Document #1162769
AI – Amnesty International (Author)
Die große Mehrheit der Personen, die für Menschenrechtsverletzungen während des Bürgerkriegs (1960-96) verantwortlich waren, wurde nicht zur Rechenschaft gezogen. Gewalt gegen Frauen und die fehlenden Möglichkeiten für Frauen, dagegen rechtlich vorzugehen, gaben weiterhin Anlass zu großer Besorgnis. Etliche Menschenrechtsverteidiger waren Angriffen und Bedrohungen ausgesetzt.
Im Mai 2009 wurde der Rechtsanwalt Rodrigo Rosenberg Marzano ermordet. Er hatte zuvor ein Video aufgenommen, in dem er Präsident Álvaro Colom und Mitglieder der Regierung im Fall seiner Ermordung für seinen Tod verantwortlich machte. Nach seiner Ermordung gelangte das Video an die Öffentlichkeit. Der Mord und die Videobotschaft lösten im ganzen Land Proteste gegen die Regierung sowie Gegenproteste von Regierungssympathisanten aus. Die UN-gestützte Internationale Kommission zur Bekämpfung der Straflosigkeit in Guatemala (Comisión Internacional Contra la Impunidad en Guatemala - CICIG) untersuchte den Fall und ermöglichte so die Festnahme von neun Männern im September, darunter Polizisten, die entweder noch im Amt oder schon aus dem Dienst ausgeschieden waren. Sie wurden beschuldigt, Rodrigo Rosenberg getötet zu haben. Im Dezember kam es zur Festnahme von zwei weiteren Männern.
Im Oktober verabschiedete die UN-Generalversammlung eine Resolution, die die CICIG unterstützte und die UN und die Regierung ersuchte, der CICIG bei ihren Bemühungen zu helfen, strafrechtliche Untersuchungen und Strafverfolgungsverfahren zu verbessern sowie die im April verabschiedeten Gesetze über öffentliche Sicherheit umzusetzen.
Zehn Jahre nachdem die UN-gestützte Kommission zur Historischen Aufklärung (Comisión para el Esclarecimiento Histórico) ihren Bericht Memoria del Silencio (Gedächtnis des Schweigens) über die Untersuchung schwerer und weit verbreiteter Menschenrechtsverletzungen während des Bürgerkriegs veröffentlicht hatte, waren erst wenige der hierfür Verantwortlichen vor Gericht gebracht worden.
Im Februar forderte das Verfassungsgericht das Verteidigungsministerium auf, im Zusammenhang mit einem laufenden Rechtsverfahren gegen ehemalige hochrangige Militärangehörige, die wegen der Ermordung von Angehörigen indigener Völker des Genozids beschuldigt wurden, Akten auszuhändigen. Diese Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen waren während des Bürgerkriegs begangen worden. Zu den Straftaten, die den Männern zur Last gelegt wurden, zählte auch das Massaker von 1982 an etwa 250 Frauen, Kindern und Männern in Plan de Sánchez im Departamento Baja Verapaz. Das Verteidigungsministerium verweigerte die vollständige Herausgabe der Dokumente und behauptete, dass einige verloren gegangen seien. Das Ministerium hatte zuvor nie von einem Verlust von Dokumenten gesprochen, obwohl sich das Rechtsverfahren über die Offenlegung der Dokumente bereits über mehr als zwei Jahre hinzog. Am Jahresende war es noch nicht zur Offenlegung der Dokumente gekommen, und das Verteidigungsministerium fuhr fort, Rechtsmittel gegen die Entscheidung des Verfassungsgerichts einzulegen.
Im August wurde ein ehemaliges Mitglied der Bürgerwehrpatrouillen (Patrullas de Defensa Civil) des "Verschwindenlassens" von sechs Menschen zwischen 1982 und 1984 in der Gemeinde Choatalúm im Departamento Chimaltenango für schuldig befunden. Die Bürgerwehrpatrouillen fungierten während des Bürgerkriegs als zivile Hilfsdienste des Militärs. Der Beschuldigte wurde zu einer Haftstrafe von 125 Jahren verurteilt. Im Dezember ergingen gegen drei ehemalige Mitglieder der Bürgerwehrpatrouillen und einen pensionierten Oberst Haftstrafen von jeweils 50 Jahren wegen des "Verschwindenlassens" von acht Menschen im Jahr 1981 im Dorf El Jute im Departamento Chimaltenango.
Der Bericht des UN-Sonderberichterstatters über außergerichtliche, summarische oder willkürliche Hinrichtungen stellte fest, dass in Guatemala weiterhin Bandenmitglieder oder krimineller Handlungen Verdächtigte hingerichtet werden. Laut Angaben des Sonderberichterstatters lagen lokalen Organisationen Beweise dafür vor, dass Angehörige der Polizeikräfte wiederholt direkt oder indirekt an diesen Tötungen beteiligt waren. Im Bericht hieß es ferner, dass es eine Zunahme bei Lynchmorden gebe. Diese richteten sich hauptsächlich gegen Personen, die verdächtigt werden, einen Raub begangen zu haben. Der UN-Sonderberichterstatter wies gleichzeitig darauf hin, dass die Behörden keine geeigneten Schritte unternähmen, um diese Morde zu verhindern.
Im Februar forderte der UN-Ausschuss für die Beseitigung der Diskriminierung der Frau die Regierung zu größeren Anstrengungen auf, um Gewalt gegen Frauen zu verhindern, das hohe Maß an Armut und sozialer Ausgrenzung von Frauen zu reduzieren und gegen ihre Benachteiligung auf dem Arbeitsmarkt anzugehen.
Im März verabschiedete der Kongress ein Gesetz zur Bekämpfung von sexueller Gewalt, Ausbeutung von Menschen und Menschenhandel. Laut Angaben der Regierung wurden 2009 insgesamt 717 Frauen getötet; dies bedeutet einen Anstieg gegenüber dem Vorjahr. Viele der getöteten Frauen waren vergewaltigt und ihre Körper verstümmelt worden.
Lokale Menschenrechtsorganisationen meldeten etliche Angriffe und Drohungen gegen Menschenrechtsverteidiger. Die meisten Täter wurden nicht zur Rechenschaft gezogen.
Bis zum Jahresende waren keine Ermittlungen zu diesen Vorfällen aufgenommen worden.
Todesstrafe
2009 wurden keine Todesurteile verhängt, und niemand wurde hingerichtet. Ende des Jahres befanden sich noch 15 Personen in den Todeszellen.
Police involvement in killings in Guatemala (AMR 34/010/2009)
© Amnesty International
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Amnesty International Report 2010 - The State of the World's Human Rights (Periodical Report, English)