen Behörden ab August unbewaffneten Bürgern, die nicht den staatlichen Ordnungskräften angehören, die Genehmigung erteilen, im Stadtgebiet zu patrouillieren. Nachdem es in den vergangenen Jahren wiederholt zu Übergriffen organisierter Gruppen von Bürgern gegen Roma und Migranten gekommen war, könnte die Umsetzung dieser Bestimmung zu weiterer Diskriminierung und zu Selbstjustiz führen.
Im Januar kritisierte die UN-Arbeitsgruppe für willkürliche Inhaftierungen, dass Migranten und Asylsuchende routinemäßig inhaftiert wurden, ohne dass die Notwendigkeit dieser Maßnahme im Einzelfall geprüft wurde. Dies geschah häufig ohne jegliche rechtliche Grundlage und betraf auch Minderjährige. Asylsuchende durften das Aufnahmezentrum, in dem sie festgehalten wurden, nicht verlassen, bis sie eine offizielle Eingangsbestätigung ihres Asylantrags erhalten hatten. Die Aufnahmeformalitäten konnten bis zu einem Monat dauern. Auch 2009 kam es zu Abschiebungen ohne Berücksichtigung der individuellen Situation und Schutzbedürftigkeit.
Rechtliche Entwicklungen
Mit einem neuen, im Rahmen des sogenannten Sicherheitspakets verabschiedeten Gesetz wurde der Straftatbestand der "illegalen Einwanderung" geschaffen. Das Strafverfahren gegen einen illegal eingereisten Asylsuchenden wird bei der Asylantragstellung lediglich ausgesetzt. Eine Einstellung des Verfahrens erfolgt nur, wenn dem Asylantrag stattgegeben wurde.
Die neuen Bestimmungen gaben Anlass zu der Befürchtung, dass Migranten ohne regulären Aufenthaltsstatus künftig keine Bildungsangebote und Gesundheitsdienste in Anspruch nehmen oder sich als Opfer von Straftaten an die Behörden wenden würden, aus Angst der Polizei gemeldet zu werden. Dies galt umso mehr, als die Bestimmungen des Strafgesetzes alle staatlichen Angestellten (wie z. B. Lehrer und Mitarbeiter lokaler Behörden, einschließlich der Meldebehörden) dazu verpflichteten, jede Straftat der Polizei oder der Justiz zu melden.
Internationale Verpflichtungen in Bezug auf Flüchtlinge und Migranten
Meinungsverschiedenheiten zwischen den Regierungen Italiens und Maltas, wer zu Rettungsaktionen auf See verpflichtet sei, führten dazu, dass sich Migranten oft tagelang ohne Wasser und Nahrung in Seenot befanden und in Lebensgefahr schwebten.
Die italienischen Behörden fällten die beispiellose Entscheidung, aus Seenot gerettete Migranten und Asylsuchende ohne Prüfung ihrer Fluchtgründe und eines eventuellen Anspruchs auf internationalen Schutz in die libysche Hauptstadt Tripolis zu bringen. Libyen hat die Genfer Flüchtlingskonvention von 1951 nicht unterzeichnet. Auch gibt es in dem Land kein funktionierendes Asylverfahren, so dass es kaum möglich ist, internationalen Schutz zu erhalten. Nach Angaben der italienischen Regierung wurden 2009 in den Monaten Mai bis September 834 auf See aufgegriffene bzw. aus Seenot gerettete Flüchtlinge nach Libyen gebracht, wo sie von schweren Menschenrechtsverletzungen bedroht waren. Dies stellte einen klaren Verstoß gegen den Grundsatz des Non-Refoulement (Abschiebungsverbot) dar.
Die Kooperation der italienischen Behörden bei der Untersuchung der Menschenrechtsverstöße, die im Rahmen des US-amerikanischen Programms außerordentlicher Gefangenenüberstellungen begangen wurden, war unzureichend. Unter dem Vorwand der Sicherheit des Landes setzte Italien seine Politik fort, Angehörige von Drittstaaten in Länder abzuschieben, in denen sie von Folter bedroht waren. Italien nahm 2009 zwei Guantánamo-Häftlinge auf.
Außerordentliche Überstellungen
Die Angeklagten wurden wegen ihrer Beteiligung an der Entführung von Usama Mostafa Hassan Nasr (besser bekannt unter dem Namen Abu Omar) im Februar 2003 verurteilt. Dieser wurde in Mailand gekidnappt und mit einem Flugzeug via Deutschland nach Ägypten gebracht, wo er 14 Monate lang in geheimer Haft gefangen gehalten und nach eigenen Aussagen gefoltert wurde. Drei weitere US-Bürger, darunter der damalige CIA-Chef in Italien, genossen diplomatische Immunität, und die Verfahren gegen sie wurden eingestellt. Auch zwei Mitarbeiter des italienischen Militärgeheimdienstes SISMI wurden schuldig gesprochen und zu drei Jahren Haft verurteilt. Die Anklagen gegen den ehemaligen SISMI-Chef, seinen Stellvertreter und drei weitere italienische Staatsbürger wurden unter dem Verweis auf "Staatsgeheimnisse" fallen gelassen.
Das Mailänder Gericht sprach Abu Omar und seiner Frau Nabila Ghali wegen der Misshandlungen und dem erlittenen Unrecht eine Entschädigung von einer Million bzw. 500000 Euro zu.
Abschiebungen
Ungeachtet mehrerer einschlägiger Urteile internationaler Gerichte nahmen die italienischen Behörden gemäß dem 2005 eingeführten Pisanu-Gesetz (Gesetz Nr. 155/05), das die Ausweisung Terrorverdächtiger vorsieht, auch 2009 Abschiebungen nach Tunesien vor, obwohl Gefangene dort nachweislich von Folter und Misshandlung bedroht waren.
Guantánamo Bay
Am 30. November 2009 wurden die beiden Tunesier Adel Ben Mabrouk und Riadh Nasseri, die ohne Anklageerhebung im US-Gefangenenlager Guantánamo Bay festgehalten worden waren, nach Italien überstellt. Gegen die beiden Männer, die nach ihrer Ankunft festgenommen wurden, sind Strafverfolgungsmaßnahmen eingeleitet worden, offenbar wegen des Verdachts terroristischer Straftaten. Am Jahresende befanden sie sich noch immer in einem Mailänder Gefängnis unter höchsten Sicherheitsbedingungen.
Es gab zahlreiche Vorwürfe über die Folterung und Misshandlung von Häftlingen durch Bedienstete der Strafverfolgungsbehörden sowie Berichte über umstrittene Todesfälle im Gewahrsam. Italien versäumte es weiterhin, ein unabhängiges Organ zur Bearbeitung von Beschwerden gegen die Polizei einzurichten. Folter wurde gesetzlich nach wie vor nicht als Straftatbestand erfasst.
Es waren mehrere Rechtsmittelverfahren anhängig, die sich auf Urteile aus dem Jahr 2008 bezogen. Dabei handelte es sich um Urteile gegen Polizeikräfte wegen der Misshandlung von Demonstranten in der Armando-Diaz-Schule und in der Polizeikaserne Bolzaneto während des G8-Gipfels 2001.
Delegierte von Amnesty International besuchten Italien im März, im Juli und im Oktober.
Italy: Forcible return/fear of torture or other ill-treatment (EUR 30/001/2009)
Italy/Malta: Obligation to safeguard lives and safety of migrants and asylum-seekers (EUR 30/007/2009)
Italy: Homophobic attacks on the rise in Italy (EUR 30/010/2009)
Italy: The Abu Omar case (EUR 30/012/2009)
Italy: Roma community forcibly evicted (EUR 30/013/2009)
© Amnesty International
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Amnesty International Report 2010 - The State of the World's Human Rights (Periodical Report, English)